Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KR 761/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 312/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 44/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. September 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Kostenerstattung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 4.088,53 EUR.
Die 1963 geborene pflichtversicherte Klägerin, Mutter einer 1980 geborenen Tochter, ist mit dem 1963 geborenen B. K. verheiratet, der aus einer anderen Partnerschaft ebenfalls Kinder hat.
Nach einem ersten erfolglosen Versuch der künstlichen Befruchtung Anfang 2003, durchgeführt zu Lasten der Beklagten, beantragte die Klägerin am 02.04.2003 die Behandlung durch Invitrofertilisation (IVF) wegen schwerster nicht altersbedingter Fertilitätsstörung. Der hierzu gehörte MDK führte in seiner Stellungnahme vom 28.04.2003 aus, bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, müsse mit deutlich niedrigeren Befruchtungs- und Schwangerschaftsraten bei gleichzeitig zunehmender Erhöhung der Fehlgeburtsrate gerechnet werden. Es seien keine spezifischen Faktoren ersichtlich, welche eine überdurchschnittliche Erfolgsaussicht begründen könnten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag am 05.05.2003 wegen der ungünstigen Prognose ab.
Im Widerspruchsverfahren wurde geltend gemacht, der erste IVF-Behandlungszyklus sei bereits vor dem vollendeten 40. Lebensjahr begonnen worden und die Fertilitätsstörung sei keinesfalls altersbedingt. Die Beklagte wies den Widerspruch am 30.07.2003 unter Verweis auf die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 01.10.1990 und die Vollendung des 40. Lebensjahres zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die Kosten für die zwischenzeitlich durchgeführte zweite IVF-Behandlung entsprechend den vorgelegten Rechnungen zu erstatten. Der Klägerbevollmächtigte hat auf die individuell überdurchschnittlich günstigen Aussichten der künstlichen Befruchtung hingewiesen und ein Attest Prof.B. vom 10.09.2003 vorgelegt, wonach die Ursache der Sterilität wohl ausschließlich die eingeschränkte Fertilität des Mannes sei.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht Dr.B. sowie medizinische Unterlagen von diesem angefordert und Dr.K. , Leiter der Arbeitsgruppe Kinderwunsch im Klinikum der Universität M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 22.06.2006 nach Anhörung der Klägerin und ihres Ehemanns ausgeführt, der Schwerpunkt der ursächlichen Gesundheitsstörungen sei nach den vorliegenden Unterlagen eher auf der weiblichen ovariellen Seite zu sehen. Diametral entgegengesetzt dazu sei die Tatsache, dass wohl zwei spontane Konzeptionen ein bzw. zwei Jahre nach Behandlungsende erfolgten. Aufgrund des unbefriedigenden Stimulationsverlaufs der ersten IVF-Behandlung vor Vollendung des 40. Lebensjahres sei bereits zu vermuten gewesen, dass eine erneute Stimulation eher unterdurchschnittlich verlaufen würde. Der zweite Stimulationsversuch habe abgebrochen werden müssen und auch beim dritten Stimulationsversuch sei die Eizellanzahl und die reguläre Befruchung als unterdurchschnittlich zu werten. Angesichts der anschließenden spontanen Konzeptionen sei jedoch darauf hinzuweisen, dass mit statistischer Bewertung alleine eine abschließende, definitive Einschätzung der Therapieoption nicht möglich sei.
Die Beklagte hat dazu ausgeführt, zum Zeitpunkt der strittigen Behandlung habe keine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden. Auch habe der Gutachter festgestellt, dass die von den Richtlinien statuierten Anforderungen an das Ejakulat des Ehemanns nicht erfüllt seien. Schließlich komme nach erfolgter medizinisch nicht indizierter Sterilisation des Ehemanns der Klägerin eine Kostenübernahme nicht in Betracht.
Demgegenüber hat der Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen, in der Krankenversicherung gelte kein Verursacherprinzip. Aufgrund der inzwischen eingetretenen Schwangerschaft stehe ferner fest, dass die frühere Sterilisation des Mannes, die ein Jahr später wieder rückgängig gemacht wurde, nicht ursächlich für das Krankheitsgeschehen gewesen sein konnte. Durch den späteren Eintritt einer spontanen Schwangerschaft sei positiv bewiesen, dass die Klägerin auch in ihrem Alter günstige und überdurchschnittliche Erfolgschancen hatte.
Das Sozialgericht München hat die Klage am 14.09.2006 abgewiesen. Eine Ausnahmeindikation entsprechend den Richtlinien bei einer Frau über 40 Jahren habe zum Zeitpunkt April und Juli 2003 nicht vorgelegen. Gestützt hat es sich dabei auf die Ausführungen des Dr.K. , wonach keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass eine überdurchschnittliche Schwangerschaftsrate zu erwarten war. Weil die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht eine Prognoseentscheidung erfordere, seien sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die zu Beginn der jeweiligen Maßnahme vorlagen. Eine ex-post-Betrachtung, wie vom Klägerbevollmächtigten vorgenommen, scheide aus. Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs.3 SGB V nur in Höhe von 2.807,92 EUR vor, weil der zweite IVF-Versuch unstreitig vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 05.05.2003 begonnen und abgebrochen worden sei.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die materielle Gerechtigkeit und das Rechtsstaatsprinzip forderten, dass eine etwaige Prognoseentscheidung vor Beginn der Behandlung durch den späteren medizinischen Verlauf noch korrigiert werde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.09.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2003 zu verurteilen, an sie 4.088,53 EUR nebst gesetzlicher Zinsen daraus für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akte des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2003. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung der geltend gemachten Kosten in Höhe von 4.088,53 EUR.
Wegen der Sachleistungspflicht - wesentliches Strukturelement des gesamten Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung - darf Kostenerstattung nur in den ausdrücklich im SGB V aufgezählten Fällen erfolgen. Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt vorliegend lediglich § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach sind Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dabei ist die Kostenerstattung auf die notwendige Leistung begrenzt (§ 13 Abs.3 Satz 1 SGB V). Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durch Prof.Dr.B. waren weder unaufschiebbar noch hat die Beklagte die von ihm durchgeführten Maßnahmen zu Unrecht abgelehnt.
Die allein als mögliche Anspruchsgrundlage in Betracht kommende zweite Alternative des § 13 Abs.3 SGB V regelt die Kostenerstattung für den Fall, dass eine Sachleistung zu Unrecht verweigert und der Versicherte dadurch gezwungen wurde, sich die notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass es zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V darauf ankommt, dass zwischen der Ablehnung durch die Krankenkasse und dem eingeschlagenen Beschaffungsweg ein ursächlicher Zusammenhang besteht (BSG vom 18.01.1996 in SozR 3-2500 § 13 Nr.10). Die Kosten dürfen daher erst nach Ablehnung durch die Krankenkasse entstanden sein. Die Klägerin hat die zweite Stimulationsbehandlung vom 27.04. bis 01.05.2003 durchführen lassen, ohne die Entscheidung der Beklagten über ihren Antrag vom 02.04.2003 abzuwarten. Diese Entscheidung ist erst am 05.05.2003 erfolgt. Die Rechnung Prof.Dr.B. vom 13.05.2003 über 114,81 EUR und die der D.apotheke vom 26.04.2003 über 1.165,80 EUR sind daher nicht erstattungsfähig. Hinzu kommt, dass die Rechnung des Anästhesisten vom 11.10.2003 über 121,21 EUR keinem Zeitraum zuzuordnen ist. Eine Kostenerstattung in Höhe von 1.401,82 EUR kommt daher von vornherein nicht in Betracht.
Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, die nach dem 05.05.2003 entstandenen Kosten der künstlichen Befruchtungsmaßnahmen zu erstatten. Dabei kann dahinstehen, ob die geklagten Fertilitätsstörungen im Zusammenhang mit der Sterilisation bzw. Refertilisationsbehandlung des Ehemannes zu sehen waren, wie dies zwischen Prof.Dr.B. und Dr.K. strittig ist. Der Anspruch scheitert an der notwendigen Erfolgsprognose.
Nach § 27a Abs.1 Nr.2 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung, umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn u.a. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahme eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht in der Regel nicht mehr, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Nach Abs.4 dieser Vorschrift bestimmt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 SGB V die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach Abs.1. Diese Richtlinien über künstliche Befruchtung datierten vom 14.08.1990 (Bundesarbeitsblatt 12/1990, S.21) und bestimmten in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung unter Ziffer 9, dass Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, nicht durchgeführt werden sollen, da das Alter der Frau im Rahmen der Sterilitätsbehandlung einen limitierenden Faktor darstelle. Ausnahmen seien nur bei Frauen zulässig, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sofern die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten eine Genehmigung erteilt habe. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 02.04.2003 hatte die am 25.02.1963 geborene Klägerin das 40. Lebensjahr bereits vollendet. Der MDK hat in seinem Gutachten vom 28.04.2003 die Erfolgsaussichten für eine IVF-Behandlung verneint. Die darauf gestützte ablehnende Entscheidung der Beklagten begegnet keinen Bedenken.
Zutreffend hat das Sozialgericht unter Hinweis auf das ausführliche und überzeugende Gutachten des Dr.K. vom 22.06.2006 dargelegt, dass bei der Klägerin keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die künstliche Befruchtung bestanden. Der Senat schließt sich den überzeugenden Gründen an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG).
Seit 01.01.2004 ist die Vollendung des 40. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten als absoluter Ausschlußgrund für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung normiert (§ 27a Abs.3 Satz 1 2. Halbsatz SGB V). Mit der Regelung des Höchstalters wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass bereits jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum überschritten und die Konzeptionswahrscheinlichkeit sehr gering ist. Gleichzeitig sollte damit das Wohl des Kindes stark gewichtet werden (BT-Drs 15/1525 S.83). Die diesen Gesetzesintentionen zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse waren bereits bei der Aufnahme von Inseminationen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung 1990 bekannt, wie sich aus dem Wortlaut der Richtlinien ergibt, und rechtfertigen es, für jede einzelne Maßnahme ab Vollendung des 40. Lebensjahres eine günstige Prognose zu verlangen. Eine solche war vorliegend - besonders aufgrund des erschwerten ovariellen Ansprechens im Rahmen der Stimulationsbehandlung - nicht möglich.
Wenn die Klägerin einwendet, die spontane Schwangerschaft nach der Behandlung beweise, dass die streitgegenständliche Behandlung trotz des Alters der Klägerin jenseits des 40. Lebensjahres Erfolgsaussichten hatte, so kann dem nicht gefolgt werden. Ziel der künstlichen Befruchtung war nicht der Eintritt einer spontanen Schwangerschaft, wie sie bei der Klägerin erfolgt ist. Allenfalls kann daraus abgeleitet werden, dass phasenweise eine funktionsfähige, reproduktive Fertilitätssituation auf Seiten der Klägerin vorgelegen hat. Die Labilität dieser Situation, die durch den Verlauf der vorangegangenen Stimulationsverfahren bewiesen ist, verhindert jedoch eine günstige Prognose, die zudem zum Zeitpunkt des Maßnahmenbeginns zu treffen ist.
Eine ex-post-Betrachtung würde zu einer ungerechtfertigten Privilegierung finanzstarker Paare führen, die sich die Vorfinanzierung der Insemination leisten könnten. Auch ist der gesetzlichen Krankenversicherung die Leistungsverpflichtung nach dem Erfolgsprinzip grundsätzlich fremd (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R).
Richtig ist, dass die Rechtsprechung eine Therapie trotz geringer Erfolgsaussicht zur Leistungspflicht der Krankenkasse gezählt hat, wenn eine Heilwirkung im konkreten Einzelfall vorhanden war (Höfler in Kasseler Kommentar, § 12 Rz.10 mit weiteren Nachweisen). Eine entsprechende Anwendung der dabei entwickelten Grundsätze käme allenfalls in Betracht, wenn die künstliche Befruchtung wider Erwarten Erfolg gezeitigt hätte. Tatsächlich ist die künstliche Befruchtung jedoch gescheitert und eine Geburt ist aufgrund einer spontanen Schwangerschaft erfolgt.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Kostenerstattung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 4.088,53 EUR.
Die 1963 geborene pflichtversicherte Klägerin, Mutter einer 1980 geborenen Tochter, ist mit dem 1963 geborenen B. K. verheiratet, der aus einer anderen Partnerschaft ebenfalls Kinder hat.
Nach einem ersten erfolglosen Versuch der künstlichen Befruchtung Anfang 2003, durchgeführt zu Lasten der Beklagten, beantragte die Klägerin am 02.04.2003 die Behandlung durch Invitrofertilisation (IVF) wegen schwerster nicht altersbedingter Fertilitätsstörung. Der hierzu gehörte MDK führte in seiner Stellungnahme vom 28.04.2003 aus, bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, müsse mit deutlich niedrigeren Befruchtungs- und Schwangerschaftsraten bei gleichzeitig zunehmender Erhöhung der Fehlgeburtsrate gerechnet werden. Es seien keine spezifischen Faktoren ersichtlich, welche eine überdurchschnittliche Erfolgsaussicht begründen könnten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag am 05.05.2003 wegen der ungünstigen Prognose ab.
Im Widerspruchsverfahren wurde geltend gemacht, der erste IVF-Behandlungszyklus sei bereits vor dem vollendeten 40. Lebensjahr begonnen worden und die Fertilitätsstörung sei keinesfalls altersbedingt. Die Beklagte wies den Widerspruch am 30.07.2003 unter Verweis auf die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 01.10.1990 und die Vollendung des 40. Lebensjahres zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die Kosten für die zwischenzeitlich durchgeführte zweite IVF-Behandlung entsprechend den vorgelegten Rechnungen zu erstatten. Der Klägerbevollmächtigte hat auf die individuell überdurchschnittlich günstigen Aussichten der künstlichen Befruchtung hingewiesen und ein Attest Prof.B. vom 10.09.2003 vorgelegt, wonach die Ursache der Sterilität wohl ausschließlich die eingeschränkte Fertilität des Mannes sei.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht Dr.B. sowie medizinische Unterlagen von diesem angefordert und Dr.K. , Leiter der Arbeitsgruppe Kinderwunsch im Klinikum der Universität M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 22.06.2006 nach Anhörung der Klägerin und ihres Ehemanns ausgeführt, der Schwerpunkt der ursächlichen Gesundheitsstörungen sei nach den vorliegenden Unterlagen eher auf der weiblichen ovariellen Seite zu sehen. Diametral entgegengesetzt dazu sei die Tatsache, dass wohl zwei spontane Konzeptionen ein bzw. zwei Jahre nach Behandlungsende erfolgten. Aufgrund des unbefriedigenden Stimulationsverlaufs der ersten IVF-Behandlung vor Vollendung des 40. Lebensjahres sei bereits zu vermuten gewesen, dass eine erneute Stimulation eher unterdurchschnittlich verlaufen würde. Der zweite Stimulationsversuch habe abgebrochen werden müssen und auch beim dritten Stimulationsversuch sei die Eizellanzahl und die reguläre Befruchung als unterdurchschnittlich zu werten. Angesichts der anschließenden spontanen Konzeptionen sei jedoch darauf hinzuweisen, dass mit statistischer Bewertung alleine eine abschließende, definitive Einschätzung der Therapieoption nicht möglich sei.
Die Beklagte hat dazu ausgeführt, zum Zeitpunkt der strittigen Behandlung habe keine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden. Auch habe der Gutachter festgestellt, dass die von den Richtlinien statuierten Anforderungen an das Ejakulat des Ehemanns nicht erfüllt seien. Schließlich komme nach erfolgter medizinisch nicht indizierter Sterilisation des Ehemanns der Klägerin eine Kostenübernahme nicht in Betracht.
Demgegenüber hat der Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen, in der Krankenversicherung gelte kein Verursacherprinzip. Aufgrund der inzwischen eingetretenen Schwangerschaft stehe ferner fest, dass die frühere Sterilisation des Mannes, die ein Jahr später wieder rückgängig gemacht wurde, nicht ursächlich für das Krankheitsgeschehen gewesen sein konnte. Durch den späteren Eintritt einer spontanen Schwangerschaft sei positiv bewiesen, dass die Klägerin auch in ihrem Alter günstige und überdurchschnittliche Erfolgschancen hatte.
Das Sozialgericht München hat die Klage am 14.09.2006 abgewiesen. Eine Ausnahmeindikation entsprechend den Richtlinien bei einer Frau über 40 Jahren habe zum Zeitpunkt April und Juli 2003 nicht vorgelegen. Gestützt hat es sich dabei auf die Ausführungen des Dr.K. , wonach keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass eine überdurchschnittliche Schwangerschaftsrate zu erwarten war. Weil die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht eine Prognoseentscheidung erfordere, seien sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die zu Beginn der jeweiligen Maßnahme vorlagen. Eine ex-post-Betrachtung, wie vom Klägerbevollmächtigten vorgenommen, scheide aus. Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs.3 SGB V nur in Höhe von 2.807,92 EUR vor, weil der zweite IVF-Versuch unstreitig vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 05.05.2003 begonnen und abgebrochen worden sei.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die materielle Gerechtigkeit und das Rechtsstaatsprinzip forderten, dass eine etwaige Prognoseentscheidung vor Beginn der Behandlung durch den späteren medizinischen Verlauf noch korrigiert werde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.09.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2003 zu verurteilen, an sie 4.088,53 EUR nebst gesetzlicher Zinsen daraus für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akte des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2003. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung der geltend gemachten Kosten in Höhe von 4.088,53 EUR.
Wegen der Sachleistungspflicht - wesentliches Strukturelement des gesamten Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung - darf Kostenerstattung nur in den ausdrücklich im SGB V aufgezählten Fällen erfolgen. Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt vorliegend lediglich § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach sind Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dabei ist die Kostenerstattung auf die notwendige Leistung begrenzt (§ 13 Abs.3 Satz 1 SGB V). Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durch Prof.Dr.B. waren weder unaufschiebbar noch hat die Beklagte die von ihm durchgeführten Maßnahmen zu Unrecht abgelehnt.
Die allein als mögliche Anspruchsgrundlage in Betracht kommende zweite Alternative des § 13 Abs.3 SGB V regelt die Kostenerstattung für den Fall, dass eine Sachleistung zu Unrecht verweigert und der Versicherte dadurch gezwungen wurde, sich die notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass es zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V darauf ankommt, dass zwischen der Ablehnung durch die Krankenkasse und dem eingeschlagenen Beschaffungsweg ein ursächlicher Zusammenhang besteht (BSG vom 18.01.1996 in SozR 3-2500 § 13 Nr.10). Die Kosten dürfen daher erst nach Ablehnung durch die Krankenkasse entstanden sein. Die Klägerin hat die zweite Stimulationsbehandlung vom 27.04. bis 01.05.2003 durchführen lassen, ohne die Entscheidung der Beklagten über ihren Antrag vom 02.04.2003 abzuwarten. Diese Entscheidung ist erst am 05.05.2003 erfolgt. Die Rechnung Prof.Dr.B. vom 13.05.2003 über 114,81 EUR und die der D.apotheke vom 26.04.2003 über 1.165,80 EUR sind daher nicht erstattungsfähig. Hinzu kommt, dass die Rechnung des Anästhesisten vom 11.10.2003 über 121,21 EUR keinem Zeitraum zuzuordnen ist. Eine Kostenerstattung in Höhe von 1.401,82 EUR kommt daher von vornherein nicht in Betracht.
Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, die nach dem 05.05.2003 entstandenen Kosten der künstlichen Befruchtungsmaßnahmen zu erstatten. Dabei kann dahinstehen, ob die geklagten Fertilitätsstörungen im Zusammenhang mit der Sterilisation bzw. Refertilisationsbehandlung des Ehemannes zu sehen waren, wie dies zwischen Prof.Dr.B. und Dr.K. strittig ist. Der Anspruch scheitert an der notwendigen Erfolgsprognose.
Nach § 27a Abs.1 Nr.2 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung, umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn u.a. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahme eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht in der Regel nicht mehr, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Nach Abs.4 dieser Vorschrift bestimmt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 SGB V die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach Abs.1. Diese Richtlinien über künstliche Befruchtung datierten vom 14.08.1990 (Bundesarbeitsblatt 12/1990, S.21) und bestimmten in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung unter Ziffer 9, dass Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, nicht durchgeführt werden sollen, da das Alter der Frau im Rahmen der Sterilitätsbehandlung einen limitierenden Faktor darstelle. Ausnahmen seien nur bei Frauen zulässig, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sofern die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten eine Genehmigung erteilt habe. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 02.04.2003 hatte die am 25.02.1963 geborene Klägerin das 40. Lebensjahr bereits vollendet. Der MDK hat in seinem Gutachten vom 28.04.2003 die Erfolgsaussichten für eine IVF-Behandlung verneint. Die darauf gestützte ablehnende Entscheidung der Beklagten begegnet keinen Bedenken.
Zutreffend hat das Sozialgericht unter Hinweis auf das ausführliche und überzeugende Gutachten des Dr.K. vom 22.06.2006 dargelegt, dass bei der Klägerin keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die künstliche Befruchtung bestanden. Der Senat schließt sich den überzeugenden Gründen an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG).
Seit 01.01.2004 ist die Vollendung des 40. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten als absoluter Ausschlußgrund für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung normiert (§ 27a Abs.3 Satz 1 2. Halbsatz SGB V). Mit der Regelung des Höchstalters wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass bereits jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum überschritten und die Konzeptionswahrscheinlichkeit sehr gering ist. Gleichzeitig sollte damit das Wohl des Kindes stark gewichtet werden (BT-Drs 15/1525 S.83). Die diesen Gesetzesintentionen zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse waren bereits bei der Aufnahme von Inseminationen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung 1990 bekannt, wie sich aus dem Wortlaut der Richtlinien ergibt, und rechtfertigen es, für jede einzelne Maßnahme ab Vollendung des 40. Lebensjahres eine günstige Prognose zu verlangen. Eine solche war vorliegend - besonders aufgrund des erschwerten ovariellen Ansprechens im Rahmen der Stimulationsbehandlung - nicht möglich.
Wenn die Klägerin einwendet, die spontane Schwangerschaft nach der Behandlung beweise, dass die streitgegenständliche Behandlung trotz des Alters der Klägerin jenseits des 40. Lebensjahres Erfolgsaussichten hatte, so kann dem nicht gefolgt werden. Ziel der künstlichen Befruchtung war nicht der Eintritt einer spontanen Schwangerschaft, wie sie bei der Klägerin erfolgt ist. Allenfalls kann daraus abgeleitet werden, dass phasenweise eine funktionsfähige, reproduktive Fertilitätssituation auf Seiten der Klägerin vorgelegen hat. Die Labilität dieser Situation, die durch den Verlauf der vorangegangenen Stimulationsverfahren bewiesen ist, verhindert jedoch eine günstige Prognose, die zudem zum Zeitpunkt des Maßnahmenbeginns zu treffen ist.
Eine ex-post-Betrachtung würde zu einer ungerechtfertigten Privilegierung finanzstarker Paare führen, die sich die Vorfinanzierung der Insemination leisten könnten. Auch ist der gesetzlichen Krankenversicherung die Leistungsverpflichtung nach dem Erfolgsprinzip grundsätzlich fremd (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R).
Richtig ist, dass die Rechtsprechung eine Therapie trotz geringer Erfolgsaussicht zur Leistungspflicht der Krankenkasse gezählt hat, wenn eine Heilwirkung im konkreten Einzelfall vorhanden war (Höfler in Kasseler Kommentar, § 12 Rz.10 mit weiteren Nachweisen). Eine entsprechende Anwendung der dabei entwickelten Grundsätze käme allenfalls in Betracht, wenn die künstliche Befruchtung wider Erwarten Erfolg gezeitigt hätte. Tatsächlich ist die künstliche Befruchtung jedoch gescheitert und eine Geburt ist aufgrund einer spontanen Schwangerschaft erfolgt.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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