Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 228/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 135/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten beschiedenen rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung der Klägerin zu 2) für die Zeit ab 01.10.2001.
Die 1956 geborene Klägerin zu 2) und der Kläger zu 1), ihr Ehemann, waren seit Oktober 2001 Mitglieder der Beklagten: der Kläger zu 1) als pflichtversicherter Beschäftigter, die Klägerin zu 2) als Familienversicherte. Nach der Angabe eines selbständigen Gewerbes der Klägerin zu 2) - einer Änderungsschneiderei - im September 2003 und Vorlage entsprechender, von der Beklagten angeforderter Unterlagen erteilte diese die Bescheide vom 15. und 23.04.2005. Mit diesen Bescheiden stellte die Beklagte fest, dass für die Klägerin zu 2) seit dem 01.10.2001 keine Familienversicherung bestehe, da sie mit dem Betreiben einer Änderungsschneiderei mit mindestens einer mehr als geringfügig angestellten Arbeitskraft Arbeitgeberin und damit hauptberuflich selbständig sei.
Den gegen diese Bescheide eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2006 zurück.
Bereits während des Vorverfahrens haben die Kläger gegen die Feststellung der Beklagten Klage erhoben mit dem Begehren, die Familienversicherung fortzuführen. Sie hätten der Beklagten stets die erforderlichen Angaben gemacht. Dieser sei der Sachverhalt immer bekannt gewesen. Sie hätten aufgrund der jahrelangen Fortführung der Familienversicherung entsprechende Dispositionen getroffen. Die Klägerin zu 2) beziehe aus dem Betreiben der Änderungsschneiderei auch nur ein geringes Einkommen (gemäß den während des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2001 und 2002 erwirtschaftete die Klägerin zu 2) im Jahre 2001 einen Reingewinn in Höhe von 3.178,00 DM und 2002 in Höhe von 2.442,00 Euro). Sie arbeite neben einer fest Angestellten (mit ca. 10 Stunden pro Woche) und einer Aushilfskraft (mit ca. 15 Stunden pro Monat) ca. 2 Stunden täglich in und für die Schneiderei, bei täglichen Öffnungszeiten von 8.00 bis 18.00 Uhr. Hinsichtlich der weiteren Darstellung zum Schneidereibetrieb wird auf die Schilderung der Kläger in der Sitzungsniederschrift vom 21.09.2007 Bezug genommen. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten sei mit einem Wechsel der Krankenkasse zum 28.02.2006 beendet worden.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Bescheide vom 15. und 23.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2006 festzustellen, dass die Klägerin zu 2) vom 01.10.2001 bis zum 28.02.2006 familienversichertes Mitglied der Beklagten gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmäßig. Die Klägerin zu 2) sei als Arbeitgeberin einer fest angestellten Arbeitskraft hauptberuflich selbständig. Sie habe seit 1990 bei der Beklagten ein Arbeitgeberkonto geführt, gemäß dem eine fest Angestellte in mehr als geringfügigem Umfang mit einem monatlichen Lohn von 511,00 Euro sozialversichert gewesen sei.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage beider Kläger ist zulässig. Die Befugnis, das Bestehen einer Familienversicherung klären zu lassen, steht sowohl dem Stammversicherten, hier dem Kläger zu 1), als auch der Familienangehörigen, hier der Klägerin zu 2), zu (BSG, Urteil vom 29.06.1993 - 12 RK 48/91 -, in: BSGE 72, 292 ff., NJW-RR 1994, 131 ff.).
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
1. Die Klägerin zu 2) war seit Oktober 2001 kein familienversichertes Mitglied, da die gesetzlichen Voraussetzungen der Familienversicherung nicht vorlagen. Denn versichert ist ein Ehegattin nur, wenn sie nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist, § 10 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht der Kammer vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin zu 2) war von Oktober 2001 bis Februar 2006 hauptberuflich selbständig.
Hauptberuflich ist eine selbständige Erwerbstätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt (BT-Drucks. 11/2237, S. 159, zu § 5 Abs. 5 SGB V; BSG, Urteil vom 26.09.1996 - 12 RK 46/95 - , in: BSGE 79, 133 ff.). Gemäß § 5 Abs. 5 SGB V sind hauptberuflich selbständig Erwerbstätige auch dann nicht versicherungspflichtig, wenn sie gleichzeitig den Tatbestand eines abhängigen und an sich versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfüllen. Dadurch soll z.B. vermieden werden, dass ein versicherungsfreier Selbständiger durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung versicherungspflichtig wird und damit den umfassenden Schutz der gesetzlichen Krankenkassen erhält. Eine entsprechende Regelung zum Ausschluss hauptberuflich selbständiger Erwerbstätiger von der Familienversicherung enthält § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB V (BSG, Urteil vom 26.09.1996 a.a.O.).
Bei den Versicherten, die in erster Linie ihren Lebensunterhalt durch andere Einnahmen als solche aus selbständiger Tätigkeit bestreiten, konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass der Beitragsbemessung überwiegend Bruttoeinnahmen aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegen und das nebenberuflich erworbene Arbeits- einkommen (Gewinn) von untergeordneter Bedeutung ist. Bezieht ein Selbständiger über einen längeren Zeitraum laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, so ist ebenso fraglich, ob er noch eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit ausübt. Jedenfalls, wenn die Sozialhilfe das Arbeitseinkommen und die übrigen beitragspflichtigen Einnahmen übersteigt, kann die Annahme einer Erwerbstätigkeit mangels Gewinnerzielungsabsicht ausscheiden (BSG, Urteil vom 26.09.1996 a.a.O.). Da die selbständige Tätigkeit nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V eine gewisse Qualität verlangt, ist das Aus- legungsmerkmal der Hauptberuflichkeit in Anlehnung an die Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 5 SGB V daran zu orientieren, ob die in Rede stehende selbständige Erwerbstätigkeit der Lebensführung der Betroffenen von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand her das Gepräge gibt. Dies ist nicht immer schon dann der Fall, wenn neben der selbständigen Tätigkeit keine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird. Aus dem der Familienversicherung immanenten Schutzgedanken ist abzuleiten, dass eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit neben einem gewissen zeitlichen Einsatz der Betroffenen grundsätzlich auch Einnahmen verlangt, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes wesentlich beitragen. Dabei steht der Annahme der hauptberuflichen Tätigkeit nicht entgegen, dass vorübergehend keine Einkünfte im Sinne des Zuflusses von Vermögenswerten erzielt werden können (LSG Berlin, Urteil vom 19.03.2003 - L 9 KR 157/02 - , juris.de). Eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit liegt in der Regel vor, wenn der mit ihr verbundene Zeitaufwand die versicherte mehr als halbtags in Anspruch nimmt. Unterschreitet der zeitliche Aufwand für eine selbständige Erwerbstätigkeit den einer Halbtagsbeschäftigung, wird sie gleichwohl hauptberuflich ausgeübt, wenn die Versicherte entweder keinen anderen Erwerbstätigkeiten nachgeht oder eine weitere Erwerbstätigkeit sich vom zeitlichen Aufwand und den erzielten Einnahmen her der selbständigen Tätigkeit unterordnet und die Versicherte ihren Lebensunterhalt zumindest überwiegend aus der selbständigen Tätigkeit decken kann (LSG Berlin, Urteil vom 04.09.1996 - L 9 KR 71/94; juris.de; SG Detmold, Urteil vom 20.10.2004 - S 3 (11) KR 19/04 - , juris.de).
Entgegen der Ansicht der Beklagten schließt die bloße Arbeitgebereigenschaft eine nach anderen Vorschriften des SGB V gegebene Pflichtversicherung nicht aus, so z.B. eine Pflichtversicherung als Student, wenn der Student lediglich Arbeitgebereigenschaft hat und nicht im Betrieb mitarbeitet. Es gibt keinen gesetzlichen Anhalt, wonach eine Arbeitgebereigenschaft schon Hauptberuflichkeit bedeutet (Bayr. LSG, Urteil vom 01.04.2004 - L 4 KR 34/02 - ; juris.de). Gegen diese pauschale rechtliche Qualifizierung spricht darüber hinaus die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass zur Ermittlung der wirtschaftlichen Bedeutung der selbständigen Erwerbstätigkeit der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuergesetz ermittelte Reingewinn heranzuziehen ist und nicht der "Rohgewinn" oder Umsatz ohne Minderung durch die Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten, und damit auch Personalkosten). So berechtigt die Verfügung über fremde Zeitkontingente (der Arbeitskräfte) nicht zu dem Schluss, jene Zeit sei auch vom Unternehmer selbst erbracht worden (BSG, Urteil vom 29.04.1997 - 10/4 RK 3/96 -, in: SozR 3-5420 § 3 Nr. 2, USK 9760; ebenso: LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.08.2004 - L 11 KR 4196/03 -, juris.de), das fordert, dass den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit nur eine solche Tätigkeit darstellen kann, deren daraus erzielte Einnahmen entscheidend zur Bestreitung des Lebensunterhalts beitragen). Aus diesen Gründen steht ebenso das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 08./09.11.1989 der zitierten Rechtsprechung entgegen, dass Arbeitgeber, die mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, grundsätzlich hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind (DOK 1990, 153, 154; BB 1990, 216).
Dennoch ist die Kammer unter Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2) hauptberuflich erwerbstätig ist und zwar ergibt sich dies aus einer Gesamtschau der nach den Gesetzesmaterialien wesentlichen Umständen (wirtschaftliche Bedeutung, zeitlicher Aufwand, Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit). Anders als bei Arbeitnehmern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis übt die Klägerin zu 2) ihre selbständige Tätigkeit nicht nur nebenberuflich aus, sondern als alleinige Tätigkeit. Dies muss sich auch in einem entsprechenden zeitlichen Aufwand niederschlagen. Die diesbezüglichen Angaben der Klägerin zu 2), dass sie lediglich durchschnittlich 2 Stunden pro Tag für ihren Betrieb arbeite, können nicht überzeugen. Die Klägerin zu 2) konnte nicht plausible erklären, wie sich ihr bedarfsweiser Einsatz neben den angestellten Arbeitskräften auf 2 Stunden pro Tag beschränkt, wenn das Ladenlokal 10 Stunden am Tag geöffnet ist und die fest angestellte Kraft lediglich 10 Stunden pro Woche arbeitet und eine Aushilfskraft ca. 15 Stunden im Monat. Auch die gelegentlichen Anwesenheiten des Klägers zu 1) erklären nicht, wie die Klägerin zu 2) ein täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnetes Ladenlokal mit einem lediglich geringfügigen Zeiteinsatz betrieben kann. Hinzu kommt, wenn auch nicht pauschal und ausschließlich wie vom Standpunkt der Beklagten aus, das nicht unerhebliche unternehmerische Risiko, dass die Klägerin zu 2) allein mit der Miete des Ladenlokals und den Lohnkosten für angestelltes Personal eingegangen ist und im Rahmen der wirtschaftlichen Bedeutung nicht völlig vernachlässigt bleiben kann.
Da die Klägerin allein eine Erwerbstätigkeit in ihrer Änderungsschneiderei ausübt, spricht auch nicht die von den Spitzenverbänden im oben genannten Besprechungsergebnis aufgeführte Vermutung für sie, dass für Arbeitnehmer, die mindestens 18 Stunden in der Woche arbeiten und deren monatliches Arbeitsentgelt mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße beträgt, die widerlegbare Vermutung besteht, dass daneben für eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit kein Raum mehr bleibt (a.a.O.).
2. Die Beklagte war nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch berechtigt, durch Bescheid rückwirkend festzustellen, dass eine Familienversicherung in der Vergangenheit nicht bestanden hat (Urteile vom 07.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - m.w.N., in: SozR 3-2500 § 10 Nr. 19, USK 2000-64, und vom 25.01.2001 - B 12 KR 8/00 R - ). Bei einer entsprechenden Feststellung, bei der es sich um eine reine sog. Statusfeststellung handelt, brauchen die aus §§ 45, 48 SGB X folgenden Einschränkungen nicht beachtet zu werden (BSG, Urteil vom 07.12.2000, a. a. O.). Vorliegend ist auch kein entgegenstehender, die Familienversicherung der Klägerin zu 2) positiv feststellender Verwaltungsakt ersichtlich, der die Beklagte an einer rückwirkenden Feststellung hindern könnte. Das Aushändigen von Versicherungskarten stellt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen Verwaltungsakt über das Versicherungs- verhältnis dar (BSG, Urteil vom 07.12.2000, a.a.O.).
Die Vertrauensschutzvorschriften der §§ 45 ff. SGB X finden vorliegend bei der reinen Statusfeststellung keine Anwendung. Sie werden erheblich bei der in diesem Gerichtsverfahren nicht streitgegenständlichen Frage, ob die Klägerin zu 2) beim Nichtvorliegen einer Familienversicherung zur Erstattung der von der Beklagten in der Vergangenheit erbrachten Leistungen verpflichtet ist oder für den Zeitraum eine freiwillige Krankenversicherung vereinbart wird (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.2000, a.a.O.). Insofern wird jedoch bereits jetzt darauf hingewiesen, dass die Kläger entgegen im Fragebogen zur Feststellung der Familienversicherung am 08.10.2001 die Frage nach einem Arbeitsverhältnis/selbständiger Tätigkeit mit "nein" beantwortet haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten beschiedenen rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung der Klägerin zu 2) für die Zeit ab 01.10.2001.
Die 1956 geborene Klägerin zu 2) und der Kläger zu 1), ihr Ehemann, waren seit Oktober 2001 Mitglieder der Beklagten: der Kläger zu 1) als pflichtversicherter Beschäftigter, die Klägerin zu 2) als Familienversicherte. Nach der Angabe eines selbständigen Gewerbes der Klägerin zu 2) - einer Änderungsschneiderei - im September 2003 und Vorlage entsprechender, von der Beklagten angeforderter Unterlagen erteilte diese die Bescheide vom 15. und 23.04.2005. Mit diesen Bescheiden stellte die Beklagte fest, dass für die Klägerin zu 2) seit dem 01.10.2001 keine Familienversicherung bestehe, da sie mit dem Betreiben einer Änderungsschneiderei mit mindestens einer mehr als geringfügig angestellten Arbeitskraft Arbeitgeberin und damit hauptberuflich selbständig sei.
Den gegen diese Bescheide eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2006 zurück.
Bereits während des Vorverfahrens haben die Kläger gegen die Feststellung der Beklagten Klage erhoben mit dem Begehren, die Familienversicherung fortzuführen. Sie hätten der Beklagten stets die erforderlichen Angaben gemacht. Dieser sei der Sachverhalt immer bekannt gewesen. Sie hätten aufgrund der jahrelangen Fortführung der Familienversicherung entsprechende Dispositionen getroffen. Die Klägerin zu 2) beziehe aus dem Betreiben der Änderungsschneiderei auch nur ein geringes Einkommen (gemäß den während des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2001 und 2002 erwirtschaftete die Klägerin zu 2) im Jahre 2001 einen Reingewinn in Höhe von 3.178,00 DM und 2002 in Höhe von 2.442,00 Euro). Sie arbeite neben einer fest Angestellten (mit ca. 10 Stunden pro Woche) und einer Aushilfskraft (mit ca. 15 Stunden pro Monat) ca. 2 Stunden täglich in und für die Schneiderei, bei täglichen Öffnungszeiten von 8.00 bis 18.00 Uhr. Hinsichtlich der weiteren Darstellung zum Schneidereibetrieb wird auf die Schilderung der Kläger in der Sitzungsniederschrift vom 21.09.2007 Bezug genommen. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten sei mit einem Wechsel der Krankenkasse zum 28.02.2006 beendet worden.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Bescheide vom 15. und 23.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2006 festzustellen, dass die Klägerin zu 2) vom 01.10.2001 bis zum 28.02.2006 familienversichertes Mitglied der Beklagten gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmäßig. Die Klägerin zu 2) sei als Arbeitgeberin einer fest angestellten Arbeitskraft hauptberuflich selbständig. Sie habe seit 1990 bei der Beklagten ein Arbeitgeberkonto geführt, gemäß dem eine fest Angestellte in mehr als geringfügigem Umfang mit einem monatlichen Lohn von 511,00 Euro sozialversichert gewesen sei.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage beider Kläger ist zulässig. Die Befugnis, das Bestehen einer Familienversicherung klären zu lassen, steht sowohl dem Stammversicherten, hier dem Kläger zu 1), als auch der Familienangehörigen, hier der Klägerin zu 2), zu (BSG, Urteil vom 29.06.1993 - 12 RK 48/91 -, in: BSGE 72, 292 ff., NJW-RR 1994, 131 ff.).
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
1. Die Klägerin zu 2) war seit Oktober 2001 kein familienversichertes Mitglied, da die gesetzlichen Voraussetzungen der Familienversicherung nicht vorlagen. Denn versichert ist ein Ehegattin nur, wenn sie nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist, § 10 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht der Kammer vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin zu 2) war von Oktober 2001 bis Februar 2006 hauptberuflich selbständig.
Hauptberuflich ist eine selbständige Erwerbstätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt (BT-Drucks. 11/2237, S. 159, zu § 5 Abs. 5 SGB V; BSG, Urteil vom 26.09.1996 - 12 RK 46/95 - , in: BSGE 79, 133 ff.). Gemäß § 5 Abs. 5 SGB V sind hauptberuflich selbständig Erwerbstätige auch dann nicht versicherungspflichtig, wenn sie gleichzeitig den Tatbestand eines abhängigen und an sich versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfüllen. Dadurch soll z.B. vermieden werden, dass ein versicherungsfreier Selbständiger durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung versicherungspflichtig wird und damit den umfassenden Schutz der gesetzlichen Krankenkassen erhält. Eine entsprechende Regelung zum Ausschluss hauptberuflich selbständiger Erwerbstätiger von der Familienversicherung enthält § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB V (BSG, Urteil vom 26.09.1996 a.a.O.).
Bei den Versicherten, die in erster Linie ihren Lebensunterhalt durch andere Einnahmen als solche aus selbständiger Tätigkeit bestreiten, konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass der Beitragsbemessung überwiegend Bruttoeinnahmen aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegen und das nebenberuflich erworbene Arbeits- einkommen (Gewinn) von untergeordneter Bedeutung ist. Bezieht ein Selbständiger über einen längeren Zeitraum laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, so ist ebenso fraglich, ob er noch eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit ausübt. Jedenfalls, wenn die Sozialhilfe das Arbeitseinkommen und die übrigen beitragspflichtigen Einnahmen übersteigt, kann die Annahme einer Erwerbstätigkeit mangels Gewinnerzielungsabsicht ausscheiden (BSG, Urteil vom 26.09.1996 a.a.O.). Da die selbständige Tätigkeit nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V eine gewisse Qualität verlangt, ist das Aus- legungsmerkmal der Hauptberuflichkeit in Anlehnung an die Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 5 SGB V daran zu orientieren, ob die in Rede stehende selbständige Erwerbstätigkeit der Lebensführung der Betroffenen von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand her das Gepräge gibt. Dies ist nicht immer schon dann der Fall, wenn neben der selbständigen Tätigkeit keine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird. Aus dem der Familienversicherung immanenten Schutzgedanken ist abzuleiten, dass eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit neben einem gewissen zeitlichen Einsatz der Betroffenen grundsätzlich auch Einnahmen verlangt, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes wesentlich beitragen. Dabei steht der Annahme der hauptberuflichen Tätigkeit nicht entgegen, dass vorübergehend keine Einkünfte im Sinne des Zuflusses von Vermögenswerten erzielt werden können (LSG Berlin, Urteil vom 19.03.2003 - L 9 KR 157/02 - , juris.de). Eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit liegt in der Regel vor, wenn der mit ihr verbundene Zeitaufwand die versicherte mehr als halbtags in Anspruch nimmt. Unterschreitet der zeitliche Aufwand für eine selbständige Erwerbstätigkeit den einer Halbtagsbeschäftigung, wird sie gleichwohl hauptberuflich ausgeübt, wenn die Versicherte entweder keinen anderen Erwerbstätigkeiten nachgeht oder eine weitere Erwerbstätigkeit sich vom zeitlichen Aufwand und den erzielten Einnahmen her der selbständigen Tätigkeit unterordnet und die Versicherte ihren Lebensunterhalt zumindest überwiegend aus der selbständigen Tätigkeit decken kann (LSG Berlin, Urteil vom 04.09.1996 - L 9 KR 71/94; juris.de; SG Detmold, Urteil vom 20.10.2004 - S 3 (11) KR 19/04 - , juris.de).
Entgegen der Ansicht der Beklagten schließt die bloße Arbeitgebereigenschaft eine nach anderen Vorschriften des SGB V gegebene Pflichtversicherung nicht aus, so z.B. eine Pflichtversicherung als Student, wenn der Student lediglich Arbeitgebereigenschaft hat und nicht im Betrieb mitarbeitet. Es gibt keinen gesetzlichen Anhalt, wonach eine Arbeitgebereigenschaft schon Hauptberuflichkeit bedeutet (Bayr. LSG, Urteil vom 01.04.2004 - L 4 KR 34/02 - ; juris.de). Gegen diese pauschale rechtliche Qualifizierung spricht darüber hinaus die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass zur Ermittlung der wirtschaftlichen Bedeutung der selbständigen Erwerbstätigkeit der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuergesetz ermittelte Reingewinn heranzuziehen ist und nicht der "Rohgewinn" oder Umsatz ohne Minderung durch die Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten, und damit auch Personalkosten). So berechtigt die Verfügung über fremde Zeitkontingente (der Arbeitskräfte) nicht zu dem Schluss, jene Zeit sei auch vom Unternehmer selbst erbracht worden (BSG, Urteil vom 29.04.1997 - 10/4 RK 3/96 -, in: SozR 3-5420 § 3 Nr. 2, USK 9760; ebenso: LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.08.2004 - L 11 KR 4196/03 -, juris.de), das fordert, dass den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit nur eine solche Tätigkeit darstellen kann, deren daraus erzielte Einnahmen entscheidend zur Bestreitung des Lebensunterhalts beitragen). Aus diesen Gründen steht ebenso das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 08./09.11.1989 der zitierten Rechtsprechung entgegen, dass Arbeitgeber, die mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, grundsätzlich hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind (DOK 1990, 153, 154; BB 1990, 216).
Dennoch ist die Kammer unter Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2) hauptberuflich erwerbstätig ist und zwar ergibt sich dies aus einer Gesamtschau der nach den Gesetzesmaterialien wesentlichen Umständen (wirtschaftliche Bedeutung, zeitlicher Aufwand, Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit). Anders als bei Arbeitnehmern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis übt die Klägerin zu 2) ihre selbständige Tätigkeit nicht nur nebenberuflich aus, sondern als alleinige Tätigkeit. Dies muss sich auch in einem entsprechenden zeitlichen Aufwand niederschlagen. Die diesbezüglichen Angaben der Klägerin zu 2), dass sie lediglich durchschnittlich 2 Stunden pro Tag für ihren Betrieb arbeite, können nicht überzeugen. Die Klägerin zu 2) konnte nicht plausible erklären, wie sich ihr bedarfsweiser Einsatz neben den angestellten Arbeitskräften auf 2 Stunden pro Tag beschränkt, wenn das Ladenlokal 10 Stunden am Tag geöffnet ist und die fest angestellte Kraft lediglich 10 Stunden pro Woche arbeitet und eine Aushilfskraft ca. 15 Stunden im Monat. Auch die gelegentlichen Anwesenheiten des Klägers zu 1) erklären nicht, wie die Klägerin zu 2) ein täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnetes Ladenlokal mit einem lediglich geringfügigen Zeiteinsatz betrieben kann. Hinzu kommt, wenn auch nicht pauschal und ausschließlich wie vom Standpunkt der Beklagten aus, das nicht unerhebliche unternehmerische Risiko, dass die Klägerin zu 2) allein mit der Miete des Ladenlokals und den Lohnkosten für angestelltes Personal eingegangen ist und im Rahmen der wirtschaftlichen Bedeutung nicht völlig vernachlässigt bleiben kann.
Da die Klägerin allein eine Erwerbstätigkeit in ihrer Änderungsschneiderei ausübt, spricht auch nicht die von den Spitzenverbänden im oben genannten Besprechungsergebnis aufgeführte Vermutung für sie, dass für Arbeitnehmer, die mindestens 18 Stunden in der Woche arbeiten und deren monatliches Arbeitsentgelt mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße beträgt, die widerlegbare Vermutung besteht, dass daneben für eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit kein Raum mehr bleibt (a.a.O.).
2. Die Beklagte war nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch berechtigt, durch Bescheid rückwirkend festzustellen, dass eine Familienversicherung in der Vergangenheit nicht bestanden hat (Urteile vom 07.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - m.w.N., in: SozR 3-2500 § 10 Nr. 19, USK 2000-64, und vom 25.01.2001 - B 12 KR 8/00 R - ). Bei einer entsprechenden Feststellung, bei der es sich um eine reine sog. Statusfeststellung handelt, brauchen die aus §§ 45, 48 SGB X folgenden Einschränkungen nicht beachtet zu werden (BSG, Urteil vom 07.12.2000, a. a. O.). Vorliegend ist auch kein entgegenstehender, die Familienversicherung der Klägerin zu 2) positiv feststellender Verwaltungsakt ersichtlich, der die Beklagte an einer rückwirkenden Feststellung hindern könnte. Das Aushändigen von Versicherungskarten stellt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen Verwaltungsakt über das Versicherungs- verhältnis dar (BSG, Urteil vom 07.12.2000, a.a.O.).
Die Vertrauensschutzvorschriften der §§ 45 ff. SGB X finden vorliegend bei der reinen Statusfeststellung keine Anwendung. Sie werden erheblich bei der in diesem Gerichtsverfahren nicht streitgegenständlichen Frage, ob die Klägerin zu 2) beim Nichtvorliegen einer Familienversicherung zur Erstattung der von der Beklagten in der Vergangenheit erbrachten Leistungen verpflichtet ist oder für den Zeitraum eine freiwillige Krankenversicherung vereinbart wird (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.2000, a.a.O.). Insofern wird jedoch bereits jetzt darauf hingewiesen, dass die Kläger entgegen im Fragebogen zur Feststellung der Familienversicherung am 08.10.2001 die Frage nach einem Arbeitsverhältnis/selbständiger Tätigkeit mit "nein" beantwortet haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved