Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 911/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1470/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Rechtsbehelfe gegen Erstattungsbescheide betreffend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende haben kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung
Auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 05. Juli 2007 wird der Beschluss aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid vom 05. Juli 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08. Januar 2007 und die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2007, soweit sie die Erstattungsbescheide zum Gegenstand haben, aufschiebende Wirkung haben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I.
Im Streit ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
Mit Bescheid vom 05. Juli 2006 hat die Antragsgegnerin ihren Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Mai 2005 bis 31. März 2006 aufgehoben und hat einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2.612,59 Euro geltend gemacht. Mit Bescheid vom 08. Januar 2007 hat die Antragsgegnerin den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05. Juli 2006 teilweise zurückgenommen und hat die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von nunmehr 2.526,00 Euro beansprucht. Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2007 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05. Juli 2006 nach Erlass des Änderungsbescheides vom 08. Januar 2007 zurückgewiesen und hat den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung für unbegründet erachtet. Die Forderung sei entsprechend geändert worden. Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 08. Januar 2007.
In dem beim Sozialgericht (SG) Cottbus zum Geschäftszeichen S 21 AS 911/06 geführten Rechtsstreit hat der Kläger mit Schriftsatz vom 01. Februar 2007 im Wege der Klagerweiterung gegen den Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2007 Klage erhoben und beantragt, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 05. Juli 2006 in der Gestalt des Abänderungsbescheides vom 08. Januar 2007, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Januar 2007 anzuordnen.
Mit Beschluss vom 05. Juli 2007 hat das SG Cottbus diesen Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rechtsschutzmöglichkeit der Aussetzung der sofortigen Vollziehung sei nach § 86 a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Verwaltung beschränkt. Den gerichtlichen Rechtsschutz könne der Betroffene nach § 86 b SGG erlangen. Das Gericht habe nach dieser Vorschrift keine Möglichkeit, die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides anzuordnen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 18. Juli 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13. August 2007 beim SG eingegangene Beschwerde des Antragstellers mit der Begründung, der Antrag sei vom Sinn und Zweck der Antragstellung von Amts wegen dahingehend auszulegen gewesen, dass der Kläger beantragen wolle, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage anzuordnen. Dies werde mit der Beschwerde ausdrücklich beantragt.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.
II.
Die zulässige und im Übrigen statthafte Beschwerde ist im Sinne der erfolgten Feststellung begründet.
Der ausdrücklich auf Aussetzung der Vollziehung gestellte Antrag des Antragstellers war entsprechend dem Antrag im Beschwerdeverfahren als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG auszulegen. Das Gericht hat nach dem auch in Beschlussverfahren anzuwendenden § 106 Abs. 1 SGG auf sachdienliche Anträge hinzuwirken. Solcher sachdienlicher Antrag konnte nur der in § 86 b Abs. 1 Nr. 1 vorgesehene einstweilige Rechtsschutz sein. Der Antrag war ausdrücklich an das Gericht gerichtet gewesen. Die Antragsgegnerin hatte im Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2007 bereits über die Aussetzung der Vollziehung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09. Januar 2007 entschieden.
Allerdings bedurfte es der ausdrücklichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht. Denn im vorliegenden Fall haben Widerspruch und Anfechtungsklage bereits aufschiebende Wirkung. Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 39 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage lediglich gegen einen Verwaltungsakt, der 1. über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet oder 2. den Übergang eines Anspruchs bewirkt, keine aufschiebende Wirkung. Die hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte werden vom Tatbestand dieser Vorschrift nicht erfasst. Der Erstattungsbescheid ist nach Auffassung des Senats kein Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheide (vgl. zum Meinungsstand Conradis in LPK-SGB II § 39 Rdz.7). Auch handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, der den Übergang eines Anspruchs bewirkt.
Der Antragsteller hat allerdings ein berechtigtes Interesse an der erfolgten Feststellung zur Vermeidung der Vollstreckung.
Soweit die streitgegenständlichen Bescheide die Aufhebung von Leistungen für die Zeit vom 01. Mai 2005 bis 31. März 2006 zum Gegenstand haben, fehlt es hingegen an einem Rechtsschutzbedürfnis für einstweiligen Rechtsschutz. Der Antragsteller hat die Leistungen in jenem Zeitraum erhalten. Es ist ihm zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Insoweit war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Im Streit ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
Mit Bescheid vom 05. Juli 2006 hat die Antragsgegnerin ihren Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Mai 2005 bis 31. März 2006 aufgehoben und hat einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2.612,59 Euro geltend gemacht. Mit Bescheid vom 08. Januar 2007 hat die Antragsgegnerin den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05. Juli 2006 teilweise zurückgenommen und hat die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von nunmehr 2.526,00 Euro beansprucht. Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2007 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05. Juli 2006 nach Erlass des Änderungsbescheides vom 08. Januar 2007 zurückgewiesen und hat den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung für unbegründet erachtet. Die Forderung sei entsprechend geändert worden. Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 08. Januar 2007.
In dem beim Sozialgericht (SG) Cottbus zum Geschäftszeichen S 21 AS 911/06 geführten Rechtsstreit hat der Kläger mit Schriftsatz vom 01. Februar 2007 im Wege der Klagerweiterung gegen den Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2007 Klage erhoben und beantragt, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 05. Juli 2006 in der Gestalt des Abänderungsbescheides vom 08. Januar 2007, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Januar 2007 anzuordnen.
Mit Beschluss vom 05. Juli 2007 hat das SG Cottbus diesen Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rechtsschutzmöglichkeit der Aussetzung der sofortigen Vollziehung sei nach § 86 a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Verwaltung beschränkt. Den gerichtlichen Rechtsschutz könne der Betroffene nach § 86 b SGG erlangen. Das Gericht habe nach dieser Vorschrift keine Möglichkeit, die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides anzuordnen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 18. Juli 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13. August 2007 beim SG eingegangene Beschwerde des Antragstellers mit der Begründung, der Antrag sei vom Sinn und Zweck der Antragstellung von Amts wegen dahingehend auszulegen gewesen, dass der Kläger beantragen wolle, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage anzuordnen. Dies werde mit der Beschwerde ausdrücklich beantragt.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.
II.
Die zulässige und im Übrigen statthafte Beschwerde ist im Sinne der erfolgten Feststellung begründet.
Der ausdrücklich auf Aussetzung der Vollziehung gestellte Antrag des Antragstellers war entsprechend dem Antrag im Beschwerdeverfahren als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG auszulegen. Das Gericht hat nach dem auch in Beschlussverfahren anzuwendenden § 106 Abs. 1 SGG auf sachdienliche Anträge hinzuwirken. Solcher sachdienlicher Antrag konnte nur der in § 86 b Abs. 1 Nr. 1 vorgesehene einstweilige Rechtsschutz sein. Der Antrag war ausdrücklich an das Gericht gerichtet gewesen. Die Antragsgegnerin hatte im Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2007 bereits über die Aussetzung der Vollziehung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09. Januar 2007 entschieden.
Allerdings bedurfte es der ausdrücklichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht. Denn im vorliegenden Fall haben Widerspruch und Anfechtungsklage bereits aufschiebende Wirkung. Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 39 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage lediglich gegen einen Verwaltungsakt, der 1. über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet oder 2. den Übergang eines Anspruchs bewirkt, keine aufschiebende Wirkung. Die hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte werden vom Tatbestand dieser Vorschrift nicht erfasst. Der Erstattungsbescheid ist nach Auffassung des Senats kein Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheide (vgl. zum Meinungsstand Conradis in LPK-SGB II § 39 Rdz.7). Auch handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, der den Übergang eines Anspruchs bewirkt.
Der Antragsteller hat allerdings ein berechtigtes Interesse an der erfolgten Feststellung zur Vermeidung der Vollstreckung.
Soweit die streitgegenständlichen Bescheide die Aufhebung von Leistungen für die Zeit vom 01. Mai 2005 bis 31. März 2006 zum Gegenstand haben, fehlt es hingegen an einem Rechtsschutzbedürfnis für einstweiligen Rechtsschutz. Der Antragsteller hat die Leistungen in jenem Zeitraum erhalten. Es ist ihm zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Insoweit war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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