L 16 R 723/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 R 5695/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 723/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1958 geborene Kläger ist seit 01. April 1981 im Beamtenverhältnis tätig. Mit Bescheid vom 14. April 2001 stellte die Beklagte die für die gesetzliche Rentenversicherung erheblichen Zeiten des Klägers fest. Sie merkte Ausbildungs-Anrechnungstatbestände wegen Schulausbildung vom 15. Dezember 1975 bis 03. Juni 1977 und wegen Hochschulausbildung vom 01. April 1978 bis 12. Februar 1981 vor. Die vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegte Schulausbildung könne nicht als Anrechnungszeit anerkannt werden. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger u. a. die Vormerkung von Anrechnungszeittatbeständen bereits ab 15. Dezember 1974 (Vollendung des 16. Lebensjahres) und wies darauf hin, dass seine Schulausbildung am 09. Juni 1977 geendet habe (Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife der A-O B vom 09. Juni 1977). Mit Bescheid vom 05. Mai 2006, dem ein Versicherungsverlauf beigefügt war, merkte die Beklagte Anrechnungszeittatbestände wegen Schulausbildung vom 15. Dezember 1974 bis 09. Juni 1977, Pflichtbeitragszeiten vom 01. August 1977 bis 31. August 1977 und vom 1. Oktober 1977 bis 31. März 1978 sowie Anrechnungszeittatbestände wegen Hochschulausbildung vom 01. April 1978 bis 12. Februar 1981 vor; die Zeit vor Vollendung des 17. Lebensjahres könne jedoch "nach derzeitiger Rechtslage" nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden. Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens machte der Kläger die Erstattung der von ihm geleisteten Pflichtbeitragsanteile einschließlich Zinsen in Höhe von 393,03 EUR sowie die Erstattung von Porto- und sonstigen Kosten bzw. Bearbeitungskosten von 68,55 EUR bzw. 200,00 EUR geltend (= insgesamt 661,58 EUR).

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide vom 14. April 2001 und 5. Mai 2006 zurück.

Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 10. November 2006 und Schreiben der Beklagten vom 11. Oktober 2006 und 16. November 2006 gewandt, eine höhere Beitragserstattung als die von der Beklagten zwischenzeitlich mit Bescheid vom 02. Januar 2007 für die Zeit vom 01. August 1977 bis 31. August 1977 erstatteten 18,73 EUR sowie weitere Ansprüche geltend gemacht; auf seinen Schriftsatz vom 7. Dezember 2006 wird Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2007 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage(n) abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger eine höhere Beitragserstattung nebst Zinsen begehre, weil die Beklagte über diese Frage zwar mit Bescheid entschieden habe, ein Widerspruchsbescheid aber noch nicht vorliege. Im Übrigen sei die Klage nicht begründet. Soweit der Kläger die Herausgabe von Unterlagen begehre, würden der Beklagten keine Originalunterlagen des Klägers vorliegen, die an ihn herausgegeben werden könnten. Auch die Vormerkung weiterer Anrechnungszeiten komme nicht in Betracht. Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung könnten nach Maßgabe des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetztes (WFG) erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres berücksichtigt werden.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter; auf seine Berufungsschrift vom 31. Mai 2007 und seinen Schriftsatz vom 20. Juli 2007 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17. April 2001 in der Fassung des Bescheides vom 05. Mai 2006 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2006 zu verurteilen, Anrechnungszeittatbestände wegen Schul- bzw. Hochschulausbildung auch für die Zeit vom 15. Dezember 1974 bis 9. Juni 1977 vorzumerken, an ihn 661,58 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen, bei der Antragstellung ausgehändigte Unterlagen herauszugeben und ihm eine Auskunft darüber zu erteilen, an welcher Hochschule in Deutschland innerhalb von 17 Monaten ein Studium abgeschlossen werden könne.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (vgl. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) seines Vorbringens wendet sich der Kläger gegen die Nichtanrechnung der "Zeiten vom 15.12.1974 bis 09.06.1977" (vgl. seinen Schriftsatz vom 20. Juli 2007); außerdem macht er die Erstattung der erstinstanzlich bezifferten Kosten und die Herausgabe von Unterlagen geltend und begehrt die Vorlage einer Abrechnung über die Beitragserstattung sowie eine Auskunft der Beklagten zur Dauer einer möglichen Hochschulausbildung in Deutschland.

Die Anfechtungsklage ist unzulässig, soweit sie sich (auch) gegen den Hinweis der Beklagten in dem den Bescheid vom 14. April 2001 ersetzenden Bescheid vom 5. Mai 2006 richtet, die als "vorgemerkt" gekennzeichneten rentenrechtlichen Zeiten der schulischen Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres könnten nach "derzeitiger Rechtslage" nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden. Denn es handelt sich bei diesem Hinweis nicht um einen Verwaltungsakt. Die Beklagte hat mit dieser Verlautbarung nicht über die Bewertung von Teilelementen des später vielleicht entstehenden Rechts auf Rente vorab entschieden, wozu sie nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) auch gar nicht befugt wäre. Nach der genannten Vorschrift ist der Versicherungsträger verpflichtet und befugt, durch feststellenden Verwaltungsakt (nur) die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, verbindlich festzustellen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1325 Nr. 3 S. 5; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 3 S. 10; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 9 S. 50; BSG, Urteil vom 30. August 2001 – B 4 RA 114/00 = SozR 3-2600 § 149 Nr. 6). Danach sind "Anrechnungszeiten", falls deren tatbestandsmäßige Voraussetzungen vorliegen, nur als Anrechnungszeittatbestände vorzumerken, d. h. es ist nur zu klären, ob der behauptete Anrechnungszeittatbestand im Sinne des SGB VI nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist und ob generell die Möglichkeit besteht, dass der Sachverhalt in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich relevant werden kann (vgl. BSG SozR 3-2600 § 149 Nr. 6). Ob der Sachverhalt, der nach heutigem Recht als Tatbestand einer bestimmten rentenrechtlichen Zeit vorzumerken ist, im späteren Leistungsfall nach dem dann geltenden Recht den Tatbestand dieser rentenrechtlichen Zeit, den einer anderen Zeit oder aber keinen mehr erfüllt, wird im Verfahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI nicht verbindlich geklärt. Hierüber ist erst bei Feststellung der Leistung zu entscheiden (§ 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI bzw. Satz 3 in der ab 01. Januar 1998 geltenden Fassung). Die Beklagte hat nach Maßgabe von § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI Anrechnungszeittatbestände wegen Schul- bzw. Hochschulausbildung vom 15. Dezember 1974 bis 09. Juni 1977 und vom 1. April 1978 bis 12. Februar 1981, d.h. auch für Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres des Klägers, "vorgemerkt". Der Vermerk in dem Bescheid vom 5. Mai 2006, die Zeit vor Vollendung des 17. Lebensjahres könne "nach derzeitiger Rechtslage" nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden, stellt, wenngleich er irreführend ist, lediglich einen Hinweis ohne Regelungscharakter dar, der den Kläger darauf hinweisen soll, dass im späteren Leistungsfall zu prüfen sein werde, ob die für die Zeit vor Vollendung des 17. Lebensjahres vorgemerkten Anrechnungszeittatbestände bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sein werden. Die Anfechtungsklage im Übrigen und die sinngemäß auf Verpflichtung der Beklagten zur Vormerkung von Anrechnungszeittatbeständen wegen Schulausbildung vom 15. Dezember 1974 bis 9. Juni 1977 gerichtete Klage sind ebenfalls bereits unzulässig. Da die Beklagte diese Zeiten in dem Bescheid vom 5. Mai 2006 "vorgemerkt" hat, fehlt es insoweit an einer Beschwer des Klägers.

Soweit der Kläger bei verständiger Würdigung eine höhere Beitragserstattung der Beklagten geltend macht, ist die Klage gleichfalls unzulässig. Ungeachtet dessen, ob die Beklagte hinsichtlich der Beitragserstattung im Hinblick auf die nicht zweifelsfrei feststellbare Bekanntgabe des entsprechenden Bescheides vom 02. Januar 2007 überhaupt eine Verwaltungsentscheidung verlautbart hat, fehlt es insoweit an der Durchführung eines ordnungsgemäßen Widerspruchsverfahrens. In dem vorliegend vom Kläger angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 10. November 2006 hat die Beklagte ausschließlich über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 17. April 2001 in der Fassung des Bescheides vom 05. Mai 2006 entschieden und sich zu der Frage einer Beitragserstattung nicht verhalten. Sollte der Beitragserstattungsbescheid dem Kläger, wie dieser in seinem Schriftsatz vom 20. Juli 2007 vorträgt, demgegenüber noch gar nicht bekannt gegeben worden sein, wäre die Klage insoweit schon mangels Vorliegens einer – anfechtbaren - Verwaltungsentscheidung unzulässig.

Die Leistungsklagen auf Erstattung von Bearbeitungs-, Porto- und sonstigen Kosten sowie auf Rückgabe eingereichter Unterlagen sind hingegen nicht begründet. Eine Rechtsgrundlage für dieses Begehren ist nicht ersichtlich. Über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits und des diesem Rechtsstreit vorausgehenden Widerspruchsverfahrens hat das Gericht ohnehin von Amts wegen zu befinden (vgl. § 193 SGG). Im Übrigen hat die Beklagte die Ernennungsurkunden des Klägers und dessen Abiturzeugnis nicht im Original erhalten, sondern lediglich in Gestalt beglaubigter Kopien. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, derartige Beweismittel, die Grundlage der angefochtenen Vormerkungsbescheide waren, zurückzugeben. Auch für den geltend gemachten Auskunftsanspruch fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Zudem hat die Beklagte nicht, wie der Kläger augenscheinlich meint, nur 17 Monate, sondern 35 Monate Hochschulausbildung vom 1. April 1978 bis 12. Februar 1981 als Anrechnungszeittatbestände vorgemerkt. Die von dem Kläger aufgeworfene Frage, an welcher Hochschule in Deutschland innerhalb von 17 Monaten ein Studium abgeschlossen werden könne, geht somit ohnehin ins Leere.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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