Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 4949/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 986/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 1998 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, DM 182.648,82 an die Klägerin zu erstatten.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Aufwendungen für Hinterbliebenenleistungen.
Die Eheleute K. J. und K. Z., geborene S., errichteten 1985 ein Eigenheim mit Doppelgarage als Anbau an ein bestehendes Wohnhaus der Familie S ... Der Vater der Ehefrau, P. S. stürzte am 29. November 1985 bei Arbeiten im Rohbau durch die Speicherdecke auf einen Betonfußboden, zog sich einen Schädelbasisbruch zu und verstarb daran. Die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises in Montabaur erkannte das Bauvorhaben mit Bescheid vom 6. Dezember 1985 als steuerbegünstigtes Eigenheim im Sinne des 2. Wohnungsbaugesetzes (WobauG) an.
Nachdem die Klägerin im Frühjahr 1985 von der zuständigen Baubehörde über das Vorhaben informiert worden war, trat sie mit den Bauherren in Kontakt und erhielt am 18. Oktober 1985 deren Eigenbaunachweis für die Zeit bis 30. September 1985. Mit Bescheid vom 8. November 1985 stellte die Klägerin die aufgrund der Lohnnachweise von April bis September 1985 angefallenen Beiträge fest. Da die Bauherren angegeben hatten, noch einen Anerkennungsbescheid nach dem 2. WobauG erwirken zu wollen, erging der Bescheid unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Die Bauherren zeigten der Beklagten das Unfallereignis am 17. Dezember 1985 schriftlich an. Mit der Klägerin hatten sie offenbar am Vortage deswegen telefoniert. Mit Schreiben des Bauherrn vom 24. Dezember 1985 und weiterem Schreiben der Beklagten vom 2. Januar 1986 erhielt die Klägerin schriftlich Kenntnis vom Unfall des P. S ... Die Beteiligten korrespondierten miteinander und konnten sich über ihre Zuständigkeit für die Entschädigung des Unfalles nicht einigen, da die Beklagte als nach § 539 Abs. 1 Ziffer 15 Reichsversicherungsordnung (RVO) an sich zuständiger Unfallversicherungsträger die Auffassung vertrat, durch den Beitragsbescheid der Klägerin vom 8. November 1985 und den Arbeitsunfall vom 29. November 1985 sei ein formales Versicherungsverhältnis gegenüber der Klägerin entstanden, das deren Zuständigkeit auf Dauer begründe. Mit Schreiben vom 25. Februar 1986 empfahl sie der Klägerin im Interesse der Hinterbliebenen "als erstangegangener Unfallversicherungsträger Leistungen vorläufig zu erbringen und Ihren Anspruch gegenüber uns im Klagewege geltend zu machen”.
Die Klägerin gewährte der Witwe des Verstorbenen, H. S. mit formlosem Bescheid vom 21. März 1986 einen Vorschuß in Höhe von DM 5.000,00 und übersandte der Beklagten eine Durchschrift des Schreibens mit der Bemerkung, die Leistungen würden gemäß § 1735 RVO gewährt und Feststellungsklage erhoben. Dies geschah sodann mit Klageschrift vom 27. März 1986 vor dem Sozialgericht Koblenz, welches den Rechtsstreit an das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) verwies. Das SG setzte das Verfahren 1989 aus bis zur Entscheidung zweier gleichgelagerter Rechtsstreite durch den erkennenden Senat. Nach Vorliegen der Senatsentscheidungen rief die Klägerin das Verfahren 1991 wieder auf und die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 11. Dezember 1991, daß sie zuständiger Unfallversicherungsträger für den Unfall des P. S. vom 29. November 1985 sei. Der Rechtsstreit, Az.: S-8/U – 1584/87, wurde beendet, indem die Klägerin das Anerkenntnis der Beklagten mit Schriftsatz vom 30. Januar 1992 annahm. Mit Bescheid vom 25. April 1986 hatte die Klägerin gegenüber der Witwe ab 29. November 1985 Witwenrente, Überbrückungshilfe und Sterbegeld als vorläufige Leistung gezahlt und den Vorschuß in Anrechnung gebracht. Die Durchschrift dieses Bescheides hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Juni 1988 an die Beklagte im Klageverfahren übersandt (Eingang bei der Beklagten am 4. Juli 1988).
Mit Schreiben vom 27. Februar 1995 – bei der Beklagten am 2. März 1995 eingegangen – übersandte die Klägerin ihre Restakte an die Beklagte und teilte mit, die Original-Unfallakte sei offenbar auf dem Postwege verloren gegangen. Sie forderte die Beklagte auf, die ihr bisher entstandenen Aufwendungen für Hinterbliebenenleistungen in Höhe von DM 211.503,40 zu erstatten und ab 1. Juni 1995 die Weiterzahlung der Witwenrente zu übernehmen. Mit Schreiben vom 28. Juni 1995 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die Ausschlußfrist des § 111 Sozialgesetzbuch – 10. Teil (SGB 10) eine Erstattung ab, soweit die Leistungen nicht im Jahr vor der Anmeldung erbracht seien und bat, das Erstattungsbegehren zu berichtigen. Sie gewährt ab 1. Juni 1995 Witwenrente (Bescheid vom 23. Mai 1995).
Die Klägerin erhob am 22. Dezember 1995 Leistungsklage vor dem SG und ging davon aus, daß sie ihren Erstattungsanspruch im Sinne des § 111 SGB 10 bereits angemeldet habe, indem sie das Schreiben vom 21. März 1986 an die Beklagte übersandt habe, dem die Mitteilung über die vorläufige Leistungserbringung an die Witwe beigefügt gewesen sei. Zumindest liege aber eine Anmeldung darin, daß sie die Feststellungsklage am 27. März 1986 erhoben habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich für Erstattungsansprüche, die die Zeit vor dem 1. Januar 1991 erfassen, hilfsweise auf Verjährung nach § 113 Abs. 1 SGB 10 berufen. Weder der Feststellungsklage noch dem Anerkenntnis ihrerseits in diesem Prozeß könne die Wirkung einer Unterbrechung der Verjährung beigemessen werden (§§ 208, 209 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB–). Die Witwenrentenzahlungen der Klägerin von April 1994 bis Mai 1995 hat die Beklagte in Höhe von DM 28.854,60 im Laufe des Klageverfahrens erstattet.
Die entsprechend reduzierte Klage hat das SG mit Urteil vom 28. April 1998 abgewiesen, da die Klägerin zwar einen Erstattungsanspruch gehabt habe, der jedoch für die vor April 1994 erbrachten Leistungen durch die Frist des § 111 SGB 10 ausgeschlossen sei. Die Klägerin habe ihren Erstattungsanspruch nicht bereits 1986 geltend gemacht, da im damaligen kurzen Schriftwechsel kein eindeutig auf das Geltendmachen eines Erstattungsanspruches gerichtetes Verhalten der Klägerin zu erkennen sei – auch nicht in der Übersendung des Schreibens vom 21. März 1986 mit Durchschrift des Bescheides über die Vorschußzahlung an die Witwe. Dasselbe gelte für die Erhebung der Feststellungsklage sowie die Übersendung des Witwenrentenbescheides mit Schriftsatz vom 20. Juni 1988 im Feststellungsstreit. Zwar habe die Be klagte damit möglicherweise den auf sie zukommenden Erstattungsanspruch der Höhe nach in etwa errechnen können. Dies genüge jedoch nicht den Anforderungen für ein eindeutiges konkludentes Verhalten.
Gegen das ihr am 29. Juni 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Juli 1998 Berufung eingelegt und hat darin an ihrer Auffassung festgehalten, daß sie mit der Feststellungsklage inzidenter den Erstattungsanspruch konkludent geltend gemacht habe. Dieser Anspruch sei auch nicht verjährt, da die Feststellungsklage den Eintritt der Verjährung unterbrochen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 1998 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von DM 182.648,82 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen und hält die Entscheidung des SG für im Ergebnis wie auch in der Begründung zutreffend. Dem Verhalten der Klägerin sei nicht zu entnehmen, daß sie zumindest konkludent einen Erstattungsanspruch geltend gemacht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 151. Abs. 1, 143, 144 Abs. 1 Ziffer 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) ist begründet. Sie hat einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten aus § 102 SGB 10, da sie vorläufige Hinterbliebenenleistungen an die Witwe H. S. erbracht hat, für deren Gewährung nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO an sich die Beklagte zuständig war. Ihre Zuständigkeit hat die Beklagte mittlerweile auf die 1986 hin erhobene Feststellungsklage vor dem Sozialgericht Koblenz bzw. dem Sozialgericht Frankfurt am Main auch anerkannt. Da dem Erstattungsanspruch der Klägerin die Ausschlußfrist des § 111 SGB 10 nicht entgegensteht und die Beklagte sich auch nicht auf den Eintritt der Verjährung nach § 113 SGB 10 berufen kann, war die Beklagte zur Erstattung des der Höhe nach unstreitigen Restbetrages für die von der Klägerin erbrachten vorläufigen Leistungen in Höhe von DM 182.648,82 zu verurteilen.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin war nicht nach § 111 SGB 10 ausgeschlossen, wobei diese Ausschlußfrist von Amts wegen zu beachten und unverzichtbar ist (Schroeder-Printzen, u.a., SGB 10, Anm. 3.3 zu § 111). Denn die erstattungsberechtigte Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist begann frühestens mit Entstehung des Erstattungsanspruches anläßlich der erstmaligen Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aufgrund des Bescheides vom 25. April 1986. Die Klägerin war durch Erhebung der Feststellungsklage vor dem Sozialgericht Koblenz mit Klageschrift vom 27. März 1986 bereits zuvor rechtswahrend tätig geworden, was unbedenklich ist, da die Ausschlußfrist auch zukünftige Ansprüche erfassen kann (BSG in SozR 1300 Nr. 3 zu § 111 SGB 10; Hauck-Haines, SGB 10, Anm. 3 a). Das "Geltendmachen” ist kein Verwaltungsakt, vielmehr eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die an keine besondere Form gebunden ist (Hauck-Haines, a.a.O.). Sie meint keine ausdrückliche Erklärung, läßt vielmehr ein "Vorbringen, Anführen, Behaupten” genügen und erfordert nicht die Darlegung in allen Einzelheiten (BSG, Urteil vom 25. Juni 1964, Az.: 4 RJ 89/62 zu § 1539 RVO; Schroeder-Printzen, a.a.O., Anm. 2 zu § 111). Die Mitteilung muß erkennen lassen, daß und für wen Sozialleistungen gewährt wurden (von Maydell, Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB 10, Anm. 21 zu § 111). Der Wille, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, muß einer bestimmten Handlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles deutlich erkennbar zugrunde liegen, soll sie konkludent als Geltendmachung eines Erstattungsanspruches gewertet werden können (BSG in SozR 1300 Nr. 4 zu § 111 SGB 10; Schroeder-Printzen, a.a.O., Hauck-Haines, a.a.O., Anm. 4 zu § 111). Die Auslegungen der Mitteilung als einer Willenserklärung hat mit dem Ziel zu erfolgen, den wirklichen Willen zu erforschen, wie er für den Erklärungsgegner erkennbar geworden ist und wie dieser die Erklärung nach Treu und Glauben nach der Verkehrsauffassung verstehen mußte, wobei die besondere Sachkunde der Beklagten als Unfallversicherungsträger Berücksichtigung finden muß (Grüner, Verwaltungsverfahren, SGB 10, Anm. 3 zu § 111; BSG in: USK 8320; LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 20. Juli 1988, L-17/U – 85/87).
Die Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch im Sinne des § 111 SGB 10 "geltend gemacht”, indem sie 1986 Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Ziffer 2 SGG vor dem Sozialgericht Koblenz eingelegt hatte. Die Beklagte konnte dieser Handlung unzweifelhaft den Willen der Klägerin entnehmen, rechtssichernd tätig zu werden. Dies gilt umso mehr, als sie der Klägerin im Schreiben vom 25. Februar 1986 eben dieses Vorgehen selbst empfohlen hatte. Indem die Klägerin der Beklagten vorprozessual den gegenüber der Witwe ergangenen formlosen Vorschußbescheid vom 21. März 1986 zur Kenntnis brachte und während des Feststellungsstreitverfahrens in gleicher Weise mit dem die Hinterbliebenenleistungen feststellenden und gewährenden Bescheid vom 25. April 1986 verfuhr (an die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Juni 1988 übersandt), versetzte sie die Beklagte zudem in die Lage, die Höhe des Erstattungsanspruches exakt selbst zu berechnen und sich auf eine entsprechende Rückzahlung einzurichten. Die Beklagte konnte aufgrund dieses Verhaltens der Klägerin "geradezu mit den Händen greifen”, daß es der Klägerin letztlich nicht nur um die im Klageverfahren geforderte Feststellung sondern letztlich um die Regulierung ihrer Aufwendungen ging. Für die Klägerin wäre es ein leichtes gewesen, den Feststellungsantrag auf einen Leistungsantrag umzustellen, wenn sie damit hätte rechnen müssen, daß die Beklagte ihrer Erstattungspflicht nicht nachkommen wolle, nachdem sie selbst das von der Klägerin gewählte Verfahren vorgeschlagen hatte. Bei Umstellung des Feststellungs- auf einen Leistungsantrag hätte es sich nicht einmal um eine Klageänderung gehandelt (§§ 99 Abs. 3 Ziffer 2 SGG; dazu BSGE 48, 196; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Anmerkungen, Anm. 4 zu § 99 m.w.N.).
Die Auffassung des Senats steht in Übereinstimmung mit der zwischen Unfallversicherungs- bzw. Sozialversicherungsträgern geübten Praxis. Im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern geht man allgemein davon aus, daß durch Übersendung der Unfallanzeige nach § 1503 RVO im Wege schlüssigen Handelns der Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegenüber dem Unfallversicherungsträger geltend gemacht wurde (Eichenhöfer in: Wannagat, SGB, Anm. 7 zu § 111 SGB 10), was die Unfallversicherungsträger in der Praxis als Geltendmachen eines Erstattungsanspruches nach § 1504 RVO angesehen hatten (so Pickel, SGB 10, Kommentar, Anm. 1 zu § 111 unter Hinweis auf das dort abgedruckte gemeinsame Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialleistungsträger vom 10. und 11. März 1983 zu § 111 und die ergänzenden Erläuterungen der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 6. Dezember 1983). Die ausdrückliche Verwendung des Wortes "Erstattung/Erstattungsanspruch” ist nicht zu fordern. Die Rechtsprechung (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 1988, Az.: L-17/U – 85/87) hat schon in der Übersendung eines Vorerkrankungsverzeichnisses durch die Krankenkasse auf Bitten der BG in einem BK-Verfahren verbunden mit der Bitte um Unterrichtung, sofern eine BK anerkannt werde, eine Geltendmachung im Sinne des § 111 SGB 10 gesehen. Schließlich steht die Entscheidung des BSG in SozR 1300 Nr. 4 zu § 111 SGB 10 der Auffassung des Senats nicht entgegen. Das BSG hatte dort eine Aktenübersendung mit Formularbegleitschreiben nicht als Willenserklärung gewertet, die die Anmeldung eines Erstattungsanspruches enthalte, nachdem die Klägerin sich im vorhergehenden Rechtsstreit noch als zuständiger Leistungsträger bezeichnet hatte. Angesichts dessen spreche alles dafür, daß sie davon auch bei Aktenübersendung ausgegangen sei. Im anhängigen Berufungsverfahren mußte die Beklagte indessen aufgrund ihres eigenen Vorverhaltens und von ihrem "Empfängerhorizont” als Unfallversicherungsträger eher gerade umgekehrt davon ausgehen, daß die Klägerin die Feststellungsklage einlegte, und ihre Mitteilungen über die an die Witwe gezahlten vorläufigen Leistungen aus dem Grunde machte, weil sie sie für die zuständige Leistungsträgerin hielt und von ihr die vorläufig erbrachten Leistungen zurück haben wollte. Die abweichende erstinstanzliche Entscheidung hat die von Verwaltungspraxis und Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für eine konkludente Geltendmachung des Erstattungsanspruches nach § 111 SGB 10 verkannt und zudem das eigene Verhalten der Beklagten nicht sachgerecht gewürdigt und ist daher zu einer im Ergebnis fehlerhaften Abweisung der Klage gelangt.
Die Verjährungseinrede der Beklagten, die diese im Klageverfahren erhoben und im Berufungsverfahren hilfsweise aufrecht erhalten hat, greift nicht durch. Denn die Verjährungsfrist beträgt für Erstattungsansprüche vier Jahre mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Für die Hemmung, die Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des BGB sinngemäß (§ 113 SGB 10). Der Erstattungsanspruch nach § 102 SGB 10 entsteht mit Erbringen der vorläufigen Leistung (Schroeder-Printzen, a.a.O., Anm. 2.1 und 2.2 zu § 113), bei wiederkehrenden Leistungen wird jede Einzelleistung vom Verjährungsablauf erfaßt. Da die Feststellungsklage vom 27. März 1986 zu einer Unterbrechung der Verjährung nach § 113 Abs. 2 SGB 10 i.V.m. §.209 Abs. 1 BGB geführt hatte, die bis zur Beendigung des Prozesses durch Anerkenntnis im Januar 1992 andauerte (§ 211 Abs. 1 BGB) und weiter zur Folge hatte, daß die vierjährige Verjährungsfrist anschließend neu zu laufen begann (§ 217 BGB) und durch die Erstattungsklage vom 22. Dezember 1995 vor dem SG wieder unterbrochen wurde, ist bislang eine Verjährung nicht eingetreten.
Die "Gemeinsame Empfehlung der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger zur Anwendung der Ausschlußfrist des § 111 SGB 10 auf vorläufige Leistungen”, auf die sich die Beteiligten vorprozessual wiederholt bezogen haben, weist zutreffend daraufhin, "mit Erhebung der Feststellungsklage über die Zuständigkeit des UV-Trägers wird nämlich zugleich auch immanent dem Grunde nach die Feststellung der Erstattungspflicht dieses UV-Trägers beantragt”. Dies allein war das mit dem Vorgehen der Klägerin verfolgte Endziel und die Beklagte hatte die Klägerin dazu ja gerade aufgefordert. Auch wenn die Klägerin ihre Feststellungsklage nicht ausdrücklich in eine Leistungsklage im Rahmen des § 99 Abs. 3 Ziffer 2 SGG umgestellt hatte, so hatte sie die Beklagte doch über den Umfang der zu erstattenden Beträge durch Übersendung der vorläufigen Leistungen an die Witwe gewährenden Bescheide informiert. Auch die Zivilrechtsprechung (BGHZ 103, 298, 301) geht davon aus, daß der gesamte unfallbedingte Schaden auf eine Feststellungsklage hin rechtshängig wird, womit die Beklagte verpflichtet werden soll, den weiteren Schaden aus einem Unfall zu ersetzen. Die unbezifferte Feststellungsklage setzt einen Unterbrechungstatbestand für die Verjährung hinsichtlich des mit ihr verfolgten Streitgegenstandes und führt zur Unterbrechung der Verjährung im Ganzen (Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, Anm. 2 und 15 zu § 209). Die Beklagte wendet zwar ein, daß Streitgegenstand der vor dem SG seit 1986 betriebenen Klage kein Erstattungsanspruch gewesen sei, der erst mit Klage vom 22. Dezember 1995 explizit geltend gemacht worden sei. Der Klägerin ging es aber bereits im Feststellungsverfahren maßgeblich um die Durchsetzung der Erstattungsverpflichtung, zumal sie nach dem Vorverhalten der Beklagten keinerlei Hinweise dafür hatte, daß die Beklagte einem Erstattungsbegehren nicht nachkommen würde. Im sozialgerichtlichen Verfahren wird ein Kläger – gleich ob ein Versicherter oder ein Versicherungsträger – auch ansonsten zur Durchsetzung eines Leistungsanspruches gegenüber einem Sozialversicherungsträger nicht auf eine Leistungsklage verwiesen. Vielmehr wird eine Feststellungsklage auch bei im übrigen bezifferbaren Leistungsbegehren für zulässig gehalten, da davon ausgegangen wird, daß ein nach § 55 Abs. 1 Ziffer 2 SGG als zuständig festgestellter Versicherungsträger seinen Verpflichtungen auch nachkommen wird (BSGE 10, 21, 24; 15, 52).
Auf die Berufung der Klägerin war daher die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, da das SG mit einer nicht zutreffenden Begründung davon ausgegangen ist, daß die Klägerin die Ausschlußfrist des § 111 SGB 10 versäumt habe, und die Beklagte darüber hinaus mit der Verjährungseinrede nach § 113 SGB 10 nicht durchdringt. Der Senat mußte angesichts dessen die Frage nicht entscheiden, ob die Beklagte bei pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens (dazu Schroeder-Printzen, a.a.O., Anm. 4 zu § 113) unter Berücksichtigung ihres eigenen Vorverhaltens gegenüber der Klägerin einerseits und des unter Sozialversicherungsträger sicher erhebliche Bedeutung erlangenden Grundsatzes von Treu und Glauben nicht ohnehin davon hätte absehen müssen, sich auf den Zeitablauf zu berufen, wenn die Verjährungsfrist denn abgelaufen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 1 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Aufwendungen für Hinterbliebenenleistungen.
Die Eheleute K. J. und K. Z., geborene S., errichteten 1985 ein Eigenheim mit Doppelgarage als Anbau an ein bestehendes Wohnhaus der Familie S ... Der Vater der Ehefrau, P. S. stürzte am 29. November 1985 bei Arbeiten im Rohbau durch die Speicherdecke auf einen Betonfußboden, zog sich einen Schädelbasisbruch zu und verstarb daran. Die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises in Montabaur erkannte das Bauvorhaben mit Bescheid vom 6. Dezember 1985 als steuerbegünstigtes Eigenheim im Sinne des 2. Wohnungsbaugesetzes (WobauG) an.
Nachdem die Klägerin im Frühjahr 1985 von der zuständigen Baubehörde über das Vorhaben informiert worden war, trat sie mit den Bauherren in Kontakt und erhielt am 18. Oktober 1985 deren Eigenbaunachweis für die Zeit bis 30. September 1985. Mit Bescheid vom 8. November 1985 stellte die Klägerin die aufgrund der Lohnnachweise von April bis September 1985 angefallenen Beiträge fest. Da die Bauherren angegeben hatten, noch einen Anerkennungsbescheid nach dem 2. WobauG erwirken zu wollen, erging der Bescheid unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Die Bauherren zeigten der Beklagten das Unfallereignis am 17. Dezember 1985 schriftlich an. Mit der Klägerin hatten sie offenbar am Vortage deswegen telefoniert. Mit Schreiben des Bauherrn vom 24. Dezember 1985 und weiterem Schreiben der Beklagten vom 2. Januar 1986 erhielt die Klägerin schriftlich Kenntnis vom Unfall des P. S ... Die Beteiligten korrespondierten miteinander und konnten sich über ihre Zuständigkeit für die Entschädigung des Unfalles nicht einigen, da die Beklagte als nach § 539 Abs. 1 Ziffer 15 Reichsversicherungsordnung (RVO) an sich zuständiger Unfallversicherungsträger die Auffassung vertrat, durch den Beitragsbescheid der Klägerin vom 8. November 1985 und den Arbeitsunfall vom 29. November 1985 sei ein formales Versicherungsverhältnis gegenüber der Klägerin entstanden, das deren Zuständigkeit auf Dauer begründe. Mit Schreiben vom 25. Februar 1986 empfahl sie der Klägerin im Interesse der Hinterbliebenen "als erstangegangener Unfallversicherungsträger Leistungen vorläufig zu erbringen und Ihren Anspruch gegenüber uns im Klagewege geltend zu machen”.
Die Klägerin gewährte der Witwe des Verstorbenen, H. S. mit formlosem Bescheid vom 21. März 1986 einen Vorschuß in Höhe von DM 5.000,00 und übersandte der Beklagten eine Durchschrift des Schreibens mit der Bemerkung, die Leistungen würden gemäß § 1735 RVO gewährt und Feststellungsklage erhoben. Dies geschah sodann mit Klageschrift vom 27. März 1986 vor dem Sozialgericht Koblenz, welches den Rechtsstreit an das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) verwies. Das SG setzte das Verfahren 1989 aus bis zur Entscheidung zweier gleichgelagerter Rechtsstreite durch den erkennenden Senat. Nach Vorliegen der Senatsentscheidungen rief die Klägerin das Verfahren 1991 wieder auf und die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 11. Dezember 1991, daß sie zuständiger Unfallversicherungsträger für den Unfall des P. S. vom 29. November 1985 sei. Der Rechtsstreit, Az.: S-8/U – 1584/87, wurde beendet, indem die Klägerin das Anerkenntnis der Beklagten mit Schriftsatz vom 30. Januar 1992 annahm. Mit Bescheid vom 25. April 1986 hatte die Klägerin gegenüber der Witwe ab 29. November 1985 Witwenrente, Überbrückungshilfe und Sterbegeld als vorläufige Leistung gezahlt und den Vorschuß in Anrechnung gebracht. Die Durchschrift dieses Bescheides hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Juni 1988 an die Beklagte im Klageverfahren übersandt (Eingang bei der Beklagten am 4. Juli 1988).
Mit Schreiben vom 27. Februar 1995 – bei der Beklagten am 2. März 1995 eingegangen – übersandte die Klägerin ihre Restakte an die Beklagte und teilte mit, die Original-Unfallakte sei offenbar auf dem Postwege verloren gegangen. Sie forderte die Beklagte auf, die ihr bisher entstandenen Aufwendungen für Hinterbliebenenleistungen in Höhe von DM 211.503,40 zu erstatten und ab 1. Juni 1995 die Weiterzahlung der Witwenrente zu übernehmen. Mit Schreiben vom 28. Juni 1995 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die Ausschlußfrist des § 111 Sozialgesetzbuch – 10. Teil (SGB 10) eine Erstattung ab, soweit die Leistungen nicht im Jahr vor der Anmeldung erbracht seien und bat, das Erstattungsbegehren zu berichtigen. Sie gewährt ab 1. Juni 1995 Witwenrente (Bescheid vom 23. Mai 1995).
Die Klägerin erhob am 22. Dezember 1995 Leistungsklage vor dem SG und ging davon aus, daß sie ihren Erstattungsanspruch im Sinne des § 111 SGB 10 bereits angemeldet habe, indem sie das Schreiben vom 21. März 1986 an die Beklagte übersandt habe, dem die Mitteilung über die vorläufige Leistungserbringung an die Witwe beigefügt gewesen sei. Zumindest liege aber eine Anmeldung darin, daß sie die Feststellungsklage am 27. März 1986 erhoben habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich für Erstattungsansprüche, die die Zeit vor dem 1. Januar 1991 erfassen, hilfsweise auf Verjährung nach § 113 Abs. 1 SGB 10 berufen. Weder der Feststellungsklage noch dem Anerkenntnis ihrerseits in diesem Prozeß könne die Wirkung einer Unterbrechung der Verjährung beigemessen werden (§§ 208, 209 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB–). Die Witwenrentenzahlungen der Klägerin von April 1994 bis Mai 1995 hat die Beklagte in Höhe von DM 28.854,60 im Laufe des Klageverfahrens erstattet.
Die entsprechend reduzierte Klage hat das SG mit Urteil vom 28. April 1998 abgewiesen, da die Klägerin zwar einen Erstattungsanspruch gehabt habe, der jedoch für die vor April 1994 erbrachten Leistungen durch die Frist des § 111 SGB 10 ausgeschlossen sei. Die Klägerin habe ihren Erstattungsanspruch nicht bereits 1986 geltend gemacht, da im damaligen kurzen Schriftwechsel kein eindeutig auf das Geltendmachen eines Erstattungsanspruches gerichtetes Verhalten der Klägerin zu erkennen sei – auch nicht in der Übersendung des Schreibens vom 21. März 1986 mit Durchschrift des Bescheides über die Vorschußzahlung an die Witwe. Dasselbe gelte für die Erhebung der Feststellungsklage sowie die Übersendung des Witwenrentenbescheides mit Schriftsatz vom 20. Juni 1988 im Feststellungsstreit. Zwar habe die Be klagte damit möglicherweise den auf sie zukommenden Erstattungsanspruch der Höhe nach in etwa errechnen können. Dies genüge jedoch nicht den Anforderungen für ein eindeutiges konkludentes Verhalten.
Gegen das ihr am 29. Juni 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Juli 1998 Berufung eingelegt und hat darin an ihrer Auffassung festgehalten, daß sie mit der Feststellungsklage inzidenter den Erstattungsanspruch konkludent geltend gemacht habe. Dieser Anspruch sei auch nicht verjährt, da die Feststellungsklage den Eintritt der Verjährung unterbrochen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 1998 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von DM 182.648,82 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen und hält die Entscheidung des SG für im Ergebnis wie auch in der Begründung zutreffend. Dem Verhalten der Klägerin sei nicht zu entnehmen, daß sie zumindest konkludent einen Erstattungsanspruch geltend gemacht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 151. Abs. 1, 143, 144 Abs. 1 Ziffer 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) ist begründet. Sie hat einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten aus § 102 SGB 10, da sie vorläufige Hinterbliebenenleistungen an die Witwe H. S. erbracht hat, für deren Gewährung nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO an sich die Beklagte zuständig war. Ihre Zuständigkeit hat die Beklagte mittlerweile auf die 1986 hin erhobene Feststellungsklage vor dem Sozialgericht Koblenz bzw. dem Sozialgericht Frankfurt am Main auch anerkannt. Da dem Erstattungsanspruch der Klägerin die Ausschlußfrist des § 111 SGB 10 nicht entgegensteht und die Beklagte sich auch nicht auf den Eintritt der Verjährung nach § 113 SGB 10 berufen kann, war die Beklagte zur Erstattung des der Höhe nach unstreitigen Restbetrages für die von der Klägerin erbrachten vorläufigen Leistungen in Höhe von DM 182.648,82 zu verurteilen.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin war nicht nach § 111 SGB 10 ausgeschlossen, wobei diese Ausschlußfrist von Amts wegen zu beachten und unverzichtbar ist (Schroeder-Printzen, u.a., SGB 10, Anm. 3.3 zu § 111). Denn die erstattungsberechtigte Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist begann frühestens mit Entstehung des Erstattungsanspruches anläßlich der erstmaligen Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aufgrund des Bescheides vom 25. April 1986. Die Klägerin war durch Erhebung der Feststellungsklage vor dem Sozialgericht Koblenz mit Klageschrift vom 27. März 1986 bereits zuvor rechtswahrend tätig geworden, was unbedenklich ist, da die Ausschlußfrist auch zukünftige Ansprüche erfassen kann (BSG in SozR 1300 Nr. 3 zu § 111 SGB 10; Hauck-Haines, SGB 10, Anm. 3 a). Das "Geltendmachen” ist kein Verwaltungsakt, vielmehr eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die an keine besondere Form gebunden ist (Hauck-Haines, a.a.O.). Sie meint keine ausdrückliche Erklärung, läßt vielmehr ein "Vorbringen, Anführen, Behaupten” genügen und erfordert nicht die Darlegung in allen Einzelheiten (BSG, Urteil vom 25. Juni 1964, Az.: 4 RJ 89/62 zu § 1539 RVO; Schroeder-Printzen, a.a.O., Anm. 2 zu § 111). Die Mitteilung muß erkennen lassen, daß und für wen Sozialleistungen gewährt wurden (von Maydell, Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB 10, Anm. 21 zu § 111). Der Wille, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, muß einer bestimmten Handlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles deutlich erkennbar zugrunde liegen, soll sie konkludent als Geltendmachung eines Erstattungsanspruches gewertet werden können (BSG in SozR 1300 Nr. 4 zu § 111 SGB 10; Schroeder-Printzen, a.a.O., Hauck-Haines, a.a.O., Anm. 4 zu § 111). Die Auslegungen der Mitteilung als einer Willenserklärung hat mit dem Ziel zu erfolgen, den wirklichen Willen zu erforschen, wie er für den Erklärungsgegner erkennbar geworden ist und wie dieser die Erklärung nach Treu und Glauben nach der Verkehrsauffassung verstehen mußte, wobei die besondere Sachkunde der Beklagten als Unfallversicherungsträger Berücksichtigung finden muß (Grüner, Verwaltungsverfahren, SGB 10, Anm. 3 zu § 111; BSG in: USK 8320; LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 20. Juli 1988, L-17/U – 85/87).
Die Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch im Sinne des § 111 SGB 10 "geltend gemacht”, indem sie 1986 Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Ziffer 2 SGG vor dem Sozialgericht Koblenz eingelegt hatte. Die Beklagte konnte dieser Handlung unzweifelhaft den Willen der Klägerin entnehmen, rechtssichernd tätig zu werden. Dies gilt umso mehr, als sie der Klägerin im Schreiben vom 25. Februar 1986 eben dieses Vorgehen selbst empfohlen hatte. Indem die Klägerin der Beklagten vorprozessual den gegenüber der Witwe ergangenen formlosen Vorschußbescheid vom 21. März 1986 zur Kenntnis brachte und während des Feststellungsstreitverfahrens in gleicher Weise mit dem die Hinterbliebenenleistungen feststellenden und gewährenden Bescheid vom 25. April 1986 verfuhr (an die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Juni 1988 übersandt), versetzte sie die Beklagte zudem in die Lage, die Höhe des Erstattungsanspruches exakt selbst zu berechnen und sich auf eine entsprechende Rückzahlung einzurichten. Die Beklagte konnte aufgrund dieses Verhaltens der Klägerin "geradezu mit den Händen greifen”, daß es der Klägerin letztlich nicht nur um die im Klageverfahren geforderte Feststellung sondern letztlich um die Regulierung ihrer Aufwendungen ging. Für die Klägerin wäre es ein leichtes gewesen, den Feststellungsantrag auf einen Leistungsantrag umzustellen, wenn sie damit hätte rechnen müssen, daß die Beklagte ihrer Erstattungspflicht nicht nachkommen wolle, nachdem sie selbst das von der Klägerin gewählte Verfahren vorgeschlagen hatte. Bei Umstellung des Feststellungs- auf einen Leistungsantrag hätte es sich nicht einmal um eine Klageänderung gehandelt (§§ 99 Abs. 3 Ziffer 2 SGG; dazu BSGE 48, 196; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Anmerkungen, Anm. 4 zu § 99 m.w.N.).
Die Auffassung des Senats steht in Übereinstimmung mit der zwischen Unfallversicherungs- bzw. Sozialversicherungsträgern geübten Praxis. Im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern geht man allgemein davon aus, daß durch Übersendung der Unfallanzeige nach § 1503 RVO im Wege schlüssigen Handelns der Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegenüber dem Unfallversicherungsträger geltend gemacht wurde (Eichenhöfer in: Wannagat, SGB, Anm. 7 zu § 111 SGB 10), was die Unfallversicherungsträger in der Praxis als Geltendmachen eines Erstattungsanspruches nach § 1504 RVO angesehen hatten (so Pickel, SGB 10, Kommentar, Anm. 1 zu § 111 unter Hinweis auf das dort abgedruckte gemeinsame Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialleistungsträger vom 10. und 11. März 1983 zu § 111 und die ergänzenden Erläuterungen der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 6. Dezember 1983). Die ausdrückliche Verwendung des Wortes "Erstattung/Erstattungsanspruch” ist nicht zu fordern. Die Rechtsprechung (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 1988, Az.: L-17/U – 85/87) hat schon in der Übersendung eines Vorerkrankungsverzeichnisses durch die Krankenkasse auf Bitten der BG in einem BK-Verfahren verbunden mit der Bitte um Unterrichtung, sofern eine BK anerkannt werde, eine Geltendmachung im Sinne des § 111 SGB 10 gesehen. Schließlich steht die Entscheidung des BSG in SozR 1300 Nr. 4 zu § 111 SGB 10 der Auffassung des Senats nicht entgegen. Das BSG hatte dort eine Aktenübersendung mit Formularbegleitschreiben nicht als Willenserklärung gewertet, die die Anmeldung eines Erstattungsanspruches enthalte, nachdem die Klägerin sich im vorhergehenden Rechtsstreit noch als zuständiger Leistungsträger bezeichnet hatte. Angesichts dessen spreche alles dafür, daß sie davon auch bei Aktenübersendung ausgegangen sei. Im anhängigen Berufungsverfahren mußte die Beklagte indessen aufgrund ihres eigenen Vorverhaltens und von ihrem "Empfängerhorizont” als Unfallversicherungsträger eher gerade umgekehrt davon ausgehen, daß die Klägerin die Feststellungsklage einlegte, und ihre Mitteilungen über die an die Witwe gezahlten vorläufigen Leistungen aus dem Grunde machte, weil sie sie für die zuständige Leistungsträgerin hielt und von ihr die vorläufig erbrachten Leistungen zurück haben wollte. Die abweichende erstinstanzliche Entscheidung hat die von Verwaltungspraxis und Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für eine konkludente Geltendmachung des Erstattungsanspruches nach § 111 SGB 10 verkannt und zudem das eigene Verhalten der Beklagten nicht sachgerecht gewürdigt und ist daher zu einer im Ergebnis fehlerhaften Abweisung der Klage gelangt.
Die Verjährungseinrede der Beklagten, die diese im Klageverfahren erhoben und im Berufungsverfahren hilfsweise aufrecht erhalten hat, greift nicht durch. Denn die Verjährungsfrist beträgt für Erstattungsansprüche vier Jahre mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Für die Hemmung, die Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des BGB sinngemäß (§ 113 SGB 10). Der Erstattungsanspruch nach § 102 SGB 10 entsteht mit Erbringen der vorläufigen Leistung (Schroeder-Printzen, a.a.O., Anm. 2.1 und 2.2 zu § 113), bei wiederkehrenden Leistungen wird jede Einzelleistung vom Verjährungsablauf erfaßt. Da die Feststellungsklage vom 27. März 1986 zu einer Unterbrechung der Verjährung nach § 113 Abs. 2 SGB 10 i.V.m. §.209 Abs. 1 BGB geführt hatte, die bis zur Beendigung des Prozesses durch Anerkenntnis im Januar 1992 andauerte (§ 211 Abs. 1 BGB) und weiter zur Folge hatte, daß die vierjährige Verjährungsfrist anschließend neu zu laufen begann (§ 217 BGB) und durch die Erstattungsklage vom 22. Dezember 1995 vor dem SG wieder unterbrochen wurde, ist bislang eine Verjährung nicht eingetreten.
Die "Gemeinsame Empfehlung der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger zur Anwendung der Ausschlußfrist des § 111 SGB 10 auf vorläufige Leistungen”, auf die sich die Beteiligten vorprozessual wiederholt bezogen haben, weist zutreffend daraufhin, "mit Erhebung der Feststellungsklage über die Zuständigkeit des UV-Trägers wird nämlich zugleich auch immanent dem Grunde nach die Feststellung der Erstattungspflicht dieses UV-Trägers beantragt”. Dies allein war das mit dem Vorgehen der Klägerin verfolgte Endziel und die Beklagte hatte die Klägerin dazu ja gerade aufgefordert. Auch wenn die Klägerin ihre Feststellungsklage nicht ausdrücklich in eine Leistungsklage im Rahmen des § 99 Abs. 3 Ziffer 2 SGG umgestellt hatte, so hatte sie die Beklagte doch über den Umfang der zu erstattenden Beträge durch Übersendung der vorläufigen Leistungen an die Witwe gewährenden Bescheide informiert. Auch die Zivilrechtsprechung (BGHZ 103, 298, 301) geht davon aus, daß der gesamte unfallbedingte Schaden auf eine Feststellungsklage hin rechtshängig wird, womit die Beklagte verpflichtet werden soll, den weiteren Schaden aus einem Unfall zu ersetzen. Die unbezifferte Feststellungsklage setzt einen Unterbrechungstatbestand für die Verjährung hinsichtlich des mit ihr verfolgten Streitgegenstandes und führt zur Unterbrechung der Verjährung im Ganzen (Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, Anm. 2 und 15 zu § 209). Die Beklagte wendet zwar ein, daß Streitgegenstand der vor dem SG seit 1986 betriebenen Klage kein Erstattungsanspruch gewesen sei, der erst mit Klage vom 22. Dezember 1995 explizit geltend gemacht worden sei. Der Klägerin ging es aber bereits im Feststellungsverfahren maßgeblich um die Durchsetzung der Erstattungsverpflichtung, zumal sie nach dem Vorverhalten der Beklagten keinerlei Hinweise dafür hatte, daß die Beklagte einem Erstattungsbegehren nicht nachkommen würde. Im sozialgerichtlichen Verfahren wird ein Kläger – gleich ob ein Versicherter oder ein Versicherungsträger – auch ansonsten zur Durchsetzung eines Leistungsanspruches gegenüber einem Sozialversicherungsträger nicht auf eine Leistungsklage verwiesen. Vielmehr wird eine Feststellungsklage auch bei im übrigen bezifferbaren Leistungsbegehren für zulässig gehalten, da davon ausgegangen wird, daß ein nach § 55 Abs. 1 Ziffer 2 SGG als zuständig festgestellter Versicherungsträger seinen Verpflichtungen auch nachkommen wird (BSGE 10, 21, 24; 15, 52).
Auf die Berufung der Klägerin war daher die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, da das SG mit einer nicht zutreffenden Begründung davon ausgegangen ist, daß die Klägerin die Ausschlußfrist des § 111 SGB 10 versäumt habe, und die Beklagte darüber hinaus mit der Verjährungseinrede nach § 113 SGB 10 nicht durchdringt. Der Senat mußte angesichts dessen die Frage nicht entscheiden, ob die Beklagte bei pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens (dazu Schroeder-Printzen, a.a.O., Anm. 4 zu § 113) unter Berücksichtigung ihres eigenen Vorverhaltens gegenüber der Klägerin einerseits und des unter Sozialversicherungsträger sicher erhebliche Bedeutung erlangenden Grundsatzes von Treu und Glauben nicht ohnehin davon hätte absehen müssen, sich auf den Zeitablauf zu berufen, wenn die Verjährungsfrist denn abgelaufen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 1 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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