L 2 RA 596/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 4 RA 1106/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 RA 596/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RS 36/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. Juni 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG weitere Beschäftigungszeiten vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 1974, 1. März bis 31. Oktober 1975, 15. Juni 1977 bis 2. August 1979 und 27. Juni 1980 bis 9. Februar 1981 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.

Der 1944 geborene Kläger erwarb im Juli 1973 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war bereits vor diesem Zeitpunkt und darüber hinaus in verschiedenen Funktionen bei dem VEB Hochbau N. tätig. Dessen Rechtsnachfolger war die Hochbau N. GmbH, die am 13. Juli 1990 in das Handelsregister eingetragen wurde.

In den hier streitigen Zeiträumen war der Kläger als Ingenieur für Baumaschinen, Hauptmechaniker und Ingenieur für Ausrüstung in Vietnam für den Arbeitsstab Vietnam beim Ministerium für Bauwesen der ehemaligen DDR tätig. Dazu hatten er, der VEB Hochbau N. und der Arbeitsstab Vietnam entsprechende Delegierungsvereinbarungen geschlossen. Hiernach ruhte jeweils sein Arbeitsverhältnis zum VEB während der Zeit der Delegierung, und der Kläger und der Arbeitsstab verpflichteten sich, für die Zeit der Delegierung ein zeitlich befristetes Arbeitsrechtsverhältnis einzugehen beziehungsweise einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag zu schließen.

Mit Bescheid vom 3. Juni 2002 stellte die Beklagte für den Kläger die Zeiten vom 1. Juli 1973 bis zum 30. Juni 1990 mit Ausnahme der streitgegenständlichen Zeiträume als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz fest. Den Widerspruch des Klägers wegen der Nichtberücksichtigung seiner Tätigkeit beim Arbeitsstab Vietnam wies sie mit Bescheid vom 2. Juli 2003 zurück. Der Arbeitsstab Vietnam beim Ministerium für Bauwesen sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb noch ein gleichgestellter Betrieb gewesen.

Dagegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben und geltend gemacht, dass ihm durch die Delegation keine Nachteile entstehen sollten, insbesondere sollte ihm auch das Recht auf Altersversorgung erhalten bleiben. Das Sozialgericht Nordhausen hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, diese Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz mit den hieraus erzielten Bruttoverdiensten festzustellen (Urteil vom 24. Juni 2004).

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die Anweisung über die Gründung des Arbeitsstabes Vietnam beim Ministerium für Bauwesen vom 15. April 1974 (abgedruckt in Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Bauwesen vom 12. Juni 1974, Seite 58, im Folgenden Gründungsanweisung genannt) ausgeführt, der Arbeitsstab Vietnam sei kein volkseigener Betrieb und auch kein den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellter Betrieb gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichtes Nordhausen. Der Arbeitsstab Vietnam sei als Teil des Ministeriums für Bauwesen anzusehen und damit ein Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (2. DB z. ZAVO-techInt -2.DB-).

Die Beteiligten haben sich anlässlich eines Erörterungstermins mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakte, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Der angefochtene Bescheid ist in dem zur Überprüfung gestellten Umfang rechtmäßig; daher war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben.

Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) verfolgbaren Anspruch auf Feststellung von weiteren Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie auf Feststellung der in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 3 AAÜG).

Es kann dahinstehen, ob die Vorschriften des AAÜG überhaupt auf den Kläger Anwendung finden. Er hatte zu keinem Zeitpunkt bis zum 30. Juni 2006 eine Versorgungszusage erhalten. Auch die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 3. Juni 2002 keine positive Statusentscheidung getroffen, sondern lediglich die ihr nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG übertragenen Befugnisse ausgeübt, möglicherweise in der Rentenversicherung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erhebliche Tatbestände - Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem sowie die entsprechenden Entgelte – vorab festzustellen. Sie hat damit allein versorgungsrechtliche Vorfragen geklärt, jedoch nicht die bindende Feststellung getroffen, der Kläger habe zum 1. August 1991 eine wirkliche oder fiktive Anwartschaft gehabt (BSG, Urteil vom 10. Februar 2005, Az.: B 4 RA 47/04 R). Dennoch kann der Senat abschließend entscheiden. Selbst wenn man unterstellt, dass das AAÜG in erweiternder Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG auf den Kläger anwendbar sei, hat er keinen Anspruch auf Feststellung von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten nach § 5 AAÜG für die streitgegenständlichen Zeiträume. Denn er hatte keine Beschäftigung bei einem Arbeitgeber ausgeübt, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, dass in der Anlage 1 zum AAÜG aufgelistet ist.

Für die Altersversorgung der technischen Intelligenz ist ein Anspruch auf Erteilung der Zusage nach § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (ZAVO-techInt) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt unter folgenden drei Voraussetzungen gegeben: 1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

In den streitgegenständlichen Zeiträumen aber war der Kläger weder bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt und erfüllt daher die betriebliche Voraussetzung des § 1 der 2. DB nicht.

Arbeitgeber im tatsächlichen wie auch im maßgeblichen rechtlichen Sinne war der Arbeitsstab Vietnam (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, Az.: B 4 RA 20/03 R). Mit dem Arbeitsstab hatte der Kläger entsprechend den Delegierungsvereinbarungen jeweils schriftliche Arbeitsverträge abgeschlossen. Hieraus und den darin in Bezug genommenen Verordnungen über die Arbeitsbedingungen bei Auslandsmontagen vom 21. Mai 1959 (GBl. I Nr. 34, S. 551) und vom 30. Januar 1964 (GBl. II Nr. 20, S. 179) ergaben sich seine Rechte und Pflichten. Während dieser Zeiten ruhte ausdrücklich sein Arbeitsverhältnis zu dem VEB Hochbau N. Zwischen den an der Delegierungsvereinbarung beteiligten Parteien bestand hiernach auch kein Zweifel, dass Arbeitgeber der Arbeitsstab Vietnam sein sollte. Dem entsprechend ist im Sozialversicherungsausweis des Klägers als Beschäftigungsbetrieb der Arbeitsstab eingetragen.

Der Arbeitsstab war kein gleichgestellter Betrieb nach § 1 Abs. 2 der 2.DB. Er unterstand zwar dem Ministerium für Bauwesen, war aber "rechtsfähig und Haushaltsorganisation" (§ 2 der Gründungsanweisung) und damit nicht dem Ministerium gleichzustellen. Er war daher auch keine Hauptverwaltung. Solche Hauptverwaltungen bestanden früher in der DDR in den Wirtschaftsministerien, die einen bestimmten Wirtschaftszweig leiteten (vgl. Das Verwaltungsrecht der Deutschen Demokratischen Republik, VEB Deutscher Zentralverlag Berlin, 1957, S.111). Es waren demnach Fachabteilungen von Ministerien, die von den Verwaltungseinheiten auf der darunter angesiedelten Bezirksebene zu unterscheiden waren (Urteil des LSG M.-V. vom 5. Oktober 2004, Az.: L 4 RA 107/03).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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