Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
45
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 45 (29) AS 269/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 07.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2006 verurteilt, den Klägern unter Abänderung der Bescheide vom 05.09.2005 und 13.10.2005 rückwirkend ab Oktober 2005 bis Januar 2006 höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt 2/3 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Bewilligung höherer Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz (SGB II) - Arbeitslosengeld II - ohne Anrechnung des für ihre Tochter gezahlten Kindergeldes als Einkommen rückwirkend für den Zeitraum August 2005 bis Januar 2006.
Die Kläger, geboren 1949 und 1945, sind verheiratet und bewohnen in N eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 86,7 qm bei einer Kaltmiete von 661,88 Euro. Die am 00. K 1984 geborene Tochter S der Kläger wohnte bereits in dem hier streitigen Zeitraum nicht mehr im Haushalt ihrer Eltern. Die Klägerin zu 2) ist erwerbstätig und bezog in dem hier streitigen Zeitraum ein Erwerbseinkommen in Höhe von etwa 1.200,00 Euro brutto monatlich.
Auf Antrag der Kläger bewilligte die Beklagte diesen mit Bescheid vom 05. September 2005 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum August bis November 2005 von monatlich 607,00 Euro (jeweils 303,91 Euro anteilige Kosten der Unterkunft). Ausweislich des dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen wurde die Höhe der bewilligten Leistungen unter Berücksichtigung der vollständigen Kosten der Unterkunft in Höhe von 838,81 Euro sowie unter Anrechnung des zu berücksichtigenden Einkommens der Klägerin zu 2) in Höhe von 698,98 Euro und des für die Tochter S gezahlten Kindergeldes als Einkommen in Höhe von 154,00 Euro berechnet. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte den Klägern Arbeitslosengeld II für den Zeitraum Dezember 2005 bis Mai 2006 in Höhe von monatlich 917,00 Euro (jeweils 39,40 Euro anteilige Regelleistung sowie 419,40 Euro Kosten der Unterkunft). Die Berechnung der Höhe der bewilligten Leistungen erfolgte in gleicher Weise wie die Berechnung der mit dem vorangegangenen Bescheid bewilligten Leistungen, als einzige Änderung wurde das zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin zu 2) aus Erwerbstätigkeit für diesen Bescheid nur in Höhe von 389,00 Euro angesetzt.
Bei einer persönlichen Vorsprache am 06. Februar 2006 teilte der Kläger zu 1) der Beklagten mit, dass seine Tochter S das Kindergeld jetzt aufgrund eines Abzweigungsantrages selber ausgezahlt erhalte.
Mit Änderungsbescheid vom 13. Februar 2006 bewilligte die Beklagte den Klägern daraufhin für den Zeitraum 1. Februar 2006 bis 31. Mai 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 760,83 Euro. Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens rechnete sie dabei das Kindergeld nicht mehr als Einkommen der Kläger an. Mit gleichem Bescheid änderte die Beklagte die für den Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 31. Januar 2006 bewilligten Leistungen ab; unter Anrechnung eines zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens der Klägerin zu 2) in Höhe von monatlich 699,98 Euro sowie weiterhin erfolgte Anrechnung des Kindergeldes in Höhe von 154,00 Euro als Einkommen der Kläger setzte sie die Höhe des monatlich zu zahlenden Arbeitslosengeldes II auf 606,83 Euro fest (jeweils 303,41 Euro anteilige Kosten der Unterkunft).
Bei einer weiteren persönlichen Vorsprache am 06. März 2006 stellten die Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag wegen der Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen in der Vergangenheit. Zur Begründung machten sie unter Vorlage entsprechender Kontoauszüge für den Zeitraum August 2005 bis Februar 2006 geltend, dass das Kindergeld regelmäßig durch das Studentenwerk zwecks Zahlung der Miete in Höhe von 180,00 Euro für S vom Konto der Eltern abgebucht worden sei.
Mit Bescheid vom 07. April 2006 (als einfaches Schreiben verfasst ohne Rechtsmittelbelehrung) stellte die Beklagte fest, die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid nicht zu beanstanden sei. Bis zum 31. Januar 2006 sei das Kindergeld an die Kläger gezahlt worden und deshalb als deren Einkommen anzurechnen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. August 2006 zurück. Zur Begründung führte sie weiter aus, die Beklagte habe erst bei der persönlichen Vorsprache am 06. Februar 2006 davon Kenntnis erlangt, dass das Geld weitergeleitet worden sei. Eine rückwirkende Bewilligung höherer Leistungen würden außerdem die Grundsätze der Rechtssprechung zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entgegen stehen, wonach Sozialhilfe für die Vergangenheit niemals gewährt werde, auch nicht bei entsprechender Verursachung durch den Leistungsträger (Bundesverwaltungsgericht vom 02. Juni 1965 - VC 63.64)
Hiergegen haben die Kläger am 11. September 2006 - im Wege der Klageeinreichung durch den Kläger zu 1) - Klage erhoben.
Die Kläger berufen sich darauf, bereits im August 2005 die Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen zu haben, dass das für ihre Tochter S gezahlte Kindergeld zur Finanzierung ihres Studiums verbraucht werde.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2006 zu verurteilen, den Klägern unter Abänderung der Bescheide vom 05. September 2005 und 13. Oktober 2005 rückwirkend ab August 2005 höhere Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, vor der persönlichen Vorsprache der Kläger im Februar 2006 sei ihr nur bekannt gewesen, dass die Klägerin zu 2) das Kindergeld selber ausgezahlt erhalte. Darüber hinaus ist sie der Ansicht, die Klage könne auch bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil keine aktuelle Bedürftigkeit der Kläger betroffen sei, sondern nur Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden.
Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit wird von Beginn an nicht nur von dem Kläger zu 1) sondern auch von der Klägerin zu 2) geführt (Mehrheit von Klägern, sogenannte subjektive Klagehäufung). Dies ergibt sich aus der diesbezüglichen ausdrücklichen Erklärung des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht. Dem steht nicht entgegen, dass in der Klageschrift vom 11. September 2006 sowie in den folgenden Schriftsätzen der Beteiligten allein der Kläger zu 1) als klagende Partei bezeichnet ist. Denn diese Prozesshandlungen sind der Auslegung zugänglich, die ergibt, dass die Durchsetzung eines Anspruches auf Leistungen nach dem SGB II sowohl für den Kläger zu 1) als auch für die Klägerin zu 2) bereits Gegenstand des vorangegangenen Widerspruchsverfahrens war. Sowohl die Klageerhebung und in ihrem Rahmen die Bezeichnung der Beteiligten als auch die Antragstellung sind Prozesshandlungen, die Willenserklärungen enthalten, die nach den dafür geltenden Regelungen - §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - auszulegen sind (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 22. März 1988, Az. 8/5 ARKn 11/87 in SozR. 2.200 § 205 Nr. 65). Danach ist nicht am Wortlaut der Erklärungen zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, der sich nicht nur aus dem Wortlaut der Erklärungen, sondern auch aus den sonstigen Umständen ergeben kann. Dabei können insbesondere Schriftsätze der Beteiligten, der Inhalt der Verwaltungsakte und der Zusammenhang mit den vorgelegten Unterlagen herangezogen werden. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert, d.h. die Prozesshandlung muss so ausgelegt werden, wie sie die Empfänger, also das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten bei Berücksichtigung aller Umstände verstehen konnten.
Vorliegend wurde mit der Klageschrift vom 11. September 2006 die Aufhebung des Bescheides vom 07. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2006 sowie die Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht. Das Klagebegehren wurde durch den Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht dahingehend präzisiert, dass dem Kläger zu 1) sowie der Klägerin zu 2) für den Zeitraum August 2005 bis Januar 2006 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren seien. Dementsprechend wurde auch der Klageantrag durch den Prozssbevollmächtigten des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht formuliert. Sowohl die Geltendmachung der konkreten Leistungen für beide Kläger als auch die Bezugnahme auf die Bescheidlage ließen für das Gericht und die Beklagte ersichtlich werden, dass nicht nur Ansprüche des Klägers zu 1) verfolgt wurden, sondern auch die Ansprüche der Klägerin zu 2).
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 07. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2006 ist teilweise rechtswidrig und beschwert die Kläger in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die Bewilligungsbescheide, die dem Leistungszeitraum vom 01. August 2005 bis zum 31. Januar 2006 zugrunde gelegen sind, für den Zeitraum Oktober 2005 bis Januar 2006 abzuändern und den Klägern höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen zu bewilligen.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sind insoweit erfüllt.
Diese Vorschrift ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch im Anwendungsbereich des SGB II anwendbar. Dies hat der Gesetzgeber für Leistungen nach dem SGB II durch die Verweisung des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II auf § 330 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) klargestellt (ebenso Münder (Hrsg) Sozialgesetzbuch II Lehr- und Praxiskommentar, 2. Auflage Rd.Nr. 4 § zu § 40 SGB II). Insoweit kommt hier die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BverwG) zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf die Regelungen des damals geltenden Bundessozialghilfegesetzes (BSHG) nicht zum tragen. Das Gericht verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteiles vom 30. Oktober 2006 des Sozialgerichts Detmold, Az. S 12 AS 34/06, das den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in Kopie überreicht worden ist. Den dortigen Ausführungen schließt sich das Gericht ausdrücklich an. Insbesondere wird auch nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich wäre, im Hinblick auf die Pauschalierungen, die Bedürftige zwingt, vergangenheits- und zukunftsorientiert zu haushalten, Hilfe zum Lebensunterhalt für die Vergangenheit unter Ausschluss des § 44 SGB X zu verweigern und ihr einen Dauercharakter abzusprechen.
Nach § 44 SGB X ist ein eine Sozialleistung ablehnender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Bestimmung ermöglicht damit ein Abweichen von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.
Die dem Leistungszeitraum vom 01. August 2005 bis 31. Januar 2006 zu Grunde liegenden Bewilligungsbescheide sind insofern zu beanstanden, als die Höhe des Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 01. Oktober 2005 bis 31. Januar 2006 unter Anrechnung des für die Tochter der Kläger gezahlten Kindergeldes festgesetzt wurde.
Nach §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 20 ff. SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslogengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Als Einkommen zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Der aus den Klägern bestehenden Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 a SGB II) war in dem Zeitraum von Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 nur das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2) als Einkommen anzurechnen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II), nicht jedoch das für die Tochter S bezogene Kindergeld. Dies ergibt sich aus der aufgrund des § 13 SGB II erlassenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II - V) in der zum 01. Oktober 2005 in Kraft getretenen Fassung vom 22. August 2005.
Nach § 1 Absatz 1 Nr. 8 ALG II - V ist Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Eine solche Nichtanrechnung des Kindergeldes als Einkommen hätte die Beklagte in dem Zeitraum von Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 bei richtiger Anwendung der Vorschrift des § 1 Absatz 1 Nr. 8 ALG II - V vornehmen müssen, da die Kläger das Kindergeld durch Zahlung der Miete für ihre Tochter an diese weitergeleitet hatten.
Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die Abänderung der mit Bescheid vom 05. September 2005 bewilligten Leistungen für August bis einschließlich September 2005 ablehnt, ist dieser rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Nach der auf diesen Zeitraum Anwendung findenden Rechtslage ist das Kindergeld den Klägern ungeachtet der von ihnen vorgenommenen Weiterleitung des Geldes an ihre Tochter als Einkommen anzurechnen, da die o.a. Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG II - V erst zum 01. Oktober 2005, und somit nicht bereits in dem Zeitraum vom 01. August bis 30. September 2005 in Kraft getreten war. Nach der damals geltenden Rechtslage war das Kindergeld grundsätzlich dem Empfänger der Geldleistung als Einkommen anzurechnen, mit Ausnahme des für minderjährige Kinder gezahlten Kindergeldes, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wurde (§ 11 Absatz 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem eventuellen Beratungsfehler bei der Antragstellung. Insbesondere können die Kläger nicht aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen, so gestellt zu werden, als hätten sie ihre Tochter veranlasst, den Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes bereits mit Wirkung zum 01. August 2005 zu stellen. Nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Ergänzend enthält das SGB II konkretisierende Beratungspflichten (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Voraussetzungen für das Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist, dass der Sozialleistungsträger auf eine naheliegende rechtliche Gestaltungsmöglichkeit nicht hingewiesen hat (vgl. Spellbrink in Eicher - Spellbrink SGB II - Kommentar § 4 Rd.Nr. 7). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor: Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Kläger dahingehend zu beraten, welche rechtlichen Dispositionen sie treffen bzw. veranlassen müssten, um möglichst hohe Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Die allein aus dem Motiv heraus dann höhere ALG II - Leistungen beziehen zu können, veranlasste Abzweigung von Kindergeld wäre als vorsätzliche Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit anzusehen, die nach § 34 SGB II zu Ersatzansprüchen gegen den Hilfebedürftigen führen würde. Die Behörde darf jedoch nur auf solche rechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen, die nicht zugleich eine Aufforderung zu sozialwidrigem Verhalten darstellen. Eine dahingehende Beratungspflicht, Bedürftigkeit bzw. eine höhere Bedürftigkeit herbeizuführen, würde darüber hinaus den in § 2 SGB II zum Ausdruck kommenden Grundsätzen des SGB II ("Fordern und Fördern") widerprechen.
Unabhängig von den o.a. Ausführungen zur Anwendbarkeit des Rechtsinstitutes des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kann dieses im vorliegenden Rechtsstreit auch deshalb nicht zum tragen kommen, weil das Gericht das tatsächliche Vorliegen der von den Klägern behaupteten Beratungssituation bei Antragstellung nicht feststellen konnte. Aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen der Verwaltungsakte der Beklagten ergeben sich nämlich hierfür keinerlei Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Bewilligung höherer Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz (SGB II) - Arbeitslosengeld II - ohne Anrechnung des für ihre Tochter gezahlten Kindergeldes als Einkommen rückwirkend für den Zeitraum August 2005 bis Januar 2006.
Die Kläger, geboren 1949 und 1945, sind verheiratet und bewohnen in N eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 86,7 qm bei einer Kaltmiete von 661,88 Euro. Die am 00. K 1984 geborene Tochter S der Kläger wohnte bereits in dem hier streitigen Zeitraum nicht mehr im Haushalt ihrer Eltern. Die Klägerin zu 2) ist erwerbstätig und bezog in dem hier streitigen Zeitraum ein Erwerbseinkommen in Höhe von etwa 1.200,00 Euro brutto monatlich.
Auf Antrag der Kläger bewilligte die Beklagte diesen mit Bescheid vom 05. September 2005 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum August bis November 2005 von monatlich 607,00 Euro (jeweils 303,91 Euro anteilige Kosten der Unterkunft). Ausweislich des dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen wurde die Höhe der bewilligten Leistungen unter Berücksichtigung der vollständigen Kosten der Unterkunft in Höhe von 838,81 Euro sowie unter Anrechnung des zu berücksichtigenden Einkommens der Klägerin zu 2) in Höhe von 698,98 Euro und des für die Tochter S gezahlten Kindergeldes als Einkommen in Höhe von 154,00 Euro berechnet. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte den Klägern Arbeitslosengeld II für den Zeitraum Dezember 2005 bis Mai 2006 in Höhe von monatlich 917,00 Euro (jeweils 39,40 Euro anteilige Regelleistung sowie 419,40 Euro Kosten der Unterkunft). Die Berechnung der Höhe der bewilligten Leistungen erfolgte in gleicher Weise wie die Berechnung der mit dem vorangegangenen Bescheid bewilligten Leistungen, als einzige Änderung wurde das zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin zu 2) aus Erwerbstätigkeit für diesen Bescheid nur in Höhe von 389,00 Euro angesetzt.
Bei einer persönlichen Vorsprache am 06. Februar 2006 teilte der Kläger zu 1) der Beklagten mit, dass seine Tochter S das Kindergeld jetzt aufgrund eines Abzweigungsantrages selber ausgezahlt erhalte.
Mit Änderungsbescheid vom 13. Februar 2006 bewilligte die Beklagte den Klägern daraufhin für den Zeitraum 1. Februar 2006 bis 31. Mai 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 760,83 Euro. Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens rechnete sie dabei das Kindergeld nicht mehr als Einkommen der Kläger an. Mit gleichem Bescheid änderte die Beklagte die für den Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 31. Januar 2006 bewilligten Leistungen ab; unter Anrechnung eines zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens der Klägerin zu 2) in Höhe von monatlich 699,98 Euro sowie weiterhin erfolgte Anrechnung des Kindergeldes in Höhe von 154,00 Euro als Einkommen der Kläger setzte sie die Höhe des monatlich zu zahlenden Arbeitslosengeldes II auf 606,83 Euro fest (jeweils 303,41 Euro anteilige Kosten der Unterkunft).
Bei einer weiteren persönlichen Vorsprache am 06. März 2006 stellten die Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag wegen der Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen in der Vergangenheit. Zur Begründung machten sie unter Vorlage entsprechender Kontoauszüge für den Zeitraum August 2005 bis Februar 2006 geltend, dass das Kindergeld regelmäßig durch das Studentenwerk zwecks Zahlung der Miete in Höhe von 180,00 Euro für S vom Konto der Eltern abgebucht worden sei.
Mit Bescheid vom 07. April 2006 (als einfaches Schreiben verfasst ohne Rechtsmittelbelehrung) stellte die Beklagte fest, die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid nicht zu beanstanden sei. Bis zum 31. Januar 2006 sei das Kindergeld an die Kläger gezahlt worden und deshalb als deren Einkommen anzurechnen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. August 2006 zurück. Zur Begründung führte sie weiter aus, die Beklagte habe erst bei der persönlichen Vorsprache am 06. Februar 2006 davon Kenntnis erlangt, dass das Geld weitergeleitet worden sei. Eine rückwirkende Bewilligung höherer Leistungen würden außerdem die Grundsätze der Rechtssprechung zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entgegen stehen, wonach Sozialhilfe für die Vergangenheit niemals gewährt werde, auch nicht bei entsprechender Verursachung durch den Leistungsträger (Bundesverwaltungsgericht vom 02. Juni 1965 - VC 63.64)
Hiergegen haben die Kläger am 11. September 2006 - im Wege der Klageeinreichung durch den Kläger zu 1) - Klage erhoben.
Die Kläger berufen sich darauf, bereits im August 2005 die Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen zu haben, dass das für ihre Tochter S gezahlte Kindergeld zur Finanzierung ihres Studiums verbraucht werde.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2006 zu verurteilen, den Klägern unter Abänderung der Bescheide vom 05. September 2005 und 13. Oktober 2005 rückwirkend ab August 2005 höhere Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, vor der persönlichen Vorsprache der Kläger im Februar 2006 sei ihr nur bekannt gewesen, dass die Klägerin zu 2) das Kindergeld selber ausgezahlt erhalte. Darüber hinaus ist sie der Ansicht, die Klage könne auch bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil keine aktuelle Bedürftigkeit der Kläger betroffen sei, sondern nur Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden.
Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit wird von Beginn an nicht nur von dem Kläger zu 1) sondern auch von der Klägerin zu 2) geführt (Mehrheit von Klägern, sogenannte subjektive Klagehäufung). Dies ergibt sich aus der diesbezüglichen ausdrücklichen Erklärung des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht. Dem steht nicht entgegen, dass in der Klageschrift vom 11. September 2006 sowie in den folgenden Schriftsätzen der Beteiligten allein der Kläger zu 1) als klagende Partei bezeichnet ist. Denn diese Prozesshandlungen sind der Auslegung zugänglich, die ergibt, dass die Durchsetzung eines Anspruches auf Leistungen nach dem SGB II sowohl für den Kläger zu 1) als auch für die Klägerin zu 2) bereits Gegenstand des vorangegangenen Widerspruchsverfahrens war. Sowohl die Klageerhebung und in ihrem Rahmen die Bezeichnung der Beteiligten als auch die Antragstellung sind Prozesshandlungen, die Willenserklärungen enthalten, die nach den dafür geltenden Regelungen - §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - auszulegen sind (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 22. März 1988, Az. 8/5 ARKn 11/87 in SozR. 2.200 § 205 Nr. 65). Danach ist nicht am Wortlaut der Erklärungen zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, der sich nicht nur aus dem Wortlaut der Erklärungen, sondern auch aus den sonstigen Umständen ergeben kann. Dabei können insbesondere Schriftsätze der Beteiligten, der Inhalt der Verwaltungsakte und der Zusammenhang mit den vorgelegten Unterlagen herangezogen werden. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert, d.h. die Prozesshandlung muss so ausgelegt werden, wie sie die Empfänger, also das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten bei Berücksichtigung aller Umstände verstehen konnten.
Vorliegend wurde mit der Klageschrift vom 11. September 2006 die Aufhebung des Bescheides vom 07. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2006 sowie die Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht. Das Klagebegehren wurde durch den Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht dahingehend präzisiert, dass dem Kläger zu 1) sowie der Klägerin zu 2) für den Zeitraum August 2005 bis Januar 2006 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren seien. Dementsprechend wurde auch der Klageantrag durch den Prozssbevollmächtigten des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht formuliert. Sowohl die Geltendmachung der konkreten Leistungen für beide Kläger als auch die Bezugnahme auf die Bescheidlage ließen für das Gericht und die Beklagte ersichtlich werden, dass nicht nur Ansprüche des Klägers zu 1) verfolgt wurden, sondern auch die Ansprüche der Klägerin zu 2).
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 07. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2006 ist teilweise rechtswidrig und beschwert die Kläger in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die Bewilligungsbescheide, die dem Leistungszeitraum vom 01. August 2005 bis zum 31. Januar 2006 zugrunde gelegen sind, für den Zeitraum Oktober 2005 bis Januar 2006 abzuändern und den Klägern höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen zu bewilligen.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sind insoweit erfüllt.
Diese Vorschrift ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch im Anwendungsbereich des SGB II anwendbar. Dies hat der Gesetzgeber für Leistungen nach dem SGB II durch die Verweisung des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II auf § 330 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) klargestellt (ebenso Münder (Hrsg) Sozialgesetzbuch II Lehr- und Praxiskommentar, 2. Auflage Rd.Nr. 4 § zu § 40 SGB II). Insoweit kommt hier die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BverwG) zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf die Regelungen des damals geltenden Bundessozialghilfegesetzes (BSHG) nicht zum tragen. Das Gericht verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteiles vom 30. Oktober 2006 des Sozialgerichts Detmold, Az. S 12 AS 34/06, das den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in Kopie überreicht worden ist. Den dortigen Ausführungen schließt sich das Gericht ausdrücklich an. Insbesondere wird auch nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich wäre, im Hinblick auf die Pauschalierungen, die Bedürftige zwingt, vergangenheits- und zukunftsorientiert zu haushalten, Hilfe zum Lebensunterhalt für die Vergangenheit unter Ausschluss des § 44 SGB X zu verweigern und ihr einen Dauercharakter abzusprechen.
Nach § 44 SGB X ist ein eine Sozialleistung ablehnender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Bestimmung ermöglicht damit ein Abweichen von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.
Die dem Leistungszeitraum vom 01. August 2005 bis 31. Januar 2006 zu Grunde liegenden Bewilligungsbescheide sind insofern zu beanstanden, als die Höhe des Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 01. Oktober 2005 bis 31. Januar 2006 unter Anrechnung des für die Tochter der Kläger gezahlten Kindergeldes festgesetzt wurde.
Nach §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 20 ff. SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslogengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Als Einkommen zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Der aus den Klägern bestehenden Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 a SGB II) war in dem Zeitraum von Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 nur das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2) als Einkommen anzurechnen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II), nicht jedoch das für die Tochter S bezogene Kindergeld. Dies ergibt sich aus der aufgrund des § 13 SGB II erlassenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II - V) in der zum 01. Oktober 2005 in Kraft getretenen Fassung vom 22. August 2005.
Nach § 1 Absatz 1 Nr. 8 ALG II - V ist Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Eine solche Nichtanrechnung des Kindergeldes als Einkommen hätte die Beklagte in dem Zeitraum von Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 bei richtiger Anwendung der Vorschrift des § 1 Absatz 1 Nr. 8 ALG II - V vornehmen müssen, da die Kläger das Kindergeld durch Zahlung der Miete für ihre Tochter an diese weitergeleitet hatten.
Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die Abänderung der mit Bescheid vom 05. September 2005 bewilligten Leistungen für August bis einschließlich September 2005 ablehnt, ist dieser rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Nach der auf diesen Zeitraum Anwendung findenden Rechtslage ist das Kindergeld den Klägern ungeachtet der von ihnen vorgenommenen Weiterleitung des Geldes an ihre Tochter als Einkommen anzurechnen, da die o.a. Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG II - V erst zum 01. Oktober 2005, und somit nicht bereits in dem Zeitraum vom 01. August bis 30. September 2005 in Kraft getreten war. Nach der damals geltenden Rechtslage war das Kindergeld grundsätzlich dem Empfänger der Geldleistung als Einkommen anzurechnen, mit Ausnahme des für minderjährige Kinder gezahlten Kindergeldes, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wurde (§ 11 Absatz 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem eventuellen Beratungsfehler bei der Antragstellung. Insbesondere können die Kläger nicht aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen, so gestellt zu werden, als hätten sie ihre Tochter veranlasst, den Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes bereits mit Wirkung zum 01. August 2005 zu stellen. Nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Ergänzend enthält das SGB II konkretisierende Beratungspflichten (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Voraussetzungen für das Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist, dass der Sozialleistungsträger auf eine naheliegende rechtliche Gestaltungsmöglichkeit nicht hingewiesen hat (vgl. Spellbrink in Eicher - Spellbrink SGB II - Kommentar § 4 Rd.Nr. 7). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor: Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Kläger dahingehend zu beraten, welche rechtlichen Dispositionen sie treffen bzw. veranlassen müssten, um möglichst hohe Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Die allein aus dem Motiv heraus dann höhere ALG II - Leistungen beziehen zu können, veranlasste Abzweigung von Kindergeld wäre als vorsätzliche Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit anzusehen, die nach § 34 SGB II zu Ersatzansprüchen gegen den Hilfebedürftigen führen würde. Die Behörde darf jedoch nur auf solche rechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen, die nicht zugleich eine Aufforderung zu sozialwidrigem Verhalten darstellen. Eine dahingehende Beratungspflicht, Bedürftigkeit bzw. eine höhere Bedürftigkeit herbeizuführen, würde darüber hinaus den in § 2 SGB II zum Ausdruck kommenden Grundsätzen des SGB II ("Fordern und Fördern") widerprechen.
Unabhängig von den o.a. Ausführungen zur Anwendbarkeit des Rechtsinstitutes des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kann dieses im vorliegenden Rechtsstreit auch deshalb nicht zum tragen kommen, weil das Gericht das tatsächliche Vorliegen der von den Klägern behaupteten Beratungssituation bei Antragstellung nicht feststellen konnte. Aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen der Verwaltungsakte der Beklagten ergeben sich nämlich hierfür keinerlei Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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