L 13 AL 872/07 PKH-A

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 872/07 PKH-A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren L 13 AL 4376/04 wird abgelehnt.

Gründe:

Der zulässige Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt Prof. B. für das Berufungsverfahren L 13 AL 4376/04 ist unbegründet.

Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Bejahung einer Erfolgsaussicht ist keine Erfolgsgewissheit erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 114 Rdnr. 3). Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (Philippi in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rdnr. 19). Sind weitere Ermittlungen erforderlich, genügt es, wenn das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, die das Obsiegen ebenso wahrscheinlich erscheinen lässt wie ein Unterliegen (vgl. Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 1998 - 7 S 3090/97 in NVwZ 1998, 1098 m.w.N., veröffentlicht in Juris). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsverfahren L 13 AL 4376/04 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die mit Klage und Berufung angefochtenen (Rücknahme- und Erstattungs-)Bescheide vom 5. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2003, mit denen das (damals) Arbeitsamt D. (AA) den Bewilligungsbescheid über die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum 26. März 2001 bis 30. Juni 2001 wegen fehlender Arbeitslosigkeit zurückgenommen und das in diesem Zeitraum erhaltene Alg in Höhe von 6.893,79 DM zurückgefordert und die im genannten Zeitraum abgeführten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 2.518,80 DM ebenfalls zurückgefordert hat, erweisen sich - nach der hier nur vorzunehmenden summarischen Prüfung - als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Ebenso wenig wird der Kläger durch die Erstattungsbescheide vom 7. Juli 2003 (Widerspruchsbescheid vom 1. September 2003), die infolge der bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheide vom 5. Juni und 6. Juni 2003, mit denen die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 1. April 2003 teilweise in Höhe von 87,36 EUR wöchentlich bzw. ab 1. Mai 2003 teilweise in Höhe von 94,27 EUR wöchentlich aufgehoben wurde, ergangen sind, in seinen Rechten verletzt; auch diese Erstattungsbescheide vom 7. Juli 2003 erweisen sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig.

Das Sozialgericht Reutlingen (SG) hat in dem mit Berufung angefochtenen Urteil vom 19. Mai 2004 (S 9 AL 2465/03) entschieden, dass der Kläger in der Zeit vom 26. März bis 30. Juni 2001 - also von Beginn an des Bezugs von Alg - nicht arbeitslos gewesen ist und deshalb keinen Anspruch auf Alg hatte. Unter Bejahung der übrigen Voraussetzungen der maßgeblichen Rechtsgrundlagen (§§ 45, 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -) hat es folgerichtig die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide als rechtmäßig erachtet. Unter Zugrundelegung der bislang vorliegenden Entscheidungsgrundlagen ist eine abweichende Beurteilung durch den Senat aller Voraussicht nach nicht gerechtfertigt. Das SG hat den streitigen Sachverhalt umfassend ermittelt und die erhobenen Beweise überzeugend gewürdigt. Dabei hat es seine Entscheidung im Wesentlichen auf die Aussage des Klägers selbst in dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht D. sowie auf die Aussagen der Zeugen K. A. und A. A. in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2004 gestützt. Die unter Einbeziehung aller vom SG gewonnenen Beweisergebnisse vorgenommene Gesamtwürdigung erscheint auch dem Senat schlüssig, weshalb zur weiteren Begründung voll inhaltlich auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 19. Mai 2004, die sich der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung insoweit zu eigen macht, Bezug genommen wird. Zu betonen ist, dass auch der Senat nach summarischer Prüfung des bisherigen Beweisergebnisses des Verwaltungs- und der gerichtlichen Verfahren davon ausgeht, dass der Kläger der verantwortliche Betreiber der Gaststätte "E. K." im fraglichen Zeitraum war und er mit dieser Tätigkeit die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 3 SGB III in der bis 31. Dezember 2003 gültigen Fassung - die Fortführung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich, aber weniger als 18 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit ..., schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus - überschritten hat mit der Folge, dass die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit nicht gegeben war (vgl. § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Dabei ist der rechtliche Ausgangspunkt des SG zutreffend, wonach bei der Beurteilung des zeitlichen Umfangs einer selbstständigen Tätigkeit, bei der vertragliche Abmachungen über die Arbeitszeit fehlen, allein auf die "Natur der Sache" abgestellt werden kann; maßgebend ist der Zeitaufwand, den der Selbstständige nach der Gestaltung, die er seiner Tätigkeit gegeben hat, betreibt oder voraussichtlich betreiben muss (vgl. BSG SozR 4100 § 102 Nr. 2; BSG SozR 4100 § 102 Nr. 7). Zeiten, in denen der selbstständig Tätige seinen Betrieb (z.B. Gaststätte) für Kunden geöffnet hält, sind voll zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 4100 § 102 Nr. 7). Dies gilt auch dann, wenn diese Zeiten in Ermangelung von Aufträgen nicht mit eigentlicher Arbeit ausgefüllt werden. Latente Arbeitsbereitschaft während der Öffnungszeiten, die bei Bedarf jederzeit aktualisiert und in eine konkrete Tätigkeit umgesetzt werden kann, ist zu berücksichtigende Arbeitszeit. Dies zugrunde gelegt geht der Senat davon aus, dass die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beim Betreiben seiner Gaststätte die Geringfügigkeitsgrenze von 18 Stunden wöchentlich deutlich überschritten hat. Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht D. am 8. April 2002 angegeben, dass die Öffnungszeiten des Lokals ohne Ruhetag von etwa 11.00 Uhr bis werktags 22.00 Uhr und am Wochenende 24.00 Uhr gingen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Zeuge A. sechs Tage in der Woche in dem Zeitraum 1. Januar 2001 bis 31. Mai 2001 als Mitarbeiter in der Küche und als Kebap-Verkäufer ab Öffnung des Lokals anwesend war - obwohl der Zeuge A. in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2004 keine Angaben dazu machen konnte, wie viele Stunden er gearbeitet hat - und weiter davon auszugehen ist, dass der Zeuge A. vom 1. September 2000 bis 13. September 2001 in einem Ausbildungsverhältnis als Fliesenleger mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer vom Ausbildungsbetrieb bis einschließlich Juli 2001 gezahlten monatlichen Ausbildungsvergütung von 989,90 DM stand, wobei seine Arbeitszeit im Betrieb regelmäßig bis 16.15 Uhr und auch die Ausbildung in der "ÜBA" bis 16.00 Uhr ging, weshalb er lediglich an den Tagen des Berufsschulunterrichts früher - seinen Angaben zufolge gegen 14.00 Uhr - mit seiner Betätigung im Lokal einsetzen konnte - hat der Kläger als verantwortlicher Konzessionsinhaber für die Gaststätte jedenfalls bis zum Eintreffen des Zeugen A. aufsichtsführend die Gaststätte geleitet. Denn jedenfalls während der Abwesenheit des Zeugen A. hat der Kläger den Zeugen A., der erst seit 1. Januar 2001 im Lokal beschäftigt war, beaufsichtigt und angeleitet und war somit in diesen Zeiten steht einsatz- und arbeitsbereit. Dies hat der Zeuge A. in der mündlichen Verhandlung am 19. Mai 2004 dadurch bestätigt, dass er angegeben hat, dass der Kläger bis zu seinem Eintreffen von der Berufsschule bzw. von der Arbeitsstelle im Lokal "nach dem Rechten geschaut und aufgepasst habe". Somit folgen also schon aus den Angaben der Zeugen bzw. des Klägers selbst wöchentliche Arbeitszeiten des Klägers, die deutlich über der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 3 SGB III liegen. Bestätigt wird dieses Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Prüfbericht vom 12. Juli 2001, wonach der Kläger dem Zeugen M. gegenüber angegeben hat, dass er das Lokal unter Mithilfe der Ehefrau bzw. der Kinder führe, wobei zum Zeitpunkt des Besuches des Lokals durch den Zeugen M. außer dem Kläger kein Familienmitglied oder der Zeuge A. anwesend gewesen sind. An den entscheidungserheblichen tatsächlichen Feststellungen im Prüfbericht - weitere Familienmitglieder und auch der Zeuge A. waren nicht anwesend - und an dem Inhalt der Aussage des Klägers würden sich im Übrigen nichts deshalb ändern, weil das Gespräch mit dem Kläger möglicherweise mit Hilfe des A. I. als Dolmetscher geführt worden ist. Schließlich hat der Kläger selbst in der Arbeitslosmeldung bzw. Antragstellung vom 30. Oktober 2001 angegeben, zuvor selbstständig tätig gewesen zu sein und einen Kebap-Imbiss gehabt zu haben. Vorbehaltlich der noch - gegebenenfalls - vorzunehmenden Würdigung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme durch Einvernahme des als Zeugen benannten A. I. geht der Senat nach bisherigem Stand davon aus, dass der Kläger als verantwortlicher Betriebsinhaber wöchentlich mehr als 18 Stunden in seinem Lokal gearbeitet hat.

Auch die Erstattungsbescheide vom 7. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. September 2003 erweisen sich - nach der hier nur vorzunehmenden summarischen Prüfung - als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Nachdem die Beklagte die Bewilligung der Alhi mit Bescheid vom 5. Juni 2003 ab 1. April 2003 auf nur noch 130,62 EUR wöchentlich und mit Bescheid vom 6. Juni 2003 ab 1. Mai 2003 auf nur noch wöchentlich 36,33 EUR teilweise aufgehoben hat, muss der Kläger die zu Unrecht erhaltene Alhi in Höhe von 761,28 EUR bzw. 417,57 EUR erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X). Wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass diese Teilaufhebungs-Bescheide vom 5. Juni und 6. Juni 2003 bestandskräftig wurden. Der Senat hat - bei summarischer Prüfung - keinen Zweifel daran, dass die ordnungsgemäß und mit zutreffender Anschrift abgesandten Bescheide vom 5. Juni und 6. Juni 2003 dem Kläger zugegangen sind. Die Bescheide waren an die Anschrift H.straße 38a in H. adressiert, wo der Kläger auch wohnte. Dem SG ist darin zuzustimmen, dass der Kläger mit seinem Vorbringen, er habe weder die Rückforderungsbescheide der Beklagten vom 5. November 2001, noch den Bescheid vom 18. Juli 2001, noch die Zahlungsmitteilung des (damals) Landesarbeitsamts vom 13. November 2001 und dessen Mahnung vom 10. Januar 2002 noch die Änderungs-Bescheide der Beklagten vom 5. Juni und 6. Juni 2003 noch schließlich die Bewilligungsbescheide vom 6. Dezember 2002 und 2. Januar 2003 erhalten, eine ganz außergewöhnliche Fallgestaltung geschildert hat, denn dies würde bedeuten, dass er innerhalb eines Zeitraumes von ca. zwei Jahren mindestens acht Bescheide/Schreiben der Beklagten nicht erhalten hat. Dazu jedenfalls, weswegen in diesem ungewöhnlich großen Ausmaß der Postlauf von der Behörde zu ihm gestört gewesen sein sollte, hat der Kläger jedoch - auch nicht ansatzweise - eine Begründung gegeben; festzuhalten ist, dass ein Postrücklauf an die Beklagte nicht erfolgte. Andererseits haben den Kläger im fraglichen Zeitraum durchaus Bescheide/Schreiben der Beklagten erreicht. Deshalb geht auch der Senat davon aus, dass die pauschale Behauptung des Klägers, die Bescheide vom 5. Juni und 6. Juni 2003 nicht erhalten zu haben, nicht ausreicht, die nach § 37 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB X vorausgesetzten Zweifel hervorzurufen, die vorliegen müssen, dass die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hätte.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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