Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 17/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 79/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegem das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung der Folgen einer Lungentuberkulose als Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 3101 und 4102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO).
Der 1948 geborene Kläger war nach seinen Angaben in der Zeit von 1969 bis 1972 bei der Firma C. GmbH & Co KG im Straßenbau beschäftigt. Er befand sich im Anschluß an eine stationäre Krankenhausbehandlung vom 24.01.1972 bis zum 11.02.1972 in den Krankenanstalten D. in Haft, am 14.03.1972 wurde er ausgewiesen und lebt heute in Marokko.
Am 26.05.1998 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund und beantragte sinngemäß die Anerkennung und Entschädigung einer BK. Er machte geltend, bei seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma C. GmbH& Co KG an Lungentuberkulose erkrankt zu sein und legte dazu ärztliche Unterlagen aus Marokko vor, insbesondere ein ärztliches Attest von Dr.B. , Leitender Arzt des Gesundheitszentrums S. , B. , vom 19.04.1999.
Mit Beschluss vom 20.09.1999 wurde der Rechtsstreit an das Sozialgericht München (SG) verwiesen. Das Verfahren endete mit Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, über den Antrag des Klägers rechtsbehelfsfähig zu entscheiden.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte den Entlassungsschein über den stationären Aufenthalt des Klägers in den Städtischen Krankenanstalten D. in der Zeit vom 24.01.1972 bis zum 11.02.1972 sowie eine Stellungnahme dazu des Dr. S. , Oberarzt der Klinik bei. Die entsprechenden Krankenakten und Röntgenfilme waren bereits auf Grund Zeitablaufs vernichtet. Im Entlassungsschein wird als Diagnose "Ausschluss einer Lungentuberkulose" angegeben. Nach Beteiligung der Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2000 einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Eine BK nach den Nrn. 3101 und 4102 der Anlage 1 der BKVO liege nicht vor.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2001 als unbegründet zurück.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum SG erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2001 zu verpflichten, ihm Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (gemeint Unfallversicherung) zu bewilligen. Die am 09.01.2001 zunächst als Untätigkeitsklage erhobene Klage wurde als Leistungsklage fortgeführt.
Mit Urteil vom 10.12.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 3101 und Nr. 4102 der Anlage zur BKVO nicht gegeben seien. Die Nr. 3101 der Anlage zur BKV0 erfasse Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr im ähnlichen Maße besonders ausgesetzt war. Der Kläger gehöre nicht zu einer der genannten Personen. Als Hilfsarbeiter im Straßenbau sei der Kläger der Gefahr einer Ansteckung nicht in höherem Maße ausgesetzt gewesen als die allgemeine Bevölkerung. Zudem sei im Rahmen der stationären Behandlung im Jahr 1972 das Vorliegen einer Lungentuberkulose ausgeschlossen worden. Es sei daher weder eine gefährdende Tätigkeit nachgewiesen noch das Vorliegen einer Lungentuberkulose, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen könnte. Auch eine BK nach der Nr. 4102 der Anlage zur BKV sei nicht gegeben. Erfasst sei eine Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose. Beim Kläger habe eine aktive Lungentuberkulose nicht vorgelegen. Es bestünden auch keine Hinweise auf eine Quarzstaublungenerkrankung.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Berufungsschreiben war nicht unterschrieben, handschriftlich findet sich der Name des Klägers am Briefkopf des Berufungsschreibens. Zur Begründung macht er geltend, er habe bei ca. 30 Grad unter Null arbeiten müssen. Er sei nach dem Krankenhausaufenthalt in Abschiebehaft gekommen und im Gefängnis nicht untersucht worden. Es habe stets der Verdacht auf das Vorliegen von Lungentuberkulose bestanden. Er sei dementsprechend im Städtischen Krankenhaus auch 33 Tage lang krankgeschrieben gewesen. Diese Krankheit sei nie ausgeheilt und auch heute noch bestehend. Er habe auch seine Töchter infiziert.
Der Senat hat ein Gutachten nach Aktenlage von Dr. L. , Internistin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Ärztin für öffentliches Gesundheitswesen, vom 04.01.2006 eingeholt.
Dr. L. hat ausgeführt, dass der Kläger auf Grund der vorliegenden Befunde erstmals im Jahr 1996 an einer Lungentuberkulose erkrankte, die im Jahr 1999 reaktivierte und 1999 auch ansteckend war, so dass sich auch die Töchter ansteckten. Eine Person, die einmal an einer Lungentuberkulose erkrankt sei, könne immer wieder an einer Lungentuberkulose erkranken, ohne dass sie sich von jemand anstecken müsse. Es handle sich hierbei um Reaktivierungen der ursprünglichen Erkrankung. Da aber im Jahr 1972 eine Lungentuberkulose eindeutig ausgeschlossen wurde, sei kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der akuten Erkrankung 1972, die als Bronchitis diagnostiziert worden sei, und den Tuberkuloseerkrankungen 1996 und 1999 herzustellen. Da eine Erkrankung an einer Lungentuberkulose während der beruflichen Tätigkeit 1971/1972 nicht vorlag, sei eine BK gemäß BK-Nr. 3101 nicht gegeben. Auch eine BK nach der BK-Nr. 4102 setze eine Lungentuberkulose - im Zusammenhang mit einer Silikose - voraus, die beim Kläger ebenfalls nicht vorliege.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 und des Bescheides vom 22.12.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2001 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 3101 und Nr. 4102 der Anlage zur BKVO anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakten, insbesondere auch der beigezogenen Akten S 8 U 762/99 und L 3 B 233/01 PKH sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden können, denn der Kläger ist über diese Möglichkeit belehrt worden, §§ 124, 126, 127, 153 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie wirksam eingelegt. Zwar ist bei der Berufungsschrift anders als bei der Klage die Unterschrift erforderlich (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 151 Rdnr.4). Eine fehlende Unterschrift steht der Wirksamkeit der Berufungseinlegung aber dann nicht entgegen, wenn aus sonstigen Anzeichen, insbesondere auch der handschriftlichen Angabe der Adresse des Berufungsklägers auf dem Berufungsschriftsatz, eindeutig auf den Willen des Berufungsführers geschlossen werden kann, dass der Schriftsatz der Einlegung des Rechtsmittels dienen sollte (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, VIII Rdnr.60 m.w.N.). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben.
Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK nach den Nrn. 3101 und 4102 der Anlage zur BKV und damit auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen.
Anzuwenden sind vorliegend die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die vom Kläger geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten sein soll und der Kläger wohl die Gewährung von Leistungen bereits vor dem 01.01.1997 geltend macht (§§ 212, 214 SGB VII).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der ihm folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere bei Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe (§ 581 Abs.1 Nr.2 RVO). Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs.1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs.1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sog. Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören zum einen gemäß Nr. 3101 der BKVO Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war. Nach der Nr. 4102 der BKVO ist eine BK eine Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose (Siliko-Tuberkulose).
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der BKen wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestandes der BK ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, B 2 U 29/99 R). Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 SGB VII Anm.10.1 m.w.N.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der beim Kläger bestehende Zustand nach einer Lungentuberkuloseerkrankung 1996 und 1999 keine BK nach den Nrn. 3101 und 4102 der Anlage 1 zur BKVO. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf Grund der Ermittlungen im Gerichtsverfahren, insbesondere auf Grund des Gutachtens von Dr. L. vom 04.01.2006.
Die Voraussetzungen für die Entstehung einer BK nach der Nr. 3101 der Anlage zur BKVO sind nicht gegeben. Es liegen zum einen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger durch seine Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war wie Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder im Laboratorium. Die Infektionsquelle, das heißt ein Tuberkuloseerkrankter mit entsprechenden Erregern, muss im Bereich der Berufstätigkeit vorhanden sein. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er an seinem Arbeitsplatz mit Tuberkuloseerkrankten in Kontakt getreten ist. Der Kläger war als Bauhilfsarbeiter auch keiner erhöhten Infektionsgefahr gegenüber Tuberkulose ausgesetzt. Die Berufstätigkeit des Klägers war nicht mit besonderen über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Infektionsgefahren verbunden. Nach den Ausführungen von Dr. L. ist die von ihm angegebene Arbeit unter extremen Bedingungen in starker Kälte nicht geeignet, eine Lungentuberkulose zu verursachen. Bei der Lungentuberkulose handelt es sich um eine Erkrankung, die durch Tuberkulosebakterien verursacht wird, die von Mensch zu Mensch über Tröpfcheninfektion übertragen werden. Das Risiko, sich als Bauhilfsarbeiter im beruflichen Bereich anzustecken, war nicht höher als das Risiko, im privaten Bereich mit Tuberkulose angesteckt zu werden. Frau Dr. L. hat insoweit darauf hingewiesen, dass Marokko ein Hochprävalenzgebiet für Tuberkuloseerkrankungen darstellt, das deutlich über dem Risiko liegt, sich in Deutschland an Tuberkulose anzustecken.
Auch ein erforderlicher zeitlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Auftreten der ersten Symptome bzw. dem Zeitpunkt der Diagnosestellung ist nicht gegeben (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und BK, 7. Auflage, S.768). Während des stationären Krankenhausaufenthaltes in den Städtischen Krankenanstalten D. vom 24.01.1972 bis zum 11.02.1972 konnte das Vorliegen einer Lungentuberkulose ausgeschlossen werden. Im Entlassungsschein wird als Diagnose "Ausschluss einer Lungentuberkulose" genannt. Dr. S. stellt in seiner Stellungnahme vom 14.12.1998 fest, dass auf Grund der vorgelegten Kopie des Entlassungsscheines davon auszugehen ist, dass zum damaligen Zeitpunkt keine akute behandlungsbedürftige Lungentuberkulose vorlag. Ein aktives Tuberkulosekrankheitsbild ist durch die stationären Untersuchungen damals als unwahrscheinlich ausgeschlossen worden. Als Diagnose des stationären Aufenthaltes ist in den AOK-Unterlagen eine Bronchitis dokumentiert. Nach den Ausführungen von Dr. L. war zum damaligen Zeitpunkt ein neunzehntägiger stationärer Aufenthalt bei Verdacht auf eine Lungentuberkulose nichts Ungewöhnliches. Der Kläger litt damals offensichtlich unter einem anhaltenden Husten mit Auswurf und Gewichtsverlust. Zudem befand er sich ein halbes Jahr vor dem stationären Aufenthalt einen Monat lang in Marokko, einem Land mit einer damals sehr hohen Tuberkuloseerkrankungsrate. Nach den Ausführungen von Dr. L. war zum damaligen Zeitpunkt der Nachweis von Tuberkulosebakterien schwierig und nahm längere Zeit in Anspruch. Bei fehlendem Nachweis von Tuberkulosebakterien in der Mikroskopie und gleichzeitig einer guten Besserung der Krankheit bzw. der Beschwerden unter unspezifischer Antibiotikatherapie war beim Kläger eine Tuberkuloseerkrankung unwahrscheinlich. Der Ausschluss einer Tuberkulose war zum damaligen Zeitpunkt endgültig bei Eintreffen negativer Tuberkulosekulturen aus dem Sputum nach sechs bis acht Wochen Bebrütung. Die Tatsache, dass der Kläger in der Zeit vom 11.02.1972 bis zur Abschiebung am 14.03.1972 inhaftiert war, bestätigt den Ausschluss der Lungentuberkuloseerkrankung. Andernfalls wäre die Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung nicht möglich gewesen, da dies voraussetzt, dass ansteckende Erkrankungen, insbesondere eine Lungentuberkulose zuvor ausgeschlossen wurden. Aus seuchenhygienischen Gründen darf keinerlei Ansteckungsgefahr für die Inhaftierten bestehen. Außerdem war in dem Zeitraum der Haft auch die mindestens sechswöchige Bebrütung der angesetzten Tuberkulosekulturen abgeschlossen und bei einem positiven Befund wäre die Haft umgehend abgebrochen worden. Eine erneute stationäre Aufnahme des Klägers sowie eine umfassende Umgebungsuntersuchung der ansteckungsgefährdeten Insassen und Bediensteten der Justizvollzugsanstalt wären umgehend erfolgt.
Nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus dem Befundbericht von Dr. B. vom 19.04.1999, ist davon auszugehen, dass er im Jahr 1996 und im Jahr 1999 an Lungentuberkulose erkrankt war. In der Zeit vom 05.07.1996 bis zum 25.07.1996 erfolgte ein stationärer Aufenthalt wegen des Verdachts auf Tuberkulose. Es wurde damals von einer geschlossenen, nicht ansteckenden Lungentuberkulose ausgegangen. Nach den Ausführungen von Dr. L. ist auf Grund dieses Befundes anzunehmen, dass der Kläger erstmals 1996 an einer Lungentuberkulose erkrankte, die im Jahr 1999 reaktivierte und 1999 auch ansteckend war, so dass sich auch die Töchter des Klägers ansteckten. Eine Person, die einmal an eine Lungentuberkulose erkrankt ist, kann immer wieder an eine Lungentuberkulose erkranken, ohne dass sie sich von jemand anstecken muss. Es handelt sich hierbei um Reaktivierungen der ursprünglichen Erkrankung. Die im Jahr 1996 und 1999 aufgetretene Lungentuberkuloseerkrankung steht aber in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit 1971/1972.
Auch eine BK nach der Nr. 4102 der BKVO liegt nicht vor. Voraussetzung dieser BK ist die Erkrankung an eine Silikose, die verursacht wird durch Einatmung von Staub, welcher im unterschiedlichen Anteil freie kristalline Kieselsäure enthält. Geeignete Tätigkeiten sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Steinbruchs- und Sandstrahlarbeiten, Bergbauarbeiten, Arbeiten in Gießereien. Einer silikogenen Staubbelastung war der Kläger nicht ausgesetzt. Auch in den zahlreich vorliegenden Befunden ist nach den Ausführungen von Dr. L. eine Silikose zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden.
Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers in Deutschland und dem beim Kläger jetzt vorliegenden Folgezustand nach Lungentuberkuloseerkrankung ist somit nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung der Folgen einer Lungentuberkulose als Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 3101 und 4102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO).
Der 1948 geborene Kläger war nach seinen Angaben in der Zeit von 1969 bis 1972 bei der Firma C. GmbH & Co KG im Straßenbau beschäftigt. Er befand sich im Anschluß an eine stationäre Krankenhausbehandlung vom 24.01.1972 bis zum 11.02.1972 in den Krankenanstalten D. in Haft, am 14.03.1972 wurde er ausgewiesen und lebt heute in Marokko.
Am 26.05.1998 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund und beantragte sinngemäß die Anerkennung und Entschädigung einer BK. Er machte geltend, bei seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma C. GmbH& Co KG an Lungentuberkulose erkrankt zu sein und legte dazu ärztliche Unterlagen aus Marokko vor, insbesondere ein ärztliches Attest von Dr.B. , Leitender Arzt des Gesundheitszentrums S. , B. , vom 19.04.1999.
Mit Beschluss vom 20.09.1999 wurde der Rechtsstreit an das Sozialgericht München (SG) verwiesen. Das Verfahren endete mit Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, über den Antrag des Klägers rechtsbehelfsfähig zu entscheiden.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte den Entlassungsschein über den stationären Aufenthalt des Klägers in den Städtischen Krankenanstalten D. in der Zeit vom 24.01.1972 bis zum 11.02.1972 sowie eine Stellungnahme dazu des Dr. S. , Oberarzt der Klinik bei. Die entsprechenden Krankenakten und Röntgenfilme waren bereits auf Grund Zeitablaufs vernichtet. Im Entlassungsschein wird als Diagnose "Ausschluss einer Lungentuberkulose" angegeben. Nach Beteiligung der Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2000 einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Eine BK nach den Nrn. 3101 und 4102 der Anlage 1 der BKVO liege nicht vor.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2001 als unbegründet zurück.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum SG erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2001 zu verpflichten, ihm Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (gemeint Unfallversicherung) zu bewilligen. Die am 09.01.2001 zunächst als Untätigkeitsklage erhobene Klage wurde als Leistungsklage fortgeführt.
Mit Urteil vom 10.12.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 3101 und Nr. 4102 der Anlage zur BKVO nicht gegeben seien. Die Nr. 3101 der Anlage zur BKV0 erfasse Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr im ähnlichen Maße besonders ausgesetzt war. Der Kläger gehöre nicht zu einer der genannten Personen. Als Hilfsarbeiter im Straßenbau sei der Kläger der Gefahr einer Ansteckung nicht in höherem Maße ausgesetzt gewesen als die allgemeine Bevölkerung. Zudem sei im Rahmen der stationären Behandlung im Jahr 1972 das Vorliegen einer Lungentuberkulose ausgeschlossen worden. Es sei daher weder eine gefährdende Tätigkeit nachgewiesen noch das Vorliegen einer Lungentuberkulose, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen könnte. Auch eine BK nach der Nr. 4102 der Anlage zur BKV sei nicht gegeben. Erfasst sei eine Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose. Beim Kläger habe eine aktive Lungentuberkulose nicht vorgelegen. Es bestünden auch keine Hinweise auf eine Quarzstaublungenerkrankung.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Berufungsschreiben war nicht unterschrieben, handschriftlich findet sich der Name des Klägers am Briefkopf des Berufungsschreibens. Zur Begründung macht er geltend, er habe bei ca. 30 Grad unter Null arbeiten müssen. Er sei nach dem Krankenhausaufenthalt in Abschiebehaft gekommen und im Gefängnis nicht untersucht worden. Es habe stets der Verdacht auf das Vorliegen von Lungentuberkulose bestanden. Er sei dementsprechend im Städtischen Krankenhaus auch 33 Tage lang krankgeschrieben gewesen. Diese Krankheit sei nie ausgeheilt und auch heute noch bestehend. Er habe auch seine Töchter infiziert.
Der Senat hat ein Gutachten nach Aktenlage von Dr. L. , Internistin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Ärztin für öffentliches Gesundheitswesen, vom 04.01.2006 eingeholt.
Dr. L. hat ausgeführt, dass der Kläger auf Grund der vorliegenden Befunde erstmals im Jahr 1996 an einer Lungentuberkulose erkrankte, die im Jahr 1999 reaktivierte und 1999 auch ansteckend war, so dass sich auch die Töchter ansteckten. Eine Person, die einmal an einer Lungentuberkulose erkrankt sei, könne immer wieder an einer Lungentuberkulose erkranken, ohne dass sie sich von jemand anstecken müsse. Es handle sich hierbei um Reaktivierungen der ursprünglichen Erkrankung. Da aber im Jahr 1972 eine Lungentuberkulose eindeutig ausgeschlossen wurde, sei kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der akuten Erkrankung 1972, die als Bronchitis diagnostiziert worden sei, und den Tuberkuloseerkrankungen 1996 und 1999 herzustellen. Da eine Erkrankung an einer Lungentuberkulose während der beruflichen Tätigkeit 1971/1972 nicht vorlag, sei eine BK gemäß BK-Nr. 3101 nicht gegeben. Auch eine BK nach der BK-Nr. 4102 setze eine Lungentuberkulose - im Zusammenhang mit einer Silikose - voraus, die beim Kläger ebenfalls nicht vorliege.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 und des Bescheides vom 22.12.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2001 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 3101 und Nr. 4102 der Anlage zur BKVO anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakten, insbesondere auch der beigezogenen Akten S 8 U 762/99 und L 3 B 233/01 PKH sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden können, denn der Kläger ist über diese Möglichkeit belehrt worden, §§ 124, 126, 127, 153 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie wirksam eingelegt. Zwar ist bei der Berufungsschrift anders als bei der Klage die Unterschrift erforderlich (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 151 Rdnr.4). Eine fehlende Unterschrift steht der Wirksamkeit der Berufungseinlegung aber dann nicht entgegen, wenn aus sonstigen Anzeichen, insbesondere auch der handschriftlichen Angabe der Adresse des Berufungsklägers auf dem Berufungsschriftsatz, eindeutig auf den Willen des Berufungsführers geschlossen werden kann, dass der Schriftsatz der Einlegung des Rechtsmittels dienen sollte (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, VIII Rdnr.60 m.w.N.). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben.
Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK nach den Nrn. 3101 und 4102 der Anlage zur BKV und damit auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen.
Anzuwenden sind vorliegend die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die vom Kläger geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten sein soll und der Kläger wohl die Gewährung von Leistungen bereits vor dem 01.01.1997 geltend macht (§§ 212, 214 SGB VII).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der ihm folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere bei Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe (§ 581 Abs.1 Nr.2 RVO). Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs.1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs.1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sog. Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören zum einen gemäß Nr. 3101 der BKVO Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war. Nach der Nr. 4102 der BKVO ist eine BK eine Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose (Siliko-Tuberkulose).
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der BKen wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestandes der BK ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, B 2 U 29/99 R). Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 SGB VII Anm.10.1 m.w.N.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der beim Kläger bestehende Zustand nach einer Lungentuberkuloseerkrankung 1996 und 1999 keine BK nach den Nrn. 3101 und 4102 der Anlage 1 zur BKVO. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf Grund der Ermittlungen im Gerichtsverfahren, insbesondere auf Grund des Gutachtens von Dr. L. vom 04.01.2006.
Die Voraussetzungen für die Entstehung einer BK nach der Nr. 3101 der Anlage zur BKVO sind nicht gegeben. Es liegen zum einen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger durch seine Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war wie Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder im Laboratorium. Die Infektionsquelle, das heißt ein Tuberkuloseerkrankter mit entsprechenden Erregern, muss im Bereich der Berufstätigkeit vorhanden sein. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er an seinem Arbeitsplatz mit Tuberkuloseerkrankten in Kontakt getreten ist. Der Kläger war als Bauhilfsarbeiter auch keiner erhöhten Infektionsgefahr gegenüber Tuberkulose ausgesetzt. Die Berufstätigkeit des Klägers war nicht mit besonderen über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Infektionsgefahren verbunden. Nach den Ausführungen von Dr. L. ist die von ihm angegebene Arbeit unter extremen Bedingungen in starker Kälte nicht geeignet, eine Lungentuberkulose zu verursachen. Bei der Lungentuberkulose handelt es sich um eine Erkrankung, die durch Tuberkulosebakterien verursacht wird, die von Mensch zu Mensch über Tröpfcheninfektion übertragen werden. Das Risiko, sich als Bauhilfsarbeiter im beruflichen Bereich anzustecken, war nicht höher als das Risiko, im privaten Bereich mit Tuberkulose angesteckt zu werden. Frau Dr. L. hat insoweit darauf hingewiesen, dass Marokko ein Hochprävalenzgebiet für Tuberkuloseerkrankungen darstellt, das deutlich über dem Risiko liegt, sich in Deutschland an Tuberkulose anzustecken.
Auch ein erforderlicher zeitlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Auftreten der ersten Symptome bzw. dem Zeitpunkt der Diagnosestellung ist nicht gegeben (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und BK, 7. Auflage, S.768). Während des stationären Krankenhausaufenthaltes in den Städtischen Krankenanstalten D. vom 24.01.1972 bis zum 11.02.1972 konnte das Vorliegen einer Lungentuberkulose ausgeschlossen werden. Im Entlassungsschein wird als Diagnose "Ausschluss einer Lungentuberkulose" genannt. Dr. S. stellt in seiner Stellungnahme vom 14.12.1998 fest, dass auf Grund der vorgelegten Kopie des Entlassungsscheines davon auszugehen ist, dass zum damaligen Zeitpunkt keine akute behandlungsbedürftige Lungentuberkulose vorlag. Ein aktives Tuberkulosekrankheitsbild ist durch die stationären Untersuchungen damals als unwahrscheinlich ausgeschlossen worden. Als Diagnose des stationären Aufenthaltes ist in den AOK-Unterlagen eine Bronchitis dokumentiert. Nach den Ausführungen von Dr. L. war zum damaligen Zeitpunkt ein neunzehntägiger stationärer Aufenthalt bei Verdacht auf eine Lungentuberkulose nichts Ungewöhnliches. Der Kläger litt damals offensichtlich unter einem anhaltenden Husten mit Auswurf und Gewichtsverlust. Zudem befand er sich ein halbes Jahr vor dem stationären Aufenthalt einen Monat lang in Marokko, einem Land mit einer damals sehr hohen Tuberkuloseerkrankungsrate. Nach den Ausführungen von Dr. L. war zum damaligen Zeitpunkt der Nachweis von Tuberkulosebakterien schwierig und nahm längere Zeit in Anspruch. Bei fehlendem Nachweis von Tuberkulosebakterien in der Mikroskopie und gleichzeitig einer guten Besserung der Krankheit bzw. der Beschwerden unter unspezifischer Antibiotikatherapie war beim Kläger eine Tuberkuloseerkrankung unwahrscheinlich. Der Ausschluss einer Tuberkulose war zum damaligen Zeitpunkt endgültig bei Eintreffen negativer Tuberkulosekulturen aus dem Sputum nach sechs bis acht Wochen Bebrütung. Die Tatsache, dass der Kläger in der Zeit vom 11.02.1972 bis zur Abschiebung am 14.03.1972 inhaftiert war, bestätigt den Ausschluss der Lungentuberkuloseerkrankung. Andernfalls wäre die Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung nicht möglich gewesen, da dies voraussetzt, dass ansteckende Erkrankungen, insbesondere eine Lungentuberkulose zuvor ausgeschlossen wurden. Aus seuchenhygienischen Gründen darf keinerlei Ansteckungsgefahr für die Inhaftierten bestehen. Außerdem war in dem Zeitraum der Haft auch die mindestens sechswöchige Bebrütung der angesetzten Tuberkulosekulturen abgeschlossen und bei einem positiven Befund wäre die Haft umgehend abgebrochen worden. Eine erneute stationäre Aufnahme des Klägers sowie eine umfassende Umgebungsuntersuchung der ansteckungsgefährdeten Insassen und Bediensteten der Justizvollzugsanstalt wären umgehend erfolgt.
Nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus dem Befundbericht von Dr. B. vom 19.04.1999, ist davon auszugehen, dass er im Jahr 1996 und im Jahr 1999 an Lungentuberkulose erkrankt war. In der Zeit vom 05.07.1996 bis zum 25.07.1996 erfolgte ein stationärer Aufenthalt wegen des Verdachts auf Tuberkulose. Es wurde damals von einer geschlossenen, nicht ansteckenden Lungentuberkulose ausgegangen. Nach den Ausführungen von Dr. L. ist auf Grund dieses Befundes anzunehmen, dass der Kläger erstmals 1996 an einer Lungentuberkulose erkrankte, die im Jahr 1999 reaktivierte und 1999 auch ansteckend war, so dass sich auch die Töchter des Klägers ansteckten. Eine Person, die einmal an eine Lungentuberkulose erkrankt ist, kann immer wieder an eine Lungentuberkulose erkranken, ohne dass sie sich von jemand anstecken muss. Es handelt sich hierbei um Reaktivierungen der ursprünglichen Erkrankung. Die im Jahr 1996 und 1999 aufgetretene Lungentuberkuloseerkrankung steht aber in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit 1971/1972.
Auch eine BK nach der Nr. 4102 der BKVO liegt nicht vor. Voraussetzung dieser BK ist die Erkrankung an eine Silikose, die verursacht wird durch Einatmung von Staub, welcher im unterschiedlichen Anteil freie kristalline Kieselsäure enthält. Geeignete Tätigkeiten sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Steinbruchs- und Sandstrahlarbeiten, Bergbauarbeiten, Arbeiten in Gießereien. Einer silikogenen Staubbelastung war der Kläger nicht ausgesetzt. Auch in den zahlreich vorliegenden Befunden ist nach den Ausführungen von Dr. L. eine Silikose zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden.
Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers in Deutschland und dem beim Kläger jetzt vorliegenden Folgezustand nach Lungentuberkuloseerkrankung ist somit nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.12.2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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