Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 817/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4100/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger weiter Anspruch auf Soziotherapie hat.
Der 1966 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger leidet an paranoider Schizophrenie und neigt zu Alkoholmissbrauch.
Am 17. Dezember 2002 verordnete ihm die Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie M.-W. deswegen erstmals Soziotherapie. Zur Begründung führte sie aus, bei dem Kläger werde Krankenhausbehandlung vermieden, da ansonsten mit Rückfällen, auch mit sekundärem Alkoholabusus zu rechnen sei. Der Kläger leide unter Antriebstörungen, Einschränkungen der Konzentration und der kognitiven Funktionen, Affektverflachung sowie einem Verlust von Initiative und Zielstrebigkeit. Zuletzt sei er deswegen vom 17. August bis 2. September 2002 in dem P. Z. N. (PZN) stationär behandelt worden. Gestützt auf das Gutachten vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK) erbrachte ihm die Beklagte vom 8. Juli 2003 bis 23. November 2006 insgesamt 100,5 Therapieeinheiten Soziotherapie, die als Einzelberatungsgespräche bei dem Sozialpsychiatrischen Dienst des Diakonischen Werks M. (SPDI) durchgeführt wurden.
Am 22. November 2006 verordnete die Ärztin M.-W. erneut Soziotherapie für voraussichtlich 60 Therapieeinheiten mit wöchentlicher Frequenz; unter der bisherigen ambulanten soziotherapeutischen Betreuung habe sich die Compliance und das Befinden des Klägers deutlich stabilisiert. Eine weitere Festigung des erreichten Ergebnisses sei erforderlich, da ohne therapeutische Unterstützung ein Rückfall in die alten Muster (Alkoholmissbrauch) drohe. Derzeit bestehe bei dem Kläger eine reduzierte psychosoziale Kompetenz mit sozialem Rückzug, eine kognitive Einschränkung und insbesondere eine Minderung der Konzentrationsfähigkeit.
Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme des MDK ein. Dr. R. führte aus, prinzipiell müsse sozialmedizinisch daran festgehalten werden, dass laut Gesetz maximal 120 Therapieeinheiten Soziotherapie fachärztlich verordnet könnten, jeweils bis zu 30 Einheiten fraktioniert. Demgemäß könne die jetzt nochmals vorliegende Verordnung über 60 Therapieeinheiten nicht befürwortet werden. Weiterhin sei anhand vorliegender Dokumentationen eine anhaltende Stabilisierung bzw. positive Entwicklung des Klägers nicht nachvollziehbar. Gestützt hierauf legte die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 2006 den Antrag mit der Begründung ab, die medizinischen Voraussetzungen für die Verlängerung der Soziotherapie seien nicht geben.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK ein. In Auswertung der ärztlichen Verordnung sowie der Schreiben des Klägers führte Dr. L.-M. aus, die genaue Durchsicht der soziotherapeutischen Dokumentationen lasse an keiner Stelle erkennen, dass der Kläger nicht selbständig in der Lage wäre, seine Ärztin aufzusuchen. Weitere ärztlich verordnete Therapie erhalte er nicht und müsse dazu auch nicht motiviert werden. Die Notwendigkeit weiterer Soziotherapien könne daher aktuell im laufenden Fall nicht nachvollzogen werden. Es drohe weder Krankenhaus-Behandlungsnotwendigkeit noch sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, seine Ärzte bzw. den SPDI selbständig aufzusuchen. In den dokumentierten Jahren der Soziotherapie sei zu keinem Zeitpunkt eine Krisenintervention notwendig gewesen. Der stattgehabte kurze stationäre Aufenthalt zur Entgiftung im PZN könne auch als Druckmittel eingesetzt worden sein, zumal der Kläger dies 2004 schon angekündigt habe. Bei der Aufnahme am 6. Dezember 2006 habe keine produktiv psychotische Symptomatik vorgelegen. Der Kläger habe lediglich an einer milden Entzugssymptomatik gelitten. Unumstritten sei, dass er eine lebenslange milieutherapeutische und soziale Therapie benötige, die jedoch keine Leistung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) darstelle, sondern es handle sich um eine Wiedereingliederungsmaßnahme nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und Teilhabe am sozialen Leben. Die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungen lägen demgemäß nicht vor.
Vom 6. bis 12. Dezember 2006 ließ sich der Kläger in der suchttherapeutischen Abteilung des PZN stationär behandeln. Ausweislich des Entlassungsberichts hatte er bei der Aufnahme 0,0 Promille im Atemalkoholtest und entwickelte eine mäßiggradig ausgeprägte psychovegetative Entzugssymptomatik. Eine produktiv-psychotische Symptomatik hätte nicht vorgelegen. Der Kläger sei zu allen Qualitäten orientiert, sein formales Denken wäre geordnet, Auffassung, Konzentration und Mnestik intakt gewesen. Ebenso sei die affektive Schwingungsfähigkeit unauffällig gewesen, Anhaltspunkte für eine Suizidalität hätten nicht bestanden.
Den zugleich mit Erhebung des Widerspruchs gestellten Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wies das Sozialgericht Mannheim (SG) mit Beschluss vom 7. März 2007 (S 5 KR 4105/06 ER) zurück.
Zur Begründung seiner bereits am 5. März 2007 beim SG erhobenen Klage trug der Kläger vor, wenn er nicht die wöchentlichen therapeutischen Gespräche führen könne, werde es zu häufigen Krankenhausaufenthalten kommen; die bisherige Soziotherapie habe erreicht, dass er inzwischen wieder über eine durchschnittliche Einsichtsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Initiative und soziale Kompetenz verfüge habe; dieser Zustand könne nur über eine wöchentliche Soziotherapie aufrecht erhalten werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, für die erforderliche lebenslange milieu- und sozialtherapeutische Begleitung sei nicht die gesetzliche Krankenversicherung zuständig, sondern es handle sich um eine Teilhabe am sozialen Leben, die über das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu finanzieren sei.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnde Psychiaterin sowie den Fachbereichleiter der Abteilung Suchttherapie im P. Z. N. als sachverständige Zeugen gehört.
Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. teilte mit, sie behandle den Kläger seit 2001. Seine Kompetenz bezüglich Alltagsbewältigung und Umgang mit belastenden Situationen habe sich nach Auskunft der Soziotherapeutin durch das soziotherapeutische Angebot in begrenztem Umfang gebessert, was sich auch an der geringeren Anzahl von Belastungssituationen und dem Rückgang der Alkoholexzesse zeige. Die Veränderungsschritte seien eher klein und führten nicht zur Wiederherstellung eines "normalen" Funktionsniveau. In Krisenzeiten habe der Kläger gelernt, selbständig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Weitere soziotherapeutische Bemühungen könnten zu positiven Entwicklungen wie z.B. der vermehrten Inanspruchnahme von sozialpsychatrischen Einrichtungen (z.B. niederschwellige Arbeitsangebote), teilweise Überwindung der sozialen Isolation und mehr Sozialkompetenz führen. Der Funktionsbereichsleiter K., Facharzt für Psychiatrie des PZN, gab an, der Kläger habe sich im Dezember 2006 und Februar 2007 jeweils in dreitägiger stationärer Behandlung befunden. Nach kurzfristigem Alkoholrückfall habe er sich aus eigener Initiative in die Entzugsbehandlung begeben, die unter entsprechender Medikation jeweils komplikationslos verlaufen wäre. Er scheine in der Lage, notwendige ärztliche Behandlungen aufgrund eigenen Entschlusses selbständig in Anspruch zu nehmen sowie die ihm verordnete Medikamente selbständig einzunehmen.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Juli 2007, dem Kläger zugestellt am 25. Juli 2007, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, bei dem Kläger lägen keine Hinweise darauf vor, dass er nicht in der Lage sei, wegen seiner Erkrankung nervenärztliche Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen. Er sei in Behandlung bei M.-W. und es sei ihm auch gelungen, nach angeblichen Alkoholrückfällen selbständig das P. Z. N. zur Entzugsbehandlung aufzusuchen. Dieses hätte auch bestätigt, dass er ärztliche verordnete Leistungen wie z.B. Medikamente selbständig zu sich nehme. Nicht entscheidungserheblich sei, ob es dem Kläger auch gelinge, selbständig psychotherapeutische Leistung in Anspruch zu nehmen. Denn mit der Durchführung einer Psychotherapie wäre er nach Angaben der Ärztin M.-W. ohnehin überfordert. Den Schutzzweck der Vorschrift habe der Kläger inzwischen erreicht, denn er könne eine weitere Verbesserung seines medizinischen Umgangs mit seiner psychischen Erkrankung nicht erreichen. Für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft seien die Träger der Sozialhilfe zuständig. Eine Verbesserung der Sozialkompetenz, wie sie als Ziel der Therapie von Müller-Wulff beschrieben werde, solle dem Kläger nicht einen besseren Zugang zu medizinischen Behandlungen verschaffen, sondern seine Möglichkeiten bei der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erweitern.
Mit seiner dagegen am 13. August 2007 beim SG eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, durch die Streichung der Soziotherapie habe er sich in das betreute Wohnen für psychisch Kranke geben müssen. Dies sei natürlich sehr teuer (490,- EUR monatlich). Er werde nunmehr in seiner alten Wohnung von der gleichen Therapeutin Frau N.-M. betreut, nur das betreute Wohnen werde über die Eingliederungshilfe finanziert. Das betreute Wohnen beinhalte nun auch Hausbesuche, was ihm nicht unangenehm sei. Dennoch müsse er sagen, dass für ihn die Soziotherapie ausreichend gewesen wäre. Er sei zeit Lebens auf therapeutische und medizinische Unterstützung angewiesen. Dies müsse die Krankenkasse bezahlen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Juli 2007 sowie den Bescheid vom 29. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm weiterhin Soziotherapie zu erbringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich aus der Berufungsbegründung keine neuen Aspekte ergäben, die eine andere Entscheidung zuließen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 Sozialgerichtgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da der Kläger laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt.
Die danach insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Soziotherapie.
Einer Beiladung des Sozialhilfeträgers nach § 75 SGG, der mittlerweile das betreute Wohnen für den Kläger erbringt, bedurfte es nicht. Die Soziotherapie ist eine Leistung, die es in dieser Form nur in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt und die speziell der Hilfe psychisch Kranker für die Inanspruchnahme von Krankenkassenleistung dient (vgl. Pade, juris PK-SGB V, § 37 a Rdnr. 5 f.). Somit scheidet eine Zuständigkeit anderer Träger medizinischer Rehabilitation i. S. d. § 26 SGB IX aus, der Sozialhilfeträger wird vielmehr nach § 55 SGB IX tätig, mithin in einem Bereich, für den es an einer Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung fehlt.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 37a SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Soziotherapie, die wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist. Die Soziotherapie umfasst im Rahmen des Abs. 2 die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitungen und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Der Anspruch besteht für höchstens 120 Stunden innerhalb von 3 Jahren je Krankheitsfall.
Dass diese Voraussetzungen bei dem Kläger nicht vorliegen, hat das SG ausführlich begründet dargelegt, weswegen der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe Bezug nimmt. Ergänzend ist auszuführen, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats feststeht, dass der Kläger, der zwar unstreitig an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, in der Lage ist, selbständig ärztliche und ärztlich verordnete Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dafür spricht, dass er nach den sachverständigen Zeugenaussagen sowohl seine Ärztin wie auch das PZN selbständig im Krankheitsfall aufsuchen und nach übereinstimmender ärztlicher Einschätzung auch die ihm verordneten Medikamente selbständig einnehmen konnte. Das wird im weiteren eindrucksvoll dadurch belegt, dass er - offenbar zur Vermeidung eines Rückfalls in Alkoholmissbrauch bzw. nach kurzfristigem Alkoholrückfall - sich 2006 und 2007 jeweils aus eigenem Entschluss in stationäre Behandlung begeben hat. Den Regelungszweck des § 37a SGB V, in Krisen selbständig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, hat der Kläger somit erreicht, eine weitere Verbesserung steht nicht zu erwarten.
Die verordnende Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. hat demzufolge bestätigt, dass bei dem Kläger nicht die Erforderlichkeit einer Betreuungsleistung im Sinne des § 37a SGB V im Vordergrund steht, nämlich die Anleitung, Motivation und Koordination zur Inanspruchnahme der ärztlich oder ärztlich verordneten Leistungen. Weitere Soziotherapie soll vielmehr zu einer vermehrten Inanspruchnahme von sozialpsychatrischen Einrichtungen (z.B. niederschwellige Arbeitsangebote), der teilweise Überwindung der sozialen Isolation und insgesamt mehr Sozialkompetenz führen. Damit werden aber Zielsetzungen beschrieben, die außerhalb des Schutzzwecks des § 37a SGB V liegen, wie die Beklagte und ihr folgend das SG zutreffend ausgeführt haben. Die gesetzlichen Krankenkassen sind lediglich für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 SGB IX) zuständig. Welche Leistungen von der medizinischen Rehabilitation umfasst sind, wird in § 26 Abs. 2 SGB IX, darunter fällt nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hierfür sind im Falle des Klägers die Träger zur Sozialhilfe nach §§ 5 Nr. 4, 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX zuständig. Der Kläger erhält deswegen folgerichtig vom Landratsamt Eingliederungshilfe.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen, weil die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger weiter Anspruch auf Soziotherapie hat.
Der 1966 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger leidet an paranoider Schizophrenie und neigt zu Alkoholmissbrauch.
Am 17. Dezember 2002 verordnete ihm die Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie M.-W. deswegen erstmals Soziotherapie. Zur Begründung führte sie aus, bei dem Kläger werde Krankenhausbehandlung vermieden, da ansonsten mit Rückfällen, auch mit sekundärem Alkoholabusus zu rechnen sei. Der Kläger leide unter Antriebstörungen, Einschränkungen der Konzentration und der kognitiven Funktionen, Affektverflachung sowie einem Verlust von Initiative und Zielstrebigkeit. Zuletzt sei er deswegen vom 17. August bis 2. September 2002 in dem P. Z. N. (PZN) stationär behandelt worden. Gestützt auf das Gutachten vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK) erbrachte ihm die Beklagte vom 8. Juli 2003 bis 23. November 2006 insgesamt 100,5 Therapieeinheiten Soziotherapie, die als Einzelberatungsgespräche bei dem Sozialpsychiatrischen Dienst des Diakonischen Werks M. (SPDI) durchgeführt wurden.
Am 22. November 2006 verordnete die Ärztin M.-W. erneut Soziotherapie für voraussichtlich 60 Therapieeinheiten mit wöchentlicher Frequenz; unter der bisherigen ambulanten soziotherapeutischen Betreuung habe sich die Compliance und das Befinden des Klägers deutlich stabilisiert. Eine weitere Festigung des erreichten Ergebnisses sei erforderlich, da ohne therapeutische Unterstützung ein Rückfall in die alten Muster (Alkoholmissbrauch) drohe. Derzeit bestehe bei dem Kläger eine reduzierte psychosoziale Kompetenz mit sozialem Rückzug, eine kognitive Einschränkung und insbesondere eine Minderung der Konzentrationsfähigkeit.
Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme des MDK ein. Dr. R. führte aus, prinzipiell müsse sozialmedizinisch daran festgehalten werden, dass laut Gesetz maximal 120 Therapieeinheiten Soziotherapie fachärztlich verordnet könnten, jeweils bis zu 30 Einheiten fraktioniert. Demgemäß könne die jetzt nochmals vorliegende Verordnung über 60 Therapieeinheiten nicht befürwortet werden. Weiterhin sei anhand vorliegender Dokumentationen eine anhaltende Stabilisierung bzw. positive Entwicklung des Klägers nicht nachvollziehbar. Gestützt hierauf legte die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 2006 den Antrag mit der Begründung ab, die medizinischen Voraussetzungen für die Verlängerung der Soziotherapie seien nicht geben.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK ein. In Auswertung der ärztlichen Verordnung sowie der Schreiben des Klägers führte Dr. L.-M. aus, die genaue Durchsicht der soziotherapeutischen Dokumentationen lasse an keiner Stelle erkennen, dass der Kläger nicht selbständig in der Lage wäre, seine Ärztin aufzusuchen. Weitere ärztlich verordnete Therapie erhalte er nicht und müsse dazu auch nicht motiviert werden. Die Notwendigkeit weiterer Soziotherapien könne daher aktuell im laufenden Fall nicht nachvollzogen werden. Es drohe weder Krankenhaus-Behandlungsnotwendigkeit noch sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, seine Ärzte bzw. den SPDI selbständig aufzusuchen. In den dokumentierten Jahren der Soziotherapie sei zu keinem Zeitpunkt eine Krisenintervention notwendig gewesen. Der stattgehabte kurze stationäre Aufenthalt zur Entgiftung im PZN könne auch als Druckmittel eingesetzt worden sein, zumal der Kläger dies 2004 schon angekündigt habe. Bei der Aufnahme am 6. Dezember 2006 habe keine produktiv psychotische Symptomatik vorgelegen. Der Kläger habe lediglich an einer milden Entzugssymptomatik gelitten. Unumstritten sei, dass er eine lebenslange milieutherapeutische und soziale Therapie benötige, die jedoch keine Leistung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) darstelle, sondern es handle sich um eine Wiedereingliederungsmaßnahme nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und Teilhabe am sozialen Leben. Die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungen lägen demgemäß nicht vor.
Vom 6. bis 12. Dezember 2006 ließ sich der Kläger in der suchttherapeutischen Abteilung des PZN stationär behandeln. Ausweislich des Entlassungsberichts hatte er bei der Aufnahme 0,0 Promille im Atemalkoholtest und entwickelte eine mäßiggradig ausgeprägte psychovegetative Entzugssymptomatik. Eine produktiv-psychotische Symptomatik hätte nicht vorgelegen. Der Kläger sei zu allen Qualitäten orientiert, sein formales Denken wäre geordnet, Auffassung, Konzentration und Mnestik intakt gewesen. Ebenso sei die affektive Schwingungsfähigkeit unauffällig gewesen, Anhaltspunkte für eine Suizidalität hätten nicht bestanden.
Den zugleich mit Erhebung des Widerspruchs gestellten Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wies das Sozialgericht Mannheim (SG) mit Beschluss vom 7. März 2007 (S 5 KR 4105/06 ER) zurück.
Zur Begründung seiner bereits am 5. März 2007 beim SG erhobenen Klage trug der Kläger vor, wenn er nicht die wöchentlichen therapeutischen Gespräche führen könne, werde es zu häufigen Krankenhausaufenthalten kommen; die bisherige Soziotherapie habe erreicht, dass er inzwischen wieder über eine durchschnittliche Einsichtsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Initiative und soziale Kompetenz verfüge habe; dieser Zustand könne nur über eine wöchentliche Soziotherapie aufrecht erhalten werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, für die erforderliche lebenslange milieu- und sozialtherapeutische Begleitung sei nicht die gesetzliche Krankenversicherung zuständig, sondern es handle sich um eine Teilhabe am sozialen Leben, die über das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu finanzieren sei.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnde Psychiaterin sowie den Fachbereichleiter der Abteilung Suchttherapie im P. Z. N. als sachverständige Zeugen gehört.
Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. teilte mit, sie behandle den Kläger seit 2001. Seine Kompetenz bezüglich Alltagsbewältigung und Umgang mit belastenden Situationen habe sich nach Auskunft der Soziotherapeutin durch das soziotherapeutische Angebot in begrenztem Umfang gebessert, was sich auch an der geringeren Anzahl von Belastungssituationen und dem Rückgang der Alkoholexzesse zeige. Die Veränderungsschritte seien eher klein und führten nicht zur Wiederherstellung eines "normalen" Funktionsniveau. In Krisenzeiten habe der Kläger gelernt, selbständig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Weitere soziotherapeutische Bemühungen könnten zu positiven Entwicklungen wie z.B. der vermehrten Inanspruchnahme von sozialpsychatrischen Einrichtungen (z.B. niederschwellige Arbeitsangebote), teilweise Überwindung der sozialen Isolation und mehr Sozialkompetenz führen. Der Funktionsbereichsleiter K., Facharzt für Psychiatrie des PZN, gab an, der Kläger habe sich im Dezember 2006 und Februar 2007 jeweils in dreitägiger stationärer Behandlung befunden. Nach kurzfristigem Alkoholrückfall habe er sich aus eigener Initiative in die Entzugsbehandlung begeben, die unter entsprechender Medikation jeweils komplikationslos verlaufen wäre. Er scheine in der Lage, notwendige ärztliche Behandlungen aufgrund eigenen Entschlusses selbständig in Anspruch zu nehmen sowie die ihm verordnete Medikamente selbständig einzunehmen.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Juli 2007, dem Kläger zugestellt am 25. Juli 2007, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, bei dem Kläger lägen keine Hinweise darauf vor, dass er nicht in der Lage sei, wegen seiner Erkrankung nervenärztliche Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen. Er sei in Behandlung bei M.-W. und es sei ihm auch gelungen, nach angeblichen Alkoholrückfällen selbständig das P. Z. N. zur Entzugsbehandlung aufzusuchen. Dieses hätte auch bestätigt, dass er ärztliche verordnete Leistungen wie z.B. Medikamente selbständig zu sich nehme. Nicht entscheidungserheblich sei, ob es dem Kläger auch gelinge, selbständig psychotherapeutische Leistung in Anspruch zu nehmen. Denn mit der Durchführung einer Psychotherapie wäre er nach Angaben der Ärztin M.-W. ohnehin überfordert. Den Schutzzweck der Vorschrift habe der Kläger inzwischen erreicht, denn er könne eine weitere Verbesserung seines medizinischen Umgangs mit seiner psychischen Erkrankung nicht erreichen. Für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft seien die Träger der Sozialhilfe zuständig. Eine Verbesserung der Sozialkompetenz, wie sie als Ziel der Therapie von Müller-Wulff beschrieben werde, solle dem Kläger nicht einen besseren Zugang zu medizinischen Behandlungen verschaffen, sondern seine Möglichkeiten bei der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erweitern.
Mit seiner dagegen am 13. August 2007 beim SG eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, durch die Streichung der Soziotherapie habe er sich in das betreute Wohnen für psychisch Kranke geben müssen. Dies sei natürlich sehr teuer (490,- EUR monatlich). Er werde nunmehr in seiner alten Wohnung von der gleichen Therapeutin Frau N.-M. betreut, nur das betreute Wohnen werde über die Eingliederungshilfe finanziert. Das betreute Wohnen beinhalte nun auch Hausbesuche, was ihm nicht unangenehm sei. Dennoch müsse er sagen, dass für ihn die Soziotherapie ausreichend gewesen wäre. Er sei zeit Lebens auf therapeutische und medizinische Unterstützung angewiesen. Dies müsse die Krankenkasse bezahlen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Juli 2007 sowie den Bescheid vom 29. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm weiterhin Soziotherapie zu erbringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich aus der Berufungsbegründung keine neuen Aspekte ergäben, die eine andere Entscheidung zuließen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 Sozialgerichtgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da der Kläger laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt.
Die danach insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Soziotherapie.
Einer Beiladung des Sozialhilfeträgers nach § 75 SGG, der mittlerweile das betreute Wohnen für den Kläger erbringt, bedurfte es nicht. Die Soziotherapie ist eine Leistung, die es in dieser Form nur in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt und die speziell der Hilfe psychisch Kranker für die Inanspruchnahme von Krankenkassenleistung dient (vgl. Pade, juris PK-SGB V, § 37 a Rdnr. 5 f.). Somit scheidet eine Zuständigkeit anderer Träger medizinischer Rehabilitation i. S. d. § 26 SGB IX aus, der Sozialhilfeträger wird vielmehr nach § 55 SGB IX tätig, mithin in einem Bereich, für den es an einer Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung fehlt.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 37a SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Soziotherapie, die wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist. Die Soziotherapie umfasst im Rahmen des Abs. 2 die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitungen und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Der Anspruch besteht für höchstens 120 Stunden innerhalb von 3 Jahren je Krankheitsfall.
Dass diese Voraussetzungen bei dem Kläger nicht vorliegen, hat das SG ausführlich begründet dargelegt, weswegen der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe Bezug nimmt. Ergänzend ist auszuführen, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats feststeht, dass der Kläger, der zwar unstreitig an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, in der Lage ist, selbständig ärztliche und ärztlich verordnete Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dafür spricht, dass er nach den sachverständigen Zeugenaussagen sowohl seine Ärztin wie auch das PZN selbständig im Krankheitsfall aufsuchen und nach übereinstimmender ärztlicher Einschätzung auch die ihm verordneten Medikamente selbständig einnehmen konnte. Das wird im weiteren eindrucksvoll dadurch belegt, dass er - offenbar zur Vermeidung eines Rückfalls in Alkoholmissbrauch bzw. nach kurzfristigem Alkoholrückfall - sich 2006 und 2007 jeweils aus eigenem Entschluss in stationäre Behandlung begeben hat. Den Regelungszweck des § 37a SGB V, in Krisen selbständig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, hat der Kläger somit erreicht, eine weitere Verbesserung steht nicht zu erwarten.
Die verordnende Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. hat demzufolge bestätigt, dass bei dem Kläger nicht die Erforderlichkeit einer Betreuungsleistung im Sinne des § 37a SGB V im Vordergrund steht, nämlich die Anleitung, Motivation und Koordination zur Inanspruchnahme der ärztlich oder ärztlich verordneten Leistungen. Weitere Soziotherapie soll vielmehr zu einer vermehrten Inanspruchnahme von sozialpsychatrischen Einrichtungen (z.B. niederschwellige Arbeitsangebote), der teilweise Überwindung der sozialen Isolation und insgesamt mehr Sozialkompetenz führen. Damit werden aber Zielsetzungen beschrieben, die außerhalb des Schutzzwecks des § 37a SGB V liegen, wie die Beklagte und ihr folgend das SG zutreffend ausgeführt haben. Die gesetzlichen Krankenkassen sind lediglich für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 SGB IX) zuständig. Welche Leistungen von der medizinischen Rehabilitation umfasst sind, wird in § 26 Abs. 2 SGB IX, darunter fällt nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hierfür sind im Falle des Klägers die Träger zur Sozialhilfe nach §§ 5 Nr. 4, 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX zuständig. Der Kläger erhält deswegen folgerichtig vom Landratsamt Eingliederungshilfe.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen, weil die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved