L 2 AS 3703/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3666/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 3703/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die dreimonatige Absenkung des Arbeitslosengeldes II (ALG II) um 30 vH gem. § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

Der 1969 geborene Antragsteller (Ast) bezieht von der Antragsgegnerin (Ag) ALG II, zuletzt bewilligt mit Bescheid vom 09.03.2007 für den Zeitraum vom 01.04. bis 31.07.2007. Unter dem gleichen Datum schlossen der Ast und die Ag eine Eingliederungsvereinbarung mit Rechtsfolgenbelehrung gültig bis 09.09.2007, in der u.a. festgelegt ist: "Belege der Eigenbemühungen durch Abgabe der Aktivitätenliste aller 2 Monate an der Infotheke der Arge Emmendingen". Anlässlich eines persönlichen Kontakts mit dem Ast am 16.05.2007 wurde festgestellt, dass die Abgabe der Aktivitätenliste zum Termin am 09.05.2007 nicht erfolgt war. Mit Bescheid vom 16.05.2007 senkte die Ag das ALG II für die Zeit vom 01.06. bis 31.08.2007 um 30 vH der Regelleistung (104,- EUR) ab und setzte eine Nachfrist zur Abgabe bis 15.06.2007 entweder an der Kundentheke der ARGE E. oder sie anderweitig der Arbeitsvermittlerin L. zukommen zu lassen. Dagegen legte der Kläger am 24.05.2007 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, die Eigenbemühungsliste am Abend des 07.05.2007 im Beisein eines ihm namentlich bekannte Zeugen in den Briefkasten der ARGE E. eingeworfen zu haben; dem Widerspruch war eine bis 22.05.2007 aktualisierte Liste über Eigenbemühungen beigefügt (76 Bewerbungen). Die Ag forderte den Ast mit Schreiben vom 11.06.2007 auf, den Zeugen zu benennen. Dem entgegnete der Ast mit Schreiben vom 12.06.2007, seiner Pflicht nachweislich nachgekommen zu sein, die Ag müsse ihm das Gegenteil beweisen. Im Übrigen habe vor der Sanktion eine Anhörung nicht stattgefunden. Die Ag wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2007 zurück.

Am 04.07.2007 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) im Eilverfahren die Aufhebung der Leistungskürzung beantragt. Über die Widerspruchsbegründung hinaus hat der Ast vorgetragen, dass es ihm ohne privat vorhandenen PKW zugestanden werden sollte, Briefe, Listen etc. nach den Öffnungszeiten in den dafür vorgesehenen Briefkasten einzuwerfen. Im Übrigen gehe er seit dem 13.03.2007 einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (1-EUR-Job) nach und habe vom 02.05. bis 08.05.2007 genehmigten Urlaub ohne Ortsabwesenheit gehabt. Es habe deshalb nahegelegen, die Liste in Verbindung mit anderen Terminen am Abend bei der ARGE einzuwerfen, wozu er nach seinem Urlaub am 09.05.2007 außerhalb seiner Arbeitszeit und innerhalb der Öffnungszeit der ARGE nicht in der Lage gewesen wäre. In der Einräumung der Nachfrist von 4 Wochen mit der Möglichkeit, die Liste auch anderweitig als durch persönliche Abgabe zukommen lassen zu können, hat er einen Widerspruch zur Dringlichkeit der Abgabe und der Verhältnismäßigkeit der erlassenen Sanktion gesehen. Im Übrigen habe er die Listen schon früher unbeanstandet mit der Post zugeschickt. Die Ag hat entgegnet, dass der Ast monatlich die Kosten einer Regiokarte erhalte und der Beschäftigung nur von Dienstag bis Freitag nachgehe, weshalb er während der Öffnungszeiten der ARGE habe vorsprechen können. Die persönliche Vorsprache habe den Sinn, dass die Eigenbemühungen sofort EDV-technisch erfasst werden könnten und eine neue Bemühungsliste überreicht werden könne. Das SG hat den Antrag des Klägers sowohl als Klage (Az S 14 AS 3766/07) als auch als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausgelegt und die Anordnung letzterer mit Beschluss vom 10.07.2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die angefochtene Entscheidung wahrscheinlich rechtmäßig sei. Die Sach- und Rechtslage sei möglicherweise anders zu beurteilen, wenn der fristgerechte Einwurf in den Briefkasten nachweisbar wäre. Hiervon könne jedoch nicht ausgegangen werden, nachdem der Ast bis dahin nicht den Zeugen namentlich benannt habe.

Dagegen hat der Ast am 25.07.2007 Beschwerde eingelegt und die Bestätigung seiner Mutter über den Einwurf der Liste am 07.05.2007 vorgelegt. Diese habe er aus Fürsorgepflicht gegenüber seiner gesundheitlich angeschlagenen Mutter bis zuletzt zurückgehalten, nachdem er sich zur Benennung des Zeugen nicht verpflichtet gefühlt habe. Die Ag hat sich nicht geäußert.

II.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Ast, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Ast gegen den Bescheid vom 16.05.2007, mit dem die auf den Ast entfallenden Leistungen des ALG II gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II für die Monate Juni bis August 2007 abgesenkt wurden, anzuordnen.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG der Rechtsbehelf ist, der dem Begehren des Beschwerdeführers entspricht. Es hat zudem die maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze des einstweiligen Rechtsschutzes zutreffend dargelegt, weshalb der Senat insoweit auf den angefochtenen Beschluss Bezug nimmt.

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen vorliegend keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Ag vom 16.05.2007. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen, hierzu zählt auch der fristgerechte Nachweis der Eigenbemühungen. Dies gilt nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II liegt vor, wenn dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und Abwägung seiner berechtigten Interessen mit den Interessen der Gemeinschaft im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (Valgolio, in Hauck/Noftz, SGB II, Kommentar, K § 31, Rn. 39). Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 b SGB II sind vorliegend erfüllt. Dabei ist zunächst der Abschluss einer wirksamen Eingliederungsvereinbarung zu fordern. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Die Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere nach Satz 2 Nr.2 der Regelung bestimmen, welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss sowie in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat. Die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Nachweisformen, mit denen der Gesetzgeber eine besondere Mitwirkungspflicht zur Ermittlung des Sachverhalts geschaffen hat, müssen für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine zumutbare Belastung bedeuten (Rixen in Eicher/Spellbrink SGB II § 15 Rn 11). Eine solche Vereinbarung ist mit dem Ast geschlossenen worden und sie sieht ausdrücklich die Abgabe der Eigenbemühungsliste an der Infotheke der ARGE vor. Dies stellt für den Ast eine zumutbare Belastung dar, der er nicht nachgekommen ist. Es ist dem Ast zumutbar in gewissen zeitlichen Abständen - hier alle 2 Monate - bei der ARGE zu erscheinen und mit der Abgabe der Eigenbemühungsliste gleichzeitig die neue Bemühungsliste in Empfang zu nehmen. Zudem werden durch diese Vorgehensweise Probleme beim Nachweis des Zugangs von Eigenbemühungen, wie sie hier gerade durch eine andere Vorgehensweise aufgetreten sind, vermieden. Dem Ast war dies auch ohne privaten PKW im konkreten Fall möglich, da er zum Einen eine Regiokarte bezahlt erhält, die es ihm ermöglicht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur ARGE zu gelangen, und er sich zum Anderen im Zeitraum vom 02. bis 08.05.2007 im Urlaub ohne Ortsabwesenheit von seinem 1-EUR-Job befand, sodass auch die Tätigkeit in der gemeinnützigen Einrichtung nicht tangiert wurde. Nach seiner nachgereichten aktualisierten Bewerbungsliste hatte er seit dem Abschluss der Eingliederungsvereinbarung bis zum 03.05.2007 mit 25 Bewerbungen bereits mehr als die geforderte Zahl erfüllt und war damit auch vor Fristablauf am 09.05.2007 in der Lage, seiner Pflicht nachzukommen. Da die Vereinbarung zur persönlichen Abgabe zumutbar war, ist es unerheblich, ob es für den Ast sinnvoll erscheint, diesen Termin mit anderen privaten Terminen zu koordinieren. Einen wichtigen Grund stellt dies nicht dar. Unerheblich ist auch, dass die Ag im Bescheid vom 16.05.2007 zur Erfüllung der Nachfrist neben der persönlichen Abgabe der Liste auch eine anderweitige Übermittlung eingeräumt hat. Aus diesem Zugeständnis für die Zukunft kann der Ast keine Rechte für die Vergangenheit ableiten. Letztlich stellt auch die Nachfrist von 4 Wochen nicht die Dringlichkeit der Vorlage in Abrede. Zur Nachholung der Pflicht zur Vorlage der Liste ist dem Ast lediglich eine angemessene Nachfrist eingeräumt worden. Die mit dem Pflichtverstoß des Ast einhergehende Sanktionierung ist eine vom Gesetzgeber vorgesehene Maßnahme, die den Sinn hat, die Versichertengemeinschaft davor zu schützen, dass Versicherte ohne wichtigen Grund nicht an der Behebung der Arbeitslosigkeit mitwirken. Durch ihre faktischen Auswirkungen, die als sanktionierendes wirtschaftliches Druckmittel auf Verhaltensänderung setzen, zeitigt sie erzieherischen Charakter (Berlit in LPK-SGB II § 31 Rn 2). Die nachtägliche Benennung der Zeugin für den Einwurf der Liste ändert an der Beurteilung nichts, da es auf den tatsächlichen Einwurf der Liste außerhalb der Öffnungszeiten am 07.05.2007 nicht ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved