L 2 KA 4/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 289/02
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 KA 4/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Berechtigung der Beklagten zur Vornahme einer sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarabrechnung für das Quartal 3/98 im Streit.

Der Kläger ist seit 1995 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Nervenarzt in Hamburg. Im streitigen Quartal betrieb er eine Gemeinschaftspraxis mit dem Neurologen Dr. B ... Diese wurde durch Auflösungsvertrag vom 19. August 1998 zum 30. September 1998 aufgelöst. Gleichzeitig trat Dr. B. alle aus der Gemeinschaftspraxis herrührenden Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger ab. Mit Bescheid vom 16. Juli 1999 berichtigte die Beklagte das Honorar für das Quartal 3/98 um einen als Sachkosten geltend gemachten Betrag in Höhe von 600,04 DM (= 306,80 EUR) für die Verwendung von Einmal-EMG-Nadeln in Rahmen durchgeführter elektromyografischer Untersuchungen. Den Behandlungsausweisen sei zu entnehmen, dass neben den elektromyografischen Leistungen Sachkosten für Einmal-EMG-Nadeln abgerechnet wurden. Jedoch seien derartige Kosten nach den Allgemeinen Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) A 1. Teil A Nr. 2 mit den in Ansatz gebrachten Gebührennummern bereits abgegolten. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus, Einmal-EMG-Nadeln seien wie Materialien abzurechnen, die nach der Anwendung verbraucht seien und somit nach Teil A 1 Absatz 4 EBM zu ersetzen, zumal die Verwendung von Mehrfach–Nadeln nicht mehr zeitgemäß sei. Mittlerweile seien die Einmal-Nadeln auch zu einem akzeptablen Preis von ca. 11,- DM zu beziehen. Sie seien absolut steril und dadurch sicherer und ihre Verwendung gewährleiste ein einwandfreies neurophysiologisches Ergebnis. Mehrfachnadeln müssten nach 10 Anwendungen nachgeschliffen und aufwändig sterilisiert werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2002 unter Hinweis darauf zurück, dass die Bestimmungen des EBM einen Sachkostenersatz insoweit nicht vorsähen.

Der Kläger hat am 20. September 2002 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft hat. Entscheidend sei, dass die Einmal-EMG-Nadeln nach der Anwendung verbraucht seien. Deshalb könne offen bleiben, ob es sich unter Zugrundelegung der Systematik des EBM-Ä um Instrumente oder sonstige Gegenstände handele. Entscheidend sei auch, dass bei der Verwendung von Mehrfach-Nadeln ein Infektionsrisiko nicht zu 100 % ausgeschlossen werden könne. Diese seien deshalb nicht mehr zeitgemäß. Auch aus der Systematik des EBM-Ä folge, dass Einmal-Nadeln gesondert zu vergüten seien. Bei einem Punktwert 3,5 Cent würden nämlich etwa für eine EMG-Untersuchung mit Nadelelektroden nach Nr. 810 EBM-Ä, welche mit 550 Punkten bewertet sei, etwa 19 EUR vergütet werden. Hierbei falle die Einmal-EMG-Nadel mit 5,50 EUR, d.h. mit 25 % ins Gewicht. Bei anderen Untersuchungen, wie etwa der Lumbalpunktion, sei die Nadel bei einem derartigen Kostenanteil auch nicht in der Vergütung enthalten. Da Sinn und Zweck der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä sei, relativ niedrige Kostenanteile mit abzugelten, hohe Kostenanteile aber gesondert zu vergüten, müsse dies zu einer gesonderten Vergütung auch der Kosten für Einmal-EMG-Nadeln führen.

Die Beigeladene zu 6) hat mit Schriftsätzen vom 15. März 2004 (Blatt 46 ff. der Gerichtsakte) und vom 18. Oktober 2004 (Blatt 59 ff. der Gerichtsakte), auf die Bezug genommen wird, unter Hinweis auf die Allgemeinen Bestimmungen des EBM die Auffassung vertreten, dass Kosten für Einmal-EMG-Nadeln zur Durchführung elektromyografischer Untersuchungen in Ermangelung einer anderen Bestimmung nicht gesondert abrechnungsfähig seien, da sie zur Durchführung von apparativen Untersuchungen Verwendung fänden.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. März 2005 abgewiesen. Es handele sich um Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaturen entstünden. Sie seien deshalb nach dem geltenden EBM nicht gesondert zu vergüten. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen. Sie ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6. Juni 2006 zugestellt worden.

Der Kläger hat am 1. Juli 2006 die – vom Sozialgericht zugelassene – Berufung eingelegt und sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend trägt er vor, Einmal-EMG-Nadeln könnten schon vom Wortlaut her nicht als ärztliches Instrument oder ärztliche Apparatur bezeichnet werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. März 2005 und den Berichtigungsbescheid der Beklagten vom 16. Juli 1999 für das Quartal 3/98 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2002 insoweit aufzuheben als das Honorar um Sachkosten für Einmal-EMG-Nadeln in Höhe von 306,80 EUR berichtigt wurde.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ihren Bescheid. Die Beigeladene zu 6) verweist auf ihre Stellungnahme im Klageverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist aber nicht begründet.

Allerdings ist der Kläger berechtigt, die Forderung der aufgelösten Gemeinschaftspraxis im eigenen Namen geltend zu machen, nachdem diese im Auflösungsvertrag auf ihn allein übertragen wurde. Er kann aber für den Einsatz von Einmal-EMG-Nadeln bei der Durchführung von elektromyografischen Untersuchungen nach den EBM-Nrn. 810 und 811 keine gesonderte Vergütung verlangen. Vielmehr hat die Beklagte das Honorar der Gemeinschaftspraxis mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht um 306,80 EUR berichtigt.

Nach den im Wesentlichen gleich lautenden §§ 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und 34 Abs. 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) sind die Kassenärztlichen Vereinigungen berechtigt, die Abrechnung des Vertragsarztes auf ihre rechnerische und sachliche Richtigkeit zu überprüfen und Fehler zu berichtigen. Grundlage der Abrechnung ist der einen Bestandteil der genannten Verträge bildende EBM (in der vorliegend anzuwendenden, bis zum 31. März 2005 geltenden Fassung). Dieser sieht eine gesonderte Abrechnung der in Rede stehenden Materialien nicht vor.

Nach Abschnitt A I. Allgemeine Bestimmungen (EBM), Teil A Nr. 2 sind in den berechungsfähigen Leistungen des Vertragsarztes – soweit nichts anderes bestimmt ist – u.a. enthalten

- allgemeine Praxiskosten - Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaturen entstanden sind - Kosten für Einmalspritzen, Einmalkanülen, Einmaltrachealtuben, Einmalabsaugkatheter, Einmalhandschuhe, Einmalrasierer, Einmalharnb¬lasen¬katheter, Einmalskalpelle, Einmalproktoskope, Einmaldarmrohre, Einmalspekula und Einmalküretten.

Dagegen sind in den berechungsfähigen Leistungen - soweit nichts anderes bestimmt ist - u.a. nicht enthalten

- Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind oder die der Kranke zur weiteren Verwendung behält - Kosten für Einmalinfusionsbestecke, Einmalinfusionskatheter, Einmal¬infusionsnadeln und Einmalbiopsienadeln.

Die in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Systematik verbietet eine gesonderte Abrechnung der zur Untersuchung verwandten Einmal-EMG-Nadeln als Sachkosten. Nach den EBM Nrn. 810 bzw. 811 erhält der Vertragsarzt für die "elektromygrafische Untersuchung mit Nadelelektroden" 550 bzw. 650 Punkte. Hierbei handelt es sich um die Durchführung einer Untersuchung mit Hilfe einer ärztlichen Apparatur, welche die Aktionsströme im Muskelgewebe bzw. einzelner Muskelaktionspotentiale sichtbar macht oder aufzeichnet. Die Ableitung der elektrischen Aktivität erfolgt über in den Muskel eingestochene Nadelelektroden, während sie bei der elektromyografischen Untersuchung nach EBM Nr. 809 mit über dem Muskel platzierten Oberflächenelektroden erfolgt. Wie sich aus der Leistungslegende zu den genannten EBM-Nummern ergibt, erfassen die Positionen 809 – 811 jeweils den gesamten Vorgang der Untersuchung. Sie unterscheiden sich lediglich in der Beschreibung der zur Untersuchung verwandten Apparatur. Hieraus folgt, dass die Ableitelektrode Teil der Apparatur ist, und zwar gleichviel, ob sie eingestochen oder aufgebracht wird. Ohne Elektrode ist die Apparatur nicht bestimmungsgemäß verwendbar. Damit aber scheidet eine gesonderte Vergütung auch dann aus, wenn die verwandten Nadelelektroden nur einmal verwendet werden können. Es unterliegt der unternehmerischen Entscheidung des Vertragsarztes und seiner ärztlichen Verantwortung, im Rahmen der durchzuführenden Untersuchung Einmal-Nadeln mit den entsprechenden Beschaffungskosten oder aber mehrfach verwendbare Nadeln einzusetzen und in letzterem Falle zusätzlich zu den Anschaffungskosten die Kosten für Resterilisation, Wartung (Nachschliff) und turnusmäßigen Ersatz zu tragen. In jedem Falle handelt es sich um Kosten für die "Anwendung einer ärztlichen Apparatur", welche mit der entsprechenden Position abgegolten ist. Eines Eingehens auf die Beweisanregungen des Klägers bedarf es nicht. Da die Vorschrift hinsichtlich der Nadelart keine Differenzierung vornimmt, bedarf es namentlich keiner Aufklärung, ob nur noch die Verwendung von Einmal-Nadeln dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht.

Dass diese Auslegung des EBM auch tatsächlich dem Willen der Vertragspartner entspricht, wird durch die in dem vorliegenden Verfahren abgegebene Stellungnahme der Beigeladenen zu 6) ebenso belegt, wie durch die seit dem 1. April 2005 anzuwendende Fassung des EBM, die trotz des bekannten Streits um die Verwendung von Einmal-EMG-Nadeln den Wortlaut der Regelungen unverändert lässt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als erfolgloser Rechtsmittelführer hat der Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens, d.h. nach § 162 VwGO sowohl die Gerichtskosten als auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten notwendigen Aufwendungen der Beklagten, zu tragen, da weder er noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil Gründe, die dies im Hinblick auf die Billigkeit geboten hätten, nicht ersichtlich sind.

Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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