Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 469/05 WG
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 705/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 27/07 BH
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der 1933 in C. (heute Ukraine) geborene Kläger ist Inhaber des Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge A. Nach seinen Angaben ist er als Jude im Kindesalter mit seinen Eltern nach Deutschland deportiert worden. Im Rahmen einer Kontenklärung gab er an, in der Zeit von Februar 1949 bis August 1955 als Bauzeichner (Lehre), als Baupraktikant sowie als kaufmännischer Angestellter, in der Zeit von 1957 bis 1966 in Film- und Fernsehproduktionen und ab 1967 bis Mai 1988 in der Apotheke seiner Ehefrau beschäftigt gewesen zu sein. Ausbildungen habe er am Institut für Bildjournalismus in den Jahren 1955 bis 1957, an der Journalistenschule in P. im Jahre 1960 sowie an der Hochschule für Politik in M. vom April 1973 bis März 1980 absolviert. Ab 01.03.1998 bezieht er von der Beklagten Regelaltersrente (Bescheid vom 02.10.2003).
Am 30.06.2003 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Rente unter Berücksichtigung des ZRBG. Am 14.01.2004 übersandte er den hierzu ausgefüllten Fragebogen und führte Folgendes aus: "In der Anlage Aufenthalt im Ghetto L. (L./Polen) durch Gestapo und SS. Aufgriff B./Österreich - St.M./Schweiz, der so genannten damaligen deutschen Reichsgrenze, als unsere österreichische Heimat durch das Deutsche Reich besetzt war. Unfreiwilliger Transport mit meinen Eltern nach L ..." Auf Fragen der Beklagten zum Beginn und Ende der Beschäftigung gab der Kläger das Jahr 1943 an. Er sei außerhalb des Ghettos beschäftigt gewesen, wobei eine tägliche Rückkehr in das Ghetto erfolgt sei. Im aufgelösten Teil des Ghettos habe er Wertsachen, Ritualgegenstände und versteckten Schmuck den ganzen Tag über gesucht. Er sei einfach von der SS ausgesucht worden. Eine Entlohnung wie Ghettogeld, Lebensmittel oder Sachbezüge habe es nicht gegeben. Außerdem gab er an, mit den Eltern durch Deportation ins Feindesland Deutsches Reich gekommen zu sein. Seine verlorene Kindheit und Jugend könne er niemals vergessen und er könne nicht verzeihen.
Die Beklagte zog vom Bundesministerium der Finanzen die Entschädigungsakte bei, in der sich eine eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 20.10.1972 befindet. Darin heißt es, dass er mit seinen Eltern 1940 die Heimat C. verlassen und nach Deutschland habe flüchten müssen. Er sei im Alter von sieben Jahren in einem Forschungsinstitut in L. zum Zwecke wissenschaftlicher Experimente abgesondert worden und Untersuchungsprozeduren ausgesetzt gewesen. Besonders bedrückend sei für ihn der Umstand gewesen, dass er längere Zeit gezwungen gewesen sei, getrennt von seinen Eltern zu leben. Allerdings sei er selbst nie seiner Freiheit beraubt gewesen im Sinne einer Internierung oder Inhaftierung. Ständig habe er jedoch nach Maßgabe der Bedingungen in psychischer Spannung gelebt. Seit der Verfolgung leide er unter neurovegetativen Störungen und Beschwerden.
Mit Überprüfungsbescheid vom 11.08.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto nach dem ZRBG ab. Die Überprüfung des Bescheides vom 02.10.2003 habe ergeben, dass die Altersrente in zutreffender Höhe festgestellt worden sei. Die Anerkennung der behaupteten Zeit der Beschäftigung im Ghetto L. im Jahre 1943 werde abgelehnt, weil diese Zeit weder nachgewiesen, noch ausreichend glaubhaft gemacht worden sei. Eine Beschäftigung, die die Anwendung des ZRBG rechtfertigen würde, sei nicht ausgeübt worden. Der Aufenthalt in einem Ghetto sei nicht nachgewiesen, da sich der Kläger, entsprechend der eidesstattlichen Erklärung vom 20.10.1972, nach der Flucht aus C. in L. aufgehalten habe. Hinweise auf einen Aufenthalt in L. seien nicht zu ersehen. Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, im Ghetto L. habe er Knechtarbeit mit anderen Kindern im aufgelösten jüdischen Stadtteil geleistet. Er habe keine Kindheit und Jugend gehabt. Sie sei ihm genommen worden. Ihm stehe eine Verfolgtenrente zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Tätigkeit im Sinne des ZRBG liege erst dann vor, wenn tatsächlich Entgelt oder Sachbezüge in wesentlichem Umfang gewährt worden seien. Die Rente nach dem ZRBG sei keine Entschädigungsleistung für das erfahrene Unrecht oder den Aufenthalt und die Arbeit im Ghetto. Das ZRBG ermögliche nur zusätzliche rentenrechtliche Zeiten. Es liege kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des ZRBG vor, wenn dieses nicht auf einem freien Willensentschluss beruhe. Eine Zwangsarbeit, die für das Überleben unabdingbar gewesen sei, falle nicht unter die Regelung dieses Gesetzes. Eine entgeltliche Beschäftigung habe der Kläger nicht geltend gemacht. Die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung scheide auch auf Grund des damaligen Lebensalters aus.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und ausgeführt, die Bundesrepublik Deutschland habe Wiedergutmachung zu leisten. Sie habe als Rechtsnachfolgerin eine ethische und moralische Verpflichtung gegenüber dem jüdischen Personenkreis und sich mit ihrer bedingungslosen Kapitulation verpflichtet, die Schuld zu begleichen. Es sei eine Zumutung für ihn als Jude, vor einem "BRD-Tribunal" zu erscheinen, wenn noch immer NS-Literatur in den Werkstätten des Unrechts gelehrt würde. Er habe damals als Zehnjähriger unter Aufsicht im aufgelösten jüdischen Stadtviertel von L. nach Wertgegenständen suchen müssen und er sei misshandelt worden. Er hat ein Schreiben der C. vom 17.12.2004 über die Auszahlung einer Entschädigung für Mitglieder des Schweizer Flüchtlingsprogramms vorgelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat er erklärt, er wisse nicht mehr so genau, wann er im Ghetto L. gewesen sei.
Mit Urteil vom 12.05.2006 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine zusätzliche Anrechnung von fiktiven Beitragszeiten nach dem ZRBG. Dieses Gesetz setzte voraus, dass es sich bei der Tätigkeit nicht um eine reine obrigkeitlich angeordnete Zwangsarbeit gehandelt habe, sondern den Verfolgten noch ein gewisser Spielraum habe verbleiben müssen. Zwar sei eine Altersgrenze, wie bei der Ersatzzeitregelung, nämlich das vollendete 14. Lebensjahr, im ZRBG nicht enthalten. Auch habe es für den Bereich des Ghettos L. Legitimationskarten mit der Bezeichnung Lehrling für verschiedene Ressorts gegeben, die ein deutlich jüngeres Alter als 14 Jahre aufgewiesen hätten, so dass die Tatsache, dass der Kläger in der streitigen Zeit noch nicht 14 Jahre alt gewesen sei, kein zwingendes Hindernis für Ghetto-Beitragszeiten sei. Inwieweit das 14. Lebensjahr im Einzelfall unterschritten werden könne, sei aber eine Frage, die hier nicht zu entscheiden sei. In der eidesstattlichen Erklärung vom 20.10.1972 habe der Kläger unmissverständlich angegeben, er sei selbst nie seiner Freiheit im Sinne einer Internierung oder Inhaftierung beraubt gewesen. Das Ghetto L. sei bereits am 30.04.1940 hermetisch abgeriegelt worden. Es habe unter strikter Bewachung gestanden und bereits am 11.04.1941 sei vom Kommando der Schutzpolizei ein Sonderbefehl für den Schusswaffengebrauch bei der Bewachung des Ghettos L. erlassen worden. Angesichts dieser Isolierung, der strikten Bewachung und der mehr als katastrophalen Lebensverhältnisse im Ghetto im Jahr 1943 sei es ausgeschlossen, dass jemand, der im Ghetto L. gewesen sei, diesen Aufenthalt nicht als Internierung oder Inhaftierung betrachtet habe. Insoweit sei ein unauflösbarer Widerspruch zu den jetzigen Angaben des Klägers gegeben. Im Übrigen habe der Kläger angegeben, er sei einfach von der SS ausgesucht worden. Auch eine Entlohnung sei klar und unmissverständliche verneint worden, womit zusätzlich die Voraussetzungen des ZRBG nicht erfüllt seien.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, die Bundesrepublik Deutschland habe sich gegenüber dem Staat Israel verpflichtet, erlittenes Unrecht wieder gut zu machen. Die Bundesrepublik Deutschland sei verpflichtet, ihm eine NS-Verfolgtenrente zu zahlen. Seine verlorene Kindheit und Jugend könne ihm keiner ersetzen.
Im Zuge des Erörterungstermins vom 13.12.2006 hat der Kläger erklärt, er sei etwa im Frühjahr 1943 mit den Eltern ins Ghetto L. gekommen und nach seiner Erinnerung von der Gestapo dorthin gebracht worden. Es sei ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt worden. Anschließend seien sie wieder freigekommen, nachdem sein Vater alles abgeleugnet habe, was mit dem jüdischen Glauben zu tun gehabt habe. Sie hätten sich dann nicht mehr im Ghetto befunden, seien aber unter Aufsicht gestanden. Nach seiner Erinnerung hätten sie sich ca. zwei bis drei Monate im Ghetto befunden. Im Ghetto hätten seine Eltern arbeiten müssen. Die Aufseher hätten versucht, ihn irgendwie umzuerziehen. Er sei von SS-Leuten ausgesucht worden und er habe die Aufgabe gehabt, nach Ritual- bzw. Wertgegenständen zu suchen, an Orten, an denen jüdische Familien gewohnt hätten. Er habe an den nicht mehr genutzten Randbezirken des Ghettos suchen sollen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 12.05.2006 und des Bescheides vom 11.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2005 zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 02.10.2003 höhere Regelaltersrente auf Grund einer Ghetto-Beitragszeit für seine Zeit im Ghetto L. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akten des SG mit den Az.: S 13 An 619/94.Wg und S 13 RA 1230/98.WG, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Az.: L 1 RA 30/01, der Akten des SG und des LSG zu diesem Verfahren sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 11.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2005, mit dem die Beklagte im Überprüfungsverfahren gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) den Antrag des Klägers auf höhere Regelaltersrente, die die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2003 gewährt hat, abgelehnt hat. Das SG hat die hiergegen erhobene Klage zu Recht mit Urteil vom 12.05.2006 abgewiesen.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB X). Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Rentenbescheid vom 02.10.2003 zurückzunehmen und auf Grund von Ghetto-Beitragszeiten höhere Rentenleistungen zu gewähren, denn sie hat weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist.
Der Kläger hat ab dem 01.03.1998 einen Anspruch auf Regelaltersrente gemäß § 35 SGB VI, deren Höhe sich insbesondere nach den während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelten bzw. dem Arbeitseinkommen richtet (§ 63 Abs.1 SGB VI). Beitragszeiten sind in erster Linie Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als ge-zahlt gelten (§ 55 Abs.1 Satz 2 SGB VI). Zu diesen besondern Vorschriften gehört auch das ZRBG, verkündet als Art.1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 20.06.2002 (BGBl I S. 2074), das am 01.07.1997 gemäß Art. 3 Abs.2 dieses Gesetzes in Kraft getreten ist.
Das ZRBG, das die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ergänzt (§ 1 Abs.2 ZRBG), gilt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, diese gegen Entgelt ausgeübt wurde und sich das Ghetto in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird (§ 1 Abs.1 Satz 1 ZRBG).
Diese Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Abs.1 Satz 1 ZRBG sind bei dem Kläger nicht nachweislich erfüllt. Zwar ist der Kläger als Verfolgter im Sinne des § 1 Abs.1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anzusehen. Danach ist Verfolgter, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftli-chen Fortkommen erlitten hat. Der Kläger ist Mitglied des Bayer. Landesverbandes der jüdischen Verfolgten des NS-Regimes und hat Entschädigungsleistungen der Claims Conference erhalten. Nach seinen Angaben hat er sich auch im Jahre 1943 im Ghetto L. wegen seines jüdischen Glaubens ca. zwei bis drei Monate zwangsweise aufgehalten. Auch wenn sich aus seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20.10.1972 ergibt, er sei selbst nie seiner Freiheit im Sinne einer Internierung oder Inhaftierung beraubt gewesen, enthält diese Erklärung jedoch insbesondere Aussagen zu Untersuchungsprozeduren in einem Forschungsinstitut im Alter von sieben Jahren. Jedenfalls lässt sich dieser eidesstattlichen Versicherung nicht zwingend entnehmen, dass sich der Kläger nicht doch im Jahre 1943 zwei bis drei Monate im Ghetto L. aufgehalten hat. Denkbar ist auch, dass er im Rahmen der eidesstattlichen Erklärung vom 20.10.1972 lediglich die Begriffe der Inhaftierung und Internierung nicht mit dem Aufenthalt im Ghetto L. als Zehnjähriger zusammen mit seinen Eltern in Verbindung gebracht hat. Mangels konkreter Beweisbarkeit ist dem SG im Ergebnis jedenfalls zuzustimmen, dass der erforderliche Nachweis für einen Aufenthalt des Klägers im Ghetto L. nicht geführt ist.
Dies kann letztlich aber dahin stehen. Nach Überzeugung des Senats wäre selbst dann, wenn die Richtigkeit der Angaben des Klägers im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unterstellt würde, ein Anspruch nach dem ZRBG nicht gegeben.
Diesen Angaben ist nämlich zu entnehmen, dass jedenfalls die Voraussetzungen einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss (§ 1 Abs.1 Halbsatz 1 Nr.1a ZRBG) und die Verrichtung gegen Entgelt (§ 1 Abs.1 Halbsatz 1 Nr.1 b ZRBG) nicht erfüllt sind. Mit diesen Tatbestandsvoraussetzungen nimmt das Gesetz Bezug auf die von der Rechtsprechung genannten Merkmale der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit im Rahmen der Beschäftigung in einem Ghetto (BSG SozR 4-5050 § 15 Nr.1; Breith. 2005, 403; Urteile vom 18.06.1997, Az.: 5 RJ 68/95 und 5 RJ 66/95). Zwar ist nicht von vorneherein davon auszugehen, dass die Beschäftigung einer jüdischen Arbeitskraft in einem Ghetto als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu bewerten ist, denn ein freies Beschäftigungsverhältnis liegt nur vor, wenn die Beschäftigten aus einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis insoweit entlassen sind, als sie in einem Betrieb nach den Regeln des Arbeitsrechts tätig sind und ein Einfluss dritter Stellen auf die Gestaltung des Verhältnisses nicht stattfindet (BSG, Urteil vom 17.03.1993, Az.: 8 Rkn U 1/91). Nach den Angaben des Klägers hat er aber die von ihm genannten Arbeitsleistungen, nämlich das Aufsuchen von Wertsachen, Ritualgegenständen und Schmuck im aufgelösten Teil des Ghettos L. unter keinem Gesichtspunkt im Rahmen eines irgendwie gestalteten Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Im Verwaltungsverfahren hat er mitgeteilt, dass eine Arbeitsvermittlung für diese Tätigkeit nicht stattgefunden hat, sondern er einfach von der SS ausgesucht worden sei. Er habe auch keinen Lohn (Ghettogeld) erhalten und sei auch nicht anderweitig, wie z.B. mit Lebensmitteln oder anderen Sachbezügen, entlohnt worden. Diese Angaben bestätigte der Kläger im Zuge des Berufungsverfahrens. Auch hier hat er angegeben, von den SS-Leuten ausgesucht worden zu sein, um an Orten, an denen jüdische Familien gewohnt hätten, nach Ritual- bzw. Wertgegenständen zu suchen, wobei die Aufseher versucht hätten, ihn irgendwie umzuerziehen. Danach hatte der Kläger Arbeiten zu verrichten, die ausschließlich auf Grund obrigkeitlichem Zwang erfolgten. Unter Zugrundelegung der Darlegungen des Klägers handelte es sich somit um ein unfreies Arbeitsverhältnis, welches vom ZRBG nicht erfasst ist.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger 1943 gerade einmal das 10. Lebensjahr vollendet hatte. Zwar hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass das ZRBG eine Altersgrenze, wie sie § 250 Abs.1 Nr. 4 SGB VI für die rentenrechtliche Anerkennung von Verfolgungszeiten vorsieht, nämlich das vollendete 14. Lebensjahr, nicht enthält. Trotzdem kann das Alter eines Versicherten bei der Beurteilung der Frage, ob eine freiwillige Arbeitsleistung im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses vorlag, nicht außer Acht gelassen werden. Das Landessozialgericht Nordrhein/Westfalen hat zwar im Urteil vom 13.01.2006, Az.: L 4 RJ 113/04, ausgeführt, auch eine Beschäftigung eines Kindes von unter 14 Jahren in einem Ghetto könne berücksichtigt werden. In diesem Fall erhielt aber die Versicherte die Arbeitsstelle offenbar auf Initiative der Eltern und auf Grund einer falschen Angabe des Lebensalters bei der Registrierung als Arbeitskraft. Sofern, wie hier, jedoch solche Umstände nicht vorliegen, ist davon auszugehen, dass jedenfalls bei einem Alter von zehn Jahren ein Beschäftigungsverhältnis nicht begründet werden sollte. Vorliegend gibt es keine Hinweise, dass Umstände wie in dem vom Landessozialgericht Nordrhein/Westfalen entschiedenen Fall vorgelegen hätten, dass insbesondere auf Anregung der Eltern des Klägers dessen Arbeit vermittelt worden ist. Denn der Kläger hat angegeben, dass er zur Arbeitsleistung einfach ausgesucht wurde.
Da somit die Voraussetzungen für eine Anwendung des ZRBG nicht erfüllt sind, können der Regelaltersrente des Klägers keine Ghetto-Beitragszeiten zugrunde gelegt werden.
Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem ZRBG nicht Entschädigungsansprüche von Verfolgten in einem Ghetto begründen wollte. Mit dem ZRGB orientierte sich der Gesetzgeber an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 18.06.1997 (Az.: 5 RJ 68/95 und 5 RJ 66/95), damit in einem Ghetto aufgenommene Tätigkeiten, die die Voraussetzungen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erfüllen, als Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt werden können. Ziel des Gesetzes ist somit nicht die Kompensation von Nachteilen auf Grund erlittenen Unrechts als Verfolgter, sondern Ausgangspunkt für die rentenrechtliche Anerkennung ist die Gleichbehandlung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto mit sonstigen versicherungspflichtigen Beschäftigungen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 12.05.2006 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seiner Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der 1933 in C. (heute Ukraine) geborene Kläger ist Inhaber des Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge A. Nach seinen Angaben ist er als Jude im Kindesalter mit seinen Eltern nach Deutschland deportiert worden. Im Rahmen einer Kontenklärung gab er an, in der Zeit von Februar 1949 bis August 1955 als Bauzeichner (Lehre), als Baupraktikant sowie als kaufmännischer Angestellter, in der Zeit von 1957 bis 1966 in Film- und Fernsehproduktionen und ab 1967 bis Mai 1988 in der Apotheke seiner Ehefrau beschäftigt gewesen zu sein. Ausbildungen habe er am Institut für Bildjournalismus in den Jahren 1955 bis 1957, an der Journalistenschule in P. im Jahre 1960 sowie an der Hochschule für Politik in M. vom April 1973 bis März 1980 absolviert. Ab 01.03.1998 bezieht er von der Beklagten Regelaltersrente (Bescheid vom 02.10.2003).
Am 30.06.2003 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Rente unter Berücksichtigung des ZRBG. Am 14.01.2004 übersandte er den hierzu ausgefüllten Fragebogen und führte Folgendes aus: "In der Anlage Aufenthalt im Ghetto L. (L./Polen) durch Gestapo und SS. Aufgriff B./Österreich - St.M./Schweiz, der so genannten damaligen deutschen Reichsgrenze, als unsere österreichische Heimat durch das Deutsche Reich besetzt war. Unfreiwilliger Transport mit meinen Eltern nach L ..." Auf Fragen der Beklagten zum Beginn und Ende der Beschäftigung gab der Kläger das Jahr 1943 an. Er sei außerhalb des Ghettos beschäftigt gewesen, wobei eine tägliche Rückkehr in das Ghetto erfolgt sei. Im aufgelösten Teil des Ghettos habe er Wertsachen, Ritualgegenstände und versteckten Schmuck den ganzen Tag über gesucht. Er sei einfach von der SS ausgesucht worden. Eine Entlohnung wie Ghettogeld, Lebensmittel oder Sachbezüge habe es nicht gegeben. Außerdem gab er an, mit den Eltern durch Deportation ins Feindesland Deutsches Reich gekommen zu sein. Seine verlorene Kindheit und Jugend könne er niemals vergessen und er könne nicht verzeihen.
Die Beklagte zog vom Bundesministerium der Finanzen die Entschädigungsakte bei, in der sich eine eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 20.10.1972 befindet. Darin heißt es, dass er mit seinen Eltern 1940 die Heimat C. verlassen und nach Deutschland habe flüchten müssen. Er sei im Alter von sieben Jahren in einem Forschungsinstitut in L. zum Zwecke wissenschaftlicher Experimente abgesondert worden und Untersuchungsprozeduren ausgesetzt gewesen. Besonders bedrückend sei für ihn der Umstand gewesen, dass er längere Zeit gezwungen gewesen sei, getrennt von seinen Eltern zu leben. Allerdings sei er selbst nie seiner Freiheit beraubt gewesen im Sinne einer Internierung oder Inhaftierung. Ständig habe er jedoch nach Maßgabe der Bedingungen in psychischer Spannung gelebt. Seit der Verfolgung leide er unter neurovegetativen Störungen und Beschwerden.
Mit Überprüfungsbescheid vom 11.08.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto nach dem ZRBG ab. Die Überprüfung des Bescheides vom 02.10.2003 habe ergeben, dass die Altersrente in zutreffender Höhe festgestellt worden sei. Die Anerkennung der behaupteten Zeit der Beschäftigung im Ghetto L. im Jahre 1943 werde abgelehnt, weil diese Zeit weder nachgewiesen, noch ausreichend glaubhaft gemacht worden sei. Eine Beschäftigung, die die Anwendung des ZRBG rechtfertigen würde, sei nicht ausgeübt worden. Der Aufenthalt in einem Ghetto sei nicht nachgewiesen, da sich der Kläger, entsprechend der eidesstattlichen Erklärung vom 20.10.1972, nach der Flucht aus C. in L. aufgehalten habe. Hinweise auf einen Aufenthalt in L. seien nicht zu ersehen. Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, im Ghetto L. habe er Knechtarbeit mit anderen Kindern im aufgelösten jüdischen Stadtteil geleistet. Er habe keine Kindheit und Jugend gehabt. Sie sei ihm genommen worden. Ihm stehe eine Verfolgtenrente zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Tätigkeit im Sinne des ZRBG liege erst dann vor, wenn tatsächlich Entgelt oder Sachbezüge in wesentlichem Umfang gewährt worden seien. Die Rente nach dem ZRBG sei keine Entschädigungsleistung für das erfahrene Unrecht oder den Aufenthalt und die Arbeit im Ghetto. Das ZRBG ermögliche nur zusätzliche rentenrechtliche Zeiten. Es liege kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des ZRBG vor, wenn dieses nicht auf einem freien Willensentschluss beruhe. Eine Zwangsarbeit, die für das Überleben unabdingbar gewesen sei, falle nicht unter die Regelung dieses Gesetzes. Eine entgeltliche Beschäftigung habe der Kläger nicht geltend gemacht. Die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung scheide auch auf Grund des damaligen Lebensalters aus.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und ausgeführt, die Bundesrepublik Deutschland habe Wiedergutmachung zu leisten. Sie habe als Rechtsnachfolgerin eine ethische und moralische Verpflichtung gegenüber dem jüdischen Personenkreis und sich mit ihrer bedingungslosen Kapitulation verpflichtet, die Schuld zu begleichen. Es sei eine Zumutung für ihn als Jude, vor einem "BRD-Tribunal" zu erscheinen, wenn noch immer NS-Literatur in den Werkstätten des Unrechts gelehrt würde. Er habe damals als Zehnjähriger unter Aufsicht im aufgelösten jüdischen Stadtviertel von L. nach Wertgegenständen suchen müssen und er sei misshandelt worden. Er hat ein Schreiben der C. vom 17.12.2004 über die Auszahlung einer Entschädigung für Mitglieder des Schweizer Flüchtlingsprogramms vorgelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat er erklärt, er wisse nicht mehr so genau, wann er im Ghetto L. gewesen sei.
Mit Urteil vom 12.05.2006 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine zusätzliche Anrechnung von fiktiven Beitragszeiten nach dem ZRBG. Dieses Gesetz setzte voraus, dass es sich bei der Tätigkeit nicht um eine reine obrigkeitlich angeordnete Zwangsarbeit gehandelt habe, sondern den Verfolgten noch ein gewisser Spielraum habe verbleiben müssen. Zwar sei eine Altersgrenze, wie bei der Ersatzzeitregelung, nämlich das vollendete 14. Lebensjahr, im ZRBG nicht enthalten. Auch habe es für den Bereich des Ghettos L. Legitimationskarten mit der Bezeichnung Lehrling für verschiedene Ressorts gegeben, die ein deutlich jüngeres Alter als 14 Jahre aufgewiesen hätten, so dass die Tatsache, dass der Kläger in der streitigen Zeit noch nicht 14 Jahre alt gewesen sei, kein zwingendes Hindernis für Ghetto-Beitragszeiten sei. Inwieweit das 14. Lebensjahr im Einzelfall unterschritten werden könne, sei aber eine Frage, die hier nicht zu entscheiden sei. In der eidesstattlichen Erklärung vom 20.10.1972 habe der Kläger unmissverständlich angegeben, er sei selbst nie seiner Freiheit im Sinne einer Internierung oder Inhaftierung beraubt gewesen. Das Ghetto L. sei bereits am 30.04.1940 hermetisch abgeriegelt worden. Es habe unter strikter Bewachung gestanden und bereits am 11.04.1941 sei vom Kommando der Schutzpolizei ein Sonderbefehl für den Schusswaffengebrauch bei der Bewachung des Ghettos L. erlassen worden. Angesichts dieser Isolierung, der strikten Bewachung und der mehr als katastrophalen Lebensverhältnisse im Ghetto im Jahr 1943 sei es ausgeschlossen, dass jemand, der im Ghetto L. gewesen sei, diesen Aufenthalt nicht als Internierung oder Inhaftierung betrachtet habe. Insoweit sei ein unauflösbarer Widerspruch zu den jetzigen Angaben des Klägers gegeben. Im Übrigen habe der Kläger angegeben, er sei einfach von der SS ausgesucht worden. Auch eine Entlohnung sei klar und unmissverständliche verneint worden, womit zusätzlich die Voraussetzungen des ZRBG nicht erfüllt seien.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, die Bundesrepublik Deutschland habe sich gegenüber dem Staat Israel verpflichtet, erlittenes Unrecht wieder gut zu machen. Die Bundesrepublik Deutschland sei verpflichtet, ihm eine NS-Verfolgtenrente zu zahlen. Seine verlorene Kindheit und Jugend könne ihm keiner ersetzen.
Im Zuge des Erörterungstermins vom 13.12.2006 hat der Kläger erklärt, er sei etwa im Frühjahr 1943 mit den Eltern ins Ghetto L. gekommen und nach seiner Erinnerung von der Gestapo dorthin gebracht worden. Es sei ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt worden. Anschließend seien sie wieder freigekommen, nachdem sein Vater alles abgeleugnet habe, was mit dem jüdischen Glauben zu tun gehabt habe. Sie hätten sich dann nicht mehr im Ghetto befunden, seien aber unter Aufsicht gestanden. Nach seiner Erinnerung hätten sie sich ca. zwei bis drei Monate im Ghetto befunden. Im Ghetto hätten seine Eltern arbeiten müssen. Die Aufseher hätten versucht, ihn irgendwie umzuerziehen. Er sei von SS-Leuten ausgesucht worden und er habe die Aufgabe gehabt, nach Ritual- bzw. Wertgegenständen zu suchen, an Orten, an denen jüdische Familien gewohnt hätten. Er habe an den nicht mehr genutzten Randbezirken des Ghettos suchen sollen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 12.05.2006 und des Bescheides vom 11.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2005 zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 02.10.2003 höhere Regelaltersrente auf Grund einer Ghetto-Beitragszeit für seine Zeit im Ghetto L. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akten des SG mit den Az.: S 13 An 619/94.Wg und S 13 RA 1230/98.WG, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Az.: L 1 RA 30/01, der Akten des SG und des LSG zu diesem Verfahren sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 11.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2005, mit dem die Beklagte im Überprüfungsverfahren gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) den Antrag des Klägers auf höhere Regelaltersrente, die die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2003 gewährt hat, abgelehnt hat. Das SG hat die hiergegen erhobene Klage zu Recht mit Urteil vom 12.05.2006 abgewiesen.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB X). Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Rentenbescheid vom 02.10.2003 zurückzunehmen und auf Grund von Ghetto-Beitragszeiten höhere Rentenleistungen zu gewähren, denn sie hat weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist.
Der Kläger hat ab dem 01.03.1998 einen Anspruch auf Regelaltersrente gemäß § 35 SGB VI, deren Höhe sich insbesondere nach den während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelten bzw. dem Arbeitseinkommen richtet (§ 63 Abs.1 SGB VI). Beitragszeiten sind in erster Linie Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als ge-zahlt gelten (§ 55 Abs.1 Satz 2 SGB VI). Zu diesen besondern Vorschriften gehört auch das ZRBG, verkündet als Art.1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 20.06.2002 (BGBl I S. 2074), das am 01.07.1997 gemäß Art. 3 Abs.2 dieses Gesetzes in Kraft getreten ist.
Das ZRBG, das die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ergänzt (§ 1 Abs.2 ZRBG), gilt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, diese gegen Entgelt ausgeübt wurde und sich das Ghetto in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird (§ 1 Abs.1 Satz 1 ZRBG).
Diese Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Abs.1 Satz 1 ZRBG sind bei dem Kläger nicht nachweislich erfüllt. Zwar ist der Kläger als Verfolgter im Sinne des § 1 Abs.1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anzusehen. Danach ist Verfolgter, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftli-chen Fortkommen erlitten hat. Der Kläger ist Mitglied des Bayer. Landesverbandes der jüdischen Verfolgten des NS-Regimes und hat Entschädigungsleistungen der Claims Conference erhalten. Nach seinen Angaben hat er sich auch im Jahre 1943 im Ghetto L. wegen seines jüdischen Glaubens ca. zwei bis drei Monate zwangsweise aufgehalten. Auch wenn sich aus seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20.10.1972 ergibt, er sei selbst nie seiner Freiheit im Sinne einer Internierung oder Inhaftierung beraubt gewesen, enthält diese Erklärung jedoch insbesondere Aussagen zu Untersuchungsprozeduren in einem Forschungsinstitut im Alter von sieben Jahren. Jedenfalls lässt sich dieser eidesstattlichen Versicherung nicht zwingend entnehmen, dass sich der Kläger nicht doch im Jahre 1943 zwei bis drei Monate im Ghetto L. aufgehalten hat. Denkbar ist auch, dass er im Rahmen der eidesstattlichen Erklärung vom 20.10.1972 lediglich die Begriffe der Inhaftierung und Internierung nicht mit dem Aufenthalt im Ghetto L. als Zehnjähriger zusammen mit seinen Eltern in Verbindung gebracht hat. Mangels konkreter Beweisbarkeit ist dem SG im Ergebnis jedenfalls zuzustimmen, dass der erforderliche Nachweis für einen Aufenthalt des Klägers im Ghetto L. nicht geführt ist.
Dies kann letztlich aber dahin stehen. Nach Überzeugung des Senats wäre selbst dann, wenn die Richtigkeit der Angaben des Klägers im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unterstellt würde, ein Anspruch nach dem ZRBG nicht gegeben.
Diesen Angaben ist nämlich zu entnehmen, dass jedenfalls die Voraussetzungen einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss (§ 1 Abs.1 Halbsatz 1 Nr.1a ZRBG) und die Verrichtung gegen Entgelt (§ 1 Abs.1 Halbsatz 1 Nr.1 b ZRBG) nicht erfüllt sind. Mit diesen Tatbestandsvoraussetzungen nimmt das Gesetz Bezug auf die von der Rechtsprechung genannten Merkmale der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit im Rahmen der Beschäftigung in einem Ghetto (BSG SozR 4-5050 § 15 Nr.1; Breith. 2005, 403; Urteile vom 18.06.1997, Az.: 5 RJ 68/95 und 5 RJ 66/95). Zwar ist nicht von vorneherein davon auszugehen, dass die Beschäftigung einer jüdischen Arbeitskraft in einem Ghetto als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu bewerten ist, denn ein freies Beschäftigungsverhältnis liegt nur vor, wenn die Beschäftigten aus einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis insoweit entlassen sind, als sie in einem Betrieb nach den Regeln des Arbeitsrechts tätig sind und ein Einfluss dritter Stellen auf die Gestaltung des Verhältnisses nicht stattfindet (BSG, Urteil vom 17.03.1993, Az.: 8 Rkn U 1/91). Nach den Angaben des Klägers hat er aber die von ihm genannten Arbeitsleistungen, nämlich das Aufsuchen von Wertsachen, Ritualgegenständen und Schmuck im aufgelösten Teil des Ghettos L. unter keinem Gesichtspunkt im Rahmen eines irgendwie gestalteten Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Im Verwaltungsverfahren hat er mitgeteilt, dass eine Arbeitsvermittlung für diese Tätigkeit nicht stattgefunden hat, sondern er einfach von der SS ausgesucht worden sei. Er habe auch keinen Lohn (Ghettogeld) erhalten und sei auch nicht anderweitig, wie z.B. mit Lebensmitteln oder anderen Sachbezügen, entlohnt worden. Diese Angaben bestätigte der Kläger im Zuge des Berufungsverfahrens. Auch hier hat er angegeben, von den SS-Leuten ausgesucht worden zu sein, um an Orten, an denen jüdische Familien gewohnt hätten, nach Ritual- bzw. Wertgegenständen zu suchen, wobei die Aufseher versucht hätten, ihn irgendwie umzuerziehen. Danach hatte der Kläger Arbeiten zu verrichten, die ausschließlich auf Grund obrigkeitlichem Zwang erfolgten. Unter Zugrundelegung der Darlegungen des Klägers handelte es sich somit um ein unfreies Arbeitsverhältnis, welches vom ZRBG nicht erfasst ist.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger 1943 gerade einmal das 10. Lebensjahr vollendet hatte. Zwar hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass das ZRBG eine Altersgrenze, wie sie § 250 Abs.1 Nr. 4 SGB VI für die rentenrechtliche Anerkennung von Verfolgungszeiten vorsieht, nämlich das vollendete 14. Lebensjahr, nicht enthält. Trotzdem kann das Alter eines Versicherten bei der Beurteilung der Frage, ob eine freiwillige Arbeitsleistung im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses vorlag, nicht außer Acht gelassen werden. Das Landessozialgericht Nordrhein/Westfalen hat zwar im Urteil vom 13.01.2006, Az.: L 4 RJ 113/04, ausgeführt, auch eine Beschäftigung eines Kindes von unter 14 Jahren in einem Ghetto könne berücksichtigt werden. In diesem Fall erhielt aber die Versicherte die Arbeitsstelle offenbar auf Initiative der Eltern und auf Grund einer falschen Angabe des Lebensalters bei der Registrierung als Arbeitskraft. Sofern, wie hier, jedoch solche Umstände nicht vorliegen, ist davon auszugehen, dass jedenfalls bei einem Alter von zehn Jahren ein Beschäftigungsverhältnis nicht begründet werden sollte. Vorliegend gibt es keine Hinweise, dass Umstände wie in dem vom Landessozialgericht Nordrhein/Westfalen entschiedenen Fall vorgelegen hätten, dass insbesondere auf Anregung der Eltern des Klägers dessen Arbeit vermittelt worden ist. Denn der Kläger hat angegeben, dass er zur Arbeitsleistung einfach ausgesucht wurde.
Da somit die Voraussetzungen für eine Anwendung des ZRBG nicht erfüllt sind, können der Regelaltersrente des Klägers keine Ghetto-Beitragszeiten zugrunde gelegt werden.
Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem ZRBG nicht Entschädigungsansprüche von Verfolgten in einem Ghetto begründen wollte. Mit dem ZRGB orientierte sich der Gesetzgeber an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 18.06.1997 (Az.: 5 RJ 68/95 und 5 RJ 66/95), damit in einem Ghetto aufgenommene Tätigkeiten, die die Voraussetzungen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erfüllen, als Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt werden können. Ziel des Gesetzes ist somit nicht die Kompensation von Nachteilen auf Grund erlittenen Unrechts als Verfolgter, sondern Ausgangspunkt für die rentenrechtliche Anerkennung ist die Gleichbehandlung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto mit sonstigen versicherungspflichtigen Beschäftigungen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 12.05.2006 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seiner Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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