L 6 R 224/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 27 R 1643/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 224/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin möchte im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens erreichen, dass die Beklagte die Anerkennung einer Kindererziehungszeit von Juli 1962 bis Juni 1963 rückgängig macht und statt dessen die Nachzahlung freiwilliger Beiträge nach Heiratserstattung zulässt.

Die Klägerin ist 1941 geboren und bezieht seit Mai 2003 (abschlagsfreie) Altersrente. Aus der im Jahr 1964 geschlossenen Ehe sind zwei Kinder, S. und A. , geboren 1962 und 1965, hervorgegangen.

Im Jahr 1964 ließ sich die Klägerin ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von 1957 bis 1964 erstatten.

Durch Urteil des Amtsgerichtes W. vom 21.10.1983 wurde die Ehe der Klägerin geschieden. Auf ihr Konto wurde im Rahmen des Versorgungsausgleichs eine Rentenanwartschaft in Höhe von 398,10 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit, übertragen.

Mit Schreiben vom 21.10.1987 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über die in ihrem Konto gespeicherten Versicherungszeiten, über die Möglichkeit freiwillige Beitragszahlung nach Beitragserstattung sowie über die Möglichkeit der Anrechnung von Kindererziehungszeiten.

Im Dezember 1987 beantragte die Klägerin die Nachzahlung freiwilliger Beiträge nach Beitragserstattung gemäß Art.2 § 27 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) und zugleich die Anerkennung der beiden Kindererziehungszeiten.

Mit Bescheid vom 22.01.1988 ließ die Beklagte die Klägerin zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gemäß Art.2 § 27 AnVNG zu für den Zeitraum September 1957 bis Juni 1962 und Juli 1963 bis Januar 1964. Die Aussparung von zwölf Kalendermonaten erfolgte im Hinblick auf eine - von der Beklagten später mit Bescheid vom 15.03.1988 anerkannte - Kindererziehungszeit für die Tochter.

Die errechnete Beitragssumme in Höhe von 10.329 DM zahlte die Klägerin im März 1988.

Am 05.03.2004 erwirkte die Klägerin im Hinblick auf eine Betriebsrente, die erst nach der Scheidung zur unverfallbaren Anwartschaft geworden war, einen Abänderungsbeschluss des Amtsgerichts W.: darin wurde ihr eine Ausgleichsrente in Höhe von 20,86 % der Betriebsrente des geschiedenen Ehemannes durch Abtretung der Versorgungsansprüche im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zugesprochen.

In der Folge stellte der geschiedene Ehemann seinerseits Abänderungsantrag gemäß § 10 a VAHRG im Hinblick auf die nachträglich zugesprochenen Kindererziehungszeiten (insgesamt 1,9992 Entgeltpunkte) und erwirkte einen Abänderungsbeschluss des Amtsgerichts W. mit Wirkung zum 01.07.2004: die übertragene Rentenanwartschaft wurde nunmehr mit monatlich 353,72 DM festgestellt.

Am 09.12.2004 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Beitragsbescheides vom 20.01.1988: im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs solle die Kindererziehungszeit 1962/1963 aus ihrer Rentenberechnung herausgenommen werden, da sie auf einem Beratungsfehler der Auskunfts- und Beratungsstelle München der Beklagten im Anschluss an das Schreiben vom Oktober 1987 beruhe. Im Gegenzug müsse die - von ihr damals schon gewünschte - Zulassung der Nachzahlung freiwilliger Beiträge für diesen Zeitraum zu den damals geltenden Bedingungen eingeräumt werden. Diese Gestaltungsmöglichkeit sei für sie im Hinblick auf die Ausgleichspflichtigkeit von Kindererziehungszeiten im Rahmen des Versorgungsausgleichs günstiger gewesen, worauf sie die Beklagte hätte hinweisen müssen.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22.12.2004 ab. Die Anerkennung der Kindererziehungszeiten entspreche insoweit der Rechtslage, als die Klägerin angegeben habe, ihre Kinder selbst erzogen zu haben. Des Weiteren sei die Beklagte nicht zu ungefragter Beratung verpflichtet gewesen. Die Eventualität eines späteren Abänderungsantrags des seinerzeit schon rechtskräftigen Versorgungsausgleichs seitens des geschiedenen Ehegatten sei generell eher selten und auch hier konkret nicht vorhersehbar gewesen; insofern liege die von der Rechtsprechung geforderte "naheliegende Gestaltungsmöglichkeit" nicht vor. Schließlich sei die Klägerin nicht zur gewünschten freiwilligen Nachzahlung berechtigt gewesen, da dieser Zeitraum bereits mit Beiträgen in Gestalt der Kindererziehungszeiten, belegt gewesen sei.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch. Hilfsweise beantragte sie die Aufstockung der Kindererziehungszeiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage vom 25.05.2005 blieb erfolglos. In seinem abweisenden Urteil vom 20.01.2006 schloss sich das Sozialgericht München (SG) der Rechtsauffassung der Beklagten an. Die Beklagte habe insbesondere auch keinen Anlass gehabt, der Klägerin von einem Antrag auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten abzuraten. Denn in diesem Fall hätte die Klägerin für ein Jahr mehr Beiträge nachzahlen müssen. Auch hätte für die Beklagte im Jahr 1987 die Prognose nicht nahegelegen, dass "der geschiedene Ehemann der Klägerin aufgrund eines erst in diesem Jahr in Kraft getretenen Gesetzes den damals erst vor vier Jahren rechtskräftig durchgeführten Versorgungsausgleich" werde abändern lassen, gegebenenfalls auch zu Lasten der Klägerin.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Die falsche Beratung habe sich für sie als Nachteil realisiert, weil die nachträglich gut geschriebenen Kindererziehungszeiten zu einer Änderung des Versorgungsausgleichs geführt hätten.

Im Übrigen sei sie seinerzeit in vollem Umfang berufstätig gewesen; ihre Tochter sei daher von der im gemeinsamen Haushalt lebenden Schwiegermutter betreut worden. Die streitige Kindererziehungszeit ergibt einen monatlichen Rentenzahlbetrag von 26,00 EUR, der jeweils zur Hälfte der Klägerin und ihrem geschiedenen Ehemann zufließt. Die von der Klägerin bevorzugte Gestaltung hätte seinerzeit einen finanziellen Einsatz von 2.184 DM freiwilliger Beitragszahlung erfordert. Die Klägerin meint, dies würde heute einen Rentenbetrag von 48 EUR monatlich auslösen.

Die Beklagte wies darauf hin, dass die Klägerin derzeit eine Rente in Höhe von 907,04 EUR beziehe und im Falle eines Erfolgs der Berufung einen monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 919,84 EUR erwarten könne. Insoweit führe die isoliert vorgenommene Berechnung der Berufungsklägerin zu einem unzutreffenden Ergebnis. Eine Falschberatung liege nicht vor. Nach der objektiven Rechtslage habe der Tatbestand der Kindererziehung bestanden.

Demgegenüber ist die Klägerin der Auffassung, dass sie aufgrund des Herstellungsanspruchs einen Rentenzahlbetrag von 52,76 EUR erwarten könne. Durch die rechtmäßige Zulassung der freiwilligen Nachzahlung werde der Grenzbetrag von 10 % nach § 10a VAHRG nicht erreicht. Insgesamt bedeute die Falschberatung somit einen erheblichen Schaden für sie.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, 1. das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2005 aufzuheben und 2. die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.01.1988 aufzuheben und ihr die Nachzahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01.07.1962 bis 30.06.1963 zu der im Jahr 1987 geltenden Beitragshöhe zu gestatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG München sowie die Berufungsakte hingewiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin kann für sich keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend machen und kann damit auch nicht die Korrektur des 1988 erlassenen Beitragsbescheides von der Beklagten verlangen. Dies hat das SG in der angefochtenen Entscheidung zu Recht erkannt. Der Senat schließt sich dieser Entscheidung auch in ihrer Begründung an und sieht von einer nochmaligen Darstellung insoweit ab (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Zuordnung der Kindererziehungszeit an die Klägerin rechtlich zutreffend ist. Ebenso zutreffend ist das materielle Ergebnis, dass der geschiedene Ehegatte für die während der gemeinsamen Ehezeit erworbene Rentenanwartschaft einen hälftigen Ausgleich erhält.

Die Beklagte ist ohne Antrag zu einer Optimierungsberatung nicht verpflichtet (s. z.B. LSG NRW vom 06.11.1998 - L 14 RA 21/97). Ihre Verpflichtung erstreckt sich insbesondere nicht darauf, im Verhältnis der geschiedenen Ehegatten - ungefragt - eine für die Klägerin besonders günstige Zuordnung zu erwirken.

Dies gilt umsomehr deshalb, als die eventuellen Vorteile der von der Klägerin erstrebten Gestaltungsmöglichkeit nicht unmittelbar auf der Hand lagen, sondern sich vielmehr nur mittelbar ergeben haben, und dies noch dazu in zweierlei Hinsicht: - zum einen insofern, als sie von der Handlung eines Dritten - hier Antrag des geschiedenen Ehegatten gemäß § 10a VAHRG - abhingen, welche wiederum, noch dazu bei gerade in Kraft getretenem Gesetz, seinerzeit nicht abgesehen werden konnte, - zum anderen aber auch insofern, als die geltend gemachten Vorteile hier nur als Ergebnis einer saldierenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zweier Gestaltungen zu Tage getreten sind: hier Sozialleistung ohne eigene Beitragsleistung, dort möglicher Weise rentabele Leistungserhöhung aufgrund einmaliger, vergleichsweise niedriger eigener Beitragsnachzahlung. Nachdem derartige Berechnungen zur Rentabilität eigenen Geldeinsatzes auch immer eine deutlich subjektive Komponente beinhalten, können sie nach Auffassung des Senats regelmäßig nicht Anknüpfungspunkt für einen Beratungsverstoß sein, umso weniger dann, wenn, wie hier, der Inhalt eines konkreten Beratungsgesprächs nicht mehr nachzuvollziehen ist und die - postulierte - Beratungsnotwendigkeit somit nur nach Aktenlage, also am Maßstab der Sinnhaftigkeit der von der Klägerin gestellten Anträge, zu erkennen war bzw. gewesen wäre (ähnlich auch Hessisches LSG vom 29.11.2001 - L 2 RA 1502/00).

Insgesamt musste die Berufung daher ohne Erfolg bleiben.

Dem entspricht auch die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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