L 28 B 731/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 7208/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 731/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. April 2007 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Beschwerde-verfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Das Aktivrubrum war zu ändern. Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind bei sachgerechter Auslegung des erstinstanzlich geltend gemachten Begehrens die Anträge der in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragstellerinnen zu 1 und zu 2 auf Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - des Sozialgesetzbuches (SGB II). Die Antragstellerin zu 1 kann als Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft nicht im eigenen Namen die Ansprüche der Antragstellerin zu 2 mit einer Klage oder, wie im vorliegenden Verfahren, mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgen, sondern jedes Mitglied muss seine Ansprüche im eigenen Namen geltend machen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 - L 7 b AS 8/06 R - (www.bundessozialgericht.de) und bereits Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Mai 2006 - L 10 AS 102/06 -). Die Bevollmächtigung der Antragstellerin zu 1 für das vorliegende Verfahren konnte dabei unterstellt werden (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. April 2007 ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 SGG zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerinnen auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.

Soweit die Antragstellerinnen ausweislich ihres Antragsschriftsatzes vom 21. März 2007 sinngemäß begehren, die aufschiebende Wirkung ihrer - ebenfalls am 21. März 2007 erhobenen - Klage (nicht ihres Widerspruchs) gegen den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 20. Februar 2007 anzuordnen, kann dieser Antrag keinen Erfolg haben. Denn mit diesem Widerspruchsbescheid hat der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin zu 1 gegen sein Schreiben vom 12. Februar 2007, mit dem er die Antragstellerin zu 1 zur beabsichtigten teilweisen Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. Januar 2007 und zur beabsichtigten Rückforderung der nach Ansicht des Antragsgegners überzahlten 136, 43 EUR angehört hat, wegen fehlender Verwaltungsaktqualität dieser Anhörung zu Recht (vgl. Engelmann in von Wulffen, Sozialgesetzbuch X (SGB X), 5. Auflage 2005, § 31 Rdnr. 27) als unzulässig verworfen. Die Anhörung selbst trifft keine für den Adressaten verbindliche Rechtsfolge, sondern bereitet eine Regelung erst vor. Der Adressat ist daher nicht auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen. Er muss im Regelfall die angekündigte Entscheidung abwarten und gegebenenfalls insoweit um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen.

Dem entspricht das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin insoweit, als sie in diesem Verfahren sinngemäß die Anordnung der aufschiebende Wirkung ihrer Klage (nicht ihres Widerspruchs) gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 12. und 22. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2007 begehrt. Dieses Rechtsschutz-ersuchen richtet sich nach § 86 b Abs. 1 SGG. Denn mit den ursprünglichen Bewilligungsbescheiden vom 31. Oktober 2006, mit dem den Antragstellerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für November 2006 bis Oktober 2007 in Höhe von monatlich 951,11 EUR (Antragstellerin zu 1: 600,30 EUR und Antragstellerin zu 2: 350,81 EUR) bewilligt worden sind, hat der Antragsgegner einen Rechtsgrund geschaffen, aus dem die Antragstellerinnen für die jeweiligen Monate tatsächlich die Auszahlung der von ihr begehrten Leistungen verlangen können. Wenn der Antragsgegner meint, diese Leistungsgewährung sei jedenfalls mit Wirkung vom 1. Dezember 2006 an rechtswidrig, so bedarf der Bewilligungsbescheid der Aufhebung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 330 Abs. 2 oder 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 45 SGB X oder § 48 SGB X. Diese Bescheide, die hier unter dem 12. und 22. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23. März 2007 ergangen sind, stellen belastende Verwaltungsakte dar, weil mit ihnen in die mit den Bewilligungsbescheiden vom 31. Oktober 2006 geschaffene und die Antragstellerinnen begünstigende Rechtsposition eingegriffen worden ist. Denn mit ihnen hat der Antragsgegner die den Antragstellerinnen für den genannten Bewilligungsabschnitt gewährten Leistungen teilweise in Höhe von monatlich 83,52 EUR aufgehoben. Denn er hat die den Antragstellerinnen bisher gewährten Leistungen in Höhe von monatlich 951,11 EUR auf monatlich 867,59 EUR (Antragstellerin zu 1: 547,46 EUR und Antragstellerin zu 2: 320,13 EUR) herabgesetzt. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner hingegen noch keine Entscheidung über die die in der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. Januar 2007 seines Erachtens eingetretene und in dem Anhörungsschreiben genannte Überzahlung in Höhe von 136, 43 EUR getroffen hat.

Gegen die Entscheidung des Antragsgegners über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen haben die Antragstellerinnen bei sachdienlicher und vernünftiger Auslegung ihres Schriftsatzes vom 21. März 2007 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben. Da diese Klage gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat, richtet sich der einstweiliger Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.

Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen wie dem Vorliegenden, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, Rdnr. 197 ff.). Ist in diesem Sinne eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu bejahen, ist weiterhin Voraussetzung, dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, also ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit besteht (Beschlüsse des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 6. März 2007 - L 28 B 290/07 AS ER - und vom 2. Mai 2007 - L 28 B 517/07 AS ER - sowie bereits Beschluss vom 12. Mai 2006 - L 10 B 191/06 AS ER -, abrufbar unter: www.sozialgerichtsbarkeit.de).

An diesen Grundsätzen gemessen war die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerinnen gegen die angefochtene Entscheidung des Antragstellers nicht anzuordnen. Dabei kann der Senat in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren letztlich offen lassen, ob die Klage der Antragstellerinnen eine hinreichende Erfolgsausicht besitzt. Hinzuweisen ist aber darauf, dass der Antragsgegner entgegen der Annahme der Antragstellerinnen ausweislich der Verwaltungsakte von dem Erwebseinkommen der Antragstellerin zu 1 in Höhe von 100,00 EUR monatlich pauschal monatlich 100,00 EUR (§ 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II) abgesetzt hat. Von dem weiteren Einkommen der Antragstellerin zu 1 in Höhe von 154,00 EUR Kindergeld für das nicht in der Bedarfsgemeinschaft lebende Kind P hat der Antragsgegner dann weitere nachgewiesene und den Betrag von 100,00 EUR übersteigende 14,03 EUR (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 23. März 2007) abgesetzt, so dass sie bei der Antragstellerin zu 1 ein Gesamteinkommen in Höhe von 139,97 EUR (154,00 EUR - 14,03 EUR) berücksichtigt hat (vgl. Seite 4 der Bescheide vom 22. Februar 2007). Die weitere Prüfung der Berechnung der Leistungsgewährung kann ebenso wie die Frage, ob die mögliche Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 31. Oktober 2006 eine teilweise Rücknahme oder Aufhebung dieser Bescheide rechtfertigt, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Bescheide nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 bzw. 3 SGB III bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen mit Wirkung für die Vergangenheit bzw. mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben sind. Ermessen ist entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss insoweit nicht auszuüben.

Jedenfalls fehlt es aber im vorliegenden Fall an der notwendigen Eilbedürftigkeit der begehrten Entscheidung. Denn die Antragstellerinnen haben sich insoweit darauf beschränkt, vorzutragen, dass sich diese "aus der angespannten finanziellen Situation und aus der offensichtlichen Unrichtigkeit der Bescheide ergäbe". Insoweit ist indes nicht im Ansatz dargetan, warum es den Antragstellerinnen bei einer Minderung der ihnen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um monatlich 83,52 EUR nicht zumutbar ist, das Hauptsacheverfahren abzuwarten, zumal ihnen monatlich insgesamt 1275,59 EUR (867,59 EUR Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, 2 x 154,00 EUR Kindergeld und 100,00 EUR Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2) bei anerkannten Kosten für die Unterkunft und die Heizung in Höhe von monatlich 499,56 EUR zur Verfügung stehen.

Die Beschwerde hinsichtlich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche einstweilige Rechtsschutzverfahren war daher ebenso wie der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Beschwerdeverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung). Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog und § 73 a SGG in Verbindung mit §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 der Zivilprozessordnung.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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