Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 633/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der freiwillige Eintritt in die SS-Verfügungstruppe 1930 läßt den Schluß auf eine Aufgabe des erlernten Berufes zu.
2. Ein ernsthafter Wille zum Aufstieg im erlernten Beruf kann bei geringfügigen Schädigungsfolgen nach Rückkehr aus Gefangenschaft nur unterstellt werden, wenn ein ernsthafter Arbeitsversuch im erlernten Beruf unternommen worden ist und Fortbildungswille zu erkennen ist.
2. Ein ernsthafter Wille zum Aufstieg im erlernten Beruf kann bei geringfügigen Schädigungsfolgen nach Rückkehr aus Gefangenschaft nur unterstellt werden, wenn ein ernsthafter Arbeitsversuch im erlernten Beruf unternommen worden ist und Fortbildungswille zu erkennen ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 20. April 1971 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1919 geborene Kläger hat früher den Bäckerberuf erlernt. Von 1938 bis Mai 1945 gehörte er nach seinen Angaben der Waffen-SS an und befand sich dann bis Januar 1950 in amerikanischer bzw. russischer Kriegsgefangenschaft. Mit Bescheid vom 8. Mai 1953 erkannte der Beklagte zwei Verwundungsnarben als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bei einer den rentenberechtigenden Mindesgrad um 25 v.H. nicht erreichenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) an. Die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung alten Rechts (später Klage) wies das Sozialgericht Wiesbaden aufgrund eines Gutachtens des Internisten Dr. Sch. vom 18. Oktober 1955, welcher bei dem Kläger unter anderem einzelne altersbedingte bronchitische Geräusche feststellte, mit Urteil vom 5. Dezember 1955 als unbegründet ab, weil bei dem Kläger keine schädigungsbedingte Dystrophie bzw. vegetative Dystonie bestünde. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.
Im Oktober 1968 beantragte der Kläger die Anerkennung einer chronischen Asthmabronchitis als Folge seiner mehrjährigen russischen Gefangenschaft. Der Beklagte zog hierauf Unterlagen bezüglich zweier von dem Kläger 1962 und 1969 durchgeführter Kuren bei. In seinem darauf erstatteten Gutachten vom 22. Januar 1969 verneinte der Internist Dr. Ch. das Vorliegen von Schädigungsfolgen insbesondere für die von ihm festgestellte rezidivierende Emphysembronchitis (MdE 40 v.H.), da diese anlagebedingt sei. Hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 1969 eine Neufeststellung des Versorgungsanspruchs nach § 62 Abs. 1 BVG ab. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch wurde mit Bescheid vom 29. September 1969 nicht abgeholfen.
Die hierauf erhobene, auf Rentengewährung unter Anerkennung von rezidivierender Bronchitis als Schädigungsfolge gerichtete Klage wies das Sozialgericht Frankfurt/Main mit Urteil vom 20. April 1971 als unbegründet ab. In den Schädigungsfolgen sei keine wesentliche Änderung eingetreten; die rezidivierende Emphysembronchitis sei nach den Gutachten von Dr. Ch. und Dr. Sch. anlagebedingt.
Gegen dieses ihm am 18. Mai 1971 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Juni 1971 Berufung eingelegt. In seinem nach § 109 SGG erstatteten Gutachten vom 22. Februar 1972 kam der Internist Prof. Dr. St. zu dem Ergebnis, dass die chronische Emphysembronchitis durch Einflüsse der russischen Kriegsgefangenschaft wesentlich mitverursacht und deshalb Schädigungsfolge (MdE 40 v.H.) sei. Bei dem hierauf vom Beklagten angestellten Ermittlungen ergab sich unter anderen, dass der Kläger nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bei den Farbwerken H. AG zunächst im Aussendienst und später im Innendienst als Lagerverwalter tätig war. Hiernach gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 1972 dem Kläger eine Rente nach einer MdE um 40 v.H. ab 1. Oktober 1968 unter Anerkennung der chronischen Emphysembronchitis als weitere Schädigungsfolge; beruflich sei er durch dieses Leiden nicht besonders betroffen. Dieser Bescheid wurde nach §§ 96, 153 SGG Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens.
Der Kläger machte hierauf geltend, die Schädigungsbedingte MdE sei nach § 30 Abs. 2 BVG von 40 v.H. auf 50 v.H. zu erhöhen, da er seit 1963 deswegen im Innendienst habe eingesetzt werden müssen, weil er wegen seiner Schädigungsfolgen keine Akkordarbeit mehr habe verrichten können; deshalb habe er auch einen Minderverdienst aufzuweisen. Ein besonderes berufliches Betroffensein liege auch deshalb vor, weil er wegen seiner Bronchitis den erlernten Bäckerberuf habe aufgeben müssen und zu dem Farbwerken H. AG übergegangen sei. Anderenfalls wäre er als Bäckermeister selbständig geworden, zumal ihm sein Vater und sein Schwiegervater hierzu ausreichendes Kapital hätten beisteuern können. 1950 seien seine Versuche bzw. Absichten, im Bäckerberuf in abhängiger oder selbständiger Stellung tätig zu werden, ohne Erfolg geblieben. Vor dem Kriege sei er noch nicht bei den Farbwerken H. tätig gewesen. Schliesslich vertrat er die Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich zustehe, ferner auch eine Zugunstenregelung seitens des Beklagten, da sich nachträglich die Unrichtigkeit des rechtskräftigen Urteils vom 20. April 1971 herausgestellt habe. Entsprechende Anträge hat er jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt.
Der Kläger beantragt vielmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 20. April 1971 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 12. Juni 1972 zur Zahlung von Rente nach einer MdE um 50 v.H. wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Oktober 1968 zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bestreitet, dass der Kläger die Berufsstellung des Bäckermeisters angestrebt habe, weil er früher als angestrebten Beruf nur "Bäcker” angegeben habe. Ausserdem habe er bereits vor dem Kriege bei den Farbwerken H. AG gearbeitet, ebenso sogleich nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft und ohne Durchführung eines Arbeitsversuchs als Bäcker. Schliesslich habe er nach der Auskunft seines Arbeitgebers nur einen Minderverdienst zwischen 4,8 v.H. und 14,7 v.H. in den Jahren von 1968 bis 1973 aufzuweisen, während nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für ein besonderes berufliches Betroffensein eine Einkommenseinbuße von mindestens etwa 20 v.H. erforderlich sei.
Der Senat hat eine Auskunft der Farbwerke H. AG. vom 13. Juli 1973 eingeholt, wonach der Kläger dort infolge seines Kriegsleidens stets nur angelernte Arbeit verrichtet habe. Es wurde zugleich eine Aufstellung des von dem Kläger in den Jahren 1968 bis 1973 erzielten Bruttoverdienstes im Innendienst sowie des gegebenenfalls erzielbaren Verdienstes im Außendienst mitgeteilt. Im Innendienst erhalte er jedoch einen Akkordausgleich. Der Übergang in den Innendienst sei deshalb erfolgt, weil die Tätigkeit des Klägers im Außendienst infolge von Rationalisierungsmassnahmen weggefallen sei. Da der Kläger gesundheitlich nur beschränkt einsatzfähig sei, habe ihm nach dem Übergang keine gleichwertige Akkordarbeit zugewiesen werden können.
Im Verhandlungstermin am 12. Dezember 1973 hörte der Senat den Kläger an und vertagte sodann die Sache zu weiterer Beweiserhebung. Hierauf wurden Auskünfte der Kreishandwerkerschaft M. vom 11. Januar 1974 und des Bäckerinnungsverbandes Hessen vom 4. April 1974 und der Farbwerke H. AG vom 16. April 1974 eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Hierzu bestreitet der Kläger, dass er gegebenenfalls 1950 als Bäckergeselle weniger verdient hätte als das, was er z.Zt. tatsächlich als Chemiearbeiter verdient habe. Im übrigen legt er mehrere Unterlagen vor, um darzutun, dass er ohne Eintritt der Schädigungsfolgen zur Eröffnung einer eigenen Bäckerei beruflich und wirtschaftlich imstande gewesen wäre.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Versorgungsakten sowie der beigezogenen Unterlagen der Gesundheitsabteilung des Landesversicherungsanstalt Hessen, welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt und nach §§ 143, 148 Nr. 3 SGG statthaft, zumal die Schwerbeschädigteneigenschaft streitig ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Schädigungsbedingte medizinische MdE von nunmehr unstreitig 40 v.H. ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht wegen besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG auf 50 v.H. zu erhöhen.
Ein solches Betroffenseins kann der Kläger zunächst nicht aus seinem vor dem Kriege erlernten Bäckerberuf herleiten, weil er sich von ihm ohne wesentliche Mitwirkung der Schädigungsfolgen abgewendet hat. Diese Abwendung ist wohl schon durch seinen freiwilligen Eintritt in die damalige SS-Verfügungstruppe im Jahre 1938 eingeleitet worden, bei welcher es sich um eine aus Freiwilligen bestehende Organisation der früheren NSDAP und nur um die Vorläuferin der erst 1940 entstandenen Waffen-SS handelte (vgl. Wilke, 3. Aufl., S. 63).
Jedenfalls hat sich der Kläger aber nach der Überzeugung des Senats auch seiner Anfang 1950 erfolgten Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft aus vorbringend schädigungsunabhängigen Gründen von seinem Bäckerberuf abgewendet. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Schädigungsfolgen z.Z. relativ geringfügig waren. Sie wurden von dem Gutachtern Dr. S. (Bl. 13 VA) 1950 mit 20 v.H. und Dr. Witzel (Bl. 22 VA) 1953 mit 0 % eingeschätzt. Während diese Ärzte überhaupt keine Bronchitis diagnostiziert haben, hat der Internist Dr. Sch. 1955 nur einzelne altersentsprechende bronchitische Geräusche festgestellt, so dass damals jedenfalls keine schwerwiegende Bronchitis bestanden haben kann. Andererseits ergibt sich aus der vom Bäckerinnungsverband Hessen erteilten Auskunft vom 5. April 1974, dass der Kläger ggf. 1950 als Bäckergeselle in der für ihn nach Wohn- und früherem Arbeitsort allein zuständigen Ortsklasse III höchstens einen Wochenlohn von 49,30 DM hätte erzielen können. Dagegen hat er tatsächlich bei Auswertung der Auskunft der Farbwerke H. AG vom 16. April 1974 dort 1950 während seiner Beschäftigung von 34 Wochen Dauer einen durchschnittlichen Wochenlohn von immerhin ca. 60,30 DM erzielt. Alle diese Umstände erlauben den Schluss, dass der Kläger den Bäckerberuf 1950 hauptsächlich zugunsten des anderwärts nicht unwesentlich höheren Verdienstes (bei übrigens wohl auch besseren Arbeitsbedingungen) und nicht wegen der damals relativ geringfügigen Schädigungsfolgen aufgegeben hat. Hierfür spricht auch, dass er s.Zt. keinen ernsthaften Arbeitsversuch als Bäcker unternommen hat.
Bei alledem kann auch nicht etwa von der Behauptung des Klägers ausgegangen werden, er habe nachweislich die Berufsstellung des selbständigen Bäckermeisters angestrebt und wegen der Schädigungsfolgen nicht erreicht. Gegen diese Behauptung spricht neben dem Fehlen eines ernsthaften Arbeitsversuchs, dass er bereits 1951 geheiratet hat und noch die erforderliche Gesellenzeit sowie die Meisterprüfung hätte ablegen müssen. Im übrigen stehen die vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen über seine und seiner Verwandten günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse für den Aufbau einer selbständigen Existenz im Widerspruch zu seiner Erklärung im Schriftsatz vom 29. November 1973, es habe 1950 die Möglichkeit der Geschäftsgründung auch wegen des Fehlens an Krediten nicht gegeben. Letzteres ist aber nicht den Schädigungsfolgen anzulasten. Schließlich spricht auch gegen einen Aufstiegswillen des Klägers, dass er sich offenbar während seiner Tätigkeit bei den Farbwerken H. keiner Fortbildung unterzogen hat.
Der Kläger hat schließlich innerhalb seiner Tätigkeit bei seinem vorgenannten Arbeitgeber keine schädigungsbedingte wesentliche Verdienstminderung erlitten. Aus dessen Auskünften ergibt sich nämlich, dass die Minderung den nach herrschender Meinung im allgemeinen erforderlichen Satz von 20 % nicht erreicht, vielmehr noch unter 15 % liegt, wie der Beklagte zutreffend einwendet.
Da nach alledem die Vorschrift des § 30 Abs. 2 BVG nicht erfüllt ist, war die unbegründete Berufung, wie geschehen, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1919 geborene Kläger hat früher den Bäckerberuf erlernt. Von 1938 bis Mai 1945 gehörte er nach seinen Angaben der Waffen-SS an und befand sich dann bis Januar 1950 in amerikanischer bzw. russischer Kriegsgefangenschaft. Mit Bescheid vom 8. Mai 1953 erkannte der Beklagte zwei Verwundungsnarben als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bei einer den rentenberechtigenden Mindesgrad um 25 v.H. nicht erreichenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) an. Die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung alten Rechts (später Klage) wies das Sozialgericht Wiesbaden aufgrund eines Gutachtens des Internisten Dr. Sch. vom 18. Oktober 1955, welcher bei dem Kläger unter anderem einzelne altersbedingte bronchitische Geräusche feststellte, mit Urteil vom 5. Dezember 1955 als unbegründet ab, weil bei dem Kläger keine schädigungsbedingte Dystrophie bzw. vegetative Dystonie bestünde. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.
Im Oktober 1968 beantragte der Kläger die Anerkennung einer chronischen Asthmabronchitis als Folge seiner mehrjährigen russischen Gefangenschaft. Der Beklagte zog hierauf Unterlagen bezüglich zweier von dem Kläger 1962 und 1969 durchgeführter Kuren bei. In seinem darauf erstatteten Gutachten vom 22. Januar 1969 verneinte der Internist Dr. Ch. das Vorliegen von Schädigungsfolgen insbesondere für die von ihm festgestellte rezidivierende Emphysembronchitis (MdE 40 v.H.), da diese anlagebedingt sei. Hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 1969 eine Neufeststellung des Versorgungsanspruchs nach § 62 Abs. 1 BVG ab. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch wurde mit Bescheid vom 29. September 1969 nicht abgeholfen.
Die hierauf erhobene, auf Rentengewährung unter Anerkennung von rezidivierender Bronchitis als Schädigungsfolge gerichtete Klage wies das Sozialgericht Frankfurt/Main mit Urteil vom 20. April 1971 als unbegründet ab. In den Schädigungsfolgen sei keine wesentliche Änderung eingetreten; die rezidivierende Emphysembronchitis sei nach den Gutachten von Dr. Ch. und Dr. Sch. anlagebedingt.
Gegen dieses ihm am 18. Mai 1971 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Juni 1971 Berufung eingelegt. In seinem nach § 109 SGG erstatteten Gutachten vom 22. Februar 1972 kam der Internist Prof. Dr. St. zu dem Ergebnis, dass die chronische Emphysembronchitis durch Einflüsse der russischen Kriegsgefangenschaft wesentlich mitverursacht und deshalb Schädigungsfolge (MdE 40 v.H.) sei. Bei dem hierauf vom Beklagten angestellten Ermittlungen ergab sich unter anderen, dass der Kläger nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bei den Farbwerken H. AG zunächst im Aussendienst und später im Innendienst als Lagerverwalter tätig war. Hiernach gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 1972 dem Kläger eine Rente nach einer MdE um 40 v.H. ab 1. Oktober 1968 unter Anerkennung der chronischen Emphysembronchitis als weitere Schädigungsfolge; beruflich sei er durch dieses Leiden nicht besonders betroffen. Dieser Bescheid wurde nach §§ 96, 153 SGG Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens.
Der Kläger machte hierauf geltend, die Schädigungsbedingte MdE sei nach § 30 Abs. 2 BVG von 40 v.H. auf 50 v.H. zu erhöhen, da er seit 1963 deswegen im Innendienst habe eingesetzt werden müssen, weil er wegen seiner Schädigungsfolgen keine Akkordarbeit mehr habe verrichten können; deshalb habe er auch einen Minderverdienst aufzuweisen. Ein besonderes berufliches Betroffensein liege auch deshalb vor, weil er wegen seiner Bronchitis den erlernten Bäckerberuf habe aufgeben müssen und zu dem Farbwerken H. AG übergegangen sei. Anderenfalls wäre er als Bäckermeister selbständig geworden, zumal ihm sein Vater und sein Schwiegervater hierzu ausreichendes Kapital hätten beisteuern können. 1950 seien seine Versuche bzw. Absichten, im Bäckerberuf in abhängiger oder selbständiger Stellung tätig zu werden, ohne Erfolg geblieben. Vor dem Kriege sei er noch nicht bei den Farbwerken H. tätig gewesen. Schliesslich vertrat er die Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich zustehe, ferner auch eine Zugunstenregelung seitens des Beklagten, da sich nachträglich die Unrichtigkeit des rechtskräftigen Urteils vom 20. April 1971 herausgestellt habe. Entsprechende Anträge hat er jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt.
Der Kläger beantragt vielmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 20. April 1971 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 12. Juni 1972 zur Zahlung von Rente nach einer MdE um 50 v.H. wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Oktober 1968 zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bestreitet, dass der Kläger die Berufsstellung des Bäckermeisters angestrebt habe, weil er früher als angestrebten Beruf nur "Bäcker” angegeben habe. Ausserdem habe er bereits vor dem Kriege bei den Farbwerken H. AG gearbeitet, ebenso sogleich nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft und ohne Durchführung eines Arbeitsversuchs als Bäcker. Schliesslich habe er nach der Auskunft seines Arbeitgebers nur einen Minderverdienst zwischen 4,8 v.H. und 14,7 v.H. in den Jahren von 1968 bis 1973 aufzuweisen, während nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für ein besonderes berufliches Betroffensein eine Einkommenseinbuße von mindestens etwa 20 v.H. erforderlich sei.
Der Senat hat eine Auskunft der Farbwerke H. AG. vom 13. Juli 1973 eingeholt, wonach der Kläger dort infolge seines Kriegsleidens stets nur angelernte Arbeit verrichtet habe. Es wurde zugleich eine Aufstellung des von dem Kläger in den Jahren 1968 bis 1973 erzielten Bruttoverdienstes im Innendienst sowie des gegebenenfalls erzielbaren Verdienstes im Außendienst mitgeteilt. Im Innendienst erhalte er jedoch einen Akkordausgleich. Der Übergang in den Innendienst sei deshalb erfolgt, weil die Tätigkeit des Klägers im Außendienst infolge von Rationalisierungsmassnahmen weggefallen sei. Da der Kläger gesundheitlich nur beschränkt einsatzfähig sei, habe ihm nach dem Übergang keine gleichwertige Akkordarbeit zugewiesen werden können.
Im Verhandlungstermin am 12. Dezember 1973 hörte der Senat den Kläger an und vertagte sodann die Sache zu weiterer Beweiserhebung. Hierauf wurden Auskünfte der Kreishandwerkerschaft M. vom 11. Januar 1974 und des Bäckerinnungsverbandes Hessen vom 4. April 1974 und der Farbwerke H. AG vom 16. April 1974 eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Hierzu bestreitet der Kläger, dass er gegebenenfalls 1950 als Bäckergeselle weniger verdient hätte als das, was er z.Zt. tatsächlich als Chemiearbeiter verdient habe. Im übrigen legt er mehrere Unterlagen vor, um darzutun, dass er ohne Eintritt der Schädigungsfolgen zur Eröffnung einer eigenen Bäckerei beruflich und wirtschaftlich imstande gewesen wäre.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Versorgungsakten sowie der beigezogenen Unterlagen der Gesundheitsabteilung des Landesversicherungsanstalt Hessen, welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt und nach §§ 143, 148 Nr. 3 SGG statthaft, zumal die Schwerbeschädigteneigenschaft streitig ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Schädigungsbedingte medizinische MdE von nunmehr unstreitig 40 v.H. ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht wegen besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG auf 50 v.H. zu erhöhen.
Ein solches Betroffenseins kann der Kläger zunächst nicht aus seinem vor dem Kriege erlernten Bäckerberuf herleiten, weil er sich von ihm ohne wesentliche Mitwirkung der Schädigungsfolgen abgewendet hat. Diese Abwendung ist wohl schon durch seinen freiwilligen Eintritt in die damalige SS-Verfügungstruppe im Jahre 1938 eingeleitet worden, bei welcher es sich um eine aus Freiwilligen bestehende Organisation der früheren NSDAP und nur um die Vorläuferin der erst 1940 entstandenen Waffen-SS handelte (vgl. Wilke, 3. Aufl., S. 63).
Jedenfalls hat sich der Kläger aber nach der Überzeugung des Senats auch seiner Anfang 1950 erfolgten Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft aus vorbringend schädigungsunabhängigen Gründen von seinem Bäckerberuf abgewendet. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Schädigungsfolgen z.Z. relativ geringfügig waren. Sie wurden von dem Gutachtern Dr. S. (Bl. 13 VA) 1950 mit 20 v.H. und Dr. Witzel (Bl. 22 VA) 1953 mit 0 % eingeschätzt. Während diese Ärzte überhaupt keine Bronchitis diagnostiziert haben, hat der Internist Dr. Sch. 1955 nur einzelne altersentsprechende bronchitische Geräusche festgestellt, so dass damals jedenfalls keine schwerwiegende Bronchitis bestanden haben kann. Andererseits ergibt sich aus der vom Bäckerinnungsverband Hessen erteilten Auskunft vom 5. April 1974, dass der Kläger ggf. 1950 als Bäckergeselle in der für ihn nach Wohn- und früherem Arbeitsort allein zuständigen Ortsklasse III höchstens einen Wochenlohn von 49,30 DM hätte erzielen können. Dagegen hat er tatsächlich bei Auswertung der Auskunft der Farbwerke H. AG vom 16. April 1974 dort 1950 während seiner Beschäftigung von 34 Wochen Dauer einen durchschnittlichen Wochenlohn von immerhin ca. 60,30 DM erzielt. Alle diese Umstände erlauben den Schluss, dass der Kläger den Bäckerberuf 1950 hauptsächlich zugunsten des anderwärts nicht unwesentlich höheren Verdienstes (bei übrigens wohl auch besseren Arbeitsbedingungen) und nicht wegen der damals relativ geringfügigen Schädigungsfolgen aufgegeben hat. Hierfür spricht auch, dass er s.Zt. keinen ernsthaften Arbeitsversuch als Bäcker unternommen hat.
Bei alledem kann auch nicht etwa von der Behauptung des Klägers ausgegangen werden, er habe nachweislich die Berufsstellung des selbständigen Bäckermeisters angestrebt und wegen der Schädigungsfolgen nicht erreicht. Gegen diese Behauptung spricht neben dem Fehlen eines ernsthaften Arbeitsversuchs, dass er bereits 1951 geheiratet hat und noch die erforderliche Gesellenzeit sowie die Meisterprüfung hätte ablegen müssen. Im übrigen stehen die vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen über seine und seiner Verwandten günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse für den Aufbau einer selbständigen Existenz im Widerspruch zu seiner Erklärung im Schriftsatz vom 29. November 1973, es habe 1950 die Möglichkeit der Geschäftsgründung auch wegen des Fehlens an Krediten nicht gegeben. Letzteres ist aber nicht den Schädigungsfolgen anzulasten. Schließlich spricht auch gegen einen Aufstiegswillen des Klägers, dass er sich offenbar während seiner Tätigkeit bei den Farbwerken H. keiner Fortbildung unterzogen hat.
Der Kläger hat schließlich innerhalb seiner Tätigkeit bei seinem vorgenannten Arbeitgeber keine schädigungsbedingte wesentliche Verdienstminderung erlitten. Aus dessen Auskünften ergibt sich nämlich, dass die Minderung den nach herrschender Meinung im allgemeinen erforderlichen Satz von 20 % nicht erreicht, vielmehr noch unter 15 % liegt, wie der Beklagte zutreffend einwendet.
Da nach alledem die Vorschrift des § 30 Abs. 2 BVG nicht erfüllt ist, war die unbegründete Berufung, wie geschehen, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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