S 8 KR 145/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 145/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 127/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2004 verurteilt, die Kosten der vom 07.06.2004 bis zum 02.08.2004 durchgeführten ambu- lanten Rehabilitationsmaßnahme nach Maßgabe der gesetzlichen Vor- schriften (auch endgültig) zu übernehmen. Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die endgültige Kostentragung der im Zeitraum vom 07.06.2004 bis zum 02.08.2004 durchgeführten ambulanten Rehabilitationsmaßnahme.

Bei der Klägerin besteht seit Juli 2002 ein Zustand nach Apoplex (Schlaganfall) infolge einer Aneurysma-Operation. Es erfolgten zunächst zwei stationäre Rehabilitationsmaßnahmen (09.09.-25.10.2002, 07.01.-19.02.2003) sowie zwei ambulante Rehabilitationsmaßnahmen (07.04.-18.06.2003, 06.01.-31.10.2003).

Mit Bescheid vom 12.11.2003 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer weiteren ambulanten Rehabilitationsmaßnahme ab. Eine solche sei nicht medizinisch notwendig. Vielmehr sei die begonnene ambulante Behandlung und Inanspruchnahme von Heilmitteln ausreichend.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens erwirkte die Klägerin als einstweiligen Rechtsschutz die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme mit 40 Therapieeinheiten vorläufig zu übernehmen (S 8 KR 258/03 ER). Diese Rehabilitationsmaßnahme wurde in der Zeit vom 07.06.2004 bis zum 02.08.2004 durchgeführt. Im weiteren Verlauf wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 12.11.2003 zurück. Auch die nach dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingeholte Stellungnahme des Neurologen L1 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 18.08.2004 habe ergeben, dass die ambulante Rehabilitationsmaßnahme nicht medizinisch notwendig gewesen sei.

Die Klägerin hat im Juni 2004 zunächst eine Feststellungsklage dahingehend erhoben, dass sie zur Erstattung der Kosten für die ambulante Rehabilitationsmaßnahme nicht verpflichtet sei. Nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2004 hat sie den Klageantrag auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide und sinngemäß auf Verpflichtung der Beklagten zur Kostentragung umgestellt.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2004 zu verurteilen, die Kosten der durchgeführten vierzig Therapietage ambulante neurologische Rehabilitation (auf Dauer) zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält nach wie vor die Rehabilitationsmaßnahme nicht für medizinisch notwendig. Die Inanspruchnahme ambulanter Heilmittel wäre ausreichend gewesen. Es bestehe im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Anspruch auf Versorgung mit einer optimalen Therapie. Der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gehörte Sachverständige S habe das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht ausreichend beachtet. Diese Einschätzung sei insbesondere von dem später gehörten Neurologen L1 vom MDK wiederholt und bestätigt worden.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Vorprozessakten (S 8 KR 299/04 ER und insbesondere S 8 KR 258/03 ER) sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Beteiligten entscheiden, da diese sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Der Klägerin stand ein Anspruch auf Bewilligung einer weiteren ambulanten Rehabilitationsmaßnahme mit 40 Therapieeinheiten im Sommer 2004 zu.

Entgegen den Einwänden und dem Standpunkt der Beklagten handelte es sich im Sommer 2004 um eine medizinisch notwendige Maßnahme. Dies hat zur Überzeugung des Gerichts die Einschätzung des gehörten Gerichtssachverständigen S ergeben. Dieser Sachverständige ist nach erfolgter persönlicher Untersuchung der Klägerin in Übereinstimmung mit den behandelnden Ärzten nach einem noch nicht zweijährigen Zeitablauf nach Eintritt des Apoplex von einem noch behandelbaren Rehabilitationspotenzial ausgegangen und hat eine multiprofessionelle, teamintegrierte Rehabilitation für medizinisch notwendig gehalten. Das Gericht folgt dieser Einschätzung ebenso wie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, da S diese Beurteilung in Kenntnis aller aktenkundigen ärztlichen Berichte und aufgrund einer persönlichen Untersuchung getroffen hat und sich darüber hinaus mit den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur "Motorischen Rehabilitation nach Schlaganfall" in Übereinstimmung befindet. Auch in den Leitlinien wird zur erfolgreichen Bewältigung der Krankheitsfolgen und motorischen Rehabilitation eine multidisziplinäre und teamintegrierte Behandlung gefordert. Eine rein ambulante Therapie käme nur bei monofunktionellen Störungen ohne Beeinträchtigung der Selbständigkeit in Betracht.

Der Entscheidung standen nicht die von der Beklagten aufgrund des (früheren) MDK-Gutachtens des L2 vom 06.04.2004 vorgebrachten Einwände entgegen. Das Vorhandensein eines Rehabilitationspotenzials stellte auch L2 nicht in Frage. Entgegen seinen Ausführungen kam es hinsichtlich der von den behandelnden Ärzten und von S angenommenen Erfolgsaussichten nicht darauf an, dass "den alten Status wiederherstellende Behandlungsergebnisse erreicht werden". Vielmehr erschienen nicht unerhebliche Besserungen, die dem alten Status noch nicht gleichkommen, ausreichend. Des Weiteren erschien es fraglich, ob eine vom verordneten Arzt vorzunehmende "minimale" koordinierende Funktion das Ineinandergreifen von Therapiemaßnahmen im Rahmen der Rehabilitation ersetzen konnte. Denn im Rahmen einer multiprofessionellen und teamintegrierten Rehabilitation kann man auch von Absprachen der Therapeuten unmittelbar untereinander ausgehen ("teamintegriert").

Zu einer anderen Entscheidung konnte auch nicht das von der Beklagten nach der Beendigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens weiter eingeholte Gutachten des L1 vom MDK vom 18.08.2004 führen. Dieser Arzt hat keine neuen Gesichtspunkte angesprochen. Vielmehr wird aus seinen Ausführungen deutlich, dass er tatsächlich - wie die Klägerin geltend macht - nicht von der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit einer bereits durchgeführten ambulanten Rehabilitationsmaßnahme, sondern einer noch zukünftig durchzuführenden Maßnahme ausgegangen und damit auf die entscheidungserhebliche Fragestellung nicht eingegangen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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