L 6 R 1562/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 2662/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 R 1562/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1955 in Süditalien geborene Klägerin übersiedelte im Alter von 17 Jahren mit ihrem heutigen Ehemann nach Deutschland. Sie hat in ihrer Heimat 5 Jahre die Schule besucht und keine Berufsausbildung absolviert. Sie war zunächst bis 1984 neben der Erziehung ihrer beiden Söhne (geboren 1974 und 1980) vollschichtig als Montagearbeiterin tätig. Von 1984 bis 1986 hielt sich die Familie vorübergehend wieder in Italien auf. Seit der Rückkehr nach Deutschland ist die Klägerin - ebenso wie ihr Ehemann - bei der G. M. GmbH - Fabrik für Kfz-Teile in B. U. beschäftigt. Die Familie wohnt in einer werkseigenen Mietwohnung. Die Tätigkeit der Klägerin besteht in der Montage von Fahrradbremsen am Band im Gruppenakkord. Seit 2002 war die Klägerin häufiger arbeitsunfähig.

Am 21.02.2002 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, sie leide seit ca. 13 Jahren unter "Depressionen, Weichteilrheuma, Bandscheiben, WS-Verformung, Gleichgewichtsstörung" und sei seit 04.02.2002 arbeitsunfähig.

Die Beklagte beauftragte den Orthopäden Dr. K. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens. Dieser veranlasste eine psychiatrische Zusatzbegutachtung durch Dr. K ...

Dr. K. führte in seinem Gutachten vom 30.04.2002 aus, die Klägerin habe über eine seit 1988 bestehende Neigung zu Depressionen berichtet. Weiterhin klage sie über starke Kopf- und Rückenschmerzen. Verschiedene Behandlungen (Schmerztherapie, Akupunktur) hätten nur eine vorübergehende Schmerzlinderung erbracht. Sie sei nunmehr in regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung und erhalte antidepressive Medikamente und Schmerzmittel. Dr. K. diagnostizierte aus neuropsychiatrischer Sicht in erster Linie eine Somatisierungsstörung (F 55.0). Die depressive Symptomatik sah er am ehesten im Zusammenhang einer rezidivierenden depressiven Störung (F 33), gegenwärtig in Form einer relativ leichten Episode. Er führte aus, die gutachterliche Würdigung sei auch unter Einbeziehung der mentalitätsbedingten Besonderheiten nicht einfach. Nach seinem Eindruck sei jedoch unter Berücksichtigung aller Faktoren hier noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für ausbildungsgemäße Tätigkeiten - einschließlich der ausgeübten Tätigkeit - gegeben. Wegen eines grenzwertig erhöhten Blutdrucks und einer angegebenen Kollapsneigung regte er eine internistische Begutachtung an.

Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 15.05.2002 folgende Diagnosen:

1. Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule mit statischer Fehlhaltung und Bandscheibenvorfall im Segment L 4/5 (MRT 11/00) mit mittelgradiger Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit und endgradiger Einschränkung der Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit ohne Anhalt für wesentliche Nervenwurzelreizzeichen im Bereich beider oberer und unterer Extremitäten.

2. Neigung zu leichter depressiver Verstimmung bei ängstlich-asthenischer Persönlichkeit.

Als Nebenbefunde ohne wesentliche Bedeutung für das Leistungsvermögen lägen noch beginnende Aufbraucherscheinungen im Bereich beider Hüftgelenke, geringe Wechseljahresbeschwerden, anamnestisch eine geringe Innenohrschwerhörigkeit sowie ein Verdacht auf Somatisierungsneigung vor. Aufgrund der eigenen Untersuchung, der vorliegenden Unterlagen der behandelnden Ärzte der Klägerin und unter Einbeziehung des Gutachtens von Dr. K. führte Dr. K. aus, in Zusammensicht aller Befunde und Würdigung derselben vor dem Hintergrund der individuellen Persönlichkeitsstruktur und der mentalitätstypischen Faktoren sowie des unterschiedlichen soziokulturellen Hintergrundes halte er die Klägerin in ihrer Erwerbsfähigkeit für gemindert, diese sei jedoch in keinem Fall aufgehoben. Sie könne auch weiterhin leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten. Häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 15 kg sowie einseitige Körperhaltung sei zu vermeiden. Sie sei auch in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Montagearbeiterin weiterhin vollschichtig einsetzbar. Eine internistische Begutachtung hielt er nicht für erforderlich. Bei seiner fachorthopädischen Untersuchung habe der Blutdruck im Normbereich gelegen. Bzgl. der angegebenen Kollapssituation sei aufgrund fehlender Hinweise in den ärztlichen Unterlagen nicht von einer sozialmedizinischen Relevanz auszugehen.

Mit Bescheid vom 24.05.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab. Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruches führte die Klägerin aus, sie sei seit November 2001 mit kurzer Unterbrechung arbeitsunfähig. Die im angefochtenen Bescheid aufgeführten Diagnosen seien unvollständig und verharmlosend. Sie sei wegen ihrer schweren chronischen Depression bei Dr. C. in Behandlung. Sie leide auch unter einer Fibromyalgie mit erheblichen Schmerzen in allen Gelenken. Es komme immer wieder zu Ohnmachtsanfällen. Unter anderem habe sie bei Dr. K., bei dem sie sich wegen chronischer Darmbeschwerden vorgestellt habe, einen Ohnmachtsanfall erlitten.

Der Hausarzt der Klägerin Dr. M. legte auf Veranlassung der Beklagten zwei Arztbriefe des Internisten Dr. K. vom 03.07.2001 und 29.09.2001 vor. Darin wird eine Neigung zu erosiven-ulcerösen Magenläsionen vermutlich im Rahmen eines psychosomatischen Beschwerdekomplexes bei depressivem Grundleiden beschrieben. Hinweise auf eine Kollapssituation finden sich in diesen Berichten nicht.

Nach Einholung einer Stellungnahme ihrer Beratungsärztin Dr. M. wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2002 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 18.10.2002 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Zur Begründung legte sie den Arztbrief des Internisten und Rheumatologen Dr. B. vom 30.12.2002 vor. Neben chronischen Kopfschmerzen und einem Wirbelsäulenleiden wird darin eine Fibromyalgie diagnostiziert.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.

Der Nervenarzt Dr. C. berichtete in seiner Auskunft vom 13.03.2003, er behandle die Klägerin durchschnittlich einmal pro Monat. Er halte aufgrund der glaubhaften Schilderungen und der feststellbaren depressiven Stimmung lediglich eine Tätigkeit von 3-6 Stunden täglich für möglich. Andererseits sei die Klägerin seit einigen Monaten auch wieder ausreichend für ihre bisherige Tätigkeit belastbar, so dass die Arbeitsunfähigkeit beendet worden sei. Der Orthopäde Dr. H. berichtete in seiner Auskunft vom 17.03.2003 über eine einmalige Untersuchung der Klägerin am 25.06.2002. Er habe eine Epikondylitis ulnaris humeri beidseits sowie eine beginnende retropatellare Gonarthrose beidseits bei Kniescheibendysplasie diagnostiziert. Aus orthopädischer Sicht seien leichte Tätigkeiten noch mindestens 6 Stunden täglich möglich. Der Hausarzt der Klägerin Dr. M. berichtete in seiner Auskunft vom 21.03.2003 über die regelmäßige Behandlung der Klägerin wegen unterschiedlicher Beschwerden vor allem im Bereich der Wirbelsäule. Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin habe er nicht feststellen können. Er halte auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenn überhaupt nur noch höchstens 3 Stunden täglich für möglich. Dr. B. berichtete unter dem 31.03.2003 über die einmalige Untersuchung der Klägerin am 16.12.2002. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Klägerin noch vollschichtig arbeiten könne. Seiner Einschätzung nach könne sie keine 3 Stunden lang mehr regelmäßig arbeiten.

Auf Anregung der Beklagten holte das SG das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. N. vom 08.10.2003 ein. Dieser teilte mit, er habe bei der körperlichen Untersuchung lediglich eine geringe Einschränkung der Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit gefunden. Der neurologische Befund sei völlig unauffällig gewesen. Im Vordergrund stehe eine depressive Störung, die nach den ICD-Kriterien leicht bis mittelgradig ausgeprägt sei. Die Klägerin leide unter dem typischen depressiven Symptomenkomplex mit Herabgestimmtheit, Interesseverlust, Freudlosigkeit, vermehrter Ermüdbarkeit und Schlafstörungen. Hinweise auf eine gravierende depressive Antriebsstörung seien allerdings nicht gegeben. Die Klägerin könne ihre bisherige Berufstätigkeit ausüben und nebenher ihren Haushalt versorgen, allerdings unter Aufbietung aller Kräfte und mit wohlwollender Unterstützung der Arbeitskolleginnen, der Vorgesetzten und bei der Hausarbeit durch den Ehemann. Die Klägerin berichte über häufige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, was unterstreiche, dass die Erwerbsfähigkeit zwar noch gegeben, aber durchaus gefährdet sei. Dr. N. diagnostizierte ein depressives Beschwerdebild mit psychosomatischer Symptombildung im Sinne von "Ganzkörperschmerzen" und führte aus, die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sei dadurch ein Stück weit reduziert. Die Klägerin könne nur noch leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 10 kg und ohne häufiges Bücken verrichten. Solche Tätigkeiten seien noch mindestens 6 Stunden täglich möglich. Eine Besserung könne durch eine Intensivierung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung erreicht werden. Evtl. sei auch eine Rehamaßnahme in einer psychosomatischen Fachklinik zu empfehlen. Eine weitere Begutachtung hielt Dr. N. nicht für erforderlich.

Auf Antrag der Klägerin holte das SG nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch das Gutachten des Facharztes für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin, spezielle Schmerztherapie und psychotherapeutische Medizin Dr. R. vom 13.04.2004 ein. Dieser stellte folgende Diagnosen:

1. Chronisch rezidivierende Zervikobrachialgie als Schulter-Arm-Syndrom bei mehreren Bandscheibenvorfällen im mittleren und unteren Halswirbelsäulenanteil 2. Rezidivierende Lumbalgie mit gelegentlichen Ischialgien bei deutlich degenerativen Lendenwirbelsäulen(LWS)-Veränderungen und einer erheblichen Skoliose und ausgeprägter Haltungsinsuffizienz und einem Bandscheibenvorfall im LWS-Anteil 3. Chondromalazia patellae beidseits mit beginnender Gonarthrose 4. Initiale Coxarthrose beidseits ohne wesentliche Funktionseinbußen 5. Somatoforme Schmerzstörung 6. Angst- und depressive Störung 7. Tinnitus

Er führte aus, bei der Klägerin fänden sich ausgeprägte depressive Symptome als Folge einer früheren Angsterkrankung, wobei sich im Laufe von Jahren eine somatoforme Schmerzstörung herausgebildet habe. Aktuell bestehe eine chronifizierte Schmerzerkrankung. Die Klägerin habe angegeben, sie sei derzeit wieder seit einigen Wochen arbeitsunfähig. Er halte die Klägerin derzeit höchstens für fähig, 3 bis 6 Stunden täglich einer leichten körperlichen Tätigkeit nachzugehen. Zu vermeiden seien mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten, Heben und Tragen von Lasten über 5 bis 10 kg, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Treppensteigen, Arbeiten mit Leiternsteigen oder auf Gerüsten, Tätigkeiten an gefährdenden Maschinen, Akkord- und Fließbandarbeiten, Nachtschicht, Einfluss von Hitze, Kälte, Zugluft und Nässe sowie von Lärm. Die Tätigkeiten sollten überwiegend im Sitzen stattfinden mit gelegentlichem Gehen und Stehen. Durch eine adäquate Therapie (psychotherapeutische Maßnahmen im Sinne einer Verhaltenstherapie, medikamentöse Therapie der Angst- und depressiven Störung, wirkungsvolle und intensive physikalisch/orthopädische Therapie) könne zumindest in 2 bis 3 Jahren eine so nachhaltige Besserung erwartet werden, dass dann leichtere Tätigkeiten evtl. auch wieder vollschichtig zugemutet werden könnten.

Vom 26.10. bis 23.11.2004 befand sich die Klägerin zur Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der K.-Klinik in St. B ... Nach dem Entlassungsbericht vom 30.11.2004 wurden eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine chronifizierte depressive Entwicklung, aktuell mittelschwer, ein Halswirbelsäulen-Syndrom, ein LWS-Syndrom sowie ein Tinnitus aurium diagnostiziert. Trotz der anhaltenden Beschwerden im Bereich der Hals- und LWS wurde die Klägerin für körperlich leichte Arbeiten für leistungsfähig gehalten, wobei auf das Tragen von Lasten über 10 kg, häufiges Bücken und Ersteigen von Leitern verzichtet werden sollte. Aus sozialmedizinischer Sicht bestünden weiterhin Einschränkungen für Akkord- und Fließbandarbeit sowie allgemein für Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung und Nachtschicht. Vor diesem Hintergrund sei die Klägerin für die ausgeübte Tätigkeit nur noch unter 3 Stunden täglich leistungsfähig. Die Klägerin erlebe sich auch für leichte Tätigkeiten leistungsunfähig und habe ein Formblatt über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben deswegen nicht zurückgegeben. Bei ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, für die die Klägerin eine gewisse Motivation habe entwickeln können, sei noch mit der Wiederherstellung einer positiveren Selbsteinschätzung und Leistungsmotivation zu rechnen.

Das SG holte noch ergänzende Stellungnahmen von Dr. N. (03.05.2005) und Dr. R. (19.09.2005) ein.

Weiterhin forderte das SG den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 09.05.2005 bis 25.05.2005 in der Abteilung Allgemeine Psychiatrie der M.klinik Z. an. Darin wird die Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome genannt. Die Klägerin habe bei der Aufnahme angegeben, sie leide seit 8 Wochen unter einer schweren depressiven Phase. Im Verlauf der Behandlung habe die Klägerin eine Stimmungsaufhellung beschrieben und die Vermutung geäußert, dass ein vorübergehend eingesetztes Schmerzpflaster die Depression verstärkt habe. Die Klägerin konnte nach dem Bericht, nachdem sich auch die Kopfschmerzen während des Aufenthaltes gebessert hatten, gut stabilisiert nach Hause entlassen werden.

Die Beklagte legte hierzu eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. S. vom 21.10.2005 vor. Danach sei in der Gesamtzusammenschau nach wie vor von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten bei der Klägerin auszugehen. Insbesondere sei eine von Dr. R. angegebene Antriebshemmung nach dem Entlassungsbericht aus der M.klinik Z. während der stationären Behandlung nicht zu bemerken gewesen. Sie legte im Übrigen die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. D. (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie) vom 15.07.2004 und 20.01.2005 und Dr. J. (Fachärztin für Innere Medizin) vom 28.05.2004 vor.

Mit Urteil vom 16.02.2006 - der Klägerin zugestellt am 02.03.2006 - wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, das Leistungsvermögen der Klägerin sei durch die vorliegenden Gesundheitsstörungen und hiermit verbundenen Beschwerden in quantitativer Hinsicht nicht so weit eingeschränkt, dass sie nicht zumindest eine leichte Tätigkeit unter Beachtung von Funktionseinschränkungen mindestens 6 Stunden täglich ausüben könne. Sofern die Aussage von Dr. R. zum Leistungsvermögen so zu interpretieren sei, dass lediglich ein unter 6-stündiges Leistungsvermögen bestehe, könne dem nicht gefolgt werden. Allein durch die Angabe einer Angststörung, Depression oder somatoformen Schmerzstörung könne nicht auf eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens geschlossen werden. Maßgeblich sei die notwendige Beurteilung der Restleistungsfähigkeit nach den vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen. Bei Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet sei der Schweregrad der Erkrankung von Bedeutung, der sich im Wesentlichen nach dem Umfang einer Leistungsreduktion im Bereich häuslicher Aufgaben und im Bereich persönlicher Verrichtungen sowie des sozialen Umfelds beurteile, das Vorliegen von vegetativen Zeichen von Seiten des Herzens oder des Darmes sowie das Vorhandensein zusätzlicher Faktoren. Solche, das Restleistungsvermögen der Klägerin auch in quantitativer Hinsicht einschränkende Faktoren ließen sich nicht objektivieren.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.03.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dem Urteil des SG könne nicht gefolgt werden, da es zu Unrecht davon ausgehe, sie könne leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten. Die Berücksichtigung der Gutachten von Dr. K. und Dr. N. begegne erheblichen Bedenken, da diese Gutachten inzwischen mehr als 4 bzw. knapp 3 Jahre alt seien. Dr. R. habe in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass bereits ein 2 Jahre altes Gutachten im Rahmen einer chronifizierenden Erkrankung als überholt anzusehen sei. Im Übrigen habe Dr. N. berichtet, sie fühle sich sehr depressiv, traurig, lustlos, möchte nur noch ihre Ruhe, neige dazu, sich zurückzuziehen, sei aggressiver geworden und vergesse vieles. Sie traue sich nicht mehr Auto zu fahren, habe kein sexuelles Interesse mehr und leide unter Schlafstörungen und Kopfschmerzen. Eine wesentliche Aggravation habe Dr. N. ausgeschlossen. Die vom SG für die Annahme einer schweren psychischen Störung aufgestellten Kriterien seien somit vorhanden. Dr. N. gehe lediglich von einer leicht- bis mittelgradig ausgeprägten depressiven Störung aus, obwohl er selbst viele Anzeichen für eine Angststörung aufgelistet habe. Dies liege daran, dass er offensichtlich die für die Diagnose einer Angststörung erforderlichen Fragen nicht gestellt habe. Soweit das SG die Reduktion der Leistungsfähigkeit deshalb verneine, weil sie in der Lage gewesen sein solle, ihre bisherige Berufstätigkeit auszuüben und ihren Haushalt zu versorgen, so sei darauf hinzuweisen, dass Dr. N. diese Fähigkeiten nur unter der Einschränkung für möglich gehalten habe, dass sie bei der Arbeit die wohlwollende Unterstützung der Arbeitskolleginnen wie der Vorgesetzten und bei der Hausarbeit des Ehemannes erhalte. Damit sei sie möglicherweise in der Lage, einen Schonarbeitsplatz auszufüllen, nicht aber eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.02.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2002 zu verurteilen, ihr ab 01.02.2002 eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt (Schreiben vom 18.12.2006 und 22.12.2006).

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 SGG statthafte und gem. § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nicht begründet.

Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen - voller oder teilweiser - Erwerbsminderung nach den §§ 43 und 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) zutreffend wiedergegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Ebenso wie das SG kommt der Senat nach nochmaliger Würdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch in der Lage ist, jedenfalls leichte körperliche Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten.

Zu berücksichtigen waren bei der Klägerin die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem sowie auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Gesundheitsstörungen auf anderen medizinischen Fachgebieten - insbesondere auf internistischem Fachgebiet-, die sozialmedizinisch relevant sein könnten, liegen offensichtlich nicht vor. In Bezug auf die von der Klägerin angegebenen Kreislaufprobleme mit Bluthochdruck und Kollapsneigung konnten weder von den beauftragten Gutachtern noch von den behandelnden Ärzten während der stationären Aufenthalte in der K.-Klinik bzw. der M.klinik Z. auffällige Befunde erhoben werden.

Die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet ergeben sich aus dem urkundsbeweislich verwerteten Gutachten von Dr. K. für die Beklagte sowie aus dem Entlassungsbericht der K.-Klinik St. B ... Danach leidet die Klägerin unter Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule mit Beschwerden insbesondere im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule. Nach der nachvollziehbaren Beurteilung von Dr. K. sollte sie deshalb keine schweren Lasten heben und tragen und nicht in überwiegend einseitiger Körperhaltung tätig sein. Unter diesen Umständen stehen die Wirbelsäulenveränderungen einer vollschichtigen Tätigkeit nicht entgegen. Der Senat hat keine Bedenken, der Beurteilung von Dr. K. auch weiterhin zu folgen. Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der orthopädischen Befunde ergeben sich aus dem Akteninhalt nicht. Weder Dr. N. noch die behandelnden Ärzte der K.-Klinik in St. B. haben motorische oder sensible Ausfälle aufgrund der Wirbelsäulenveränderungen bei der Klägerin festgestellt. In dem Bericht aus St. B. wird eine aktiv und passiv freie Beweglichkeit im Bereich der Extremitäten beschrieben. Eine regelmäßige fachorthopädische Behandlung findet offenbar nicht statt. Der Orthopäde Dr. H., der die Klägerin allerdings nur einmal untersucht hat, hat nach seiner Auskunft an das SG aus orthopädischer Sicht ebenfalls keine Bedenken gegen eine mindestens 6-stündige Tätigkeit der Klägerin.

Auch die auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet festgestellten Gesundheitsstörungen bedingen allenfalls qualitative Einschränkungen, stehen einer mindestens 6-stündigen Tätigkeit jedoch nicht entgegen. Der Senat kommt zu dieser Überzeugung aufgrund der urkundsbeweislichen Verwertung des Gutachtens von Dr. K. sowie aufgrund der Ausführungen von Dr. N. und der Entlassungsberichte der K.-Klinik St. B. und der M.klinik Z ... Danach liegt bei der Klägerin eine depressive Symptomatik vor, die sowohl bei der Untersuchung durch Dr. K. als auch bei der Untersuchung durch Dr. N. leicht- bis allenfalls mittelgradig ausgeprägt war. Die im Jahr 2005 erstmals aufgetretene schwere depressive Episode hat sich durch die durchgeführte stationäre Behandlung rasch zurückgebildet. Weiterhin leidet die Klägerin unter einer Schmerzerkrankung, die von Dr. K. als Somatisierungsstörung, und von Dr. N. im Entlassungsbericht aus der K.-Klinik als somatoforme Schmerzstörung bezeichnet wird. Die Erkrankung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin unter Schmerzen leidet, die durch die organischen Befunde nicht (vollständig) erklärt werden können. Sowohl Dr. K. als auch Dr. N. und die behandelnden Ärzte der K.-Klinik halten jedenfalls eine leichte körperliche Tätigkeit der Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich für möglich. Der Senat hat keine Bedenken, dieser Beurteilung zu folgen, zumal sie nachvollziehbar begründet ist und mit den herrschenden sozialmedizinischen Beurteilungskriterien übereinstimmt. Ergänzend wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des SG Bezug genommen.

Sowohl aus den Ausführungen von Dr. N. als auch aus der Beurteilung der Ärzte der K.-Klinik schließt der Senat allerdings, dass die von der Klägerin ausgeübte Montagetätigkeit am Band und im Gruppenakkord sie gesundheitlich überfordert. Dies ergibt sich auch aus den häufigen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit seit 2002. Die Klägerin hat wegen der bestehenden depressiven Erkrankung und der Schmerzerkrankung aus sozialmedizinischer Sicht Tätigkeiten mit Akkord- und Fließbandarbeit sowie Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung und Nachtschicht zu vermeiden. Insoweit ist die ausgeübte Tätigkeit nicht leidensgerecht. Für eine leichte Tätigkeit, bei der die genannten Einschränkungen beachtet werden, besteht jedoch auch weiterhin ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen. Die Klägerin ist nach den Ausführungen von Dr. N. in der Lage, sich auf die Ausübung einer anderen als der bisherigen Tätigkeit umzustellen. In Frage käme eine innerbetriebliche Umsetzung auf einen Arbeitsplatz ohne Zeitdruck bzw. gegebenenfalls die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Beklagte. Solche Leistungen hat die Klägerin allerdings bei bestehendem Rentenwunsch bisher abgelehnt.

Die Ausführungen von Dr. R. in seinem auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten führen zu keiner anderen Beurteilung. Die von Dr. R. gestellte Diagnose einer Angststörung ist nach Überzeugung des Senats nicht gesichert. Die Klägerin traut sich zwar seit Jahren nicht mehr, Auto zu fahren. Die Exploration in der K.-Klinik ergab jedoch darüber hinaus keinen Hinweis auf das Vorliegen eines weiteren agoraphobischen Vermeidungsverhaltens oder für das Vorliegen einer Panikstörung. Auch die von Dr. R. diagnostizierte Fibromyalgie wurde während der Rehabilitationsmaßnahme nicht bestätigt. Vielmehr wurde eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Für die sozialmedizinische Beurteilung spielen die Unterschiede in der diagnostischen Zuordnung der Schmerzerkrankung eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist der Schweregrad der Erkrankung und der daraus resultierenden Funktionsstörungen. Diese sind auch unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. R. nach Überzeugung des Senats bei der Klägerin nicht so schwerwiegend, dass sie nicht noch eine leichte mindestens 6-stündige Tätigkeit verrichten könnte.

Entgegen der Auffassung der Klägerin konnten die Gutachten von Dr. K. und Dr. N. auch weiterhin für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Aus den Berichten über die stationären Behandlungen der Klägerin ergibt sich nämlich, dass eine dauerhafte Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin nicht eingetreten ist. Die einmalig aufgetretene schwere depressive Episode bildete sich während der stationären Behandlung in Z. zurück. Eine Antriebshemmung konnte dort nicht beobachtet werden. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sich ihr Gesundheitszustand auf Dauer verschlechtert hat. Nach wie vor wäre im Übrigen eine Besserung des Gesundheitszustandes durch die Einleitung einer adäquaten psychotherapeutischen Behandlung zu erwarten. Die laufende nervenärztliche Behandlung bei Dr. C. kann eine solche psychotherapeutische Behandlung nicht ersetzen. Dr. C. hat bereits in dem Arztbrief vom 21.06.2001 dringend eine psychotherapeutische Mitbehandlung empfohlen.

Auch ohne eine solche wünschenswerte Behandlung besteht jedoch - wie dargelegt - noch ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten. Soweit in dem Entlassungsbericht aus St. B. ausgeführt wird, die Klägerin "erlebe" sich auch für leichte Tätigkeiten als leistungsunfähig, so bedeutet dies nicht, dass auch objektiv eine solche Leistungsunfähigkeit besteht.

Aus den genannten Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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