Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 25/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 106/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger ist am 00.00.1949 geboren und italienischer Staatsangehöriger. Er hat keinen regulären Ausbildungsberuf mit Abschluss erlernt. Er war seit 1966 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Er arbeitete zunächst als angelernter Arbeiter in einem Betrieb für Lacke und Farben, um später nach innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen ab ca. 1981 als EDV-Operator tätig zu sein. Als solcher war er bis 31.12.2003 tätig, zuletzt bei einer Firma M1. Nach deren Arbeitgeber-Auskunft wurde der Kläger dafür nach Tarifgruppe E 9 des Chemie-Tarifvertrages NRW bezahlt (Beschreibung Bl. 72 der Gerichtsakte). Diese Tätigkeit habe Weiterbildung in Form von Lehrgängen und EDV-Seminaren vorausgesetzt, und sei körperlich leichter Art in wechselnder Körperhaltung gewesen, so die Arbeitgeber-Auskunft. Danach war der Kläger noch 3 Monate versicherungspflichtig als Pförtner für eine Firma N tätig (Bl. 29, 30 der Rentenakte, Bl. 64 ff der Gerichtsakte). Seitdem ist der Kläger arbeitslos gemeldet. Währenddessen war er von Mai 2004 bis August 2005 noch geringfügig als Aushilfe beschäftigt.
Am 08.02.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung, nachdem er zuvor am 27.01.2005 eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt hatte. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik bei, in der der Kläger im März 2005 war. Diese Klinik hielt den Kläger - auch mit den Herzrhythmusstörungen - noch für in der Lage, alle leichten bis mittelschweren Tätigkeiten verrichten zu können, dies auch 6 Stunden und mehr täglich. Er könne auch noch wie bisher im EDV-Bereich arbeiten.
Mit Bescheid vom 28.06.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die ärztlichen Feststellungen. Der Kläger sei danach noch in der Lage, ihm zumutbare Tätigkeiten im bisherigen Beruf und solche des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, und damit weder berufsunfähig noch voll oder teilweise erwerbsgemindert.
Dagegen legte der Kläger am 07.07.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung gab er an, die Beklagte verkenne den Gesundheitszustand. Nach Einholung weiterer ärztlicher Berichte veranlasste die Beklagte noch die Erstellung eines orthopädischen, eines internistischen und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens durch E1, C und I. Diese hielten den Kläger auch noch für in der Lage, 6 Stunden und mehr täglich als EDV-Operator tätig zu sein. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne ständige Zwangshaltungen könnten 6 Stunden und mehr pro Tag ausgeübt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb dabei, dass der Kläger nach ihren ärztlichen Feststellungen weder als berufsunfähig noch als voll oder teilweise erwerbsgemindert anzusehen sei. Die Höhe des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz bzw. dem SGB IX sei für das Rentenrecht nicht relevant.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 24.01.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Er begründet die Klage damit, dass die Beklagte seinen Gesundheitszustand verkenne und sein Leistungsvermögen falsch beurteile. Seine Erkrankungen seien nicht vollständig und in zureichendem Maße berücksichtigt worden. Das Gutachten von Herrn M2 reiche zu seiner Beurteilung nicht aus. Er sei nicht mehr in der Lage, im bisherigen Beruf oder in zumutbaren Verweisungsberufen oder sonst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Die bisherigen Gutachter würden die Leistungsfähigkeit falsch beurteilen. Im übrigen fehle es ihm an einer Qualifikation als EDV-Techniker oder EDV-Berater. Da er seit 2004 nur noch Aushilfstätigkeiten verrichtet habe, sei ihm inzwischen der Bezug zur EDV-Welt verloren gegangen, wegen der schnelllebigen Entwicklung in diesem Bereich.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2006 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Versicherungsfalles vom 08.02.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, ein Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit bzw. der Erwerbsminderung sei nicht eingetreten. Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Alle Gutachten bestätigten ihre Auffassung.
Das Gericht hat Auskünfte von den letzten Arbeitgebern seit 2001 eingeholt (Bl. 64 ff der Gerichtsakte) und Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Der Arzt für Innere Medizin E2 berichtet, eine körperlich leichte Tätigkeit unter Vermeidung von Zwangshaltungen sei grundsätzlich möglich, ergometrisch sei der Kläger bis 175 Watt belastbar gewesen (Bl. 28, 36 Gerichtsakte). Der HNO-Arzt X berichtet, bei dem Kläger liege Schwerhörigkeit beidseits vor und ein chronischer Tinitus links. Eine leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung sei grundsätzlich aus seiner Sicht möglich (Bl. 55 Gerichtsakte). Der Orthopäde E3 berichtet, auf seinem Fachgebiet sei der Kläger bis zu 6 Stunden täglich einsetzbar (Bl. 63 Gerichtsakte). Der Allergologe T teilt mit, aus seiner Sicht sei der Kläger bis zu 6 Stunden täglich einsatzfähig (Bl. 77 Gerichtsakte). Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Q berichtet über eine chronische Somatisierungsstörung, Angst und depressive Störung, ohne sich zum Leistungsvermögen zu äußern (Bl. 57 Gerichtsakte).
Sodann hat das Gericht durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben, welche Erkrankungen im Einzelnen bei dem Kläger vorliegen und wie diese sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Der Arzt für Neurologie und Schmerztherapie M2 kommt zur Beurteilung, bei dem Kläger lägen im Einzelnen folgende wesentlichen Diagnosen vor: 1.chronisches Schmerzsyndrom der beiden Schultergelenke, Zustand nach operativem Eingriff beidseits, 1994 und 2003, bei festgestelltem Impingement-Syndrom 2.episodischer Spannungskopfschmerz 3.leichtgradiges episodisches HWS-Schmerzsyndrom 4.hypochondrische Somatisierungsstörung 5.bekannte Tachyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern, aktuell Sinusrhythmus Mit diesen Befunden könne der Kläger aber noch vollschichtig eine körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung verrichten, ohne ungünstige Bedingungen wie Zwangshaltungen und ohne besonderen Zeitdruck. Eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens bestehe nicht. Das Umstellungsvermögen sei genügend. Eine psychische Fehlhaltung liege nicht vor. In Betracht käme auch noch eine Tätigkeit als EDV-Operator, dies vollschichtig. Der Kläger könne auch noch Wegstrecken zu Fuß von 4 x 500 bis 750 Metern täglich zurücklegen (in einer Zeit von weniger als 15 Minuten für 500 Meter) und öffentliche Verkehrsmittel benutzen und einen PKW als Fahrer. Die Beurteilung gelte auch seit Februar 2005.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 28.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2006, sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden auch die maßgeblichen Vorschriften der §§ 240, 43 SGB VI bereits wiedergeben.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Auch nach den weiteren Ermittlungen des Gerichts, also auch nach dem Gutachten von M2 und den eingeholten Befundberichten, ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung im Sinne von § 240, 43 SGB VI hat. Denn auch nach den Befundberichten kann der Kläger physisch und nach dem Gutachten von M2 psychisch noch vollschichtig - also 8 Stunden täglich und damit auch noch zumindest 6 Stunden täglich - zumindest körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten bei Meidung nur von besonderem Zeitdruck und ungünstigen Bedingungen wie Zwangshaltungen. Damit ist der Kläger als noch hinreichend leistungsfähig anzusehen für die bisher von ihm langjährig ausgeübte Tätigkeit als EDV-Operator und auch noch als leistungsfähig anzusehen für einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, sodass weder Berufsunfähigkeit noch teilweise oder volle Erwerbsminderung im Sinne von §§ 240, 43 SGB VI besteht. Das Gericht sieht es aufgrund des Gutachtens von M2 und den von der Beklagten bereits eingeholten Gutachten von E1, C und I und aufgrund des Berichtes der Rehabilitationsklinik wie auch aufgrund der Berichte von E2, X, E3 und T als erwiesen an, dass der Kläger psychisch und physisch noch leichte Tätigkeiten bei Meidung der gemachten Einschränkungen verrichten kann, ohne dass darüber hinausgehende wesentliche weitere Erkrankungen oder Leistungseinschränkungen vorliegen würden als bereits in dem Gutachten von M2 zusammenfassend beschrieben. Körperlicherseits ist eine wesentliche Einschränkung bereits aufgrund der vom Gericht eingeholten Berichte der behandelnden Ärzte zu verneinen, die im wesentlichen auch die Vorgutachten der Beklagten von E1 und C und die Feststellungen der Rehabilitationsklinik bestätigen, wonach körperlich leichte Tätigkeiten noch möglich sind, auch mit den internistischen und sonstigen Erkrankungen. Psychisch ist der Kläger auch noch als hinreichend leistungsfähig anzusehen, entsprechend dem Vorgutachten von I und auch dem Gutachten von M2 im Klageverfahren. Die Einwände des Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 05.03.2007 vermögen die Kammer nicht umzustimmen. M2 ist als Arzt und Gutachter schon seit längeren Jahren tätig und Facharzt für Neurologie. Ein Neurologe muss - gerichtsbekannt aus anderen Verfahren - während seiner Ausbildung für seine Tätigkeit auch psychiatrische Kenntnisse erwerben und sich aneignen, von einer hinreichenden Befähigung von M2 als Gutachter ist damit hier auszugehen; zumal dieser Arzt auch Zusatzbezeichnungen erworben hat wie Facharzt für spezielle Schmerztherapie und Sexualtherapie. Gerade Ärzte, die anerkannte Fachärzte für Schmerztherapie sind, müssen sich dafür laufend mit psychiatrischen Beschwerdebildern und ihren Zusammenhängen auseinandersetzen; so hat M2 in seinem Gutachten auch den psychischen Befund mit erhoben und die Somatisierungsstörung auch entsprechend gewürdigt, was sich unter anderem auch aus seinen Untersuchungsbefunden zu b) und c) ergibt. Wenn der Kläger seine psychischen Beschwerden und Ängste nur nicht weitergehend dem Gutachter geschildert hat, sich ihm also anlässlich der Untersuchung nicht weiter geöffnet hat, so geht dies nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen - die auch in sozialgerichtlichen Verfahren gelten - zu seinen Lasten. Die Kammer kann jedenfalls aufgrund der Feststellungen von M2 und auch schon des Vorgutachters I unter Würdigung auch der Befundberichte hier nur feststellen, dass bei dem Kläger eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens und auch seines körperlichen Leistungsvermögens mit den bekannten Diagnosen nicht vorliegt. Allein auf dem Kläger eventuell günstige Befundberichte könnte das Gericht eine Entscheidung nur im Sinne des Klägers ohnehin nicht stützen, da behandelnde Ärzte in der Regel erfahrungsgemäß ihre Patienten eher unterstützen möchten; aber selbst Q als behandelnder Arzt für Neurologie und Psychiatrie hat sich einer Beurteilung des Leistungsvermögens in seinem Bericht enthalten.
Kann der Kläger also noch wie oben beschrieben leichte Tätigkeiten 6 Stunden und mehr täglich verrichten, ohne wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens, so ist er nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht einmal als nur teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 SGB VI anzusehen. Denn mit diesem Leistungsvermögen wäre der Kläger körperlich und psychisch noch in der Lage, eine Tätigkeit wie früher langjährig verrichtet als EDV-Operator auszuüben. Diese Tätigkeit war auch nach der Arbeitgeber-Auskunft der Firma M1 körperlich nur leichter Art in wechselnder Körperhaltung ohne ungünstige Bedingungen (Punkte 11 bis 13 der Auskunft). Qualitative Einschränkungen dafür haben die Gutachter bzw. M2 nicht gemacht. Somit ist der Kläger auch mit den bei ihm vorliegenden Diagnosen als weiterhin grundsätzlich leistungsfähig anzusehen für Tätigkeiten als EDV-Operator wie bisher ausgeübt, dies auch bis 8 Stunden täglich, jedenfalls mehr als 6 Stunden täglich. Der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf es daher hier nicht; wenn klägerischerseits mit dem Schriftsatz vom 05.03.2007 gleichwohl das Leistungsvermögen im bisherigen Beruf angezweifelt wird und geltend gemacht wird, dem Kläger müsste eine Verweisungstätigkeit benannt werden, dann kommt ein Berufsschutz hier aber schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger selbst eine weitreichende Qualifikation wie in einem Ausbildungsberuf abstreitet (zumal auch der Arbeitgeber keine bestimmte Berufsausbildung nach der Auskunft der Firma M1 voraussetzte, und im Operator-Bereich auch Arbeit für Quereinsteiger ohne Ausbildung möglich ist (siehe www.berufenet.de - eine Internet Seite der Agentur für Arbeit - dort zu Tätigkeit Operator)). Wenn dem Kläger deshalb kein eingeschränkter Berufsschutz zukommt wie einem Angestellten mit einer bis zu 3jährigen Ausbildung nach dem Stufenschema des Bundessozialgerichts, ist er mit dem oben beschriebenen Leistungsvermögen beispielsweise sogar verweisbar auf Tätigkeiten als Pförtner oder Sortierer und Montierer von Kleinteilen. Im übrigen ist auch die Situation des Arbeitsmarktes unerheblich. Das Risiko der Vermittelbarkeit des Klägers fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung (vgl. auch § 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger ist damit auch nicht teilweise oder voll erwerbsgemindert im Sinne der allgemeinen Vorschrift des § 43 Abs. 1, 2 SGB VI; denn diese Vorschriften setzen eine noch weitergehende Leistungseinschränkung als die der Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI voraus, die die Kammer schon verneinen musste. Eine allgemeine volle oder teilweise Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 1, 2 SGB VI besteht nach § 43 Abs. 3 SGB VI auch nicht für den, der unter den üblichen Bedingungen auch nur des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist (weiterhin) die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger ist am 00.00.1949 geboren und italienischer Staatsangehöriger. Er hat keinen regulären Ausbildungsberuf mit Abschluss erlernt. Er war seit 1966 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Er arbeitete zunächst als angelernter Arbeiter in einem Betrieb für Lacke und Farben, um später nach innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen ab ca. 1981 als EDV-Operator tätig zu sein. Als solcher war er bis 31.12.2003 tätig, zuletzt bei einer Firma M1. Nach deren Arbeitgeber-Auskunft wurde der Kläger dafür nach Tarifgruppe E 9 des Chemie-Tarifvertrages NRW bezahlt (Beschreibung Bl. 72 der Gerichtsakte). Diese Tätigkeit habe Weiterbildung in Form von Lehrgängen und EDV-Seminaren vorausgesetzt, und sei körperlich leichter Art in wechselnder Körperhaltung gewesen, so die Arbeitgeber-Auskunft. Danach war der Kläger noch 3 Monate versicherungspflichtig als Pförtner für eine Firma N tätig (Bl. 29, 30 der Rentenakte, Bl. 64 ff der Gerichtsakte). Seitdem ist der Kläger arbeitslos gemeldet. Währenddessen war er von Mai 2004 bis August 2005 noch geringfügig als Aushilfe beschäftigt.
Am 08.02.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung, nachdem er zuvor am 27.01.2005 eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt hatte. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik bei, in der der Kläger im März 2005 war. Diese Klinik hielt den Kläger - auch mit den Herzrhythmusstörungen - noch für in der Lage, alle leichten bis mittelschweren Tätigkeiten verrichten zu können, dies auch 6 Stunden und mehr täglich. Er könne auch noch wie bisher im EDV-Bereich arbeiten.
Mit Bescheid vom 28.06.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die ärztlichen Feststellungen. Der Kläger sei danach noch in der Lage, ihm zumutbare Tätigkeiten im bisherigen Beruf und solche des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, und damit weder berufsunfähig noch voll oder teilweise erwerbsgemindert.
Dagegen legte der Kläger am 07.07.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung gab er an, die Beklagte verkenne den Gesundheitszustand. Nach Einholung weiterer ärztlicher Berichte veranlasste die Beklagte noch die Erstellung eines orthopädischen, eines internistischen und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens durch E1, C und I. Diese hielten den Kläger auch noch für in der Lage, 6 Stunden und mehr täglich als EDV-Operator tätig zu sein. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne ständige Zwangshaltungen könnten 6 Stunden und mehr pro Tag ausgeübt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb dabei, dass der Kläger nach ihren ärztlichen Feststellungen weder als berufsunfähig noch als voll oder teilweise erwerbsgemindert anzusehen sei. Die Höhe des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz bzw. dem SGB IX sei für das Rentenrecht nicht relevant.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 24.01.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Er begründet die Klage damit, dass die Beklagte seinen Gesundheitszustand verkenne und sein Leistungsvermögen falsch beurteile. Seine Erkrankungen seien nicht vollständig und in zureichendem Maße berücksichtigt worden. Das Gutachten von Herrn M2 reiche zu seiner Beurteilung nicht aus. Er sei nicht mehr in der Lage, im bisherigen Beruf oder in zumutbaren Verweisungsberufen oder sonst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Die bisherigen Gutachter würden die Leistungsfähigkeit falsch beurteilen. Im übrigen fehle es ihm an einer Qualifikation als EDV-Techniker oder EDV-Berater. Da er seit 2004 nur noch Aushilfstätigkeiten verrichtet habe, sei ihm inzwischen der Bezug zur EDV-Welt verloren gegangen, wegen der schnelllebigen Entwicklung in diesem Bereich.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2006 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Versicherungsfalles vom 08.02.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, ein Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit bzw. der Erwerbsminderung sei nicht eingetreten. Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Alle Gutachten bestätigten ihre Auffassung.
Das Gericht hat Auskünfte von den letzten Arbeitgebern seit 2001 eingeholt (Bl. 64 ff der Gerichtsakte) und Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Der Arzt für Innere Medizin E2 berichtet, eine körperlich leichte Tätigkeit unter Vermeidung von Zwangshaltungen sei grundsätzlich möglich, ergometrisch sei der Kläger bis 175 Watt belastbar gewesen (Bl. 28, 36 Gerichtsakte). Der HNO-Arzt X berichtet, bei dem Kläger liege Schwerhörigkeit beidseits vor und ein chronischer Tinitus links. Eine leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung sei grundsätzlich aus seiner Sicht möglich (Bl. 55 Gerichtsakte). Der Orthopäde E3 berichtet, auf seinem Fachgebiet sei der Kläger bis zu 6 Stunden täglich einsetzbar (Bl. 63 Gerichtsakte). Der Allergologe T teilt mit, aus seiner Sicht sei der Kläger bis zu 6 Stunden täglich einsatzfähig (Bl. 77 Gerichtsakte). Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Q berichtet über eine chronische Somatisierungsstörung, Angst und depressive Störung, ohne sich zum Leistungsvermögen zu äußern (Bl. 57 Gerichtsakte).
Sodann hat das Gericht durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben, welche Erkrankungen im Einzelnen bei dem Kläger vorliegen und wie diese sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Der Arzt für Neurologie und Schmerztherapie M2 kommt zur Beurteilung, bei dem Kläger lägen im Einzelnen folgende wesentlichen Diagnosen vor: 1.chronisches Schmerzsyndrom der beiden Schultergelenke, Zustand nach operativem Eingriff beidseits, 1994 und 2003, bei festgestelltem Impingement-Syndrom 2.episodischer Spannungskopfschmerz 3.leichtgradiges episodisches HWS-Schmerzsyndrom 4.hypochondrische Somatisierungsstörung 5.bekannte Tachyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern, aktuell Sinusrhythmus Mit diesen Befunden könne der Kläger aber noch vollschichtig eine körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung verrichten, ohne ungünstige Bedingungen wie Zwangshaltungen und ohne besonderen Zeitdruck. Eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens bestehe nicht. Das Umstellungsvermögen sei genügend. Eine psychische Fehlhaltung liege nicht vor. In Betracht käme auch noch eine Tätigkeit als EDV-Operator, dies vollschichtig. Der Kläger könne auch noch Wegstrecken zu Fuß von 4 x 500 bis 750 Metern täglich zurücklegen (in einer Zeit von weniger als 15 Minuten für 500 Meter) und öffentliche Verkehrsmittel benutzen und einen PKW als Fahrer. Die Beurteilung gelte auch seit Februar 2005.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 28.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2006, sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden auch die maßgeblichen Vorschriften der §§ 240, 43 SGB VI bereits wiedergeben.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Auch nach den weiteren Ermittlungen des Gerichts, also auch nach dem Gutachten von M2 und den eingeholten Befundberichten, ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung im Sinne von § 240, 43 SGB VI hat. Denn auch nach den Befundberichten kann der Kläger physisch und nach dem Gutachten von M2 psychisch noch vollschichtig - also 8 Stunden täglich und damit auch noch zumindest 6 Stunden täglich - zumindest körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten bei Meidung nur von besonderem Zeitdruck und ungünstigen Bedingungen wie Zwangshaltungen. Damit ist der Kläger als noch hinreichend leistungsfähig anzusehen für die bisher von ihm langjährig ausgeübte Tätigkeit als EDV-Operator und auch noch als leistungsfähig anzusehen für einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, sodass weder Berufsunfähigkeit noch teilweise oder volle Erwerbsminderung im Sinne von §§ 240, 43 SGB VI besteht. Das Gericht sieht es aufgrund des Gutachtens von M2 und den von der Beklagten bereits eingeholten Gutachten von E1, C und I und aufgrund des Berichtes der Rehabilitationsklinik wie auch aufgrund der Berichte von E2, X, E3 und T als erwiesen an, dass der Kläger psychisch und physisch noch leichte Tätigkeiten bei Meidung der gemachten Einschränkungen verrichten kann, ohne dass darüber hinausgehende wesentliche weitere Erkrankungen oder Leistungseinschränkungen vorliegen würden als bereits in dem Gutachten von M2 zusammenfassend beschrieben. Körperlicherseits ist eine wesentliche Einschränkung bereits aufgrund der vom Gericht eingeholten Berichte der behandelnden Ärzte zu verneinen, die im wesentlichen auch die Vorgutachten der Beklagten von E1 und C und die Feststellungen der Rehabilitationsklinik bestätigen, wonach körperlich leichte Tätigkeiten noch möglich sind, auch mit den internistischen und sonstigen Erkrankungen. Psychisch ist der Kläger auch noch als hinreichend leistungsfähig anzusehen, entsprechend dem Vorgutachten von I und auch dem Gutachten von M2 im Klageverfahren. Die Einwände des Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 05.03.2007 vermögen die Kammer nicht umzustimmen. M2 ist als Arzt und Gutachter schon seit längeren Jahren tätig und Facharzt für Neurologie. Ein Neurologe muss - gerichtsbekannt aus anderen Verfahren - während seiner Ausbildung für seine Tätigkeit auch psychiatrische Kenntnisse erwerben und sich aneignen, von einer hinreichenden Befähigung von M2 als Gutachter ist damit hier auszugehen; zumal dieser Arzt auch Zusatzbezeichnungen erworben hat wie Facharzt für spezielle Schmerztherapie und Sexualtherapie. Gerade Ärzte, die anerkannte Fachärzte für Schmerztherapie sind, müssen sich dafür laufend mit psychiatrischen Beschwerdebildern und ihren Zusammenhängen auseinandersetzen; so hat M2 in seinem Gutachten auch den psychischen Befund mit erhoben und die Somatisierungsstörung auch entsprechend gewürdigt, was sich unter anderem auch aus seinen Untersuchungsbefunden zu b) und c) ergibt. Wenn der Kläger seine psychischen Beschwerden und Ängste nur nicht weitergehend dem Gutachter geschildert hat, sich ihm also anlässlich der Untersuchung nicht weiter geöffnet hat, so geht dies nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen - die auch in sozialgerichtlichen Verfahren gelten - zu seinen Lasten. Die Kammer kann jedenfalls aufgrund der Feststellungen von M2 und auch schon des Vorgutachters I unter Würdigung auch der Befundberichte hier nur feststellen, dass bei dem Kläger eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens und auch seines körperlichen Leistungsvermögens mit den bekannten Diagnosen nicht vorliegt. Allein auf dem Kläger eventuell günstige Befundberichte könnte das Gericht eine Entscheidung nur im Sinne des Klägers ohnehin nicht stützen, da behandelnde Ärzte in der Regel erfahrungsgemäß ihre Patienten eher unterstützen möchten; aber selbst Q als behandelnder Arzt für Neurologie und Psychiatrie hat sich einer Beurteilung des Leistungsvermögens in seinem Bericht enthalten.
Kann der Kläger also noch wie oben beschrieben leichte Tätigkeiten 6 Stunden und mehr täglich verrichten, ohne wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens, so ist er nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht einmal als nur teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 SGB VI anzusehen. Denn mit diesem Leistungsvermögen wäre der Kläger körperlich und psychisch noch in der Lage, eine Tätigkeit wie früher langjährig verrichtet als EDV-Operator auszuüben. Diese Tätigkeit war auch nach der Arbeitgeber-Auskunft der Firma M1 körperlich nur leichter Art in wechselnder Körperhaltung ohne ungünstige Bedingungen (Punkte 11 bis 13 der Auskunft). Qualitative Einschränkungen dafür haben die Gutachter bzw. M2 nicht gemacht. Somit ist der Kläger auch mit den bei ihm vorliegenden Diagnosen als weiterhin grundsätzlich leistungsfähig anzusehen für Tätigkeiten als EDV-Operator wie bisher ausgeübt, dies auch bis 8 Stunden täglich, jedenfalls mehr als 6 Stunden täglich. Der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf es daher hier nicht; wenn klägerischerseits mit dem Schriftsatz vom 05.03.2007 gleichwohl das Leistungsvermögen im bisherigen Beruf angezweifelt wird und geltend gemacht wird, dem Kläger müsste eine Verweisungstätigkeit benannt werden, dann kommt ein Berufsschutz hier aber schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger selbst eine weitreichende Qualifikation wie in einem Ausbildungsberuf abstreitet (zumal auch der Arbeitgeber keine bestimmte Berufsausbildung nach der Auskunft der Firma M1 voraussetzte, und im Operator-Bereich auch Arbeit für Quereinsteiger ohne Ausbildung möglich ist (siehe www.berufenet.de - eine Internet Seite der Agentur für Arbeit - dort zu Tätigkeit Operator)). Wenn dem Kläger deshalb kein eingeschränkter Berufsschutz zukommt wie einem Angestellten mit einer bis zu 3jährigen Ausbildung nach dem Stufenschema des Bundessozialgerichts, ist er mit dem oben beschriebenen Leistungsvermögen beispielsweise sogar verweisbar auf Tätigkeiten als Pförtner oder Sortierer und Montierer von Kleinteilen. Im übrigen ist auch die Situation des Arbeitsmarktes unerheblich. Das Risiko der Vermittelbarkeit des Klägers fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung (vgl. auch § 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger ist damit auch nicht teilweise oder voll erwerbsgemindert im Sinne der allgemeinen Vorschrift des § 43 Abs. 1, 2 SGB VI; denn diese Vorschriften setzen eine noch weitergehende Leistungseinschränkung als die der Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI voraus, die die Kammer schon verneinen musste. Eine allgemeine volle oder teilweise Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 1, 2 SGB VI besteht nach § 43 Abs. 3 SGB VI auch nicht für den, der unter den üblichen Bedingungen auch nur des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist (weiterhin) die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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