Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 26704/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird verpflichtet, die tatsächlichen Unterkunftskosten abzüglich der Warmwasserpauschale bis zum Auffinden einer angemessenen Wohnung, längstens bis Februar 2008, zu übernehmen. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (Ast.) bezieht seit Juni 2006 Alg II. Die Mietkosten ihrer 63,09 qm großen 2-Raum-Wohnung von zuletzt 542,- EUR Brutto (378 EUR Grundmiete, 112 EUR Betriebskosten, 52 EUR Heizkosten) wurden bis September 2007 in voller Höhe abzüglich einer Warmwasserpauschale von 6,53 EUR vom Antragsgegner (Ag.) übernommen.
Für den Bewilligungsabschnitt Oktober 2007 bis März 2008 wurden die Unterkunftskosten auf den vom Ag. für angemessen erachteten Richtwert von 360 EUR abzüglich der Warmwasserpau-schale reduziert. Hierbei bezieht sich der Ag. auf eine Mietsenkungsaufforderung vom 13.3.2007.
Mit Widerspruch und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz macht die Ast. geltend, das Aufforderungsschreiben zur Mietsenkung nicht erhalten zu haben. Ihr sei die Kürzung der Unterkunftskosten erstmals durch den Bewilligungsbescheid vom 31.8.2007 vermittelt worden.
Mit dieser Begründung hat die Ast. auch Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 6.10.2007 erhoben, in dem der Ag. nur allgemeine Ausführungen zur Bemessung der SGB II-Leistungen macht.
Auch in seiner Stellungnahme zum Eilantrag geht er nicht auf das Argument des fehlenden Zugangs der Mietsenkungsaufforderung ein.
In einer vom Gericht angeforderten Stellungnahme zum genauen Datum der Kenntnis der vom Ag. geforderten Mietsenkung beruft sich die Ast. auf den Bewilligungsbescheid vom 31.8.2007. Mietschulden bestünden noch nicht, eine Perspektive zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit sei über intensive Erwerbsbemühungen und Weiterqualifizierungen hinaus noch nicht zu konkretisieren.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Der Ast. steht für eine Suchfrist von längstens 6 Monaten, gerechnet vom Zugang des Bewilligungsbescheides (Anfang September) an, die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu.
Das BSG hat in zwei Entscheidung vom 7.11.2006 (B 7b AS 10/06 R; 18/06 R) zwar recht geringe Anforderungen an den Charakter einer Mietsenkungsaufforderung gestellt (reines Informationsschreiben ohne eigenständigen Regelungscharakter), den Entscheidungen lässt sich aber nicht entnehmen, dass ganz auf eine solche Aufforderung verzichtet werden könne, wenn dem Betroffenen normativ ein Wissen über die in Berlin nach Ansicht der Job Center geltenden Richtwerte zugerechnet werden könne. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil die vom Ag. zugrunde gelegten Richtwerte den Maßstab zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten unzutreffend widerspiegeln.
Auch aus dem allgemeinen Selbsthilfegebot nach § 2 SGB II kann eine Obliegenheit zur Erkundigung nach den in Berlin bzw. im maßgebenden Wohnumfeld geltenden Mietober-grenzen nicht vor Zugang einer Mietsenkungsaufforderung hergeleitet werden.
Die Rechtmäßigkeit einer Kappung der Unterkunftskosten setzt mithin voraus, dass die Ast. die Mietsenkungsaufforderung mit Schreiben vom 13.3.2007 erhalten hat. Der Akte lässt sich kein Absendevermerk oder sonstiger Beleg für eine Postbeförderung entnehmen, zumal auch dann unbewiesen bleibt, ob das Schreiben auch zugegangen ist.
Der fehlende Rücklauf des Schreibens – unterstellt, es wurde unter dem 13.3.2007 abgesandt – begründet keinen Anscheinsbeweis für eine Zustellung bei der Ast. (vgl. BSG vom 26.7.2007 – B 13 R 4/06 R mit w. Nachw.).
Der Ast. kann auch nicht entgegengehalten werden, sie müsse mangels besonderer Umstände, die auf Probleme bei der Postzustellung schließen lassen, den Nichtzugang des Aufforderungs-schreibens substantiiert darlegen. Abgesehen davon, dass der Adressat einer normalen Postsendung über deren Beförderung keine substantiierte Aussage machen kann (s. auch dazu BSG vom 26.7.2007, a.a.O.), liefe dieses Verlangen darauf hinaus, dass der Verzicht der Verwaltung auf eine förmliche Zustellung die Rechtsverfolgung auf Seiten des Adressaten verschlechtern würde (LSG Baden-Württemberg vom 30.8.2007 – L 6 U 1140/06).
Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, die für den Zugang einer Postsendung sprechen (s. dazu etwa LSG Berlin-Brandenburg vom 13.9.2007 – L 5 B 1349/07 AS ER), trägt der Ag. die Beweislast für den Zugang des Aufforderungsschreibens.
Die Gefahr gehäufter, fadenscheiniger Ausflüchte in Richtung Postverlust – wozu hier keinerlei Anhaltspunkte vorliegen - kann der Ag. mit einer förmlichen Zustellung abwenden.
Unter Berücksichtigung gefestigter Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg ist zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II der örtliche Mietspiegel des Landes Berlin vom 11. Juli 2007 (ABl 1797) für abstrakt angemessene Wohnungen von 50 qm mit einfacher Ausstattung heranzuziehen (vgl. z.B. Beschluss vom 13.9.2007 – L 32 B 1312/07 AS ER.
Die Berechnung des zu übernehmenden Kostenbeitrags für Unterkunft und Heizung erfolgt danach in vier Schritten:
1. Ermittlung der unter Berücksichtigung des individuellen Raumbedarfs marktgerechten Brutto-Kaltmiete einfach ausgestatteter Wohnungen in einfacher Wohnlage im verweisbaren Wohnumfeld (Bestandsmieten),
2. Prüfung, ob im verweisbaren Wohnumfeld zumutbarer, günstigerer Wohnraum vorhanden ist, falls die tatsächlichen Mietkosten ohne Heizung den Betrag zu 2. übersteigen (Angebotsmieten),
3. Feststellung, ob die tatsächlichen Heizkosten-Vorauszahlungen auf einem wirtschaftlichen Heizverhalten bzw. einer seriösen Kalkulation der Vorauszahlung beruhen,
4. Berechnung der danach für die innegehabte Wohnung zu übernehmenden Kosten.
Im Einzelnen:
Die im Berliner Mietspiegel 2007 erfassten Durchschnitts-qm-Preise (gewichteter Mittelwert) für Wohnungen von 40 qm bis unter 60 qm mit Bad und Sammelheizung (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 29.1.2004, FEVS 56, S. 358 ff.) aller Baualtersgruppen (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.7.2007 – L 32 B 823/07 AS ER) in einfacher Lage ergeben einen qm-Preis von 4,88 EUR (= 43,99 EUR: 9) für den gesamten Berliner Wohnungsmarkt.
Weiter ist zu ermitteln, ob der errechnete Wert des gesamten Berliner Wohnungsmarktes auch für das verweisbare Wohnumfeld repräsentativ ist. Denn nach BSG-Rechtsprechung ist das Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend zu berücksichtigen.
Nach den Auswertungen im Jahresbericht 2006 der Berliner Investitionsbank (IBB-Bericht) liegen die Mieten von Wohnungen in einfachen Lagen in allen Stadtbezirken im Bereich von weniger als 5,- EUR/qm bis zu 6,- EUR/qm (IBB-Bericht, S. 50). Der errechnete Wert von 4,88 EUR/qm nach der Mietspiegeltabelle kann daher auch für den Wohnbezirk der Ast. als repräsentativ für einfache Wohnungen angesehen werden.
Danach erweist sich eine Kaltmiete von 50 qm x 4,88 EUR = 244,00 EUR als angemessen.
Zur Ermittlung der angemessenen kalten Betriebskosten nimmt das Gericht im Anschluss an eine Entscheidung des LSG Sachsen (Beschluss vom 24.10.2006 - L 3 B 158/06 AS-ER) den örtlichen Betriebskostenspiegel in Bezug. Er gibt am genauesten die pro qm Wohnfläche üblicherweise nach den örtlichen Gegebenheiten pro Monat anfallenden Mietnebenkosten, getrennt nach einzelnen Nebenkostenarten im statistischen Mittelwert, wieder. Die statistischen Mittelwerte sind deshalb heranzuziehen, weil sich die Höhe der Nebenkosten nicht in erster Linie am Wohnstandard (Aufzug, Grünfläche etc.) misst, sondern am Baualter und der Gebäudeart (IBB-Bericht, S. 48). So sind beispielsweise die Betriebskosten im unsanierten Altbaubestand von überdurchschnittlich hohen Hauswartkosten geprägt (Mietspiegel 2007, S. 20). Nach dem IBB-Bericht 2006 liegen die kalten Betriebskosten in einer Spannbreite von 1,45 EUR/qm in Treptow-Köpenick bis zu 2,09 EUR/qm in Friedrichshain-Kreuzberg. Es ist also nicht so, dass hohe Betriebskosten typischerweise für Wohnungen mit gehobener Ausstattung oder in besserer Wohnlage anfallen. Eine weitergehende Differenzierung danach, ob der Hilfebedürftige einen Aufzug benötigt oder über Kabelanschluss verfügt, hält das Gericht im Rahmen der Ermittlung eines nicht objektbezogenen, abstrakten Angemessenheitswertes für nicht sachgerecht. Wegen der sich in 2007 auswirkenden Preiserhöhungen für die Grundsteuer, die Straßen-reinigung, die Müllabfuhr sowie der gestiegenen Wasser- und Energiepreise sind die im aktuellen Mietspiegel erfassten Werte aus 2005 jedoch mit einem Aufschlag zu versehen. Bzgl. der genannten Kostenpositionen veranschlagt das Gericht mangels genauerer Quellen die jeweiligen Höchstwerte aus dem vom Mieterbund für 2006 erstellten Betriebskostenspiegel, soweit sie über dem oberen Spannenwert des Berliner Betriebskostenspiegels liegen. Danach erweisen sich kalte Betriebskosten von 50 qm x 1,90 EUR = 95 EUR als angemessen. Damit steht fest, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete von 490 EUR deutlich über dem o.g. Angemessenheitswert von 339 EUR liegt. Die Ast. ist daher zu einer Mietsenkung verpflichtet. Die tatsächliche Miete wäre nur dann zu übernehmen, wenn im Stadtbezirk R keine zumutbaren Wohnungen (bis 50 qm mit Bad und Sammelheizung oder Gasetagenheizung in einfacher Lage) mit der errechneten Grundmiete von 244 EUR und den Nebenkosten ohne Heizung von 95 EUR zu finden wären, wobei diese in nennenswerter Zahl, nicht nur im Einzelfall, angeboten werden müssten (vgl. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.4.2007 – L 7 AS 494/05).
Nach summarischer Prüfung unter Berücksichtigung der im IBB-Bericht erstellten Bezirksprofile ist von einer Marktlage auszugehen, die das Auffinden einer angemessenen Wohnung innerhalb des Beschlusszeitraums ermöglicht.
Die Ast. hat aber Gelegenheit und sollte sie auch unbedingt nutzen, aufzuzeigen, dass im bezirklichen Wohnumfeld keine solchen Wohnungsangebote offen stehen.
Die tatsächlichen Heizkosten von derzeit 52 EUR sind in jedem Fall zu übernehmen (vgl. auch dazu LSG Sachsen, a.a.O.). Bei Prüfung von Wohnungsangeboten ist nach Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg – L 32 B 1312/07 AS ER ein Betrag von bis zu 1,15 EUR pro qm als angemessen anzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (Ast.) bezieht seit Juni 2006 Alg II. Die Mietkosten ihrer 63,09 qm großen 2-Raum-Wohnung von zuletzt 542,- EUR Brutto (378 EUR Grundmiete, 112 EUR Betriebskosten, 52 EUR Heizkosten) wurden bis September 2007 in voller Höhe abzüglich einer Warmwasserpauschale von 6,53 EUR vom Antragsgegner (Ag.) übernommen.
Für den Bewilligungsabschnitt Oktober 2007 bis März 2008 wurden die Unterkunftskosten auf den vom Ag. für angemessen erachteten Richtwert von 360 EUR abzüglich der Warmwasserpau-schale reduziert. Hierbei bezieht sich der Ag. auf eine Mietsenkungsaufforderung vom 13.3.2007.
Mit Widerspruch und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz macht die Ast. geltend, das Aufforderungsschreiben zur Mietsenkung nicht erhalten zu haben. Ihr sei die Kürzung der Unterkunftskosten erstmals durch den Bewilligungsbescheid vom 31.8.2007 vermittelt worden.
Mit dieser Begründung hat die Ast. auch Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 6.10.2007 erhoben, in dem der Ag. nur allgemeine Ausführungen zur Bemessung der SGB II-Leistungen macht.
Auch in seiner Stellungnahme zum Eilantrag geht er nicht auf das Argument des fehlenden Zugangs der Mietsenkungsaufforderung ein.
In einer vom Gericht angeforderten Stellungnahme zum genauen Datum der Kenntnis der vom Ag. geforderten Mietsenkung beruft sich die Ast. auf den Bewilligungsbescheid vom 31.8.2007. Mietschulden bestünden noch nicht, eine Perspektive zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit sei über intensive Erwerbsbemühungen und Weiterqualifizierungen hinaus noch nicht zu konkretisieren.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Der Ast. steht für eine Suchfrist von längstens 6 Monaten, gerechnet vom Zugang des Bewilligungsbescheides (Anfang September) an, die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu.
Das BSG hat in zwei Entscheidung vom 7.11.2006 (B 7b AS 10/06 R; 18/06 R) zwar recht geringe Anforderungen an den Charakter einer Mietsenkungsaufforderung gestellt (reines Informationsschreiben ohne eigenständigen Regelungscharakter), den Entscheidungen lässt sich aber nicht entnehmen, dass ganz auf eine solche Aufforderung verzichtet werden könne, wenn dem Betroffenen normativ ein Wissen über die in Berlin nach Ansicht der Job Center geltenden Richtwerte zugerechnet werden könne. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil die vom Ag. zugrunde gelegten Richtwerte den Maßstab zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten unzutreffend widerspiegeln.
Auch aus dem allgemeinen Selbsthilfegebot nach § 2 SGB II kann eine Obliegenheit zur Erkundigung nach den in Berlin bzw. im maßgebenden Wohnumfeld geltenden Mietober-grenzen nicht vor Zugang einer Mietsenkungsaufforderung hergeleitet werden.
Die Rechtmäßigkeit einer Kappung der Unterkunftskosten setzt mithin voraus, dass die Ast. die Mietsenkungsaufforderung mit Schreiben vom 13.3.2007 erhalten hat. Der Akte lässt sich kein Absendevermerk oder sonstiger Beleg für eine Postbeförderung entnehmen, zumal auch dann unbewiesen bleibt, ob das Schreiben auch zugegangen ist.
Der fehlende Rücklauf des Schreibens – unterstellt, es wurde unter dem 13.3.2007 abgesandt – begründet keinen Anscheinsbeweis für eine Zustellung bei der Ast. (vgl. BSG vom 26.7.2007 – B 13 R 4/06 R mit w. Nachw.).
Der Ast. kann auch nicht entgegengehalten werden, sie müsse mangels besonderer Umstände, die auf Probleme bei der Postzustellung schließen lassen, den Nichtzugang des Aufforderungs-schreibens substantiiert darlegen. Abgesehen davon, dass der Adressat einer normalen Postsendung über deren Beförderung keine substantiierte Aussage machen kann (s. auch dazu BSG vom 26.7.2007, a.a.O.), liefe dieses Verlangen darauf hinaus, dass der Verzicht der Verwaltung auf eine förmliche Zustellung die Rechtsverfolgung auf Seiten des Adressaten verschlechtern würde (LSG Baden-Württemberg vom 30.8.2007 – L 6 U 1140/06).
Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, die für den Zugang einer Postsendung sprechen (s. dazu etwa LSG Berlin-Brandenburg vom 13.9.2007 – L 5 B 1349/07 AS ER), trägt der Ag. die Beweislast für den Zugang des Aufforderungsschreibens.
Die Gefahr gehäufter, fadenscheiniger Ausflüchte in Richtung Postverlust – wozu hier keinerlei Anhaltspunkte vorliegen - kann der Ag. mit einer förmlichen Zustellung abwenden.
Unter Berücksichtigung gefestigter Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg ist zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II der örtliche Mietspiegel des Landes Berlin vom 11. Juli 2007 (ABl 1797) für abstrakt angemessene Wohnungen von 50 qm mit einfacher Ausstattung heranzuziehen (vgl. z.B. Beschluss vom 13.9.2007 – L 32 B 1312/07 AS ER.
Die Berechnung des zu übernehmenden Kostenbeitrags für Unterkunft und Heizung erfolgt danach in vier Schritten:
1. Ermittlung der unter Berücksichtigung des individuellen Raumbedarfs marktgerechten Brutto-Kaltmiete einfach ausgestatteter Wohnungen in einfacher Wohnlage im verweisbaren Wohnumfeld (Bestandsmieten),
2. Prüfung, ob im verweisbaren Wohnumfeld zumutbarer, günstigerer Wohnraum vorhanden ist, falls die tatsächlichen Mietkosten ohne Heizung den Betrag zu 2. übersteigen (Angebotsmieten),
3. Feststellung, ob die tatsächlichen Heizkosten-Vorauszahlungen auf einem wirtschaftlichen Heizverhalten bzw. einer seriösen Kalkulation der Vorauszahlung beruhen,
4. Berechnung der danach für die innegehabte Wohnung zu übernehmenden Kosten.
Im Einzelnen:
Die im Berliner Mietspiegel 2007 erfassten Durchschnitts-qm-Preise (gewichteter Mittelwert) für Wohnungen von 40 qm bis unter 60 qm mit Bad und Sammelheizung (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 29.1.2004, FEVS 56, S. 358 ff.) aller Baualtersgruppen (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.7.2007 – L 32 B 823/07 AS ER) in einfacher Lage ergeben einen qm-Preis von 4,88 EUR (= 43,99 EUR: 9) für den gesamten Berliner Wohnungsmarkt.
Weiter ist zu ermitteln, ob der errechnete Wert des gesamten Berliner Wohnungsmarktes auch für das verweisbare Wohnumfeld repräsentativ ist. Denn nach BSG-Rechtsprechung ist das Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend zu berücksichtigen.
Nach den Auswertungen im Jahresbericht 2006 der Berliner Investitionsbank (IBB-Bericht) liegen die Mieten von Wohnungen in einfachen Lagen in allen Stadtbezirken im Bereich von weniger als 5,- EUR/qm bis zu 6,- EUR/qm (IBB-Bericht, S. 50). Der errechnete Wert von 4,88 EUR/qm nach der Mietspiegeltabelle kann daher auch für den Wohnbezirk der Ast. als repräsentativ für einfache Wohnungen angesehen werden.
Danach erweist sich eine Kaltmiete von 50 qm x 4,88 EUR = 244,00 EUR als angemessen.
Zur Ermittlung der angemessenen kalten Betriebskosten nimmt das Gericht im Anschluss an eine Entscheidung des LSG Sachsen (Beschluss vom 24.10.2006 - L 3 B 158/06 AS-ER) den örtlichen Betriebskostenspiegel in Bezug. Er gibt am genauesten die pro qm Wohnfläche üblicherweise nach den örtlichen Gegebenheiten pro Monat anfallenden Mietnebenkosten, getrennt nach einzelnen Nebenkostenarten im statistischen Mittelwert, wieder. Die statistischen Mittelwerte sind deshalb heranzuziehen, weil sich die Höhe der Nebenkosten nicht in erster Linie am Wohnstandard (Aufzug, Grünfläche etc.) misst, sondern am Baualter und der Gebäudeart (IBB-Bericht, S. 48). So sind beispielsweise die Betriebskosten im unsanierten Altbaubestand von überdurchschnittlich hohen Hauswartkosten geprägt (Mietspiegel 2007, S. 20). Nach dem IBB-Bericht 2006 liegen die kalten Betriebskosten in einer Spannbreite von 1,45 EUR/qm in Treptow-Köpenick bis zu 2,09 EUR/qm in Friedrichshain-Kreuzberg. Es ist also nicht so, dass hohe Betriebskosten typischerweise für Wohnungen mit gehobener Ausstattung oder in besserer Wohnlage anfallen. Eine weitergehende Differenzierung danach, ob der Hilfebedürftige einen Aufzug benötigt oder über Kabelanschluss verfügt, hält das Gericht im Rahmen der Ermittlung eines nicht objektbezogenen, abstrakten Angemessenheitswertes für nicht sachgerecht. Wegen der sich in 2007 auswirkenden Preiserhöhungen für die Grundsteuer, die Straßen-reinigung, die Müllabfuhr sowie der gestiegenen Wasser- und Energiepreise sind die im aktuellen Mietspiegel erfassten Werte aus 2005 jedoch mit einem Aufschlag zu versehen. Bzgl. der genannten Kostenpositionen veranschlagt das Gericht mangels genauerer Quellen die jeweiligen Höchstwerte aus dem vom Mieterbund für 2006 erstellten Betriebskostenspiegel, soweit sie über dem oberen Spannenwert des Berliner Betriebskostenspiegels liegen. Danach erweisen sich kalte Betriebskosten von 50 qm x 1,90 EUR = 95 EUR als angemessen. Damit steht fest, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete von 490 EUR deutlich über dem o.g. Angemessenheitswert von 339 EUR liegt. Die Ast. ist daher zu einer Mietsenkung verpflichtet. Die tatsächliche Miete wäre nur dann zu übernehmen, wenn im Stadtbezirk R keine zumutbaren Wohnungen (bis 50 qm mit Bad und Sammelheizung oder Gasetagenheizung in einfacher Lage) mit der errechneten Grundmiete von 244 EUR und den Nebenkosten ohne Heizung von 95 EUR zu finden wären, wobei diese in nennenswerter Zahl, nicht nur im Einzelfall, angeboten werden müssten (vgl. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.4.2007 – L 7 AS 494/05).
Nach summarischer Prüfung unter Berücksichtigung der im IBB-Bericht erstellten Bezirksprofile ist von einer Marktlage auszugehen, die das Auffinden einer angemessenen Wohnung innerhalb des Beschlusszeitraums ermöglicht.
Die Ast. hat aber Gelegenheit und sollte sie auch unbedingt nutzen, aufzuzeigen, dass im bezirklichen Wohnumfeld keine solchen Wohnungsangebote offen stehen.
Die tatsächlichen Heizkosten von derzeit 52 EUR sind in jedem Fall zu übernehmen (vgl. auch dazu LSG Sachsen, a.a.O.). Bei Prüfung von Wohnungsangeboten ist nach Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg – L 32 B 1312/07 AS ER ein Betrag von bis zu 1,15 EUR pro qm als angemessen anzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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