Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 305/75
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 931/76
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein auswärts untergebrachter Versicherter steht auch dann auf einem Weg von dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz, wenn er nach Arbeitsende zunächst nicht seine Unterkunft sondern ein anderes Ziel (hier Gaststätte zur Einnahme der Abendmahlzeit) aufsucht, sofern diesem Weg nach Zielrichtung und Zweckbestimmung gegenüber dem Weg zur Unterkunft selbständige Bedeutung zukommt.
2. Diese Gaststätte stellt dagegen neben seiner Unterkunft keinen weiteren (Teil-)Bereich seines häuslichen Wirkungskreises dar.
3. Zur Rechtsprechung des BSG über den Versicherungsschutz auf Wegen zur Essenseinnahme.
2. Diese Gaststätte stellt dagegen neben seiner Unterkunft keinen weiteren (Teil-)Bereich seines häuslichen Wirkungskreises dar.
3. Zur Rechtsprechung des BSG über den Versicherungsschutz auf Wegen zur Essenseinnahme.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. September 1976 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung der Folgen eines Verkehrsunfalls, den der Kläger am 4. Dezember 1974 erlitten hat, als Arbeitsunfall.
Der im Jahre 1942 geborene Kläger war für die Firma G. mbH in W. als Obermonteur im Jahre 1974 zusammen mit weiteren Arbeitnehmern auf einer Baustelle im Zentrum der Stadt R. eingesetzt. Mit ihnen begab er sich jeweils montags von den Hauptwohnungen im Frankfurter Raum in einem von ihm gefahrenen Firmenwagen, einem VW-Bus, nach R., wo er mit ihnen zusammen zunächst in einem Hause im K. V. untergebracht war. Diese Unterkunft wurde bereits vor seinem Tätigkeitsbeginn in R. von Arbeitnehmern seiner Firma bewohnt. Eine Woche später nahm er sich in der R.straße ein besseres Zimmer. Dort hielt er sich im wesentlichen nur zur Nachtruhe auf. Sein Frühstück nahm er erst an der Baustelle ein. Zu Abend aß er nach Beendigung der Arbeit dienstags, mittwochs und donnerstags in einer in der Nähe seiner ersten Unterkunft gelegenen Gaststätte in der H. Straße (Gaststätte), die zuvor von Arbeitnehmern seiner Firma ausgewählt worden war. Er fuhr seine Arbeitskollegen abends im firmeneigenen VW-Bus von der Baustelle im Stadtzentrum zu ihren Unterkünften. Anschließend nahm er mit ihnen in der oben genannten Gaststätte ein warmes Abendbrot ein. Am Mittwoch, dem 4. Dezember 1974, stieß er mit dem firmeneigenen VW-Bus nach Beendigung der Arbeit gegen 19.00 Uhr auf der Fahrt von der Baustelle nach dieser Gaststätte auf der H. Straße wenige Meter nach der rechts abbiegenden W.straße mit einer Straßenbahn zusammen, wobei er sich dem Durchgangsarztbericht des Dr. H. (P.-Hospital, R.) vom 11. Dezember 1974 zufolge neben einer Schädelprellung mit Verdacht auf Schädelbasisfraktur und Hirnbeteiligung verschiedene Frakturen an beiden unteren Extremitäten zuzog.
Die Beklagte zog zunächst die Akten der Staatsanwaltschaft R. ( ) über das gegen den Kläger gerichtete Ermittlungsverfahren bei und lehnte sodann mit Bescheid vom 24. März 1975 die Gewährung einer Entschädigung ab. Der Kläger habe sich zur Zeit des Unfalls nicht auf einem unfallversicherungsrechtlich geschützten Wege von der Arbeitsstätte befunden, da er mit dem VW-Bus in entgegengesetzter Richtung zu seiner Wohnung gefahren sei. Hierbei habe es sich um einen Abweg gehandelt. Gegen diesen an ihn mit Einschreiben am gleichen Tage abgesandten Bescheid legte der Kläger am 1. April 1975 Widerspruch ein. Zur Begründung brachte er vor, daß er wegen Bauarbeiten in der Innenstadt von R. keinen anderen, verkehrsgünstigeren Weg in Richtung zu seiner Wohnung bis zur Abzweigung der W.straße von der H. Straße habe nehmen können. Die Weiterfahrt von dort entlang der H. Straße zu der Gaststätte sei nicht als Abweg anzusehen, da er dort abends nach der Arbeit stets mit seinen Arbeitskollegen zusammen gegessen habe. Diese habe er nach Arbeitsschluß regelmäßig im firmeneigenen VW-Bus nach dort gefahren, lediglich nicht am Unfalltage. Die Beklagte ließ hierzu vor den Versicherungsämtern in F. H. und Ha. die Arbeitnehmer Y., L. und D. vernehmen. Diese gaben an, daß sie zusammen mit dem Kläger nach Arbeitsende dienstags, mittwochs und donnerstags regelmäßig in der in der Nähe ihrer Unterkunft gelegenen Gaststätte zu Abend aßen und sich dort in der Regel rund 1 Stunde aufhielten. Gelegentlich habe der Aufenthalt länger gedauert, nämlich dann, wenn die Zubereitung warmer Speisen mehr Zeit in Anspruch genommen, man mit Automaten gespielt oder unterhaltsame Fernsehsendungen angesehen habe. Montags sei die Gaststätte geschlossen gewesen und freitags sei man wieder zu den in dem Frankfurter Raum gelegenen Hauptwohnungen zurück gefahren. Mit Bescheid vom 23. September 1975 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der nach der Abzweigung W.straße in der H. Straße weiterverfolgte, als Abweg anzusehende Weg sei unfallversicherungsrechtlich auch nicht deshalb geschützt gewesen, weil es sich hierbei um eine Fahrt zu einer Gaststätte gehandelt habe. Diese habe nicht einen weiteren Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse dargestellt, da der Kläger sich dort lediglich an drei Tagen in der Woche und nur zur Einnahme des Abendessens aufgehalten habe.
Gegen diesen am 24. September 1976 mit Einschreiben an ihn abgesandten Bescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht in Frankfurt am Main (SG) am 13. Oktober 1975 Klage erhoben. Das SG hat den Kläger persönlich gehört und mit Urteil vom 15. September 1976 die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 4. Dezember 1974 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen. Er habe sich im Anschluß an die Tagesarbeit am Unfalltag nicht ohne Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit auf der Fahrt zur Einnahme des Abendessens zu der Gaststätte befunden, die den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse gebildet habe.
Gegen dieses ihr gegen Empfangsbekenntnis am 1. Oktober 1976 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Oktober 1976 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sind die Auskunft der Stadt R. vom 8. März 1977 nebst Stadtplan über die örtlichen Verkehrsverhältnisse am Unfalltag eingeholt und der Kläger vor dem Senat persönlich gehört worden. Auf die erteilte Auskunft und die Sitzungsniederschrift vom 27. April 1977 wird verwiesen.
Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung vor: Der Kläger habe sich zur Unfallzeit auf einem unversicherten Abweg befunden. Der Weg zu der in der Nähe der Unterkünfte anderer Arbeitskollegen gelegenen Gaststätte werde nicht deshalb ein versicherter Weg, weil er sonst dort nach Arbeitsende abends eine Mahlzeit eingenommen habe und hierbei mit seinen Arbeitskollegen zusammengetroffen sei. Der Kläger habe sich dort jeweils nur so lange aufgehalten, wie es zur Einnahme der Mahlzeit notwendig gewesen sei. Es gebe genügend andere Speiselokale in R. auf dem Wege von der Arbeitsstätte in der Ro.straße. Es habe auch sonst keine betriebliche Notwendigkeit bestanden, die Abendmahlzeit gerade in dieser Gaststätte einzunehmen. Ein betrieblicher Zusammenhang sei auch nicht dadurch entstanden, daß er aus Anlaß dieses privaten Aufenthaltes gelegentlich die Arbeit betreffende Tätigkeiten besprochen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. September 1976 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da das SG jedenfalls im Ergebnis zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und einen Arbeitsunfall angenommen hat. Allerdings befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt entgegen seiner Ansicht nicht auf einem versicherten Betriebsweg (§ 548 der Reichs-Versicherungsordnung – RVO –). Es lassen sich insoweit keine betrieblichen Gründe für die Fahrt mit einem firmeneigenen VW-Bus von der Baustelle zu der Gaststätte am C.weg feststellen. Er benutzte dieses Fahrzeug an diesem Tage allein. Daß er sonst seine Arbeitskollegen nach Arbeitsende zu ihren Unterkünften in der Nähe dieser Gaststätte fuhr und sie am Unfalltag bei der Einnahme einer warmen Abendmahlzeit treffen konnte, machte den zurückgelegten Weg noch nicht betriebsnotwendig. Hieran ändert auch nichts, daß er dabei gelegentlich – nach seinen Angaben etwa an jedem zweiten Abend – mit seinen Arbeitskollegen auch die Baustelle betreffende Fragen besprach, was aber nach seiner Einlassung nicht unbedingt erforderlich war, da dies auch morgens vor Arbeitsbeginn an der allerdings weiträumigen Arbeitsstätte hätte geschehen können. Im Vordergrund stand vielmehr die Nahrungsaufnahme, wie der Kläger sowohl vor dem SG als auch vor dem Senat eingeräumt hat.
Die Beklagte macht auch zutreffend geltend, daß sich der Kläger zur Unfallzeit nicht auf einem versicherten Weg zwischen der Arbeitsstätte und seiner Unterkunft in der Ro.straße befand (§ 550 Abs. 3 RVO). Er fuhr nämlich auf der H. Straße an der nach Westen abzweigenden, in Richtung zu seiner Unterkunft führenden Weidestraße vorbei in südlicher Richtung, weil er die o.g. Gaststätte aufsuchen wollte.
Der Versicherungsschutz kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, daß diese Gaststätte und seine Unterkunft zwei Teilbereiche seines häuslichen Wirkungskreises darstellten und er sich auf dem Wege zu einem dieser Teilbereiche befand. Wie das Bundessozialgericht (vgl. Urt. v. 26.7.1963 – 2 RU 60/62 –in E 19, 257) entschieden hat, ist der Unfallversicherungsschutz zwar nicht lediglich auf Wege zwischen den Orten der Tätigkeit und einem bestimmten häuslichen Bereich beschränkt. Wenn sich ein Versicherter nicht nur in einem Zimmer, das ihm ausschließlich als Schlafstätte dient, sondern auch an einer anderen Stelle aufhält, wo sich sonst sein privates Leben abspielt, so verfügt er über zwei Teilbereiche seines häuslichen Wirkungskreises. Es genügt dann, daß jeder der beiden häuslichen Bereiche lediglich dem ihm zugewiesenen Zweck in einem wesentlichen Umfang dient und mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch benutzt wird. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Der Kläger hielt sich nämlich nur an drei Abenden in der Woche in der Gaststätte auf, und zwar hauptsächlich, um seine Abendmahlzeit einzunehmen. Der Aufenthalt dauerte regelmäßig nicht länger als 1 bis 1 1/2 Stunden. Die gesamten Umstände dieses auch zeitlich nur verhältnismäßig geringfügigen Aufenthaltes lassen es nicht gerechtfertigt erscheinen, diesen Ort als charakteristisch für einen "häuslichen Wirkungskreis” bzw. Lebensmittelpunkt anzusehen, obwohl er sich vor und nach dem Essen mit seinen Arbeitskollegen unterhielt, Zeitung las und gelegentlich Fernsehsendungen ansah.
Offen bleiben kann die Frage, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt deshalb unter Versicherungsschutz stand, weil er sich auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme befand. Nach seinen glaubhaften Angaben in der letzten mündlichen Verhandlung steht für den Senat fest, daß er sich morgens etwas beim Bäcker zum Frühstück kaufte, dazu kein Getränk einnahm und mittags sich auf der Baustelle kalt verpflegte. Im Zeitpunkt des Unfalls befand er sich auf dem Weg zur Einnahme der einzigen warmen Tagesmahlzeit. Seine Betriebsarbeit wollte er – wie an den Vortagen – am nächsten Morgen um 7 Uhr fortsetzen. Zwar befanden sich auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte zu der Gaststätte, die er wie üblich aufsuchen wollte, noch andere Speiselokale. Er hätte dorthin zu Fuß aber ebenfalls nur unwesentlich schneller als mit dem VW-Bus zu der in Aussicht genommenen Gaststätte gelangen können. Auch kann sich ein Versicherter in einer fremden Stadt unter vernünftigen Gesichtspunkten eine für ihn geeignete Gaststätte aussuchen, ohne daß er gezwungen ist, die nächstliegendste zu wählen. Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, daß die Nahrungsaufnahme zu den eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten gehört. Während aber die auch vom Senat geteilte Auffassung vertreten wird, daß Wege von und nach der Arbeitsstätte in der Mittagspause versichert sind, wenn sie zur Nahrungsaufnahme unternommen werden, die der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Arbeitskraft dient (vgl. z.B. Urteil des BSG vom 18.12.1969 – 2 RU 252/67 in WzS 1970, 81), bleibt es in dem Urteil des BSG vom 26. April 1962 – 2 RU 148/59 –dahingestellt, ob auch der Weg eines Versicherten in einer fremden Stadt zum Abendessen unter Versicherungsschutz steht (vgl. hierzu auch das Urteil des BSG vom 30.6.1960 – 2 RU 111/58 in SozR. Nr. 26 zu § 543 RVO a.F., in dem diese Frage unter bestimmten Voraussetzungen bejaht worden ist). Demgegenüber scheint der 8. Senat des BSG die gegenteilige Auffassung zu vertreten. In seinem Urteil vom 22. Juni 1976 (8 RU 146/75 in SozR. 2200 § 548 RVO Nr. 20) heißt es nämlich, auch eine mit der Essenseinnahme zusammenhängende Nebenverrichtung, namentlich Wege zu und vom Essensplatz, seien grundsätzlich unversichert, es sei denn, daß ausnahmsweise eine Betriebseinrichtung den Unfall wesentlich mitverursacht habe. Der erkennende Senat braucht die nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht eindeutig zu beantwortende Frage, ob für den Kläger Versicherungsschutz bestand, weil er sich auf dem Weg zur Einnahme der einzigen warmen Tagesmahlzeit befand, die er zur Wiedererlangung seiner Arbeitskraft bis zum nächsten Morgen für notwendig hielt, nicht zu entscheiden, weil seine Klage bereits unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist.
Nach § 550 Abs. 1 RVO ist für die Bejahung des Versicherungsschutzes lediglich erforderlich, daß Wege mit einer der in den §§ 539 ff. RVO genannten Tätigkeiten nach und von dem Ort der Tätigkeit in innerem ursächlichem Zusammenhang stehen. Es muß sich nicht stets um einen Weg handeln, der zwischen Arbeitsstätte und Unterkunft zurückgelegt wird. In Fällen, in denen der Versicherte den Weg zur Arbeitsstätte nicht von seiner Wohnung bzw. von seiner Unterkunft aus antritt, um die Arbeit aufzunehmen, kann nach der Rechtsprechung der Unfallversicherungsschutz dennoch bestehen (vgl. BSG, Urt. v. 27.4.1961 – 2 RU 192/58 in BG 1961, 468; v. 30.1.1963 –2 RU 197/61 – in SozR. Nr. 40 zu § 543 RVO a.F.; v. 30.10.1964 – 2 RU 157/63 – in E 22, 60; Hess. LSG, Urt. v. 2.3.1977 – L-3/U – 1024/76 – und Benz in BG 1977, 32, 36, 37 mit weiteren Nachweisen). Das gleiche gilt, wenn der Versicherte sich nach der Arbeit von der Arbeitsstätte zu einem Ziel begibt, nach dessen Erreichen ein deutlicher Einschnitt bis zur Fortsetzung des Weges zur Wohnung bzw. Unterkunft liegt. In diesem Sinne hat bereits der 5. Senat des Bundessozialgerichts entschieden (vgl. Urt. v. 10.12.1964 – 5 RKn 56/60 –in SozR. Nr. 56 zu § 543 RVO a.F.). Dort war der Verletzte nach Beendigung der Frühschicht auf dem Heimweg mit seinem Motorrad nicht nach links in Richtung seiner Wohnung, sondern zunächst nach rechts zur Wohnung der Eltern seiner Braut gefahren. Er beabsichtigte, dort seine Mittagsmahlzeit einzunehmen, an einer Tankstelle in der Nähe der Wohnung der Brauteltern zu tanken und erst dann seine Unterkunft aufzusuchen. Noch vor Erreichen dieser Wohnung verunglückte er. Der 5. Senat des BSG stellte es nicht auf die Frage des Lebensmittelpunktes oder eines gespaltenen privaten Lebensbereiches, sondern lediglich darauf ab, daß die Wohnung der Brauteltern den Endpunkt der Fahrt von der Arbeitsstätte bildete. Die beabsichtigte Dauer dieses rein privaten Zwecken dienenden Aufenthaltes sei so erheblich gewesen, daß der Weg dorthin eine selbständige Bedeutung gehabt habe. Nach Zielrichtung und Zweckbestimmung habe der Weg von der Arbeitsstätte mit dem Erreichen der Brautwohnung beendet sein seilen. Die beiden durch das beabsichtigte Aufsuchen dieser Wohnung getrennten Wegstrecken würden, falls sie, wie beabsichtigt, zurückgelegt worden wären, rechtlich keinen einheitlichen Gesamtweg dargestellt haben. Es falle besonders ins Gewicht, daß der Verletzte in seiner Unterkunft naturgemäß nicht die Annehmlichkeiten einer Familienwohnung besitze, daß also der Besuch in der Wohnung der Schwiegereltern und die dortige Einnahme des Mittagessens einem verständlichen Wunsch entspringe. Hätte der Verletzte den Unfall nicht erlitten, sondern nach der Mittagsmahlzeit seine eigene Wohnung aufgesucht, so würde bei natürlicher Betrachtungsweise niemand diesen letzten Weg noch als Weg von der Arbeitsstätte, sondern als einen solchen von der Brautwohnung zur eigenen Wohnung ansehen und den Versicherungsschutz deshalb verneinen. Danach genügt es zur Annahme des den Endpunkt des Weges von der Arbeitsstätte bildenden Ortes z.B. bereits, daß dort in einer dem Versicherten angenehmen Umgebung das Mittagessen eingenommen werden sollte, ohne daß Feststellungen über die Länge des geplanten Aufenthaltes erforderlich sind. Nach diesen Grundsätzen ist auch hier der Versicherungsschutz zu bejahen. Der Kläger suchte die genannte Gaststätte an allen Tagen, an denen diese geöffnet hatte und er sich in R. befand, auf, um dort unmittelbar nach Beendigung seiner Betriebsarbeit zu Abend zu essen und einen Teil seiner Freizeit zu verbringen, und zwar gerade deshalb, weil bereits früher die Arbeitnehmer seiner Firma sich abends dort trafen, er sich mit seinen Arbeitskollegen unterhalten konnte, der Wirt ihnen nach seinen glaubhaften Angaben besonders gute Portionen vorsetzte und er sich dort wohlfühlte. Alle diese Umstände sprechen dafür, daß sich dort der Endpunkt seines Weges von der Arbeitsstätte befand, zumal er sich im Anschluß an den Gasthaus auf enthält stets zu seiner Unterkunft begab und sich des langen Arbeitstages wegen sogleich zu Bett legte, wie er ebenfalls glaubhaft angegeben hat. Der Weg zur Gaststätte war auch nicht länger als der normale Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Unterkunft, da diese am Ende der Ro.straße lag, so daß er das Versicherungsrisiko nicht vergrößerte. Dies ist dem im Berufungsverfahren beigezogenen Stadtplan von R. zu entnehmen.
Gegen die Annahme des Versicherungsschutzes spricht nicht, daß der Kläger nach seinen Angaben zweimal montags in einem der Baustelle nahegelegenen jugoslawischen Restaurant zu Abend aß. Die Gaststätte am C. weg hatte an diesen Tagen nämlich geschlossen. Der Kläger stand auch nicht nur auf dem Weg zu einem der Arbeitsstätte näher gelegenen Speiselokal unter Versicherungsschutz. In der Gestaltung des Weges von der Arbeitsstätte zu einem Endpunkt ist der Versicherte vielmehr frei. Es darf sich, wie bereits ausgeführt, nur nicht um ein Ziel handeln, das seiner Art nach und von der Wegelänge her im Vergleich zum sonst üblichen Weg zur Unterkunft außer Verhältnis steht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 SGG.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung der Folgen eines Verkehrsunfalls, den der Kläger am 4. Dezember 1974 erlitten hat, als Arbeitsunfall.
Der im Jahre 1942 geborene Kläger war für die Firma G. mbH in W. als Obermonteur im Jahre 1974 zusammen mit weiteren Arbeitnehmern auf einer Baustelle im Zentrum der Stadt R. eingesetzt. Mit ihnen begab er sich jeweils montags von den Hauptwohnungen im Frankfurter Raum in einem von ihm gefahrenen Firmenwagen, einem VW-Bus, nach R., wo er mit ihnen zusammen zunächst in einem Hause im K. V. untergebracht war. Diese Unterkunft wurde bereits vor seinem Tätigkeitsbeginn in R. von Arbeitnehmern seiner Firma bewohnt. Eine Woche später nahm er sich in der R.straße ein besseres Zimmer. Dort hielt er sich im wesentlichen nur zur Nachtruhe auf. Sein Frühstück nahm er erst an der Baustelle ein. Zu Abend aß er nach Beendigung der Arbeit dienstags, mittwochs und donnerstags in einer in der Nähe seiner ersten Unterkunft gelegenen Gaststätte in der H. Straße (Gaststätte), die zuvor von Arbeitnehmern seiner Firma ausgewählt worden war. Er fuhr seine Arbeitskollegen abends im firmeneigenen VW-Bus von der Baustelle im Stadtzentrum zu ihren Unterkünften. Anschließend nahm er mit ihnen in der oben genannten Gaststätte ein warmes Abendbrot ein. Am Mittwoch, dem 4. Dezember 1974, stieß er mit dem firmeneigenen VW-Bus nach Beendigung der Arbeit gegen 19.00 Uhr auf der Fahrt von der Baustelle nach dieser Gaststätte auf der H. Straße wenige Meter nach der rechts abbiegenden W.straße mit einer Straßenbahn zusammen, wobei er sich dem Durchgangsarztbericht des Dr. H. (P.-Hospital, R.) vom 11. Dezember 1974 zufolge neben einer Schädelprellung mit Verdacht auf Schädelbasisfraktur und Hirnbeteiligung verschiedene Frakturen an beiden unteren Extremitäten zuzog.
Die Beklagte zog zunächst die Akten der Staatsanwaltschaft R. ( ) über das gegen den Kläger gerichtete Ermittlungsverfahren bei und lehnte sodann mit Bescheid vom 24. März 1975 die Gewährung einer Entschädigung ab. Der Kläger habe sich zur Zeit des Unfalls nicht auf einem unfallversicherungsrechtlich geschützten Wege von der Arbeitsstätte befunden, da er mit dem VW-Bus in entgegengesetzter Richtung zu seiner Wohnung gefahren sei. Hierbei habe es sich um einen Abweg gehandelt. Gegen diesen an ihn mit Einschreiben am gleichen Tage abgesandten Bescheid legte der Kläger am 1. April 1975 Widerspruch ein. Zur Begründung brachte er vor, daß er wegen Bauarbeiten in der Innenstadt von R. keinen anderen, verkehrsgünstigeren Weg in Richtung zu seiner Wohnung bis zur Abzweigung der W.straße von der H. Straße habe nehmen können. Die Weiterfahrt von dort entlang der H. Straße zu der Gaststätte sei nicht als Abweg anzusehen, da er dort abends nach der Arbeit stets mit seinen Arbeitskollegen zusammen gegessen habe. Diese habe er nach Arbeitsschluß regelmäßig im firmeneigenen VW-Bus nach dort gefahren, lediglich nicht am Unfalltage. Die Beklagte ließ hierzu vor den Versicherungsämtern in F. H. und Ha. die Arbeitnehmer Y., L. und D. vernehmen. Diese gaben an, daß sie zusammen mit dem Kläger nach Arbeitsende dienstags, mittwochs und donnerstags regelmäßig in der in der Nähe ihrer Unterkunft gelegenen Gaststätte zu Abend aßen und sich dort in der Regel rund 1 Stunde aufhielten. Gelegentlich habe der Aufenthalt länger gedauert, nämlich dann, wenn die Zubereitung warmer Speisen mehr Zeit in Anspruch genommen, man mit Automaten gespielt oder unterhaltsame Fernsehsendungen angesehen habe. Montags sei die Gaststätte geschlossen gewesen und freitags sei man wieder zu den in dem Frankfurter Raum gelegenen Hauptwohnungen zurück gefahren. Mit Bescheid vom 23. September 1975 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der nach der Abzweigung W.straße in der H. Straße weiterverfolgte, als Abweg anzusehende Weg sei unfallversicherungsrechtlich auch nicht deshalb geschützt gewesen, weil es sich hierbei um eine Fahrt zu einer Gaststätte gehandelt habe. Diese habe nicht einen weiteren Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse dargestellt, da der Kläger sich dort lediglich an drei Tagen in der Woche und nur zur Einnahme des Abendessens aufgehalten habe.
Gegen diesen am 24. September 1976 mit Einschreiben an ihn abgesandten Bescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht in Frankfurt am Main (SG) am 13. Oktober 1975 Klage erhoben. Das SG hat den Kläger persönlich gehört und mit Urteil vom 15. September 1976 die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 4. Dezember 1974 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen. Er habe sich im Anschluß an die Tagesarbeit am Unfalltag nicht ohne Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit auf der Fahrt zur Einnahme des Abendessens zu der Gaststätte befunden, die den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse gebildet habe.
Gegen dieses ihr gegen Empfangsbekenntnis am 1. Oktober 1976 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Oktober 1976 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sind die Auskunft der Stadt R. vom 8. März 1977 nebst Stadtplan über die örtlichen Verkehrsverhältnisse am Unfalltag eingeholt und der Kläger vor dem Senat persönlich gehört worden. Auf die erteilte Auskunft und die Sitzungsniederschrift vom 27. April 1977 wird verwiesen.
Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung vor: Der Kläger habe sich zur Unfallzeit auf einem unversicherten Abweg befunden. Der Weg zu der in der Nähe der Unterkünfte anderer Arbeitskollegen gelegenen Gaststätte werde nicht deshalb ein versicherter Weg, weil er sonst dort nach Arbeitsende abends eine Mahlzeit eingenommen habe und hierbei mit seinen Arbeitskollegen zusammengetroffen sei. Der Kläger habe sich dort jeweils nur so lange aufgehalten, wie es zur Einnahme der Mahlzeit notwendig gewesen sei. Es gebe genügend andere Speiselokale in R. auf dem Wege von der Arbeitsstätte in der Ro.straße. Es habe auch sonst keine betriebliche Notwendigkeit bestanden, die Abendmahlzeit gerade in dieser Gaststätte einzunehmen. Ein betrieblicher Zusammenhang sei auch nicht dadurch entstanden, daß er aus Anlaß dieses privaten Aufenthaltes gelegentlich die Arbeit betreffende Tätigkeiten besprochen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. September 1976 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da das SG jedenfalls im Ergebnis zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und einen Arbeitsunfall angenommen hat. Allerdings befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt entgegen seiner Ansicht nicht auf einem versicherten Betriebsweg (§ 548 der Reichs-Versicherungsordnung – RVO –). Es lassen sich insoweit keine betrieblichen Gründe für die Fahrt mit einem firmeneigenen VW-Bus von der Baustelle zu der Gaststätte am C.weg feststellen. Er benutzte dieses Fahrzeug an diesem Tage allein. Daß er sonst seine Arbeitskollegen nach Arbeitsende zu ihren Unterkünften in der Nähe dieser Gaststätte fuhr und sie am Unfalltag bei der Einnahme einer warmen Abendmahlzeit treffen konnte, machte den zurückgelegten Weg noch nicht betriebsnotwendig. Hieran ändert auch nichts, daß er dabei gelegentlich – nach seinen Angaben etwa an jedem zweiten Abend – mit seinen Arbeitskollegen auch die Baustelle betreffende Fragen besprach, was aber nach seiner Einlassung nicht unbedingt erforderlich war, da dies auch morgens vor Arbeitsbeginn an der allerdings weiträumigen Arbeitsstätte hätte geschehen können. Im Vordergrund stand vielmehr die Nahrungsaufnahme, wie der Kläger sowohl vor dem SG als auch vor dem Senat eingeräumt hat.
Die Beklagte macht auch zutreffend geltend, daß sich der Kläger zur Unfallzeit nicht auf einem versicherten Weg zwischen der Arbeitsstätte und seiner Unterkunft in der Ro.straße befand (§ 550 Abs. 3 RVO). Er fuhr nämlich auf der H. Straße an der nach Westen abzweigenden, in Richtung zu seiner Unterkunft führenden Weidestraße vorbei in südlicher Richtung, weil er die o.g. Gaststätte aufsuchen wollte.
Der Versicherungsschutz kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, daß diese Gaststätte und seine Unterkunft zwei Teilbereiche seines häuslichen Wirkungskreises darstellten und er sich auf dem Wege zu einem dieser Teilbereiche befand. Wie das Bundessozialgericht (vgl. Urt. v. 26.7.1963 – 2 RU 60/62 –in E 19, 257) entschieden hat, ist der Unfallversicherungsschutz zwar nicht lediglich auf Wege zwischen den Orten der Tätigkeit und einem bestimmten häuslichen Bereich beschränkt. Wenn sich ein Versicherter nicht nur in einem Zimmer, das ihm ausschließlich als Schlafstätte dient, sondern auch an einer anderen Stelle aufhält, wo sich sonst sein privates Leben abspielt, so verfügt er über zwei Teilbereiche seines häuslichen Wirkungskreises. Es genügt dann, daß jeder der beiden häuslichen Bereiche lediglich dem ihm zugewiesenen Zweck in einem wesentlichen Umfang dient und mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch benutzt wird. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Der Kläger hielt sich nämlich nur an drei Abenden in der Woche in der Gaststätte auf, und zwar hauptsächlich, um seine Abendmahlzeit einzunehmen. Der Aufenthalt dauerte regelmäßig nicht länger als 1 bis 1 1/2 Stunden. Die gesamten Umstände dieses auch zeitlich nur verhältnismäßig geringfügigen Aufenthaltes lassen es nicht gerechtfertigt erscheinen, diesen Ort als charakteristisch für einen "häuslichen Wirkungskreis” bzw. Lebensmittelpunkt anzusehen, obwohl er sich vor und nach dem Essen mit seinen Arbeitskollegen unterhielt, Zeitung las und gelegentlich Fernsehsendungen ansah.
Offen bleiben kann die Frage, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt deshalb unter Versicherungsschutz stand, weil er sich auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme befand. Nach seinen glaubhaften Angaben in der letzten mündlichen Verhandlung steht für den Senat fest, daß er sich morgens etwas beim Bäcker zum Frühstück kaufte, dazu kein Getränk einnahm und mittags sich auf der Baustelle kalt verpflegte. Im Zeitpunkt des Unfalls befand er sich auf dem Weg zur Einnahme der einzigen warmen Tagesmahlzeit. Seine Betriebsarbeit wollte er – wie an den Vortagen – am nächsten Morgen um 7 Uhr fortsetzen. Zwar befanden sich auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte zu der Gaststätte, die er wie üblich aufsuchen wollte, noch andere Speiselokale. Er hätte dorthin zu Fuß aber ebenfalls nur unwesentlich schneller als mit dem VW-Bus zu der in Aussicht genommenen Gaststätte gelangen können. Auch kann sich ein Versicherter in einer fremden Stadt unter vernünftigen Gesichtspunkten eine für ihn geeignete Gaststätte aussuchen, ohne daß er gezwungen ist, die nächstliegendste zu wählen. Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, daß die Nahrungsaufnahme zu den eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten gehört. Während aber die auch vom Senat geteilte Auffassung vertreten wird, daß Wege von und nach der Arbeitsstätte in der Mittagspause versichert sind, wenn sie zur Nahrungsaufnahme unternommen werden, die der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Arbeitskraft dient (vgl. z.B. Urteil des BSG vom 18.12.1969 – 2 RU 252/67 in WzS 1970, 81), bleibt es in dem Urteil des BSG vom 26. April 1962 – 2 RU 148/59 –dahingestellt, ob auch der Weg eines Versicherten in einer fremden Stadt zum Abendessen unter Versicherungsschutz steht (vgl. hierzu auch das Urteil des BSG vom 30.6.1960 – 2 RU 111/58 in SozR. Nr. 26 zu § 543 RVO a.F., in dem diese Frage unter bestimmten Voraussetzungen bejaht worden ist). Demgegenüber scheint der 8. Senat des BSG die gegenteilige Auffassung zu vertreten. In seinem Urteil vom 22. Juni 1976 (8 RU 146/75 in SozR. 2200 § 548 RVO Nr. 20) heißt es nämlich, auch eine mit der Essenseinnahme zusammenhängende Nebenverrichtung, namentlich Wege zu und vom Essensplatz, seien grundsätzlich unversichert, es sei denn, daß ausnahmsweise eine Betriebseinrichtung den Unfall wesentlich mitverursacht habe. Der erkennende Senat braucht die nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht eindeutig zu beantwortende Frage, ob für den Kläger Versicherungsschutz bestand, weil er sich auf dem Weg zur Einnahme der einzigen warmen Tagesmahlzeit befand, die er zur Wiedererlangung seiner Arbeitskraft bis zum nächsten Morgen für notwendig hielt, nicht zu entscheiden, weil seine Klage bereits unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist.
Nach § 550 Abs. 1 RVO ist für die Bejahung des Versicherungsschutzes lediglich erforderlich, daß Wege mit einer der in den §§ 539 ff. RVO genannten Tätigkeiten nach und von dem Ort der Tätigkeit in innerem ursächlichem Zusammenhang stehen. Es muß sich nicht stets um einen Weg handeln, der zwischen Arbeitsstätte und Unterkunft zurückgelegt wird. In Fällen, in denen der Versicherte den Weg zur Arbeitsstätte nicht von seiner Wohnung bzw. von seiner Unterkunft aus antritt, um die Arbeit aufzunehmen, kann nach der Rechtsprechung der Unfallversicherungsschutz dennoch bestehen (vgl. BSG, Urt. v. 27.4.1961 – 2 RU 192/58 in BG 1961, 468; v. 30.1.1963 –2 RU 197/61 – in SozR. Nr. 40 zu § 543 RVO a.F.; v. 30.10.1964 – 2 RU 157/63 – in E 22, 60; Hess. LSG, Urt. v. 2.3.1977 – L-3/U – 1024/76 – und Benz in BG 1977, 32, 36, 37 mit weiteren Nachweisen). Das gleiche gilt, wenn der Versicherte sich nach der Arbeit von der Arbeitsstätte zu einem Ziel begibt, nach dessen Erreichen ein deutlicher Einschnitt bis zur Fortsetzung des Weges zur Wohnung bzw. Unterkunft liegt. In diesem Sinne hat bereits der 5. Senat des Bundessozialgerichts entschieden (vgl. Urt. v. 10.12.1964 – 5 RKn 56/60 –in SozR. Nr. 56 zu § 543 RVO a.F.). Dort war der Verletzte nach Beendigung der Frühschicht auf dem Heimweg mit seinem Motorrad nicht nach links in Richtung seiner Wohnung, sondern zunächst nach rechts zur Wohnung der Eltern seiner Braut gefahren. Er beabsichtigte, dort seine Mittagsmahlzeit einzunehmen, an einer Tankstelle in der Nähe der Wohnung der Brauteltern zu tanken und erst dann seine Unterkunft aufzusuchen. Noch vor Erreichen dieser Wohnung verunglückte er. Der 5. Senat des BSG stellte es nicht auf die Frage des Lebensmittelpunktes oder eines gespaltenen privaten Lebensbereiches, sondern lediglich darauf ab, daß die Wohnung der Brauteltern den Endpunkt der Fahrt von der Arbeitsstätte bildete. Die beabsichtigte Dauer dieses rein privaten Zwecken dienenden Aufenthaltes sei so erheblich gewesen, daß der Weg dorthin eine selbständige Bedeutung gehabt habe. Nach Zielrichtung und Zweckbestimmung habe der Weg von der Arbeitsstätte mit dem Erreichen der Brautwohnung beendet sein seilen. Die beiden durch das beabsichtigte Aufsuchen dieser Wohnung getrennten Wegstrecken würden, falls sie, wie beabsichtigt, zurückgelegt worden wären, rechtlich keinen einheitlichen Gesamtweg dargestellt haben. Es falle besonders ins Gewicht, daß der Verletzte in seiner Unterkunft naturgemäß nicht die Annehmlichkeiten einer Familienwohnung besitze, daß also der Besuch in der Wohnung der Schwiegereltern und die dortige Einnahme des Mittagessens einem verständlichen Wunsch entspringe. Hätte der Verletzte den Unfall nicht erlitten, sondern nach der Mittagsmahlzeit seine eigene Wohnung aufgesucht, so würde bei natürlicher Betrachtungsweise niemand diesen letzten Weg noch als Weg von der Arbeitsstätte, sondern als einen solchen von der Brautwohnung zur eigenen Wohnung ansehen und den Versicherungsschutz deshalb verneinen. Danach genügt es zur Annahme des den Endpunkt des Weges von der Arbeitsstätte bildenden Ortes z.B. bereits, daß dort in einer dem Versicherten angenehmen Umgebung das Mittagessen eingenommen werden sollte, ohne daß Feststellungen über die Länge des geplanten Aufenthaltes erforderlich sind. Nach diesen Grundsätzen ist auch hier der Versicherungsschutz zu bejahen. Der Kläger suchte die genannte Gaststätte an allen Tagen, an denen diese geöffnet hatte und er sich in R. befand, auf, um dort unmittelbar nach Beendigung seiner Betriebsarbeit zu Abend zu essen und einen Teil seiner Freizeit zu verbringen, und zwar gerade deshalb, weil bereits früher die Arbeitnehmer seiner Firma sich abends dort trafen, er sich mit seinen Arbeitskollegen unterhalten konnte, der Wirt ihnen nach seinen glaubhaften Angaben besonders gute Portionen vorsetzte und er sich dort wohlfühlte. Alle diese Umstände sprechen dafür, daß sich dort der Endpunkt seines Weges von der Arbeitsstätte befand, zumal er sich im Anschluß an den Gasthaus auf enthält stets zu seiner Unterkunft begab und sich des langen Arbeitstages wegen sogleich zu Bett legte, wie er ebenfalls glaubhaft angegeben hat. Der Weg zur Gaststätte war auch nicht länger als der normale Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Unterkunft, da diese am Ende der Ro.straße lag, so daß er das Versicherungsrisiko nicht vergrößerte. Dies ist dem im Berufungsverfahren beigezogenen Stadtplan von R. zu entnehmen.
Gegen die Annahme des Versicherungsschutzes spricht nicht, daß der Kläger nach seinen Angaben zweimal montags in einem der Baustelle nahegelegenen jugoslawischen Restaurant zu Abend aß. Die Gaststätte am C. weg hatte an diesen Tagen nämlich geschlossen. Der Kläger stand auch nicht nur auf dem Weg zu einem der Arbeitsstätte näher gelegenen Speiselokal unter Versicherungsschutz. In der Gestaltung des Weges von der Arbeitsstätte zu einem Endpunkt ist der Versicherte vielmehr frei. Es darf sich, wie bereits ausgeführt, nur nicht um ein Ziel handeln, das seiner Art nach und von der Wegelänge her im Vergleich zum sonst üblichen Weg zur Unterkunft außer Verhältnis steht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 SGG.
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