L 5 KA 4920/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 17/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 4920/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kläger Prof. R. und Dr. B. haben der Beklagten auch ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Tatbestand:

Zwischen Beteiligten stehen die Honoraransprüche der Kläger im Quartal 3/97 im Streit.

In diesem streitigem Quartal nahmen die Kläger in Gemeinschaftspraxis als Fachärzte für Orthopädie in Pforzheim an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten teil. Nach ihren eigenen Angaben sind sie dabei überwiegend operativ tätig. Die konservative Behandlung von Patienten ist vom Konzept und Aufgabenstellung her bei ihnen nur nachrangig. Die Patienten werden den Klägern überwiegend von Orthopäden oder Hausärzten mit einer Operationsdiagnose überwiesen. Teilweise erfolgt auch eine Überweisung mit der Fragestellung zu einer Operationsindikation. Die Kläger führen nach ihren Angaben jährlich ca. 2200 arthroskopische Operationen bei gesetzlich Krankenversicherten durch, überwiegend im Bereich des vorderen Kreuzbandes sowie der Schulter und am Ellenbogen.

Mit Bescheid vom 23.03.1998 setzte die damalige Kassenärztliche Vereinigung Nordbaden, Rechtsvorgängerin der Beklagten, das Honorar der Kläger für das Quartal 3/97 auf insgesamt 811.642,63 DM (netto) fest.

Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch, ohne diesen zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2000 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Hiergegen haben die Kläger am 14.07.2000 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (S 1 KA 2498/00). Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht, die Beklagte habe im streitigen Quartal die von ihnen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen, insbesondere im Bereich des ambulanten Operierens, nicht angemessen vergütet. Insoweit beanstandeten sie sowohl den Auszahlungspunktwert als auch die Bewertungen einzelner Operationsleistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM). Um ambulante Operationen durchführen zu können, müssten sie sich derselben Ausrüstung bedienen wie Krankenhäuser (Operationssäle, Wachstationen, Großgeräte, Personal etc.). Da sie in der Gemeinschaftspraxis über solche sachlichen und personellen Mitteln nicht verfügten, müssten sie diese zu entsprechenden Kosten anmieten. Diese Kosten seien folglich nicht abdingbar. Als Ausfluss ihres Grundrechtes auf freie Berufsausübung stehe ihnen ein subjektives Recht auf angemessene Vergütung der erbrachten Leistungen zu. Das Vergütungssystem des EBM sei jedoch insgesamt nicht sachgerecht und führe zu keiner angemessenen Vergütung. Aus ihrer operativen Tätigkeit resultiere so ein jährlicher Verlust in Millionenhöhe. Mit einem freien Unternehmer seien sie insoweit nicht vergleichbar, als sie unrentable Leistungen nicht ablehnen und mit privater Liquidation anbieten dürften, sondern diese Leistungen im Rahmen ihrer vertragsärztlichen Versorgung durchführen müssten. Schwankende Punktwerte würden sie als Leistungserbringer zum Erbringen einer vertragsärztlichen Leistung ohne Kenntnis des Gegenwertes und damit auch ohne Möglichkeit einer kurzfristigen Kalkulation zwingen. Bereits 1992 seien die Punktwerte teilweise auf bis zu 5,4 Pfg. verfallen. Auch in den Folgejahren seien diese kaum auf einem angemessenen Niveau zu stabilisieren gewesen. Die im EBM vorgesehenen Punktzahlen für Operationen insbesondere im Bereich von Kreuzband, Schulter-, Ellbogen- und anderen großen Gelenken seien bei weitem nicht kostendeckend, selbst wenn der höchstmögliche persönliche Einsatz des Vertragsarztes und die größtmögliche Wirtschaftlichkeit unterstellt würden. Ihre Einbeziehung in den für das betreffende Quartal geltenden Honorarverteilungsmaßstab der KV Nordbaden (HVM) mit seiner darin enthaltenden Differenzierung der ärztlichen Fachgruppen und sonstigen Verteilungsvorgaben verstoße grob gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und den Grundsatz der angemessenen Vergütung. Insbesondere habe die Beklagte damit die vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Förderung ambulanten Operierens unterlaufen. Sie hätten Anspruch auf Vergütung mindestens in der Höhe der Fallpauschale für entsprechende Leistungen in öffentlichen Krankenhäusern. Im Übrigen enthalte das angegriffene Vergütungssystem Zielvorgaben, die der Werte- und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zuwiderliefen.

Nachdem das Verfahren (Az.: S 1 KA 2498/00) zwischenzeitlich geruht hatte (Ruhensbeschluss vom 17. Januar 2001), haben die Kläger den Rechtsstreit am 28. Dezember 2005 wieder angerufen (fortgeführt nunmehr unter dem Az.: S 1 KA 17/06).

Mit Gerichtsbescheid vom 23.08.2006 hat das SG sodann die Klage abgewiesen. Es hat hierbei unter Darstellung der Rechtsprechung des BSG zum Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wie auch der grundsätzlichen Zulässigkeit der Bildung von Honorartöpfen die Auffassung vertreten, die Beklagte habe für die Zeit ab 1995 in ihrem HVM (§ 7 c, aa, bb) in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 4. Juni 1997, der einen gemeinsamen Punktwert für das ambulante Operieren und die übrigen vertragsärztlichen Leistungen enthalten habe, eine letztlich nicht zu beanstandende Vergütungsregelung gehabt. Sie habe zwar das grundsätzliche System von Honorartöpfen beibehalten (mit Hinweis auf die Rechtssprechung zur Zulässigkeit gesonderter Honorartöpfe, BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 11, 12 und 24 sowie BSGE 77, 279, 273), aber keinen gesonderten Honorartopf mehr für das ambulante Operieren gebildet, der dazu geführt hatte, dass das ambulante Operieren niedriger vergütet worden sei als die übrigen Leistungen nach dem EBM. Damit habe die damalige KV Nordbaden dem Anliegen des Gesetzgebers, ambulante Operationen zu fördern, Rechnung getragen und durch die Gleichstellung der ambulanten Operationen mit den übrigen Leistungen dem speziellen Punktwertverfall für die Punktwerte des ambulanten Operierens Einhalt geboten. Eine Besserstellung bzw. Privilegierung der ambulanten operativen Tätigkeit gegenüber anderen vertragsärztlichen Leistungen lasse sich demgegenüber nach Auffassung des SG aus den gesetzlichen Vorgaben ( § 85 Abs. 3 a, Abs. 4 SGB V) nicht entnehmen. Vielmehr habe die vorgenommene Gleichbehandlung der ambulanten Operationen mit den übrigen vertragsärztlichen Leistungen den gesetzlichen Anforderungen genügt. Das SG hat weiter festgestellt, dass die Beklagte auch nicht gegen den Grundsatz der angemessenen Leistungsvergütung verstoßen habe. Ebenso wenig ergebe sich aus § 72 Abs. 2 SGB V und dem dort statuierten Gebot der angemessenen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ein Anspruch der Kläger auf eine höhere Vergütung, insbesondere auf eine Vergütung in bestimmter Höhe. Vielmehr habe ein Arzt hinsichtlich seiner erbrachten Leistungen von vornherein keinen Anspruch auf ein Honorar in bestimmter Höhe, sondern nur einen Anspruch auf einen seiner Leistung entsprechenden Anteil an dieser Gesamtsumme, die als Ergebnis der Vereinbarungen der Gesamtpartner festgesetzt worden seien (mit Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung des BSG hierzu). Dies gelte auch für auf Überweisung erbrachte Leistungen. Auch ließen sich aus der Rentabilität einer Arztpraxis oder eines einzelnen Behandlungsbereiches keine Rückschlüsse auf die Angemessenheit der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen ziehen. Die Rentabilität einer Praxis gehöre vielmehr zum Berufsrisiko des freiberuflich tätigen Arztes (auch wiederum mit Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung des BSG). Das SG hat ferner festgestellt, dass sich seiner Auffassung nach auch im Übrigen kein Anspruch der Kläger auf eine höhere Vergütung etwa aus einer Rechtswidrigkeit des EBM in der hier im streitigen Quartal gültig gewesenen Fassung ergäbe. Es hat darauf verwiesen, dass hier dem Bewertungsausschuss bei der Rechtssetzung ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe und in dem Zusammenhang auch auf die hierzu einschlägige Rechtsprechung des BSG verwiesen, die auch in dem Zusammenhang von einer nur eingeschränkten Überprüfungsbefugnis der Gerichte ausgehe. Unter weiterer Darstellung dieser Rechtsprechung einschließlich auch der entsprechenden Entscheidungen des erkennenden Senates hat das SG daher die Auffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung dieser Grundsätze der Rechtsprechung keine Anhaltspunkte für eine willkürliche oder Orthopäden mit Schwerpunkttätigkeit im Bereich des ambulanten Operierens bewusst benachteiligende Regelung der Bewertungsregelungen im EBM im Kapitel N bestünden. Die Festlegung von Punktzahlen für bestimmte ärztliche Leistungen, auch im Bereich des ambulanten Operierens (in Form von Zuschlagsziffern des Kapitels B VI EBM), stelle eine normative Tätigkeit des Bewertungsausschusses dar. Es handele sich dabei um eine gerichtlich nicht voll nachprüfbare Tatsachenfeststellung. Es sei den Gerichten insbesondere in dem Zusammenhang verwehrt zu prüfen, ob der Bewertungsausschuss die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden habe (mit Hinweis wiederum auf die entsprechende Rechtsprechung des BSG hier in SozR 3-2005 § 87 Nrn. 15 und 16). Die Kläger müssten insbesondere als Vertragsärzte Typisierungen hinnehmen. Selbst eine zu niedrige Bewertung lediglich einzelner Leistungen oder Leistungskomplexe führe regelmäßig nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Bewertungsvorgaben des EBM (mit Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil des BSG vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R - , sogenanntes Radiologenurteil). Die Punktzahlfestlegungen im Kapitel N bzw. B VI auf Grund der Neufassung des EBM zum 1. Juli 1997 seien daher nicht rechtswidrig. Aus all diesen Gründen sei daher die Klage abzuweisen.

Die Kläger Prof. R. und Dr. B. haben gegen den ihrer Bevollmächtigten am 28.08.2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 28.09.2006 Berufung eingelegt. Der Kläger Dr. B. hat sowohl der Bevollmächtigten als auch dem Senat gegenüber ausdrücklich erklärt, dass er keine Vollmacht für das Verfahren erteile und an diesem Verfahren auch kein Interesse habe.

Die Kläger haben zur Begründung ihr früheres Vorbringen wiederholt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Bewertungsausschuss die im EBM ausgewiesenen Leistungen des ambulanten Operierens auf betriebswirtschaftlicher Basis ermittelt habe, was willkürlich und damit rechtswidrig sei.

Die Kläger Prof. R. und Dr. B. beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.08.2006 aufzuheben, sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.03.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.06.2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über ihre Honoraransprüche im Quartal 3/97 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Gegenstand des Verfahrens ist nicht unmittelbar ein auf eine Geld- oder Sachleistung gerichteter Verwaltungsakt

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG sowohl hinsichtlich der hier maßgeblichen Gesetzesnormen wie auch der dazu ergangenen Rechtsprechung Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG). Hinsichtlich der zuletzt nachgereichten Berufungsbegründung ist das Hauptargument der fehlenden betriebswirtschaftlichen Fundierung der Abrechnungsziffern des EBM für das ambulante Operieren als unbewiesene Vermutung ohne jede tatsächliche Substanz zurückzuweisen, was sich bereits daran zeigt, dass eine Vielzahl von Ärzten weiterhin ambulante Operationen in wirtschaftlicher Weise zu erbringen vermag. Ob beim individuellen Zuschnitt der Praxis der Kläger eine betriebswirtschaftliche Rentabilität gegeben ist, ist für die Rechtmäßigkeit der Vergütungsvorschriften im EBM unerheblich Abgesehen davon vermögen betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte allein nicht die Rechtswidrigkeit einer bestimmten Punkte-Bewertung zu begründen (z.B. BSG Urt. v. 16.05.2001 - B 6 KA 20/00 R - Rn 36).

Aus diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, da das Klageverfahren mit Klageerhebung am 14. Juli 2000 noch vor Inkrafttreten der Neuregelungen in § 197 a SGG erhoben worden ist.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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