Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 24/71
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 328/73
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Bauarbeiter, der auf dem Weg zur Baustelle nach Hause zurückfährt, um vergessenes Geld zu holen, mit dem er sich tagsüber Sprudel kaufen will, um seinen Durst während der Arbeit bei warmen Wetter zu löschen, steht dabei unter Unfallversicherungsschutz.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg/L. vom 27. Februar 1973 dahin abgeändert, daß die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin wegen des Arbeitsunfalls J. vom 29. September 1969 in gesetzlichem Umfang Ersatz zu leisten.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1920 geborene Beigeladene ist Mitglied der Klägerin und als Bauhilfsarbeiter bei der Bauunternehmung G. N., Sch. als Bauhilfsarbeiter beschäftigt sowie bei der Beklagten gegen Unfall versichert. Am Montag, dem 29. September 1969, zwischen 6.30 Uhr und 6.45 Uhr verließ er sein im gleichen Ort gelegenes Haus, um zu seiner Arbeitsstätte, der etwa über einen Kilometer entfernten Baustelle Neubau K. T., Sch., zu fahren. Hierfür benutzte er ein im Frühjahr 1969 erworbenes Fahrrad mit Hilfsmotor mit dem Kennzeichen das mit einem Hubraum von 47 ccm bei einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h (vgl. § 67 a der Straßenverkehrszulassungsordnung i.d.F. vom 6. Dezember 1960 – BGBl. I S. 898) zur Teilnahme am Verkehr zugelassen war. Nachdem er etwa 280 m der Strecke zurückgelegt hatte, wendete er in Höhe der Einmündung der P.straße in den Sch. Weg , um die in seiner Wohnung liegengebliebene Geldbörse zu holen. Mit diesem Geld wollte er sich ein nicht alkoholisches Getränk zu der mitgeführten Brotmahlzeit auf der Baustelle kaufen. Auf der Rückfahrt zur Wohnung stieß er beim Überqueren der vorfahrtsberechtigten Bundesstraße mit einem von dem Arbeiter H. W. gesteuerten Personenkraftwagen (Pkw) zusammen. Der Obermedizinalrat Dr. med. K. vom Kreiskrankenhaus in Z. stellte dem Durchgangsarztbericht zufolge die Diagnose: "Schock, Commotio, Tibia- und Wadenbeinfraktur links, Haematom linker Unterschenkel.” Durch Strafbefehl des Amtsgericht vom 22. Dezember 1969 – 2 Ca 207/69 – wurde der Beigeladene wegen fortgesetzten Fahrens eines Fahrrades mit Hilfsmotor ohne die erforderliche Fahrerlaubnis sowie Mißachtung der Vorfahrt und Verursachung eines Zusammenstosses mit einem Pkw rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 600,– DM verurteilt.
Mit Schreiben vom 6. November 1969 zeigte die Klägerin der Beklagten diesen Unfall an und machte einen Ersatzanspruch gem. § 1504 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltend.
Da die Beklagte wiederholt – u.a. mit Schreiben vom 1. Juni 1970 – das Vorliegen eines entschädigungspflichtigen Wegeunfalls verneinte, hat die Klägerin am 15. März 1971 bei dem Sozialgericht Marburg/L. (SG) Klage erhoben. Nach Beiladung des Verletzten J. hat dieses durch Urteil vom 27. Februar 1973 die Beklagte "unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Juni 1970” dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin die Leistungen wegen des Arbeitsunfalls vom 29. Dezember 1969 in gesetzlicher Höhe zu erstatten. Das ablehnende Schreiben der Beklagten vom 1. Juli 1970 stelle inhaltlich einen Verwaltungsakt dar, der auf die Klage habe aufgehoben werden müssen, da der Beigeladene einen aufgrund des § 550 RVO geschützten Wegeunfall erlitten habe. Der Versicherungsschutz sei im Unfallzeitpunkt nicht unterbrochen gewesen, da der Beigeladene von der üblicherweise benutzten Fahrtstrecke erst den vierten Teil zurückgelegt gehabt habe, und der Zeitverlust durch die Rückfahrt auf den gleichen Straßen gering gewesen wäre. Der Beigeladene sei der typischen Gefahr des Straßenverkehrs erlegen. Das Abholen der Geldbörse müsse den betrieblichen Gegebenheiten zugerechnet werden, da Bauarbeiter auch in September noch einen höheren Getränkebedarf als andere Arbeiter zu haben pflegten. Diese Handlung sei nicht im eigenwirtschaftlichen Interesse erfolgt; bei der geringen Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstelle sei dem Beigeladenen auch das Leihen von Geld bei Arbeitskollegen nicht zuzumuten gewesen.
Gegen das ihr am 7. März 1973 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. März 1973 Berufung eingelegt. Zu Unrecht habe das SG ihr Schreiben vom 1. Juni 1970 als einen Verwaltungsakt angesehen; gegenüber einem anderen Hoheitsträger wie der Klägerin habe sie einen solchen nicht wirksam erlassen können. Vielmehr liege eine Ersatzstreitigkeit nach § 1504 RVO vor, die als Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu behandeln sei. Entgegen der Auffassung des SG habe es sich nicht um einen durch § 550 RVO geschützten Wegeunfall gehandelt. Vielmehr sei der Weg des Beigeladenen zum Zeitpunkt des Unfalls in einer dem versicherten Weg genau entgegengesetzten Richtung verlaufen, wodurch auch der Versicherungsschutz unterbrochen worden sei. Eine Ausnahme liege nur dann vor, wenn die Unterbrechung "rechtlich unwesentliche sei. Davon könne hier nicht die Rede sein. Der Versicherungsschutz könne auch nicht aus dem Zweck der Unterbrechung hergeleitet werden. Habe doch der Beigeladene schon in der Frühe vor Beginn der Arbeit noch Geld einstecken wollen, um damit evtl. in der Mittagspause Getränke einzukaufen. Für einen solchen Vorgang fehle es aber an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit. – Soweit der Unfall auf einen Schwindelanfall – eine sogenannte innere Ursache – zurückzuführen sei, sei dieser als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache anzusehen, so daß auch aus diesem Grunde der Versicherungsschutz entfalle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg/L. vom 27. Februar 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Beigeladene habe sich auf dem gleichen Verkehrsweg befunden, wie er ihn ständig zu seiner betrieblichen Tätigkeit benutzt habe, so daß eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes nicht eingetreten sei. Da Bauarbeiter Erfrischungsgetränke zur Förderung ihrer betrieblichen Tätigkeit benötigten, sei durch das beabsichtigte Holen der vergessenen Geldbörse der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nicht auszuschließen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der beteiligten Versicherungsträger sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, der in seinen wesentlichen Teilen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch nur insoweit begründet, als das SG "den Bescheid vom 1. Juni 1970” aufgehoben hat. Es handelte sich hierbei lediglich um ein Schreiben der Beklagten, mit dem sie einen Entschädigungsanspruch der Klägerin ablehnte. Das SG hat verkannt, daß es sich vorliegend um eine sog. unechte Leistungsklage eines Versicherungsträgers gegen einen anderen handelt, bei der ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte, sie sich aus § 54 Abs. 5 SGG ergibt (vgl. u.a. BSG 24, 156).
Im übrigen ist die Berufung unbegründet. Zu Recht hat das SG die Auffassung vertreten, daß der Beigeladene im Zeitpunkt seines Verkehrsunfalls noch unter Unfallversicherungsschutz nach § 550 Satz 1 RVO a.F. stand, so daß die Beklagte der Klägerin die dieser aus Anlaß der Verletzung des Beigeladenen entstandenen Aufwendungen im Rahmen des § 1504 RVO zu erstatten hat.
Der Senat erachtet hierzu als festgestellt, daß der Beigeladene am Montag, dem 29. September 1969, zwischen 6.30 Uhr und 6.45 Uhr sein in Sch. gelegenes Haus verließ, um mit seinem für eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h zugelassenen Fahrrad mit Hilfsmotor die von seiner Wohnung etwas mehr als 1000 m entfernte Arbeitsstätte "N. K. T. Sch.” zu erreichen. Er benutzte nicht die als Hauptverkehrsstraße ausgebaute F. Straße, sondern nach deren Überquerung den parallel dazu verlaufenden, wenig befahrenen Sch. Weg/ weg, der keinen Umweg darstellte. Während der Fahrt fiel ihm ein, daß er seine Geldbörse vergessen hatte. Da er sich zu der mitgenommenen Brotmahlzeit an der Baustelle Sprudel kaufen wollte, zumal es damals noch ziemlich warm war, wendete er nach etwa 280 m Fahrstrecke in Höhe der Einmündung der P.straße in den Sch. Weg/ weg und fuhr diesen Weg wieder zurück. Als er die vorfahrtberechtigte F. Straße überqueren wollte, stieß er mit einem Pkw zusammen. Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, insbesondere den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsbeamten E. Sch. und den glaubhaften Angaben des im Berufungsverfahren persönlich gehörten Beigeladenen.
Zunächst ist auszuschließen, daß der Verkehrsunfall des Beigeladenen auf eine innere Ursache, ein in seiner Person liegendes Ereignis, und nicht auf einen Unfall zurückzuführen war, wodurch der Versicherungsschutz ausgeschlossen worden wäre (vgl. Urteil des BSG vom 29.1.1960, 2 RU 136/56). Da er vor dem Polizeikommissariat Z. am 18. Dezember 1969 angegeben hatte, bei der Rückfahrt sei ihm in Höhe der Landmaschinenhandlung D. "dunkel vor den Augen” geworden und er sei erst im Krankenhaus wieder aufgewacht, hätte das SG den Beigeladenen hierzu persönlich befragen müssen, zumal er in dem schriftlichen Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten vom 11. März 1970 heißt, der Beigeladene habe vor dem Zusammenstoß einen Schwindelanfall erlitten und deshalb das Vorfahrtsschild nicht beachtet. Aufgrund der im Berufungsverfahren nachgeholten Anhörung des Beigeladenen ist der erkennende Senat davon überzeugt, daß sein Verkehrsunfall nicht durch eine innere Ursache zustande kam. Auf eingehendes Befragen hat er angegeben, er könne sich nur noch daran erinnern, daß er an der Landmaschinenhandlung D. vorbeigefahren sei, die etwa 200 m vor der Einmündung des von ihm befahrenen Sch. Weges in die F. Straße liege. Von da ab habe er kein Wahrnehmungsvermögen mehr. Von einem Schwindelanfall oder einem plötzlichen Unwohlsein konnte er nichts berichten. Diese Angaben reichen nicht aus um festzustellen, daß der Beigeladene bereits vor dem Verkehrsunfall aus innerer Ursache das Bewußtsein verloren hatte. Da er nach seinen glaubhaften Angaben erst im Krankenhaus wieder zu sich kam, ist es naheliegend, daß eine durch den Unfall verursachte retrograde Amnesie vorlag und bis zum Vorbeifahren an der Landmaschinenhandlung D. zurückreichte. Anderenfalls wäre er im bewußtlosen Zustand auf seinem Fahrrad mit Hilfsmotor noch etwa 200 m gefahren, was unwahrscheinlich ist. Da eine den Versicherungsschutz ausschließende innere Ursache für das Unfallgeschehen somit nicht nachweisbar ist, entfällt der Unfallversicherungsschutz nicht bereits aus diesem Grunde.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten erlitt der Beigeladene seine Verletzungen bei einem Wegeunfall (§§ 548, 550 Satz 1 RVO a.F.). Danach gilt als Arbeitsunfall ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Der Beigeladene stand nach dieser Vorschrift unter Unfallversicherungsschutz auch auf dem Weg, den er vor Erreichung seiner Arbeitsstätte noch vor Arbeitsbeginn nach seiner Wohnung angetreten hatte, um seine vergessene Geldbörse zu holen. Mit dem Geld wollte er sich in der Mittagspause Sprudel kaufen. Zwar ist die Nahrungsaufnahme und ebenso das Trinken im allgemeinen der rein persönlichen Sphäre des Versicherten zuzurechnen (vgl. u.a. BSG 16, 247 ff.). Eine Ausnahme besteht jedoch beim Trinken, wenn dem ein durch die Art der betrieblichen Tätigkeit erzeugtes Durstgefühl zugrunde liegt (vgl. Urteil des BSG vom 16.12.1970, 2 RU 46/68). Es liegt dann ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit vor, weil die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit davon abhängt. In einem solchen Fall kann auch die Besorgung von Lebensmitteln oder Getränken, im Ausnahmefall sogar von Rauchwaren, unter Versicherungsschutz stehen (vgl. Urteil des BSG vom 30.6.1960, 2 RU 207/59). Da der Beigeladene nach seinen glaubhaften Angaben sich nur Brot für die Mittagspause mitgenommen hatte, bedurfte er bei seiner Arbeit im Freien während des noch sehr warmen Septembertages und bei der Staubentwicklung auf der Baustelle der Flüssigkeitsaufnahme, um bis zum Schluß der Arbeitszeit voll einsatzfähig zu sein. Hätte er sich in einer Arbeitspause eine Flasche Sprudel gekauft, würde er somit dabei gegen Unfall versichert gewesen sein. Der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten hat in seinem Bericht zu Recht darauf hingewiesen, daß fast auf jeder Baustelle zur Frühstücks- und Mittagszeit für die Belegschaft u.a. Getränke geholt werden. Dies ist auch gerichtsbekannt. Sofern es sich dabei nicht um alkoholische Getränke sondern, wie beim Beigeladenen, um Sprudelwasser handelt, wird damit im wesentlichen nur die Beseitigung eines durch die Betriebsarbeit bedingten Durstgefühle bezweckt.
Der Versicherungsschutz beschränkt sich allerdings auf Tätigkeiten, die im Rahmen des versicherten Arbeitsverhältnisses selbst verrichtet werden, so daß Handlungen ausscheiden, die zwar auch der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dienen und vielfach hierzu sogar unentbehrlich sind, jedoch zu den Verrichtungen des täglichen Lebens gehören und deshalb noch keinen Bestandteil der unter Versicherungsschutz stehenden Arbeiten bilden (z.B. das Lösen einer Wochenkarte für die Fahrt zur Arbeitsstätte an einem arbeitsfreien Tag, vgl. Urteil des BSG vom 26.6.58, 2 RU 30/56). Das Bundessozialgericht hat es in diesem Urteil dahingestellt sein lassen, ob etwas anderes gilt, wenn derartige Verrichtungen während der Arbeitszeit oder gelegentlich des Weges zur Arbeitsstätte ausgeführt werden.
Im vorliegenden Fall stand das Holen der Geldbörse jedoch rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit des Beigeladenen. Die zeitliche Verbindung war dadurch hergestellt, daß er sich bereits auf dem Weg zur Arbeitsstätte befand, als ihm einfiel, daß er die Geldbörse vergessen hatte, mittels der er sich auf der Arbeitsstätte ein Getränk kaufen wollte. Das Holen der Geldbörse diente zwar nicht unmittelbar betrieblichen Zwecken wie etwa das Holen eines vergessenen Arbeitsgerätes. Aber auch wenn der Beigeladenen auf der unfallbringenden Fahrt sein zu Hause bereitgestelltes Getränk hätte holen wollen, weil er es vergessen hatte, müßte der Versicherungsschutz bejaht werden, weil dies unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles für die Durchführung der Betriebstätigkeit notwendig gewesen wäre. Dem gleichzustellen ist das Holen der vergessenen Geldbörse, die notwendig war, um sich ein Getränk an der Baustelle zu kaufen. Anhaltspunkte dafür, daß der Beigeladene sich etwas anderes, was mit der Betriebsarbeit in keinem Zusammenhang stand, kaufen wollte, fehlen. Der Beweggrund für sein Handeln entsprang somit lediglich der Betriebstätigkeit. Damit war seine Rückfahrt unmittelbar mit seiner Tätigkeit in dem Unternehmen verknüpft. Es widerspräche auch natürlicher Betrachtungsweise, die Rückfahrt von seinem gesamten, auf die Arbeitsaufnahme gerichteten Verhalten zu trennen, zumal dadurch angesichts der kurzen Wegstrecke, die er auf seinem Fahrrad mit Hilfsmotor zurücklegte, nur eine kurzfristige Verzögerung der Ankunft auf der Baustelle eingetreten wäre, die von ihm glaubhaft mit "höchstens 5 Minuten” angegeben worden ist und er den von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte führenden Straßenbereich nicht zu verlassen brauchte (vgl. hierzu Urteile des BSG 2 RU 198/56, Holen eines vergessenen Spindschlüssels; und 2 RU 17/59, Kauf eines Arbeitsanzugs).
Der vom BSG mit Urteil vom 23. März 1972 (2 RU 133/70) entschiedene Fall, auf den die Beklagte verweist, lag anders. Dort hatte der Kläger dadurch, daß er einen anderen nicht in Zielrichtung zu seiner Wohnung führenden Weg in den Weg vom Ort der Tätigkeit eingeschoben hatte, diesen unterbrochen.
Die weiter von der Beklagten vertretene Ansicht, der Beigeladene hätte nicht zurückzufahren brauchen sondern sich das Geld von einem Arbeitskollegen auf der Baustelle borgen können, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Grundsätzlich ist es einem Versicherten überlassen, unter mehreren zur Herbeiführung eines betrieblichen Erfolges geeigneten Mitteln zu wählen. Die Rückfahrt wäre als ungeeignetes Mittel nur dann zu bezeichnen, wenn der Beigeladene eine verhältnismäßig lange Wegstrecke hätte zurücklegen müssen und das Unfallrisiko dadurch wesentlich erhöht worden wäre. In diesem Fall, nicht aber im vorliegenden, wäre ihm zuzumuten gewesen, einen Arbeitskollegen anzuborgen. Die gesamte zusätzliche Wegstrecke betrug nämlich nur etwa 500 m. Auch der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten hat es unter diesen Umständen als "verständlich” bezeichnet, daß der Beigeladene, der noch nicht weit von seiner Wohnung entfernt war, umdrehte, um sein Geld zu holen.
Nach alledem handelte es sich um einen Arbeitsunfall, so daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die hierdurch entstandenen Aufwendungen zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1920 geborene Beigeladene ist Mitglied der Klägerin und als Bauhilfsarbeiter bei der Bauunternehmung G. N., Sch. als Bauhilfsarbeiter beschäftigt sowie bei der Beklagten gegen Unfall versichert. Am Montag, dem 29. September 1969, zwischen 6.30 Uhr und 6.45 Uhr verließ er sein im gleichen Ort gelegenes Haus, um zu seiner Arbeitsstätte, der etwa über einen Kilometer entfernten Baustelle Neubau K. T., Sch., zu fahren. Hierfür benutzte er ein im Frühjahr 1969 erworbenes Fahrrad mit Hilfsmotor mit dem Kennzeichen das mit einem Hubraum von 47 ccm bei einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h (vgl. § 67 a der Straßenverkehrszulassungsordnung i.d.F. vom 6. Dezember 1960 – BGBl. I S. 898) zur Teilnahme am Verkehr zugelassen war. Nachdem er etwa 280 m der Strecke zurückgelegt hatte, wendete er in Höhe der Einmündung der P.straße in den Sch. Weg , um die in seiner Wohnung liegengebliebene Geldbörse zu holen. Mit diesem Geld wollte er sich ein nicht alkoholisches Getränk zu der mitgeführten Brotmahlzeit auf der Baustelle kaufen. Auf der Rückfahrt zur Wohnung stieß er beim Überqueren der vorfahrtsberechtigten Bundesstraße mit einem von dem Arbeiter H. W. gesteuerten Personenkraftwagen (Pkw) zusammen. Der Obermedizinalrat Dr. med. K. vom Kreiskrankenhaus in Z. stellte dem Durchgangsarztbericht zufolge die Diagnose: "Schock, Commotio, Tibia- und Wadenbeinfraktur links, Haematom linker Unterschenkel.” Durch Strafbefehl des Amtsgericht vom 22. Dezember 1969 – 2 Ca 207/69 – wurde der Beigeladene wegen fortgesetzten Fahrens eines Fahrrades mit Hilfsmotor ohne die erforderliche Fahrerlaubnis sowie Mißachtung der Vorfahrt und Verursachung eines Zusammenstosses mit einem Pkw rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 600,– DM verurteilt.
Mit Schreiben vom 6. November 1969 zeigte die Klägerin der Beklagten diesen Unfall an und machte einen Ersatzanspruch gem. § 1504 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltend.
Da die Beklagte wiederholt – u.a. mit Schreiben vom 1. Juni 1970 – das Vorliegen eines entschädigungspflichtigen Wegeunfalls verneinte, hat die Klägerin am 15. März 1971 bei dem Sozialgericht Marburg/L. (SG) Klage erhoben. Nach Beiladung des Verletzten J. hat dieses durch Urteil vom 27. Februar 1973 die Beklagte "unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Juni 1970” dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin die Leistungen wegen des Arbeitsunfalls vom 29. Dezember 1969 in gesetzlicher Höhe zu erstatten. Das ablehnende Schreiben der Beklagten vom 1. Juli 1970 stelle inhaltlich einen Verwaltungsakt dar, der auf die Klage habe aufgehoben werden müssen, da der Beigeladene einen aufgrund des § 550 RVO geschützten Wegeunfall erlitten habe. Der Versicherungsschutz sei im Unfallzeitpunkt nicht unterbrochen gewesen, da der Beigeladene von der üblicherweise benutzten Fahrtstrecke erst den vierten Teil zurückgelegt gehabt habe, und der Zeitverlust durch die Rückfahrt auf den gleichen Straßen gering gewesen wäre. Der Beigeladene sei der typischen Gefahr des Straßenverkehrs erlegen. Das Abholen der Geldbörse müsse den betrieblichen Gegebenheiten zugerechnet werden, da Bauarbeiter auch in September noch einen höheren Getränkebedarf als andere Arbeiter zu haben pflegten. Diese Handlung sei nicht im eigenwirtschaftlichen Interesse erfolgt; bei der geringen Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstelle sei dem Beigeladenen auch das Leihen von Geld bei Arbeitskollegen nicht zuzumuten gewesen.
Gegen das ihr am 7. März 1973 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. März 1973 Berufung eingelegt. Zu Unrecht habe das SG ihr Schreiben vom 1. Juni 1970 als einen Verwaltungsakt angesehen; gegenüber einem anderen Hoheitsträger wie der Klägerin habe sie einen solchen nicht wirksam erlassen können. Vielmehr liege eine Ersatzstreitigkeit nach § 1504 RVO vor, die als Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu behandeln sei. Entgegen der Auffassung des SG habe es sich nicht um einen durch § 550 RVO geschützten Wegeunfall gehandelt. Vielmehr sei der Weg des Beigeladenen zum Zeitpunkt des Unfalls in einer dem versicherten Weg genau entgegengesetzten Richtung verlaufen, wodurch auch der Versicherungsschutz unterbrochen worden sei. Eine Ausnahme liege nur dann vor, wenn die Unterbrechung "rechtlich unwesentliche sei. Davon könne hier nicht die Rede sein. Der Versicherungsschutz könne auch nicht aus dem Zweck der Unterbrechung hergeleitet werden. Habe doch der Beigeladene schon in der Frühe vor Beginn der Arbeit noch Geld einstecken wollen, um damit evtl. in der Mittagspause Getränke einzukaufen. Für einen solchen Vorgang fehle es aber an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit. – Soweit der Unfall auf einen Schwindelanfall – eine sogenannte innere Ursache – zurückzuführen sei, sei dieser als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache anzusehen, so daß auch aus diesem Grunde der Versicherungsschutz entfalle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg/L. vom 27. Februar 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Beigeladene habe sich auf dem gleichen Verkehrsweg befunden, wie er ihn ständig zu seiner betrieblichen Tätigkeit benutzt habe, so daß eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes nicht eingetreten sei. Da Bauarbeiter Erfrischungsgetränke zur Förderung ihrer betrieblichen Tätigkeit benötigten, sei durch das beabsichtigte Holen der vergessenen Geldbörse der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nicht auszuschließen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der beteiligten Versicherungsträger sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, der in seinen wesentlichen Teilen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch nur insoweit begründet, als das SG "den Bescheid vom 1. Juni 1970” aufgehoben hat. Es handelte sich hierbei lediglich um ein Schreiben der Beklagten, mit dem sie einen Entschädigungsanspruch der Klägerin ablehnte. Das SG hat verkannt, daß es sich vorliegend um eine sog. unechte Leistungsklage eines Versicherungsträgers gegen einen anderen handelt, bei der ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte, sie sich aus § 54 Abs. 5 SGG ergibt (vgl. u.a. BSG 24, 156).
Im übrigen ist die Berufung unbegründet. Zu Recht hat das SG die Auffassung vertreten, daß der Beigeladene im Zeitpunkt seines Verkehrsunfalls noch unter Unfallversicherungsschutz nach § 550 Satz 1 RVO a.F. stand, so daß die Beklagte der Klägerin die dieser aus Anlaß der Verletzung des Beigeladenen entstandenen Aufwendungen im Rahmen des § 1504 RVO zu erstatten hat.
Der Senat erachtet hierzu als festgestellt, daß der Beigeladene am Montag, dem 29. September 1969, zwischen 6.30 Uhr und 6.45 Uhr sein in Sch. gelegenes Haus verließ, um mit seinem für eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h zugelassenen Fahrrad mit Hilfsmotor die von seiner Wohnung etwas mehr als 1000 m entfernte Arbeitsstätte "N. K. T. Sch.” zu erreichen. Er benutzte nicht die als Hauptverkehrsstraße ausgebaute F. Straße, sondern nach deren Überquerung den parallel dazu verlaufenden, wenig befahrenen Sch. Weg/ weg, der keinen Umweg darstellte. Während der Fahrt fiel ihm ein, daß er seine Geldbörse vergessen hatte. Da er sich zu der mitgenommenen Brotmahlzeit an der Baustelle Sprudel kaufen wollte, zumal es damals noch ziemlich warm war, wendete er nach etwa 280 m Fahrstrecke in Höhe der Einmündung der P.straße in den Sch. Weg/ weg und fuhr diesen Weg wieder zurück. Als er die vorfahrtberechtigte F. Straße überqueren wollte, stieß er mit einem Pkw zusammen. Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, insbesondere den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsbeamten E. Sch. und den glaubhaften Angaben des im Berufungsverfahren persönlich gehörten Beigeladenen.
Zunächst ist auszuschließen, daß der Verkehrsunfall des Beigeladenen auf eine innere Ursache, ein in seiner Person liegendes Ereignis, und nicht auf einen Unfall zurückzuführen war, wodurch der Versicherungsschutz ausgeschlossen worden wäre (vgl. Urteil des BSG vom 29.1.1960, 2 RU 136/56). Da er vor dem Polizeikommissariat Z. am 18. Dezember 1969 angegeben hatte, bei der Rückfahrt sei ihm in Höhe der Landmaschinenhandlung D. "dunkel vor den Augen” geworden und er sei erst im Krankenhaus wieder aufgewacht, hätte das SG den Beigeladenen hierzu persönlich befragen müssen, zumal er in dem schriftlichen Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten vom 11. März 1970 heißt, der Beigeladene habe vor dem Zusammenstoß einen Schwindelanfall erlitten und deshalb das Vorfahrtsschild nicht beachtet. Aufgrund der im Berufungsverfahren nachgeholten Anhörung des Beigeladenen ist der erkennende Senat davon überzeugt, daß sein Verkehrsunfall nicht durch eine innere Ursache zustande kam. Auf eingehendes Befragen hat er angegeben, er könne sich nur noch daran erinnern, daß er an der Landmaschinenhandlung D. vorbeigefahren sei, die etwa 200 m vor der Einmündung des von ihm befahrenen Sch. Weges in die F. Straße liege. Von da ab habe er kein Wahrnehmungsvermögen mehr. Von einem Schwindelanfall oder einem plötzlichen Unwohlsein konnte er nichts berichten. Diese Angaben reichen nicht aus um festzustellen, daß der Beigeladene bereits vor dem Verkehrsunfall aus innerer Ursache das Bewußtsein verloren hatte. Da er nach seinen glaubhaften Angaben erst im Krankenhaus wieder zu sich kam, ist es naheliegend, daß eine durch den Unfall verursachte retrograde Amnesie vorlag und bis zum Vorbeifahren an der Landmaschinenhandlung D. zurückreichte. Anderenfalls wäre er im bewußtlosen Zustand auf seinem Fahrrad mit Hilfsmotor noch etwa 200 m gefahren, was unwahrscheinlich ist. Da eine den Versicherungsschutz ausschließende innere Ursache für das Unfallgeschehen somit nicht nachweisbar ist, entfällt der Unfallversicherungsschutz nicht bereits aus diesem Grunde.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten erlitt der Beigeladene seine Verletzungen bei einem Wegeunfall (§§ 548, 550 Satz 1 RVO a.F.). Danach gilt als Arbeitsunfall ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Der Beigeladene stand nach dieser Vorschrift unter Unfallversicherungsschutz auch auf dem Weg, den er vor Erreichung seiner Arbeitsstätte noch vor Arbeitsbeginn nach seiner Wohnung angetreten hatte, um seine vergessene Geldbörse zu holen. Mit dem Geld wollte er sich in der Mittagspause Sprudel kaufen. Zwar ist die Nahrungsaufnahme und ebenso das Trinken im allgemeinen der rein persönlichen Sphäre des Versicherten zuzurechnen (vgl. u.a. BSG 16, 247 ff.). Eine Ausnahme besteht jedoch beim Trinken, wenn dem ein durch die Art der betrieblichen Tätigkeit erzeugtes Durstgefühl zugrunde liegt (vgl. Urteil des BSG vom 16.12.1970, 2 RU 46/68). Es liegt dann ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit vor, weil die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit davon abhängt. In einem solchen Fall kann auch die Besorgung von Lebensmitteln oder Getränken, im Ausnahmefall sogar von Rauchwaren, unter Versicherungsschutz stehen (vgl. Urteil des BSG vom 30.6.1960, 2 RU 207/59). Da der Beigeladene nach seinen glaubhaften Angaben sich nur Brot für die Mittagspause mitgenommen hatte, bedurfte er bei seiner Arbeit im Freien während des noch sehr warmen Septembertages und bei der Staubentwicklung auf der Baustelle der Flüssigkeitsaufnahme, um bis zum Schluß der Arbeitszeit voll einsatzfähig zu sein. Hätte er sich in einer Arbeitspause eine Flasche Sprudel gekauft, würde er somit dabei gegen Unfall versichert gewesen sein. Der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten hat in seinem Bericht zu Recht darauf hingewiesen, daß fast auf jeder Baustelle zur Frühstücks- und Mittagszeit für die Belegschaft u.a. Getränke geholt werden. Dies ist auch gerichtsbekannt. Sofern es sich dabei nicht um alkoholische Getränke sondern, wie beim Beigeladenen, um Sprudelwasser handelt, wird damit im wesentlichen nur die Beseitigung eines durch die Betriebsarbeit bedingten Durstgefühle bezweckt.
Der Versicherungsschutz beschränkt sich allerdings auf Tätigkeiten, die im Rahmen des versicherten Arbeitsverhältnisses selbst verrichtet werden, so daß Handlungen ausscheiden, die zwar auch der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dienen und vielfach hierzu sogar unentbehrlich sind, jedoch zu den Verrichtungen des täglichen Lebens gehören und deshalb noch keinen Bestandteil der unter Versicherungsschutz stehenden Arbeiten bilden (z.B. das Lösen einer Wochenkarte für die Fahrt zur Arbeitsstätte an einem arbeitsfreien Tag, vgl. Urteil des BSG vom 26.6.58, 2 RU 30/56). Das Bundessozialgericht hat es in diesem Urteil dahingestellt sein lassen, ob etwas anderes gilt, wenn derartige Verrichtungen während der Arbeitszeit oder gelegentlich des Weges zur Arbeitsstätte ausgeführt werden.
Im vorliegenden Fall stand das Holen der Geldbörse jedoch rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit des Beigeladenen. Die zeitliche Verbindung war dadurch hergestellt, daß er sich bereits auf dem Weg zur Arbeitsstätte befand, als ihm einfiel, daß er die Geldbörse vergessen hatte, mittels der er sich auf der Arbeitsstätte ein Getränk kaufen wollte. Das Holen der Geldbörse diente zwar nicht unmittelbar betrieblichen Zwecken wie etwa das Holen eines vergessenen Arbeitsgerätes. Aber auch wenn der Beigeladenen auf der unfallbringenden Fahrt sein zu Hause bereitgestelltes Getränk hätte holen wollen, weil er es vergessen hatte, müßte der Versicherungsschutz bejaht werden, weil dies unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles für die Durchführung der Betriebstätigkeit notwendig gewesen wäre. Dem gleichzustellen ist das Holen der vergessenen Geldbörse, die notwendig war, um sich ein Getränk an der Baustelle zu kaufen. Anhaltspunkte dafür, daß der Beigeladene sich etwas anderes, was mit der Betriebsarbeit in keinem Zusammenhang stand, kaufen wollte, fehlen. Der Beweggrund für sein Handeln entsprang somit lediglich der Betriebstätigkeit. Damit war seine Rückfahrt unmittelbar mit seiner Tätigkeit in dem Unternehmen verknüpft. Es widerspräche auch natürlicher Betrachtungsweise, die Rückfahrt von seinem gesamten, auf die Arbeitsaufnahme gerichteten Verhalten zu trennen, zumal dadurch angesichts der kurzen Wegstrecke, die er auf seinem Fahrrad mit Hilfsmotor zurücklegte, nur eine kurzfristige Verzögerung der Ankunft auf der Baustelle eingetreten wäre, die von ihm glaubhaft mit "höchstens 5 Minuten” angegeben worden ist und er den von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte führenden Straßenbereich nicht zu verlassen brauchte (vgl. hierzu Urteile des BSG 2 RU 198/56, Holen eines vergessenen Spindschlüssels; und 2 RU 17/59, Kauf eines Arbeitsanzugs).
Der vom BSG mit Urteil vom 23. März 1972 (2 RU 133/70) entschiedene Fall, auf den die Beklagte verweist, lag anders. Dort hatte der Kläger dadurch, daß er einen anderen nicht in Zielrichtung zu seiner Wohnung führenden Weg in den Weg vom Ort der Tätigkeit eingeschoben hatte, diesen unterbrochen.
Die weiter von der Beklagten vertretene Ansicht, der Beigeladene hätte nicht zurückzufahren brauchen sondern sich das Geld von einem Arbeitskollegen auf der Baustelle borgen können, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Grundsätzlich ist es einem Versicherten überlassen, unter mehreren zur Herbeiführung eines betrieblichen Erfolges geeigneten Mitteln zu wählen. Die Rückfahrt wäre als ungeeignetes Mittel nur dann zu bezeichnen, wenn der Beigeladene eine verhältnismäßig lange Wegstrecke hätte zurücklegen müssen und das Unfallrisiko dadurch wesentlich erhöht worden wäre. In diesem Fall, nicht aber im vorliegenden, wäre ihm zuzumuten gewesen, einen Arbeitskollegen anzuborgen. Die gesamte zusätzliche Wegstrecke betrug nämlich nur etwa 500 m. Auch der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten hat es unter diesen Umständen als "verständlich” bezeichnet, daß der Beigeladene, der noch nicht weit von seiner Wohnung entfernt war, umdrehte, um sein Geld zu holen.
Nach alledem handelte es sich um einen Arbeitsunfall, so daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die hierdurch entstandenen Aufwendungen zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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