Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 5 RA 2085/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 427/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RS 7/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es bedarf keiner Angabe der Wirkungsdauer in der Einbeziehungsurkunde des Rats des Bezirks für die Feststellung, dass der gesamte Beschäftigungszeitraum als LPG-Vorsitzender als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen gilt.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 21. April 2005 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 30. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 1995 sowie der Bescheide vom 20. Mai 1997 und vom 5. September 2002 verpflichtet, auch die Zeit vom 1. Januar 1977 bis 5. September 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 3 zum AAÜG (Zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzver¬sorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungs¬gesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG zusätzliche Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Januar 1977 bis zum 5. September 1989 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 3 zum AAÜG (Zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft) und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1933 geborene Kläger war ab 1. Januar 1977 bis 30. Juni 1990 Vorsitzender einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Mit Urkunde des Vorsitzenden des Rats des Bezirks E. vom 6. September 1989 wurde die Einbeziehung in die streitgegenständliche Zusatzversorgung bestätigt.
Zusammen mit seinem Rentenantrag vom 28. September 1994 stellte er einen Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Überführungsbescheid vom 30. Mai 1995 stellte die Beklagte lediglich Entgelte für den Zeitraum vom 6. September 1989 bis 30. Juni 1990 fest. Dagegen erhob der Kläger am 20. Juni 1995 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 1995 zurückgewiesen wurde.
Am 12. September 1995 hat der Kläger Klage erhoben und sich zunächst gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Entgeltbegrenzungen gewandt (Az.: S-5/An-1407/95). Mit Beschluss vom 10. November 1995 hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem die Beklagte die Begrenzungen mit Bescheiden vom 20. Mai 1997 bzw. 18. September 2001 aufgehoben hatte, hat es das Verfahren im September 2002 wieder aufgerufen. Nunmehr hat der Kläger die Feststellung von Zusatzversorgungszeiten auch für den streitgegenständlichen Zeitraum begehrt und zur Begründung die Ansicht geäußert, dass eine rückwirkende Einbeziehung für den streitgegenständlichen Zeitraum möglich sei. Diese folge u.a. aus § 20 der Zusatzversorgungsordnung. Zudem sei die zeitliche Wirkung der Einbeziehung durch das Bundessozialgericht (BSG) noch nicht abschließend geklärt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. April 2005 mit der Begründung abgewiesen, die Versorgungsurkunde enthalte nur ein Ausstellungsdatum, jedoch keinen in der Vergangenheit liegenden Wirkungszeitpunkt. Da die Einbeziehungsentscheidung eine Ermessensentscheidung gewesen sei, dürfe diese nach der Rechtsprechung des BSG auch nicht rückwirkend ersetzt werden. Zudem orientiere sich die Berechnung der zusätzlichen Altersversorgung ausweislich der Zusatzversorgungsordnung nicht an der Zugehörigkeitszeit, sondern am Bruttoverdienst im letzten Kalenderjahr vor Erreichen des Rentenalters. Der Kläger könne nicht beweisen, dass eine Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem bereits im streitigen Zeitraum vorgelegen habe.
Mit seiner am 27. Juni 2005 eingelegten Berufung gegen das seinem Bevollmächtigten am 31. Mai 2005 zugestellte Urteil wiederholt der Kläger im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag und verweist ergänzend darauf, dass aus dem Fehlen einer Regelung, nach der die Statusentscheidung erst mit Ausstellung bzw. Übergabe der Urkunde wirksam werde, geschlossen werden müsse, dass sich die Versorgungszusage auf die gesamte Zeit der Tätigkeit erstrecke.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 21. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 30. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 1995 sowie der Bescheide vom 20. Mai 1997 und 18. September 2001 zu verpflichten, auch die Zeit vom 1. Januar 1977 bis 5. September 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 3 zum AAÜG (Zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt zur Begründung im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Ausführungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die statthafte Berufung ist zulässig und begründet.
Die Klage ist zulässig. Auf die Klageerweiterung auf Einbeziehung der Zeiten vor dem 6. September 1989 hat sich die Beklagte bereits im Klageverfahren eingelassen; sie war auch sachdienlich. Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte auch die vor der Einbeziehungsentscheidung vom 6. September 1989 liegende Zeit seiner Beschäftigung als LPG-Vorsitzender, nämlich vom 1. Januar 1977 bis zum 5. September 1989, als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt.
Streitig ist im vorliegenden Rechtsstreit allein die Frage der zeitlichen Wirkung der Einbeziehungsentscheidung, die mit Urkunde vom 6. September 1989 bestätigt wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten sowie des Sozialgerichts bedarf es keiner Angabe der Wirkungsdauer der Einbeziehungsentscheidung für die Feststellung, dass der gesamte Beschäftigungszeitraum als LPG-Vorsitzender als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen gilt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Eine derartige Angabe, für welchen Zeitraum die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem, hier dem für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen, gelten soll, ist nach den jeweiligen Versorgungsordnungen nicht erforderlich. Nach der hier einschlägigen Anordnung über die zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft vom 31. Dezember 1987 (im Folgenden: ZVAO-PG/Landw, nicht veröffentlicht) setzte ein Anspruch auf die zusätzliche Altersversorgung (neben hier nicht maßgeblichen Voraussetzungen) u.a. die tatsächliche Einbeziehung durch den Vorsitzenden des zuständigen Rates des Bezirks auf entsprechenden Vorschlag des Vorsitzenden des zuständigen Rates des Kreises (§ 3 Abs. 2 ZVAO-PG/Landw) voraus. Die Höhe der dann zu gewährenden Altersversorgung richtete sich allein nach der Höhe des Bruttoverdienstes im letzten Kalenderjahr vor Erreichen des Rentenalters (§ 8 Abs. 1 ZVAO-PG/Landw). Keine Rolle spielte dagegen die Zeit der Beschäftigung, derentwegen die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem erfolgte.
Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (im Folgenden: ZAVO-techInt, GBl. I Nr. 93, S. 844) i.V.m. der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend: 2. DB z. ZAVO-techInt, GBl. Nr. 62, S 487), nach der ebenfalls nicht die Dauer einer Beschäftigung für die Höhe der zusätzlichen Altersversorgung, sondern neben der tatsächlichen Einbeziehung die Höhe des durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalts im letzten Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalls (§ 3 Buchst. a ZAVO-techInt) maßgeblich war. Dementsprechend wird bei der durch die Rechtsprechung des BSG entwickelten nachträglichen fiktiven Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz auch ohne entsprechenden förmlichen Einbeziehungsakt die gesamte Zeit der Beschäftigung, für die die Einbeziehungsvoraussetzungen vorgelegen haben, als Zugehörigkeitszeit festgestellt.
Ohne entscheidende Bedeutung bleibt in diesem Zusammenhang auch der im angefochtenen Urteil angesprochene Umstand, dass die Einbeziehungsentscheidung eine Ermessensentscheidung war, die nach der Rechtsprechung des BSG nicht rückwirkend ersetzt werden kann. Zum einen bedarf es im vorliegenden Fall - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - keiner (unzulässigen) rückwirkenden Ersetzung der Einbeziehungsentscheidung, denn der Kläger wurde – insoweit unstreitig zwischen den Beteiligten – durch ausdrückliche Entscheidung in die Zusatzversorgung tatsächlich einbezogen, wie die Urkunde vom 6. September 1989 beweist, sondern lediglich deren Auslegung im Hinblick auf ihre zeitliche Geltungsdauer hin ... Zum anderen bestehen keine rechtlichen Bedenken, die getroffene Ermessensentscheidung im Wege der Auslegung auf die gesamte Dauer der Beschäftigung des Klägers als LPG-Vorsitzender "auszudehnen". Zwar knüpft die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz an das Vorliegen objektiver Voraussetzungen an (Ingenieur-Titel, ingenieur-technische Tätigkeit sowie Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens), während die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle LPG-Vorsitzende von subjektiven Erwägungen (vgl. § 3 Abs. 1 Buchst. a ZVAO-PG/Landw: "durch ihre Tätigkeit einen hohen persönlichen Beitrag für die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung der Landwirtschaft geleistet haben") geleitet war. So kann der zeitliche Umfang des Vorliegens der Voraussetzungen im Falle der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz anhand der Daten der Beschäftigungsdauer objektiv bestimmt werden, wohingegen dies beim Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle LPG-Vorsitzende im Regelfall nicht möglich sein dürfte. Jedoch kann nach Auffassung des Senats aus dem Sinn und Zweck dieses Zusatzversorgungssystems, der sich auch in der Präambel niedergeschlagen hat ("Anerkennung und Würdigung hervorragender Leistungen und Verdienste"), geschlossen werden, dass eine tatsächlich erfolgte Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem die Tätigkeit als LPG-Vorsitzender in der Vergangenheit honorierte und, jedenfalls regelmäßig (so auch im vorliegenden Fall), mangels konkreter zeitlicher Anknüpfungspunkte für die anzuerkennenden und zu würdigenden hervorragenden Leistungen, die gesamte Dauer der Tätigkeit umfasste. Gestützt wird diese Auslegung durch die in § 20 ZVAO-PG/Landw vorgesehene Möglichkeit, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anordnung bereits ausgeschiedene LPG-Vorsitzende nachträglich und damit ohne den konkreten zeitlichen Anknüpfungspunkt einer aktiven Beschäftigung einzubeziehen. Würde man in diesen Fällen der von der Beklagten und vom Sozialgericht vertretenen Auffassung folgen, wäre eine Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem und die darin erzielten Entgelte schlechterdings nicht möglich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie die Beklagte meint, aus dem Urteil des BSG vom 9. April 2004 (Az.: B 4 RA 39/01 R). Dort wird zwar in den Entscheidungsgründen zunächst ausgeführt, eine zu DDR-Zeiten erteilte Versorgungszusage habe keine bundesrechtlichen Rechtswirkungen im Blick auf Zeiten und Umstände vor dem Beginn ihrer Wirksamkeit. Im Weiteren geht allerdings das BSG davon aus, dass die Versorgungszusage die zum Zeitpunkt ihrer Erteilung ausgeübte Beschäftigung dem betreffenden Versorgungssystem zuordnet. Diese letztlich also beschäftigungsbezogene Auslegung einer Versorgungszusage ist aber nach den obigen Ausführungen grundsätzlich auch auf das hier vorliegende Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle LPG-Vorsitzende anwendbar.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzver¬sorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungs¬gesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG zusätzliche Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Januar 1977 bis zum 5. September 1989 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 3 zum AAÜG (Zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft) und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1933 geborene Kläger war ab 1. Januar 1977 bis 30. Juni 1990 Vorsitzender einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Mit Urkunde des Vorsitzenden des Rats des Bezirks E. vom 6. September 1989 wurde die Einbeziehung in die streitgegenständliche Zusatzversorgung bestätigt.
Zusammen mit seinem Rentenantrag vom 28. September 1994 stellte er einen Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Überführungsbescheid vom 30. Mai 1995 stellte die Beklagte lediglich Entgelte für den Zeitraum vom 6. September 1989 bis 30. Juni 1990 fest. Dagegen erhob der Kläger am 20. Juni 1995 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 1995 zurückgewiesen wurde.
Am 12. September 1995 hat der Kläger Klage erhoben und sich zunächst gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Entgeltbegrenzungen gewandt (Az.: S-5/An-1407/95). Mit Beschluss vom 10. November 1995 hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem die Beklagte die Begrenzungen mit Bescheiden vom 20. Mai 1997 bzw. 18. September 2001 aufgehoben hatte, hat es das Verfahren im September 2002 wieder aufgerufen. Nunmehr hat der Kläger die Feststellung von Zusatzversorgungszeiten auch für den streitgegenständlichen Zeitraum begehrt und zur Begründung die Ansicht geäußert, dass eine rückwirkende Einbeziehung für den streitgegenständlichen Zeitraum möglich sei. Diese folge u.a. aus § 20 der Zusatzversorgungsordnung. Zudem sei die zeitliche Wirkung der Einbeziehung durch das Bundessozialgericht (BSG) noch nicht abschließend geklärt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. April 2005 mit der Begründung abgewiesen, die Versorgungsurkunde enthalte nur ein Ausstellungsdatum, jedoch keinen in der Vergangenheit liegenden Wirkungszeitpunkt. Da die Einbeziehungsentscheidung eine Ermessensentscheidung gewesen sei, dürfe diese nach der Rechtsprechung des BSG auch nicht rückwirkend ersetzt werden. Zudem orientiere sich die Berechnung der zusätzlichen Altersversorgung ausweislich der Zusatzversorgungsordnung nicht an der Zugehörigkeitszeit, sondern am Bruttoverdienst im letzten Kalenderjahr vor Erreichen des Rentenalters. Der Kläger könne nicht beweisen, dass eine Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem bereits im streitigen Zeitraum vorgelegen habe.
Mit seiner am 27. Juni 2005 eingelegten Berufung gegen das seinem Bevollmächtigten am 31. Mai 2005 zugestellte Urteil wiederholt der Kläger im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag und verweist ergänzend darauf, dass aus dem Fehlen einer Regelung, nach der die Statusentscheidung erst mit Ausstellung bzw. Übergabe der Urkunde wirksam werde, geschlossen werden müsse, dass sich die Versorgungszusage auf die gesamte Zeit der Tätigkeit erstrecke.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 21. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 30. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 1995 sowie der Bescheide vom 20. Mai 1997 und 18. September 2001 zu verpflichten, auch die Zeit vom 1. Januar 1977 bis 5. September 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 3 zum AAÜG (Zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt zur Begründung im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Ausführungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die statthafte Berufung ist zulässig und begründet.
Die Klage ist zulässig. Auf die Klageerweiterung auf Einbeziehung der Zeiten vor dem 6. September 1989 hat sich die Beklagte bereits im Klageverfahren eingelassen; sie war auch sachdienlich. Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte auch die vor der Einbeziehungsentscheidung vom 6. September 1989 liegende Zeit seiner Beschäftigung als LPG-Vorsitzender, nämlich vom 1. Januar 1977 bis zum 5. September 1989, als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt.
Streitig ist im vorliegenden Rechtsstreit allein die Frage der zeitlichen Wirkung der Einbeziehungsentscheidung, die mit Urkunde vom 6. September 1989 bestätigt wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten sowie des Sozialgerichts bedarf es keiner Angabe der Wirkungsdauer der Einbeziehungsentscheidung für die Feststellung, dass der gesamte Beschäftigungszeitraum als LPG-Vorsitzender als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen gilt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Eine derartige Angabe, für welchen Zeitraum die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem, hier dem für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen, gelten soll, ist nach den jeweiligen Versorgungsordnungen nicht erforderlich. Nach der hier einschlägigen Anordnung über die zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft vom 31. Dezember 1987 (im Folgenden: ZVAO-PG/Landw, nicht veröffentlicht) setzte ein Anspruch auf die zusätzliche Altersversorgung (neben hier nicht maßgeblichen Voraussetzungen) u.a. die tatsächliche Einbeziehung durch den Vorsitzenden des zuständigen Rates des Bezirks auf entsprechenden Vorschlag des Vorsitzenden des zuständigen Rates des Kreises (§ 3 Abs. 2 ZVAO-PG/Landw) voraus. Die Höhe der dann zu gewährenden Altersversorgung richtete sich allein nach der Höhe des Bruttoverdienstes im letzten Kalenderjahr vor Erreichen des Rentenalters (§ 8 Abs. 1 ZVAO-PG/Landw). Keine Rolle spielte dagegen die Zeit der Beschäftigung, derentwegen die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem erfolgte.
Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (im Folgenden: ZAVO-techInt, GBl. I Nr. 93, S. 844) i.V.m. der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend: 2. DB z. ZAVO-techInt, GBl. Nr. 62, S 487), nach der ebenfalls nicht die Dauer einer Beschäftigung für die Höhe der zusätzlichen Altersversorgung, sondern neben der tatsächlichen Einbeziehung die Höhe des durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalts im letzten Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalls (§ 3 Buchst. a ZAVO-techInt) maßgeblich war. Dementsprechend wird bei der durch die Rechtsprechung des BSG entwickelten nachträglichen fiktiven Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz auch ohne entsprechenden förmlichen Einbeziehungsakt die gesamte Zeit der Beschäftigung, für die die Einbeziehungsvoraussetzungen vorgelegen haben, als Zugehörigkeitszeit festgestellt.
Ohne entscheidende Bedeutung bleibt in diesem Zusammenhang auch der im angefochtenen Urteil angesprochene Umstand, dass die Einbeziehungsentscheidung eine Ermessensentscheidung war, die nach der Rechtsprechung des BSG nicht rückwirkend ersetzt werden kann. Zum einen bedarf es im vorliegenden Fall - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - keiner (unzulässigen) rückwirkenden Ersetzung der Einbeziehungsentscheidung, denn der Kläger wurde – insoweit unstreitig zwischen den Beteiligten – durch ausdrückliche Entscheidung in die Zusatzversorgung tatsächlich einbezogen, wie die Urkunde vom 6. September 1989 beweist, sondern lediglich deren Auslegung im Hinblick auf ihre zeitliche Geltungsdauer hin ... Zum anderen bestehen keine rechtlichen Bedenken, die getroffene Ermessensentscheidung im Wege der Auslegung auf die gesamte Dauer der Beschäftigung des Klägers als LPG-Vorsitzender "auszudehnen". Zwar knüpft die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz an das Vorliegen objektiver Voraussetzungen an (Ingenieur-Titel, ingenieur-technische Tätigkeit sowie Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens), während die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle LPG-Vorsitzende von subjektiven Erwägungen (vgl. § 3 Abs. 1 Buchst. a ZVAO-PG/Landw: "durch ihre Tätigkeit einen hohen persönlichen Beitrag für die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung der Landwirtschaft geleistet haben") geleitet war. So kann der zeitliche Umfang des Vorliegens der Voraussetzungen im Falle der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz anhand der Daten der Beschäftigungsdauer objektiv bestimmt werden, wohingegen dies beim Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle LPG-Vorsitzende im Regelfall nicht möglich sein dürfte. Jedoch kann nach Auffassung des Senats aus dem Sinn und Zweck dieses Zusatzversorgungssystems, der sich auch in der Präambel niedergeschlagen hat ("Anerkennung und Würdigung hervorragender Leistungen und Verdienste"), geschlossen werden, dass eine tatsächlich erfolgte Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem die Tätigkeit als LPG-Vorsitzender in der Vergangenheit honorierte und, jedenfalls regelmäßig (so auch im vorliegenden Fall), mangels konkreter zeitlicher Anknüpfungspunkte für die anzuerkennenden und zu würdigenden hervorragenden Leistungen, die gesamte Dauer der Tätigkeit umfasste. Gestützt wird diese Auslegung durch die in § 20 ZVAO-PG/Landw vorgesehene Möglichkeit, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anordnung bereits ausgeschiedene LPG-Vorsitzende nachträglich und damit ohne den konkreten zeitlichen Anknüpfungspunkt einer aktiven Beschäftigung einzubeziehen. Würde man in diesen Fällen der von der Beklagten und vom Sozialgericht vertretenen Auffassung folgen, wäre eine Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem und die darin erzielten Entgelte schlechterdings nicht möglich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie die Beklagte meint, aus dem Urteil des BSG vom 9. April 2004 (Az.: B 4 RA 39/01 R). Dort wird zwar in den Entscheidungsgründen zunächst ausgeführt, eine zu DDR-Zeiten erteilte Versorgungszusage habe keine bundesrechtlichen Rechtswirkungen im Blick auf Zeiten und Umstände vor dem Beginn ihrer Wirksamkeit. Im Weiteren geht allerdings das BSG davon aus, dass die Versorgungszusage die zum Zeitpunkt ihrer Erteilung ausgeübte Beschäftigung dem betreffenden Versorgungssystem zuordnet. Diese letztlich also beschäftigungsbezogene Auslegung einer Versorgungszusage ist aber nach den obigen Ausführungen grundsätzlich auch auf das hier vorliegende Zusatzversorgungssystem für verdienstvolle LPG-Vorsitzende anwendbar.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
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