L 4 B 269/06 KA ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 16 KA 18/06 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 269/06 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Streitwert ist in einem Konkurrentenverfahren um eine Praxisnachfolge (Nachbe-setzungsverfahren) mit einem Drittel des Wertes zu bemessen, der für vertragsärztli-che Zulassungsverfahren angewendet wird (Höhe der bundesdurchschnittlichen Um-sätze der Arztgruppe abzüglich des durchschnittlichen Praxiskostenanteils in einem Zeitraum von drei Jahren; Nr. 16.4 des Streitwertkataloges für die Sozialgerichtsbar-keit).
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren in Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 5. Mai 2006 und für das Be- schwerdeverfahren auf 39.212,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

In dem Antragsverfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und in dem Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller sich gegen die Anordnung des Sofortvollzuges der Zulassung der Beigeladenen zu 8. zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Fachärztin für HNO-Heilkunde in R mit Wirkung ab dem 1. April 2006 im Rahmen einer Praxisnachfolge (§ 103 Abs. 4 SGB V) gewandt (Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte in Schleswig-Holstein vom 27. Februar 2006; Beschluss/Bescheid des Berufungsausschusses für Ärzte in Schleswig-Holstein vom 20. April 2006/18. Mai 2006 mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung). Das Antrags- und das Beschwerdeverfahren sind für den Antrag¬steller erfolglos geblieben (Beschluss des Sozialgerichts vom 5. Mai 2006, Beschluss des Senates vom 3. August 2006).

Rechtsgrundlage für die – Änderung der – Streitwertfestsetzung ist § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 1 Satz 1 Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 4, § 52 Abs. 1 GKG.

Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Abgestellt wird dabei auf das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an der angestrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen. Streitgegenstand des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens war die Entscheidung der Zulassungsgremien nach § 103 Abs. 4 Satz 3 SGB V mit der Auswahl der Beigeladenen zu 8. in dem Nachbesetzungsverfahren für eine HNO-Praxis in R. Der Streitwert für das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist abhängig von dem Streitwert, der in einem Hauptsacheverfahren gegen die Auswahlentscheidung, also in einem Klage- und Berufungsverfahren maßgebend wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 05.11.2003 – B 6 KA 11/03 R, BSGE 91, 253) ist Rechtsschutz bei einem Streit über die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern bei einer Praxisnachfolge (§ 103 Abs. 4 Sätze 3 und 4 SGB V) im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage als offensive Konkurrentenklage zu gewähren (siehe auch BSG, Urt. v. 07.02.2007 – B 6 KA 8/06 R -: "Mitbewerberklage"). Ziel der Konkurrentenklage des nicht gewählten Bewerbers ist die Aufhebung der Zulassung des ausgewählten Arztes (Abwehrbegehren), um über die Aufhebung der Zulassung des gewählten Arztes hinaus den Weg für eine neue Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien freizumachen. Dieses weitere Begehren mit dem Ziel einer neuen Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien hat Ähnlichkeiten mit dem sog. Bewerbungsverfahrensanspruch in beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren (s. dazu BSG, Urt. v. 05.11.2003, a. a. O.). Die Frage, wie der Streitwert in einem Konkurrentenklageverfahren gegen eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu bestimmen ist, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. In dem Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (Streitwertkatalog 2007 [Stand: 1. April 2007] – www.sozial¬gerichtsbarkeit.de –) wird für die Konkurrentenklage gegen eine Zulassung ein "dreifacher Regelstreitwert" vorgeschlagen (Nr. 16.6 des Streitwertkatalogs). Diesem Vorschlag folgt der Senat nicht. Zum einen handelt es sich bei dem Wert nach § 52 Abs. 2 GKG nicht um einen "Regelstreitwert", sondern nur um einen Auffangwert, der nur dann angewendet werden kann, wenn das wirtschaftliche Interesse nach § 52 Abs. 1 GKG nicht zu bestimmen ist (siehe dazu LSG Essen, Beschl. v. 24.02.2006 L 10 B 21/05 KA, SGb 2006, 475). Im Fall der vertragsärztlichen Konkurrentenklage im Rahmen einer Praxisnachfolge ist das Interesse des klagenden Konkurrenten von einer wirtschaftlichen Zielsetzung bestimmt, weil er selbst die Praxisnachfolge anstrebt, um aus der vertragsärztlichen Tätigkeit Honorare zu erzielen. Zum anderen kann der Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG als starrer Wert weder multipliziert noch dividiert werden (Beschl. des Senates v. 25.02.2005 – L 4 B 10/05 SF SG – m. w. N.; Beschl. des Senates v. 18.03.2005 – L 4 B 124/04 KA ER -). Der Streitwertkatalog 2007 enthält als weiteren Vorschlag für die Streitwertbemessung bei einer Konkurrentenklage gegen eine Zulassung den Hinweis, dass im Falle der Praxisübernahme auf den Durchschnittsumsatz in der Arztgruppe ohne Abzug von Praxiskosten abzustellen sei (unter Berufung auf Wenner/Bernard, Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in vertragsärztlichen Streitigkeiten, NZS 2001, 57, 60). Bei Anwendung der "Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland 2005" der Kassenärztlichen Bundesvereinigung betrug das vertragsärztliche Honorar für HNO-Ärzte im Jahr 2004 187.200,00 EUR. Dieser Betrag wäre als Streitwert festzusetzen. Dieser Streitwert ist im vertragsärztlichen Konkurrentenverfahren um eine Praxisnachfolge zu hoch und nicht ermessensgerecht im Sinne des § 52 Abs. 1 GKG, wie noch im Folgenden dargestellt wird. Aus der Sicht des Senates bedarf es keines Abstellens auf den Durchschnittsumsatz in der betreffenden Arztgruppe für den Fall der Praxisübernahme. Dies folgt für den Senat daraus, dass die Streitwertbemessung sachgerecht über die Grundsätze erfolgen kann, die allgemein für vertragsärztliche Zulassungsstreitigkeiten angewendet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Beschl. v. 01.09.2005 – B 6 KA 41/04 R, SozR 4 1920 § 52 Nr. 1; Beschl. v. 12.10.2005 – B 6 KA 47/04 B, MedR 2006, 236; siehe auch BSG, Beschl. v. 10.11.2005 – B 3 KR 36/05 B, SozR 4 1920 § 52 Nr. 2), der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, ist in vertragsärztlichen Zulassungsstreitigkeiten der Streitwert zu bestimmen aus der Höhe der bundesdurchschnittlichen Umsätze der Arztgruppe abzüglich des durchschnittlichen Praxiskostenanteils in einem Zeitraum von drei Jahren. Da auch das vertragsärztliche Konkurrentenverfahren um eine Praxisnachfolge von einem Zulassungsinteresse des klagenden, im Auswahlverfahren unterlegenen Arztes bestimmt wird, ist es näherliegend, die Grundsätze zur Streitwertbemessung im vertragsärztlichen Zulassungsverfahren anzuwenden als auf eine andere die Praxisübernahme betreffende Regelung abzustellen. Nach den "Grunddaten 2004" beträgt das Honorar für HNO-Ärzte im Jahr 2004 187.200,00 EUR. Für einen 3 Jahres-Zeitraum ergeben sich somit Honorare von 561.600,00 EUR. Von diesen anzunehmenden Honorarzahlungen wären die durchschnittlichen Praxiskosten für HNO-Ärzte abzuziehen. Diese betragen nach den "Grunddaten 2003" 58 % des Honorars (die "Grunddaten 2004" und "Grunddaten 2005" enthalten hierzu soweit ersichtlich – keine Angaben). Der Praxiskostensatz von 58 % würde einen Abzugsbetrag von 325.728,00 EUR ergeben. Damit würden bei Honorareinnahmen von 561.600,00 EUR und Betriebskosten von 325.728,00 EUR Honorare in Höhe von 235.272,00 EUR in einem 3 Jahres-Zeitraum verbleiben. Dieser Betrag ist nach der Bewertung des Senates zu hoch, um in voller Höhe für die Streitwertbestimmung im Rahmen einer vertragsärztlichen Konkurrentenklage um eine Praxisnachfolge angewendet werden zu können. Der ermittelte Wert von 235.272,00 EUR entspricht dem vollen Zulassungsinteresse des Arztes im Falle eines Rechtsstreites um eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Dieses volle Zulassungsinteresse kann nicht unmittelbar übertragen werden auf das Konkurrentenverfahren um die Auswahl eines Praxisnachfolgers (§ 103 Abs. 4 Sätze 3 und 4 SGB V), denn der Bewerber kann im Rahmen dieser Auswahlentscheidung nicht unmittelbar die Zulassung erlangen, sondern er muss sich einer Auswahlentscheidung zwischen mehreren – möglicherweise sogar vielen – Bewerbern unterziehen. In dieser Verfahrenssituation hat der Bewerber abhängig von der Zahl der Mitbewerber und auch dem jeweiligen Gewicht der Auswahlkriterien nach § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V nur eine anteilige Chance darauf, dass die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten ausfällt. Der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber kann damit nicht unmittelbar eine Zulassung erlangen, sondern über das Konkurrentenstreitverfahren nur den Weg freimachen für eine neue Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien. Dieses Interesse, den Weg für eine neue Auswahlentscheidung des Zulassungsgremiums freizumachen, ist wertmäßig geringer zu gewichten als das volle Zulassungsinteresse eines Arztes, der einen Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit geltend macht. Angesichts des offenen Ausgangs jeder Auswahlentscheidung sieht der Senat es als angemessen an, den Streitwert im vertragsärztlichen Konkurrentenverfahren um eine Praxisnachfolge (§ 103 Abs. 4 Sätze 3 und 4 SGB V) mit einem Drittel des Wertes zu bemessen, der für das volle Zulassungsinteresse eines Arztes in einem Streit um eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit angesetzt wird. Ausgehend von dem ermittelten Wert eines "vollen Zulassungsinteresses" von 235.272,00 EUR würde sich demnach übertragen auf ein Konkurrentenverfahren in einem Nachbesetzungsverfahren in der Hauptsache ein Streitwert von 78.424,00 EUR ergeben.

Der für ein Hauptsacheverfahren ermittelte Wert von 78.424,00 EUR ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senates in einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren (s. z. B. Beschl. v. 04.12.2003 – L 4 KA 2/03 ER, NZS 2005, 225). Damit ergibt sich für die Bemessung des wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers in dem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ein Streitwert von 39.212,00 EUR sowohl für das Antrags- als auch für das Beschwerdeverfahren.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Arndt Kampe Rademacker Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Richterin am Landes- sozialgericht Richter am Landes- sozialgericht
Rechtskraft
Aus
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