Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 KR 538/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 245/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung und der Pflichtmitgliedschaft in der Pflegeversicherung bei der Beklagten.
Der 1977 geborene, unter Betreuung stehende Kläger war bis zum 31. August 1997 bei der Beklagten über die bis zum 1. September 1997 geführte freiwillige Versicherung seiner Mutter familienversichert. Die Mutter ist ab dem 1. September 2003 erneut pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten. Auf seinen Antrag vom Februar 1998 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 1998 eine freiwillige Mitgliedschaft wegen Versäumung der Dreimonatsfrist ab.
Nachdem das Landesamt für Gesundheit und Soziales auf den am 20. April 1998 eingegangenen Antrag des Klägers einen Grad der Behinderung von 80 v. H. aufgrund einer seelischen Erkrankung des Klägers festgestellt hatte (Bescheid vom 23. Mai 2001), stellte die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 23. Mai 2001 fest und wies darauf hin, dass rückständige Beiträge in Höhe von 2.372,26 EUR zu überweisen seien (Bescheid vom 18. September 2002). Mit Bescheid vom 6. November 2002 setzte sie die Beitragshöhe ab 1. November 2002 auf monatlich 136,89 EUR fest.
Durch weiteren Bescheid vom 21. November 2002 lehnte die Beklagte eine freiwillige Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung vor dem 23. Mai 2001 - (vom 20. April 1998 bis 22. Mai 2001) - ab. Eine rückwirkende Feststellung stehe mit den Rechtsvorschriften des § 9 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 188 Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch - SGB V - nicht im Einklang. Das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 22. September 1998 könne nicht herangezogen werden, da es sich um eine Einzelfallentscheidung gehandelt habe. Darüber hinaus sei der Kläger nicht beschwert, da er anderweitig versorgt sei.
Seinen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2003 als unbegründet zurück. Die Möglichkeit des Beitritts bestehe bei Erfüllung der Voraussetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ab dem Zeitpunkt der Bescheiderteilung durch das Versorgungsamt. Für den davor liegenden Zeitraum sei eine freiwillige Mitgliedschaft nicht möglich.
Auf seine dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 1. Juni 2004 festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 20. April 1998 bis 22. Mai 2001 bei der Beklagten freiwillig versichertes Mitglied in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen sei. Die Beitrittserklärung des Klägers vom Februar 1998 wirke bis zur Feststellung der Schwerbehinderung ab 20. April 1998 fort, so dass die freiwillige Versicherung auch zu diesem Zeitpunkt beginne.
Gegen das ihr am 14. Oktober 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Oktober 2004 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Bei Gesamtbetrachtung des Sachverhaltes sehe sie einen Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft bereits am 20. April 1998 als willkürlich an und halte weder die im erstinstanzlichen Urteil zitierte Kommentierung noch die Rechtsprechung des BSG für einschlägig.
Die Beklagte beantragt,
die Entscheidung über den Rechtsstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zu vertagen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Die mit Beschluss vom 18. Mai 2005 beigeladene Pflegekasse schließt sich den Ausführungen der Beklagten an, stellte aber keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bereits am 20. April 1998 begonnen hat. Die weiteren Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V sind nicht strittig; der Kläger wird ab dem 21. Mai 2001 als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten geführt.
Der Antrag der Beklagten auf Vertagung der Entscheidung des Rechtsstreites war abzulehnen. Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei nicht an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet jedoch nicht zu Ermittlungen "ins Blaue" hinein oder zur Erhebung von Ausforschungsbeweisen. Eine Verpflichtung zur Amtsermittlung besteht dann nicht mehr, wenn sich weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus der Aktenlage oder aus Gerichts- oder Allgemeinkunde konkrete Anhaltspunkte für das Vorbringen eines Beteiligten ergeben (SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Im vorliegenden Fall musste sich der Senat allein aufgrund der im Termin zur mündlichen Verhandlung geäußerten Vermutungen der Beklagten nicht gedrängt sehen, wegen weiterer Sachverhaltsaufklärung die Entscheidung des Rechtsstreites zu vertagen. Das vermutete Vorbringen der Beklagten beruht allein auf einem Telefonat mit einer ehemaligen Arbeitgeberin der Mutter des Klägers, bei der diese 1999 geringfügig beschäftigt gewesen ist. Die Mutter des Klägers war jedoch bereits zum 1. September 1997 aus der freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten wegen fehlender Beitragszahlung ausgeschieden. Selbst wenn eine freiwillige Mitgliedschaft der Mutter nach den hier angegebenen Zeiten der Beklagten ab dem 1. April 1999 – von der Beklagten allein aufgrund des Wohnsitzes bei der AOK Bayern vermutet - bestehen würde, wäre der Kläger aufgrund seiner Beitrittserklärung zunächst bereits ab dem 20. April 1998 freiwilliges versichertes Mitglied der Beklagten.
Denn das Sozialgericht Berlin hat zu Recht mit Urteil vom 1. Juni 2004 festgestellt, dass der Kläger bereits in der Zeit vom 20. April 1998 bis 22. Mai 2001 freiwillig versichertes Mitglied bei der Beklagten in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen ist (§ 188 Abs. 1 SGB V). Danach beginnt die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter mit dem Tag ihres Beitritts zur Krankenkasse. Das Datum der Beitrittserklärung des Klägers ist im vorliegenden Fall zwar nicht eindeutig feststellbar, jedoch muss sie in der Zeit zwischen dem 3. und 17. Februar 1998 liegen, da bereits mit Bescheid vom 18. Februar 1998 durch die Beklagte zunächst eine freiwillige Versicherung wegen Versäumung der Antragsfrist nach dem Ablauf der Familienversicherung abgelehnt worden war.
Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen der freiwilligen Mitgliedschaft für den Kläger nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 und § 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V bereits am 20. April 1998 erfüllt waren. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V können der freiwilligen Versicherung schwerbehinderte Menschen im Sinne des Neunten Buches (bis zum 30. Juni 2001 im Sinne des § 1 Schwerbehindertengesetz [SchwbG]) beitreten, wenn sie, ein Elternteil oder ihr Ehegatte oder ihr Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt mindestens drei Jahre versichert waren, es sei denn, sie konnten wegen ihrer Behinderung diese Voraussetzungen nicht erfüllen; die Satzung kann das Recht zum Beitritt von einer Altersgrenze abhängig machen. Der Beitritt ist der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Behinderung nach § 68 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – SGB IX (zum damaligen Zeitpunkt nach § 4 SchwbG) anzuzeigen (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V).
Die Fristberechnung nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V richtet sich nach dem Tag der Feststellung der Schwerbehinderung (vgl. BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 9). Nach dem vorliegenden Bescheid vom 23. Mai 2001 ist für den Kläger auf seinen Antrag vom 20. April 1998 eine Schwerbehinderung festgestellt worden. Die Frist nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V begann somit am 22. Mai 2001 und endete am 21. August 2001. Der Kläger erklärte seinen Beitritt zulässigerweise bereits vor dem 18. Februar 1998. Trotz dieser frühen Beitrittserklärung des Klägers waren die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V jedoch erst ab dem 20. April 1998, dem Tag der Antragstellung auf Zuerkennung einer Schwerbehinderung im Sinne des § 1 SchwbG, erfüllt.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten können Versicherungsberechtigte nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ihren Beitritt zu einer Krankenkasse erklären, auch wenn die Feststellung des Grades der Behinderung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Alleinige Voraussetzung ist, dass die Feststellung einer Schwerbehinderung rückwirkend zum Beitrittsdatum erfolgt (BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 1). Darin ist auch kein Missbrauch im Sinne der Risikoverschiebung zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu sehen, da der Schwerbehinderte mit einem frühzeitigen Beitritt gerade im Sinne des mit der Einführung einer Erklärungsfrist von drei Monaten verfolgten Zwecks, nämlich sich möglichst frühzeitig für den gesetzlich für ihn vorgesehenen Krankenversicherungsschutz zu entscheiden und sich nicht die Möglichkeit der Manipulation offen zu halten, handelt (BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 9). Die Anzeige des Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Diese wird wirksam, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen (vgl. BSG SozR 2200 § 176c Nr. 1, BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 3).
Die bereits im Februar 1998 erfolgte Beitrittserklärung des Klägers war somit zulässig und konnte den Beginn seiner Mitgliedschaft bewirken, hier aber frühestens zum 20. April 1998, da nach dem Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 21. Mai 2001 dem Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend ab diesem Zeitpunkt zuerkannt worden ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der den Kläger betreffenden vom Senat beigezogenen Verwaltungsakte des Versorgungsamtes Berlin. Der Feststellungsbescheid vom 21. Mai 2001 nach § 4 Abs. 1 SchwbG hat keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung (BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 9). Die Berufung war daher im Ergebnis zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung und der Pflichtmitgliedschaft in der Pflegeversicherung bei der Beklagten.
Der 1977 geborene, unter Betreuung stehende Kläger war bis zum 31. August 1997 bei der Beklagten über die bis zum 1. September 1997 geführte freiwillige Versicherung seiner Mutter familienversichert. Die Mutter ist ab dem 1. September 2003 erneut pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten. Auf seinen Antrag vom Februar 1998 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 1998 eine freiwillige Mitgliedschaft wegen Versäumung der Dreimonatsfrist ab.
Nachdem das Landesamt für Gesundheit und Soziales auf den am 20. April 1998 eingegangenen Antrag des Klägers einen Grad der Behinderung von 80 v. H. aufgrund einer seelischen Erkrankung des Klägers festgestellt hatte (Bescheid vom 23. Mai 2001), stellte die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 23. Mai 2001 fest und wies darauf hin, dass rückständige Beiträge in Höhe von 2.372,26 EUR zu überweisen seien (Bescheid vom 18. September 2002). Mit Bescheid vom 6. November 2002 setzte sie die Beitragshöhe ab 1. November 2002 auf monatlich 136,89 EUR fest.
Durch weiteren Bescheid vom 21. November 2002 lehnte die Beklagte eine freiwillige Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung vor dem 23. Mai 2001 - (vom 20. April 1998 bis 22. Mai 2001) - ab. Eine rückwirkende Feststellung stehe mit den Rechtsvorschriften des § 9 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 188 Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch - SGB V - nicht im Einklang. Das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 22. September 1998 könne nicht herangezogen werden, da es sich um eine Einzelfallentscheidung gehandelt habe. Darüber hinaus sei der Kläger nicht beschwert, da er anderweitig versorgt sei.
Seinen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2003 als unbegründet zurück. Die Möglichkeit des Beitritts bestehe bei Erfüllung der Voraussetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ab dem Zeitpunkt der Bescheiderteilung durch das Versorgungsamt. Für den davor liegenden Zeitraum sei eine freiwillige Mitgliedschaft nicht möglich.
Auf seine dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 1. Juni 2004 festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 20. April 1998 bis 22. Mai 2001 bei der Beklagten freiwillig versichertes Mitglied in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen sei. Die Beitrittserklärung des Klägers vom Februar 1998 wirke bis zur Feststellung der Schwerbehinderung ab 20. April 1998 fort, so dass die freiwillige Versicherung auch zu diesem Zeitpunkt beginne.
Gegen das ihr am 14. Oktober 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Oktober 2004 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Bei Gesamtbetrachtung des Sachverhaltes sehe sie einen Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft bereits am 20. April 1998 als willkürlich an und halte weder die im erstinstanzlichen Urteil zitierte Kommentierung noch die Rechtsprechung des BSG für einschlägig.
Die Beklagte beantragt,
die Entscheidung über den Rechtsstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zu vertagen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Die mit Beschluss vom 18. Mai 2005 beigeladene Pflegekasse schließt sich den Ausführungen der Beklagten an, stellte aber keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bereits am 20. April 1998 begonnen hat. Die weiteren Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V sind nicht strittig; der Kläger wird ab dem 21. Mai 2001 als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten geführt.
Der Antrag der Beklagten auf Vertagung der Entscheidung des Rechtsstreites war abzulehnen. Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei nicht an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet jedoch nicht zu Ermittlungen "ins Blaue" hinein oder zur Erhebung von Ausforschungsbeweisen. Eine Verpflichtung zur Amtsermittlung besteht dann nicht mehr, wenn sich weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus der Aktenlage oder aus Gerichts- oder Allgemeinkunde konkrete Anhaltspunkte für das Vorbringen eines Beteiligten ergeben (SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Im vorliegenden Fall musste sich der Senat allein aufgrund der im Termin zur mündlichen Verhandlung geäußerten Vermutungen der Beklagten nicht gedrängt sehen, wegen weiterer Sachverhaltsaufklärung die Entscheidung des Rechtsstreites zu vertagen. Das vermutete Vorbringen der Beklagten beruht allein auf einem Telefonat mit einer ehemaligen Arbeitgeberin der Mutter des Klägers, bei der diese 1999 geringfügig beschäftigt gewesen ist. Die Mutter des Klägers war jedoch bereits zum 1. September 1997 aus der freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten wegen fehlender Beitragszahlung ausgeschieden. Selbst wenn eine freiwillige Mitgliedschaft der Mutter nach den hier angegebenen Zeiten der Beklagten ab dem 1. April 1999 – von der Beklagten allein aufgrund des Wohnsitzes bei der AOK Bayern vermutet - bestehen würde, wäre der Kläger aufgrund seiner Beitrittserklärung zunächst bereits ab dem 20. April 1998 freiwilliges versichertes Mitglied der Beklagten.
Denn das Sozialgericht Berlin hat zu Recht mit Urteil vom 1. Juni 2004 festgestellt, dass der Kläger bereits in der Zeit vom 20. April 1998 bis 22. Mai 2001 freiwillig versichertes Mitglied bei der Beklagten in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen ist (§ 188 Abs. 1 SGB V). Danach beginnt die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter mit dem Tag ihres Beitritts zur Krankenkasse. Das Datum der Beitrittserklärung des Klägers ist im vorliegenden Fall zwar nicht eindeutig feststellbar, jedoch muss sie in der Zeit zwischen dem 3. und 17. Februar 1998 liegen, da bereits mit Bescheid vom 18. Februar 1998 durch die Beklagte zunächst eine freiwillige Versicherung wegen Versäumung der Antragsfrist nach dem Ablauf der Familienversicherung abgelehnt worden war.
Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen der freiwilligen Mitgliedschaft für den Kläger nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 und § 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V bereits am 20. April 1998 erfüllt waren. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V können der freiwilligen Versicherung schwerbehinderte Menschen im Sinne des Neunten Buches (bis zum 30. Juni 2001 im Sinne des § 1 Schwerbehindertengesetz [SchwbG]) beitreten, wenn sie, ein Elternteil oder ihr Ehegatte oder ihr Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt mindestens drei Jahre versichert waren, es sei denn, sie konnten wegen ihrer Behinderung diese Voraussetzungen nicht erfüllen; die Satzung kann das Recht zum Beitritt von einer Altersgrenze abhängig machen. Der Beitritt ist der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Behinderung nach § 68 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – SGB IX (zum damaligen Zeitpunkt nach § 4 SchwbG) anzuzeigen (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V).
Die Fristberechnung nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V richtet sich nach dem Tag der Feststellung der Schwerbehinderung (vgl. BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 9). Nach dem vorliegenden Bescheid vom 23. Mai 2001 ist für den Kläger auf seinen Antrag vom 20. April 1998 eine Schwerbehinderung festgestellt worden. Die Frist nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V begann somit am 22. Mai 2001 und endete am 21. August 2001. Der Kläger erklärte seinen Beitritt zulässigerweise bereits vor dem 18. Februar 1998. Trotz dieser frühen Beitrittserklärung des Klägers waren die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V jedoch erst ab dem 20. April 1998, dem Tag der Antragstellung auf Zuerkennung einer Schwerbehinderung im Sinne des § 1 SchwbG, erfüllt.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten können Versicherungsberechtigte nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ihren Beitritt zu einer Krankenkasse erklären, auch wenn die Feststellung des Grades der Behinderung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Alleinige Voraussetzung ist, dass die Feststellung einer Schwerbehinderung rückwirkend zum Beitrittsdatum erfolgt (BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 1). Darin ist auch kein Missbrauch im Sinne der Risikoverschiebung zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu sehen, da der Schwerbehinderte mit einem frühzeitigen Beitritt gerade im Sinne des mit der Einführung einer Erklärungsfrist von drei Monaten verfolgten Zwecks, nämlich sich möglichst frühzeitig für den gesetzlich für ihn vorgesehenen Krankenversicherungsschutz zu entscheiden und sich nicht die Möglichkeit der Manipulation offen zu halten, handelt (BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 9). Die Anzeige des Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Diese wird wirksam, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen (vgl. BSG SozR 2200 § 176c Nr. 1, BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 3).
Die bereits im Februar 1998 erfolgte Beitrittserklärung des Klägers war somit zulässig und konnte den Beginn seiner Mitgliedschaft bewirken, hier aber frühestens zum 20. April 1998, da nach dem Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 21. Mai 2001 dem Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend ab diesem Zeitpunkt zuerkannt worden ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der den Kläger betreffenden vom Senat beigezogenen Verwaltungsakte des Versorgungsamtes Berlin. Der Feststellungsbescheid vom 21. Mai 2001 nach § 4 Abs. 1 SchwbG hat keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung (BSG, SozR 2200 § 176c Nr. 9). Die Berufung war daher im Ergebnis zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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