Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 67/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 64/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Entscheidungssatz des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom 17.01.2007 wird dahingehend abgeändert, dass die Klage gegen die Bescheide vom 20.07.2004 und 14.01.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 03.01.2005 abgewiesen wird.
II. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.01.2007 wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld - Alg - samt entsprechender Erstattungspflicht wegen fehlender Erreichbarkeit.
Der 1965 geborene Kläger meldete sich nach Arbeitslosmeldung vom 26.06.2003 und vom 22.07.2003 am 31.10.2003 bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Als Wohnanschrift gab er an "A. , K.", des weiteren zwei Telefonnummern. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 05.11.2003 Alg ab 31.10.2003. Die Anspruchsdauer war am 03.02.2004 erschöpft. Aufgrund von Postrückläufen am 20.02.2004 stellte die Beklagte fest, dass es sich bei der genannten Anschrift um die Adresse des Vaters des Klägers handelte und der Kläger während des Zeitraums vom 31.10.2003 bis 03.02.2004 dort nicht gewohnt hatte. Vom 26.07.2004 bis 05.09.2004 befand sich der Kläger in Haft. Vom 06.09.2004 bis 31.12.2004 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe - Alhi - in Höhe von 714,96 monatlich bzw. aufgrund des Bescheides vom 14.01.2005 für den Zeitraum vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 Alg unter Auszahlung des Differenzbetrages zur Alhi.
Mit Bescheid vom 20.07.2004 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 31.10.2003 bis 03.02.2004 auf und forderte die gezahlten Leistungen in Höhe von 3373,63 Euro (einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 853,71 Euro) zurück.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, er habe sich, nachdem er aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei, am 31.10.2003 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und dabei die Adresse seiner Eltern angegeben. Er habe sich die meiste Zeit bei einem Bekannten in K. aufgehalten, sei aber trotzdem wegen der Post oder Schecks bei seinem Vater ein bis zweimal wöchentlich vorbeigekommen. Die letzte Post habe er im Februar abgeholt. Danach sei sein Vater ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe bei der Arbeitslosmeldung die Adresse seines Vaters angegeben, obwohl er nicht bei diesem wohnte. Dem Vater sei nicht bekannt gewesen, wo der Kläger tatsächlich gewohnt habe.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg - SG - erhoben. Er sei während des Leistungsbezugs bei seinem Vater polizeilich gemeldet und auch postalisch täglich erreichbar gewesen. Es sei zwar richtig, dass er dort nicht gewohnt habe. Sein Vater habe ihn jedoch jeweils umgehend telefonisch über eingehende Amtspost informiert. Schreiben der Beklagten hätten ihn in dieser Zeit ebenso wie zum Beispiel die monatlichen Schecks über das Alg umgehend erreicht. Erst nach Ablauf der Anspruchsdauer zum 03.02.2004 habe die Post nicht mehr zugestellt werden können, da sich sein Vater ab diesem Zeitpunkt im Krankenhaus befunden habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.01.2007 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die vom Kläger behauptete Kontrolle der eingegangenen Post des Klägers durch seinen Vater unter der angegebenen Adresse genüge jedenfalls nicht zur Erfüllung des Erfordernisses der persönlichen Erreichbarkeit, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitslose unter der der Agentur für Arbeit bekannten Anschrift zwar erreicht worden sei, sich aber außerhalb der Anschrift aufhalte und ein Kontakt zum Arbeitslosen nur über eine Mittelsperson möglich sei. Selbst für den Fall, dass das (unbewiesene) Vorbringen des Klägers, sein Vater habe ihn jeweils umgehend telefonisch über eingehende Post informiert, als wahr unterstellt werde, ergebe sich daher für den Kläger kein günstiges Ergebnis. Es genüge gerade nicht, dass der Arbeitslose - zum Beispiel über eine Mittelsperson - erreichbar sei. Er müsse vielmehr so erreichbar sein, wie es die gesetzlichen Vorschriften in Verbindung mit der Erreichbarkeitsanordnung verlangen. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben hinsichtlich seiner Wohnanschrift gemacht.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ergänzend vorgetragen, es sei sichergestellt gewesen, dass er an jedem Werktag unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost habe erreicht werden können. Das Alg sei für seinen Lebensunterhalt verwendet worden. Andernfalls hätte er Anspruch auf Alg II gehabt. Da er von der Arge in diesem Zeitraum keine Leistungen bezogen habe, müsste die Rückforderung an die Arge gerichtet werden und nicht an ihn.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass dem Kläger aufgrund vorgenommener "Anspruchsdauerberichtigung" für die Zeit vom 30.10.2003 bis 03.02.2004 96 Kalendertage Alg für die Zeit vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 für ebenfalls 96 Tage mit Bescheid vom 14.01.2005 nachgezahlt worden sei. Damit sei der Leistungsanspruch bis zur Erschöpfung am 10.12.2004 vollständig erbracht worden.
In der mündlichen Verhandlung hat der Käger u.a. ausgeführt, er sei im Zeitraum vom 31.10.2003 bis zum 03.02.2004 bei seinem Vater gemeldet gewesen. Er habe bei einem mit dem Auto in 10 Minuten erreichbaren Bekannten in dessen Fremdenzimmer gewohnt, sei jedoch in der Regel an zwei Wochentagen und das gesamte Wochenende unter Tags in der Wohnung seines Vaters gewesen. Sein Vater habe Kehlkopfkrebs gehabt, er habe aber telefonieren können, um ihn jederzeit zu benachrichtigen, wenn Post vom Arbeitsamt eingegangen wäre. Über die protokollierten Ausführungen hinaus gab der Kläger an, für die Wohnung seines Vater keinen Schlüssel gehabt zu haben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.01.2007 sowie den Bescheid vom 20.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2005 sowie den Bescheid vom 14.01.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.01.2007 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die ohne Zulassung (§ 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs. 1, 87 Abs.1 S.2 SGG).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg, da die Klage, die sich gegen die Bescheide vom 20.07.2004 und 14.01.2005 sowie vom 03.01.2005 (Widerspruchsbescheid) richtete, vom SG zu Recht abgewiesen wurde, wobei der Bescheid vom 14.01.2005 vom SG weder in den Entscheidungssatz seines Urteils aufgenommen noch in den Urteilgründen gewürdigt wurde. Streitgegenstand ist die Aufhebung der Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 31.10.2003 bis 03.02.2004 sowie die Rückforderung bereits gewährter Leistungen (einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Streitgegenstand ist ferner der Bescheid vom 14.01.2005, mit dem die Beklagte Alg für die Zeit vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 für 96 Tage bewilligt hat. Statthaft ist jeweils die Anfechtungsklage. Im Zusammenspiel dieser Bescheide - der streitigen Aufhebungs- und Erstattungsforderung einerseits und der später erfolgten Bewilligung von Alg für eine dem Aufhebungszeitraum entsprechende Dauer andererseits - erhellt auch das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.
Gemäß § 96 SGG wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird. Allgemein setzt ein Abändern oder Ersetzen voraus, dass der Regelungsgegenstand des neuen einzubeziehenden Verwaltungsakts mit dem des früheren identisch ist. Dies liegt grundsätzlich bei anderem Streitstoff - wie hier - nicht vor (vgl. BSGE 77, 279, 281; 78, 98, 101; 90, 143, 145). Wie sich aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 14.01.2005 ergibt, geht es um Alg für einen späteren Zeitraum. Die Einbeziehung im Wege "weiter Auslegung" oder entsprechender Anwendung ist hier aber gerechtfertigt, weil - trotz unterschiedlicher Verfügungssätze und auch bei "zurückhaltender" Anwendung des § 96 SGG - der spätere Bescheid vom 14.01.2005 auf dem früheren Bescheid rechtlich beruht (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 96 Rn. 4a; BSG 47, 168, 170; vgl. aber auch BSGE 48, 100, 101; Dreher SGb 1982, 284, 285). Der Senat ist sich bewusst, dass angesichts sich häufig ändernder tatsächlicher Verhältnisse bei der Anwendung des § 96 SGG Zurückhaltung geboten ist (dazu Leitherer, NZS 2007, 225, 232), insbesondere bei Klagen gegen einen Bescheid, der einen bestimmten Zeitraum betrifft, bezüglich der Einbeziehung eines später ergehenden und einen anderen Zeitraum betreffenden Bescheides (vgl. dazu Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.03.2006, Az.: L 8 AS 290/05; abweichend u.a. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.07.2006, Az.: L 13 AS 1420/06; vgl. inzwischen BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R).
Die sogenannte "Nachbewilligung" erfolgte hier aber nur, weil der Arbeitslosengeldanspruch des Klägers infolge der Aufhebung wegen fehlender Erreichbarkeit nicht erloschen war und er einen Alg-Restanspruch hatte. Die Beklagte war daher wegen der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid verpflichtet, auf den erneuten Antrag des Klägers vom 06.09.2004 wiederum Alg zu bewilligen und auch zu leisten, was sie auch tat, wenn auch nur in Höhe der Differenz zu der für den selben Zeitraum gewährten Alhi (wobei ein diesbezüglicher Bewilligungsbescheid nicht aktenkundig ist). Bei Aufhebung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids wäre auch der "Nachbewilligungsbescheid" rechtswidrig. Dieser beruht mithin auf jenem. Der Bescheid vom 14.01.2005 ist daher gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Über diesen Bescheid hat das SG zwar in erster Instanz nicht entschieden. Auch in diesem Fall darf und muss im nachfolgenden Berufungsverfahren das LSG aber hierüber eine Entscheidung treffen, und zwar selbst bei einem - hier nicht vorliegenden - Widerspruch eines Beteiligten. Dies hat seinen Grund darin, dass die Anwendung des § 96 SGG nicht in das Ermessen der Beteiligten gestellt ist, dessen Rechtsfolge vielmehr kraft Gesetzes automatisch eintritt, was im Übrigen auch für den Fall der analogen Anwendung gelten muss (Urteil des BSG vom 17.11.2005, Az.: B 11a/11 AL 57/04 R, SozR 4-1500 § 96 Nr. 4 RdNr. 21; Fortenwicklung von BSGE 27, 146 = SozR ... Nr. 21 zu § 96 SGG oder BSGE 74, 117, 119 = SozR 3-5425 § 24 Nr. 4).
Auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist - trotz der im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erfolgten Bewilligung von Alg in einem dem Aufhebungszeitraum entsprechenden Umfang - zu bejahen, so dass die Berufung nicht schon wegen Unzulässigkeit der Klage unbegründet ist.
Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses ergeben sich nur bei isolierter Betrachtung der Bescheide vom 20.07.2004 und vom 03.01.2005 (Aufhebung/Erstattung) und vom 14.01.2005 (spätere Bewilligung). Dem Kläger wurde insofern zwar für einen dem Aufhebungszeitraum entsprechenden Zeitraum Alg "nachbewilligt". Unberücksichtigt bleibt bei dieser Betrachtungsweise allerdings, dass dem Kläger für den späteren Bewilligungszeitraum Arbeitslosenhilfe - und nicht, wie der Kläger irrigerweise ausführt, Arbeitslosengeld II - bewilligt und gewährt wurde; dieser Bewilligungsbescheid ist bindend. Das bedeutet, dass sich die Position des Klägers bei Aufhebung der Bescheide vom 20.07.2004 und vom 14.01.2005 als für diesen vorteilhafter darstellt als bei Aufrechterhaltung dieser Bescheide. Denn in jener Konstellation hätte er für den Zeitraum vom 30.10.2003 bis 03.02.2004 seinen Alg-Anspruch behalten, ein Rückforderungsanspruch bestünde insofern nicht und für den Zeitraum vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 bliebe es bei der Bewilligung von Alhi. In der zweitgenannten Konstellation hingegen wäre zwar für den Zeitraum vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 eine "Nachbewilligung" erfolgt, jedoch müsste der Kläger für den entsprechenden Zeitraum mit einer Aufhebung und Aufrechnung der Alhi rechnen. Dies ist gegebenfalls bereits mit der Verfügung vom 14.02.2005 erfolgt, mit welcher der Kläger eine Nachzahlung der Differenz beider Leistungen in Höhe von 373,44 Euro erhalten hat. Eine gerichtliche Entscheidung im Sinne des klägerischen Antrags würde dem Kläger mithin den tatsächlichen und rechtlichen Vorteil einer Leistungskumulation bringen, so dass gerichtlicher Rechtsschutz erforderlich und damit ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist. Ob einem entsprechenden klägerischen Antrag stattzugeben ist, stellt sich als Frage der Begründetheit dar. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht im Übrigen bezüglich der Rückforderung der für den Zeitraum vom 31.10.2003 bis 03.02.2004 bereits gewährten Leistungen und damit insgesamt für die gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gerichtete Klage, da die Rechtmäßigkeit der Rückforderung nicht losgelöst von der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung gesehen werden kann (vgl. § 50 Abs. 1 SGB X).
Die bezüglich des dargestellten Streitgegenstands geführte Berufung hat jedoch keinen Erfolg, da das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat. Denn die angegriffenen Bescheide vom 20.7. 2004 und vom 14.01.2005 sind rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alg-Bewilligung ist § 45 SGB X. Die in dieser Vorschrift für die Aufhebung der Alg-Bewilligung normierten Voraussetzungen liegen vor.
Die Alg-Bewilligung war von Anfang an rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die Alg-Bewilligung schon zum Zeitpunkt des Erlasses des entsprechenden Bescheides mangels Arbeitslosigkeit im Sinne der gesetzlichen Regelungen des SGB III nicht vorlagen.
Anspruch auf Alg hat nur, wer u.a. arbeitslos ist (§ 118 SGB III i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Arbeitsleistung vom 24.03.1997, BGBl I S. 594). Zu den Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit zählt nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die Beschäftigungssuche. Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs. 1 SGB III, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 1) und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit, Nr. 2). Merkmale der Verfügbarkeit sind die Arbeitsfähigkeit und die ihr entsprechende Arbeitsbereitschaft (§ 119 Abs. 2 SGB III). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser u.a. dann, wenn er Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III); hierzu hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit (BA) aufgrund der Ermächtigung in § 152 Nr. 2 SGB III Näheres in der Erreichbarkeitsanordnung - EAO - vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685) bestimmt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EAO muss der Arbeitslose u.a. in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen und mit einem möglichen Arbeitgeber oder Maßnahmeträger in Verbindung zu treten; deshalb hat er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.
Aus dem Umstand, dass der Kläger die Anschrift seines Vaters und nicht seinen tatsächlichen Aufenthaltsort, d.h. die Anschrift seiner eigenen Wohnung bzw. der Unterkunft, in der er sich nach seinen eigenen Angaben tatsächlich aufhielt, mitgeteilt hat, folgt, dass die Beklagte den Kläger während des gesamten Aufhebungszeitraums nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO, d.h. an seinem Wohnsitz unter der benannten Anschrift durch Briefpost, erreichen konnte. Abzustellen ist im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO auf die dem Arbeitsamt benannte Anschrift (Urteil des BSG vom 09.08.2001, Az.: B 11 AL 17/01 R juris Rn. 19).
Der Kläger war zur Überzeugung des Senats nicht erreichbar im vorgenannten Sinne. Er hatte bereits selbst im Widerspruchsschreiben ausgeführt, er sei bis 31.10.2003 in Untersuchungshaft gewesen und habe sich dann beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet unter der Adresse seiner Eltern "A. ". Seine Mutter sei während der Untersuchungshaft gestorben. Somit habe er sich die meiste Zeit bei einem Bekannten in "K." aufgehalten, er sei aber trotzdem wegen der Post oder der Schecks bei seinem Vater ein bis zweimal wöchentlich vorbeigekommen. Für Anrufe habe sein Vater die Adresse gehabt. Er habe sich eine eigene Wohnung gesucht und selber eine Arbeit. Am Vorliegen dieser vom Kläger selbst mitgeteilten Tatsachen hat der Senat keine Zweifel. Er machte sie sich so - wie vom Kläger geschildert - zu eigen.
Auch die Behauptung des Klägers, für Anrufe habe sein Vater die Adresse gehabt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese behauptete Tatsache steht schon nicht mit dem nötigen Überzeugungsgrad fest. Denn die telefonische Auskunft des inzwischen verstorbenen Vaters des Klägers, niedergelegt als Aktenvermerk in der Verwaltungsakte, widerspricht der aufgestellten Behauptung. Danach wusste der Vater nichts vom tatsächlichen Aufenthalt seines Sohnes. Jenem war zwar - wie auch schon der Beklagten - ausweislich der entsprechenden Angaben im Leistungsantrag auch die Telefonnummer seines Bekannten, bei dem er sich aufhielt, bekannt. Das genügt aber zur Erreichbarkeit nicht, da der Kläger damit nicht seiner Verpflichtung zur Offenbarung seines tatsächlichen Aufenthalts genügt hat. Denn Arbeitslosigkeit bzw. Erreichbarkeit nach §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 2, 119 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 SGB III in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S. 2 EAO liegt nicht vor, wenn ein Kontakt zum Arbeitslosen lediglich über eine Mittelsperson möglich ist. Dies gilt insbesondere bei einem Aufenthalt außerhalb der Wohnanschrift, den der Arbeitslose nicht mitgeteilt hat (BSG vom 09.02.2006, Az.: B 7a AL 58/05 R juris LS 1).
Der Kläger war deshalb während des Aufhebungszeitraums nicht mehr arbeitsfähig im Sinne des § 119 Abs. 3 SGB III und damit auch nicht arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III mit der Folge, dass er keinen Anspruch auf Alg hatte. Die Bewilligung war damit rechtswidrig.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zur Rücknahme für die Vergangenheit sind gegeben.
Denn der Bewilligungsbescheid beruht auf Angaben, die der Kläger in grob fahrlässiger Weise in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Insoweit wird auf die oben erfolgten Ausführungen zum Verschweigen des wahren Aufenthaltsortes des Klägers Bezug genommen. Im Rahmen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ist dieses grob fahrlässige Unterlassen einer für die Leistung maßgeblichen Mitteilung von Umständen dem aktiven Tun gleichzustellen (Wiesner in: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 45 Rn. 22 m.w.N.).
Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit war davon auszugehen, dass es entscheidend auf die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten ankommt (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44 264, 273; vom 05.02.2006, B 70 AL 58/05 R). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Ein Kennenmüssen ist erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BVerwGE 40, 212). Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen eine Frage der Würdigung des Einzelfalles, die dem Tatsachengericht obliegt (BSGE SozR 2200 § 1301 Nr. 7).
Falsche Angaben im Sinne eines solchen grob fahrlässigen Unterlassen der für die Leistung maßgeblichen Mitteilung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts sind gegeben. Der Kläger hätte seine Verpflichtung zur Mitteilung der richtigen Anschrift ohne weiteres erkennen können, ebenso, dass die Mitteilung der Adresse seines Vaters, unter der er sich nach seinen eigenen Angaben gar nicht aufhielt, in wesentlicher Beziehung unrichtig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ist. Insofern ist ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beurteilung der groben Fahrlässigkeit (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.02.2001, Az.: B 11 AL 21/00 R = SozR 3-1300 § 45 Nr. 45) festzustellen, dass der Kläger bezüglich seiner Pflichten und Obliegenheiten als Arbeitsloser von der Beklagten ordnungsgemäß belehrt worden ist. Der Kläger hat in seinem Antrag vom 01.11.2003 den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose unterschriftlich bestätigt. Dieses Merkblatt enthält leicht verständliche Hinweise zur Verfügbarkeit und Erreichbarkeit. So führt es auf S. 7 aus, dass der Arbeitslose für Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stehen müsse. Er müsse persönlich für das Arbeitsamt an jedem Werktag unter der von ihm benannten Anschrift erreichbar sein und das Arbeitsamt auch täglich aufsuchen können. Wenn er dennoch beabsichtige, sich vorübergehend unter einer anderen Anschrift aufzuhalten, müsse er das Arbeitsamt benachrichtigen. Dieses werde den Arbeitslosen informieren, ob und unter welchen Bedingungen ein leistungsunschädlicher Aufenthalt möglich sei. Ferner führt das Merkblatt auf S. 24 aus, der Arbeitslose müsse für sein Arbeitsamt erreichbar sein, insbesondere von Briefsendungen des Arbeitsamtes an jedem Werktag einmal in seiner Wohnung persönlich und ohne von dem Arbeitslosen zu vertretende Verzögerungen Kenntnis nehmen können. Am Wochenende oder vor Feiertagen reiche es aus, wenn er die an Samstagen oder Tagen vor Feiertagen eingehende Post am darauf folgenden Tag zur Kenntnis nehme. Daher müsse der Arbeitslose es seinem Arbeitsamt rechtzeitig mitteilen, wenn er (auch innerhalb derselben Gemeinde) umziehe oder an einem Werktag ganztags nicht zuhause sei. Wenn der Arbeitslose an einem oder mehreren Werktagen ganztags unter der dem Arbeitsamt bekannten Anschrift nicht zu erreichen sei, sei dies ohne leistungsrechtliche Nachteile nur möglich, wenn der Arbeitsvermittler vorher zugestimmt habe.
Der Kläger hat den aufgehobenen Bewilligungsbescheid zur Kenntnis genommen und - wie zur vollen Überzeugung des Senats feststeht - auch verstanden. Entsprechendes gilt für das Merkblatt mit seinen umfassenden und leicht verständlichen Hinweisen zur Erreichbarkeit. Der Kläger hätte daher seine Verpflichtung zur Mitteilung der richtigen Anschrift mit seinen intellektuellen Fähigkeiten auch unter Berücksichtigung seiner besonderen sozialen Situtation nach der Haftentlassung ohne weiteres erkennen können. Dies gilt umsomehr, als sich der Kläger - vor der hier maßgeblichen Arbeitslosmeldung mit den der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit zugrunde zu legenden falschen Angaben - bereits mehrfach arbeitslos gemeldet und dementsprechend bereits einige Erfahrung im Umgang mit derartigen Verwaltungsvorgängen gesammelt hatte. Zudem zeigt die Einlassung des Klägers im Gerichtsverfahren, dass er sein fehlerhaftes Unterlassen ohne weiteres hätte erkennen können; hier gab er nämlich selbst an, eben nicht bei seinem Vater gewohnt und auch keinen Wohnungsschlüssel gehabt zu haben. Liegen die Dinge so, woran der Senat aufgrund der Angaben des Klägers keinerlei Zweifel hat, hätte es sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass die Angabe der Anschrift der väterlichen Wohnung nicht für die Herstellung einer Erreichbarkeit durch die Beklagte ausreicht. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger in seinem Antrag eine zweite Telefonnummer eingetragen hat. Denn es musste ihm ohne weiteres klar sein, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Massenverwaltung ihm nicht "hinterher telefonieren" kann, um ihn im Sinne der EAO zu erreichen. Der Kläger erfüllt mithin mit seinem Verhalten angesichts der vorliegenden subjektiven Umstände bezüglich der ihm zumutbaren Sorgfalts- bzw. Überprüfungspflichten den Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III sind erfüllt. Insbesondere sind die in § 45 SGB X enthaltenen Fristen für die Rücknahme eingehalten.
Da die entsprechende Bewilligung rechtmäßig aufgehoben worden ist, sind die bereits erbrachten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Auch der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2005 ist rechtmäßig. Zu Recht wurde dem Kläger für den noch offenen Zeitraum von 96 Tagen nach dessen Haftentlassung und wieder gegebener Erreichbarkeit Alg bewilligt, da der entsprechende Anspruch nicht erloschen oder gemindert war.
Insgesamt ist daher die Berufung zurückzuweisen.
Aufgrund des Unterliegens des Klägers in beiden Rechtszügen war die Beklagte nicht zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten zu verpflichten, § 193 SGG.
II. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.01.2007 wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld - Alg - samt entsprechender Erstattungspflicht wegen fehlender Erreichbarkeit.
Der 1965 geborene Kläger meldete sich nach Arbeitslosmeldung vom 26.06.2003 und vom 22.07.2003 am 31.10.2003 bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Als Wohnanschrift gab er an "A. , K.", des weiteren zwei Telefonnummern. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 05.11.2003 Alg ab 31.10.2003. Die Anspruchsdauer war am 03.02.2004 erschöpft. Aufgrund von Postrückläufen am 20.02.2004 stellte die Beklagte fest, dass es sich bei der genannten Anschrift um die Adresse des Vaters des Klägers handelte und der Kläger während des Zeitraums vom 31.10.2003 bis 03.02.2004 dort nicht gewohnt hatte. Vom 26.07.2004 bis 05.09.2004 befand sich der Kläger in Haft. Vom 06.09.2004 bis 31.12.2004 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe - Alhi - in Höhe von 714,96 monatlich bzw. aufgrund des Bescheides vom 14.01.2005 für den Zeitraum vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 Alg unter Auszahlung des Differenzbetrages zur Alhi.
Mit Bescheid vom 20.07.2004 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 31.10.2003 bis 03.02.2004 auf und forderte die gezahlten Leistungen in Höhe von 3373,63 Euro (einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 853,71 Euro) zurück.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, er habe sich, nachdem er aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei, am 31.10.2003 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und dabei die Adresse seiner Eltern angegeben. Er habe sich die meiste Zeit bei einem Bekannten in K. aufgehalten, sei aber trotzdem wegen der Post oder Schecks bei seinem Vater ein bis zweimal wöchentlich vorbeigekommen. Die letzte Post habe er im Februar abgeholt. Danach sei sein Vater ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe bei der Arbeitslosmeldung die Adresse seines Vaters angegeben, obwohl er nicht bei diesem wohnte. Dem Vater sei nicht bekannt gewesen, wo der Kläger tatsächlich gewohnt habe.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg - SG - erhoben. Er sei während des Leistungsbezugs bei seinem Vater polizeilich gemeldet und auch postalisch täglich erreichbar gewesen. Es sei zwar richtig, dass er dort nicht gewohnt habe. Sein Vater habe ihn jedoch jeweils umgehend telefonisch über eingehende Amtspost informiert. Schreiben der Beklagten hätten ihn in dieser Zeit ebenso wie zum Beispiel die monatlichen Schecks über das Alg umgehend erreicht. Erst nach Ablauf der Anspruchsdauer zum 03.02.2004 habe die Post nicht mehr zugestellt werden können, da sich sein Vater ab diesem Zeitpunkt im Krankenhaus befunden habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.01.2007 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die vom Kläger behauptete Kontrolle der eingegangenen Post des Klägers durch seinen Vater unter der angegebenen Adresse genüge jedenfalls nicht zur Erfüllung des Erfordernisses der persönlichen Erreichbarkeit, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitslose unter der der Agentur für Arbeit bekannten Anschrift zwar erreicht worden sei, sich aber außerhalb der Anschrift aufhalte und ein Kontakt zum Arbeitslosen nur über eine Mittelsperson möglich sei. Selbst für den Fall, dass das (unbewiesene) Vorbringen des Klägers, sein Vater habe ihn jeweils umgehend telefonisch über eingehende Post informiert, als wahr unterstellt werde, ergebe sich daher für den Kläger kein günstiges Ergebnis. Es genüge gerade nicht, dass der Arbeitslose - zum Beispiel über eine Mittelsperson - erreichbar sei. Er müsse vielmehr so erreichbar sein, wie es die gesetzlichen Vorschriften in Verbindung mit der Erreichbarkeitsanordnung verlangen. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben hinsichtlich seiner Wohnanschrift gemacht.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ergänzend vorgetragen, es sei sichergestellt gewesen, dass er an jedem Werktag unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost habe erreicht werden können. Das Alg sei für seinen Lebensunterhalt verwendet worden. Andernfalls hätte er Anspruch auf Alg II gehabt. Da er von der Arge in diesem Zeitraum keine Leistungen bezogen habe, müsste die Rückforderung an die Arge gerichtet werden und nicht an ihn.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass dem Kläger aufgrund vorgenommener "Anspruchsdauerberichtigung" für die Zeit vom 30.10.2003 bis 03.02.2004 96 Kalendertage Alg für die Zeit vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 für ebenfalls 96 Tage mit Bescheid vom 14.01.2005 nachgezahlt worden sei. Damit sei der Leistungsanspruch bis zur Erschöpfung am 10.12.2004 vollständig erbracht worden.
In der mündlichen Verhandlung hat der Käger u.a. ausgeführt, er sei im Zeitraum vom 31.10.2003 bis zum 03.02.2004 bei seinem Vater gemeldet gewesen. Er habe bei einem mit dem Auto in 10 Minuten erreichbaren Bekannten in dessen Fremdenzimmer gewohnt, sei jedoch in der Regel an zwei Wochentagen und das gesamte Wochenende unter Tags in der Wohnung seines Vaters gewesen. Sein Vater habe Kehlkopfkrebs gehabt, er habe aber telefonieren können, um ihn jederzeit zu benachrichtigen, wenn Post vom Arbeitsamt eingegangen wäre. Über die protokollierten Ausführungen hinaus gab der Kläger an, für die Wohnung seines Vater keinen Schlüssel gehabt zu haben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.01.2007 sowie den Bescheid vom 20.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2005 sowie den Bescheid vom 14.01.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.01.2007 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die ohne Zulassung (§ 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs. 1, 87 Abs.1 S.2 SGG).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg, da die Klage, die sich gegen die Bescheide vom 20.07.2004 und 14.01.2005 sowie vom 03.01.2005 (Widerspruchsbescheid) richtete, vom SG zu Recht abgewiesen wurde, wobei der Bescheid vom 14.01.2005 vom SG weder in den Entscheidungssatz seines Urteils aufgenommen noch in den Urteilgründen gewürdigt wurde. Streitgegenstand ist die Aufhebung der Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 31.10.2003 bis 03.02.2004 sowie die Rückforderung bereits gewährter Leistungen (einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Streitgegenstand ist ferner der Bescheid vom 14.01.2005, mit dem die Beklagte Alg für die Zeit vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 für 96 Tage bewilligt hat. Statthaft ist jeweils die Anfechtungsklage. Im Zusammenspiel dieser Bescheide - der streitigen Aufhebungs- und Erstattungsforderung einerseits und der später erfolgten Bewilligung von Alg für eine dem Aufhebungszeitraum entsprechende Dauer andererseits - erhellt auch das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.
Gemäß § 96 SGG wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird. Allgemein setzt ein Abändern oder Ersetzen voraus, dass der Regelungsgegenstand des neuen einzubeziehenden Verwaltungsakts mit dem des früheren identisch ist. Dies liegt grundsätzlich bei anderem Streitstoff - wie hier - nicht vor (vgl. BSGE 77, 279, 281; 78, 98, 101; 90, 143, 145). Wie sich aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 14.01.2005 ergibt, geht es um Alg für einen späteren Zeitraum. Die Einbeziehung im Wege "weiter Auslegung" oder entsprechender Anwendung ist hier aber gerechtfertigt, weil - trotz unterschiedlicher Verfügungssätze und auch bei "zurückhaltender" Anwendung des § 96 SGG - der spätere Bescheid vom 14.01.2005 auf dem früheren Bescheid rechtlich beruht (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 96 Rn. 4a; BSG 47, 168, 170; vgl. aber auch BSGE 48, 100, 101; Dreher SGb 1982, 284, 285). Der Senat ist sich bewusst, dass angesichts sich häufig ändernder tatsächlicher Verhältnisse bei der Anwendung des § 96 SGG Zurückhaltung geboten ist (dazu Leitherer, NZS 2007, 225, 232), insbesondere bei Klagen gegen einen Bescheid, der einen bestimmten Zeitraum betrifft, bezüglich der Einbeziehung eines später ergehenden und einen anderen Zeitraum betreffenden Bescheides (vgl. dazu Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.03.2006, Az.: L 8 AS 290/05; abweichend u.a. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.07.2006, Az.: L 13 AS 1420/06; vgl. inzwischen BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R).
Die sogenannte "Nachbewilligung" erfolgte hier aber nur, weil der Arbeitslosengeldanspruch des Klägers infolge der Aufhebung wegen fehlender Erreichbarkeit nicht erloschen war und er einen Alg-Restanspruch hatte. Die Beklagte war daher wegen der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid verpflichtet, auf den erneuten Antrag des Klägers vom 06.09.2004 wiederum Alg zu bewilligen und auch zu leisten, was sie auch tat, wenn auch nur in Höhe der Differenz zu der für den selben Zeitraum gewährten Alhi (wobei ein diesbezüglicher Bewilligungsbescheid nicht aktenkundig ist). Bei Aufhebung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids wäre auch der "Nachbewilligungsbescheid" rechtswidrig. Dieser beruht mithin auf jenem. Der Bescheid vom 14.01.2005 ist daher gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Über diesen Bescheid hat das SG zwar in erster Instanz nicht entschieden. Auch in diesem Fall darf und muss im nachfolgenden Berufungsverfahren das LSG aber hierüber eine Entscheidung treffen, und zwar selbst bei einem - hier nicht vorliegenden - Widerspruch eines Beteiligten. Dies hat seinen Grund darin, dass die Anwendung des § 96 SGG nicht in das Ermessen der Beteiligten gestellt ist, dessen Rechtsfolge vielmehr kraft Gesetzes automatisch eintritt, was im Übrigen auch für den Fall der analogen Anwendung gelten muss (Urteil des BSG vom 17.11.2005, Az.: B 11a/11 AL 57/04 R, SozR 4-1500 § 96 Nr. 4 RdNr. 21; Fortenwicklung von BSGE 27, 146 = SozR ... Nr. 21 zu § 96 SGG oder BSGE 74, 117, 119 = SozR 3-5425 § 24 Nr. 4).
Auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist - trotz der im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erfolgten Bewilligung von Alg in einem dem Aufhebungszeitraum entsprechenden Umfang - zu bejahen, so dass die Berufung nicht schon wegen Unzulässigkeit der Klage unbegründet ist.
Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses ergeben sich nur bei isolierter Betrachtung der Bescheide vom 20.07.2004 und vom 03.01.2005 (Aufhebung/Erstattung) und vom 14.01.2005 (spätere Bewilligung). Dem Kläger wurde insofern zwar für einen dem Aufhebungszeitraum entsprechenden Zeitraum Alg "nachbewilligt". Unberücksichtigt bleibt bei dieser Betrachtungsweise allerdings, dass dem Kläger für den späteren Bewilligungszeitraum Arbeitslosenhilfe - und nicht, wie der Kläger irrigerweise ausführt, Arbeitslosengeld II - bewilligt und gewährt wurde; dieser Bewilligungsbescheid ist bindend. Das bedeutet, dass sich die Position des Klägers bei Aufhebung der Bescheide vom 20.07.2004 und vom 14.01.2005 als für diesen vorteilhafter darstellt als bei Aufrechterhaltung dieser Bescheide. Denn in jener Konstellation hätte er für den Zeitraum vom 30.10.2003 bis 03.02.2004 seinen Alg-Anspruch behalten, ein Rückforderungsanspruch bestünde insofern nicht und für den Zeitraum vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 bliebe es bei der Bewilligung von Alhi. In der zweitgenannten Konstellation hingegen wäre zwar für den Zeitraum vom 06.09.2004 bis 10.12.2004 eine "Nachbewilligung" erfolgt, jedoch müsste der Kläger für den entsprechenden Zeitraum mit einer Aufhebung und Aufrechnung der Alhi rechnen. Dies ist gegebenfalls bereits mit der Verfügung vom 14.02.2005 erfolgt, mit welcher der Kläger eine Nachzahlung der Differenz beider Leistungen in Höhe von 373,44 Euro erhalten hat. Eine gerichtliche Entscheidung im Sinne des klägerischen Antrags würde dem Kläger mithin den tatsächlichen und rechtlichen Vorteil einer Leistungskumulation bringen, so dass gerichtlicher Rechtsschutz erforderlich und damit ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist. Ob einem entsprechenden klägerischen Antrag stattzugeben ist, stellt sich als Frage der Begründetheit dar. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht im Übrigen bezüglich der Rückforderung der für den Zeitraum vom 31.10.2003 bis 03.02.2004 bereits gewährten Leistungen und damit insgesamt für die gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gerichtete Klage, da die Rechtmäßigkeit der Rückforderung nicht losgelöst von der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung gesehen werden kann (vgl. § 50 Abs. 1 SGB X).
Die bezüglich des dargestellten Streitgegenstands geführte Berufung hat jedoch keinen Erfolg, da das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat. Denn die angegriffenen Bescheide vom 20.7. 2004 und vom 14.01.2005 sind rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alg-Bewilligung ist § 45 SGB X. Die in dieser Vorschrift für die Aufhebung der Alg-Bewilligung normierten Voraussetzungen liegen vor.
Die Alg-Bewilligung war von Anfang an rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die Alg-Bewilligung schon zum Zeitpunkt des Erlasses des entsprechenden Bescheides mangels Arbeitslosigkeit im Sinne der gesetzlichen Regelungen des SGB III nicht vorlagen.
Anspruch auf Alg hat nur, wer u.a. arbeitslos ist (§ 118 SGB III i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Arbeitsleistung vom 24.03.1997, BGBl I S. 594). Zu den Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit zählt nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die Beschäftigungssuche. Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs. 1 SGB III, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 1) und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit, Nr. 2). Merkmale der Verfügbarkeit sind die Arbeitsfähigkeit und die ihr entsprechende Arbeitsbereitschaft (§ 119 Abs. 2 SGB III). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser u.a. dann, wenn er Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III); hierzu hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit (BA) aufgrund der Ermächtigung in § 152 Nr. 2 SGB III Näheres in der Erreichbarkeitsanordnung - EAO - vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685) bestimmt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EAO muss der Arbeitslose u.a. in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen und mit einem möglichen Arbeitgeber oder Maßnahmeträger in Verbindung zu treten; deshalb hat er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.
Aus dem Umstand, dass der Kläger die Anschrift seines Vaters und nicht seinen tatsächlichen Aufenthaltsort, d.h. die Anschrift seiner eigenen Wohnung bzw. der Unterkunft, in der er sich nach seinen eigenen Angaben tatsächlich aufhielt, mitgeteilt hat, folgt, dass die Beklagte den Kläger während des gesamten Aufhebungszeitraums nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO, d.h. an seinem Wohnsitz unter der benannten Anschrift durch Briefpost, erreichen konnte. Abzustellen ist im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO auf die dem Arbeitsamt benannte Anschrift (Urteil des BSG vom 09.08.2001, Az.: B 11 AL 17/01 R juris Rn. 19).
Der Kläger war zur Überzeugung des Senats nicht erreichbar im vorgenannten Sinne. Er hatte bereits selbst im Widerspruchsschreiben ausgeführt, er sei bis 31.10.2003 in Untersuchungshaft gewesen und habe sich dann beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet unter der Adresse seiner Eltern "A. ". Seine Mutter sei während der Untersuchungshaft gestorben. Somit habe er sich die meiste Zeit bei einem Bekannten in "K." aufgehalten, er sei aber trotzdem wegen der Post oder der Schecks bei seinem Vater ein bis zweimal wöchentlich vorbeigekommen. Für Anrufe habe sein Vater die Adresse gehabt. Er habe sich eine eigene Wohnung gesucht und selber eine Arbeit. Am Vorliegen dieser vom Kläger selbst mitgeteilten Tatsachen hat der Senat keine Zweifel. Er machte sie sich so - wie vom Kläger geschildert - zu eigen.
Auch die Behauptung des Klägers, für Anrufe habe sein Vater die Adresse gehabt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese behauptete Tatsache steht schon nicht mit dem nötigen Überzeugungsgrad fest. Denn die telefonische Auskunft des inzwischen verstorbenen Vaters des Klägers, niedergelegt als Aktenvermerk in der Verwaltungsakte, widerspricht der aufgestellten Behauptung. Danach wusste der Vater nichts vom tatsächlichen Aufenthalt seines Sohnes. Jenem war zwar - wie auch schon der Beklagten - ausweislich der entsprechenden Angaben im Leistungsantrag auch die Telefonnummer seines Bekannten, bei dem er sich aufhielt, bekannt. Das genügt aber zur Erreichbarkeit nicht, da der Kläger damit nicht seiner Verpflichtung zur Offenbarung seines tatsächlichen Aufenthalts genügt hat. Denn Arbeitslosigkeit bzw. Erreichbarkeit nach §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 2, 119 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 SGB III in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S. 2 EAO liegt nicht vor, wenn ein Kontakt zum Arbeitslosen lediglich über eine Mittelsperson möglich ist. Dies gilt insbesondere bei einem Aufenthalt außerhalb der Wohnanschrift, den der Arbeitslose nicht mitgeteilt hat (BSG vom 09.02.2006, Az.: B 7a AL 58/05 R juris LS 1).
Der Kläger war deshalb während des Aufhebungszeitraums nicht mehr arbeitsfähig im Sinne des § 119 Abs. 3 SGB III und damit auch nicht arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III mit der Folge, dass er keinen Anspruch auf Alg hatte. Die Bewilligung war damit rechtswidrig.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zur Rücknahme für die Vergangenheit sind gegeben.
Denn der Bewilligungsbescheid beruht auf Angaben, die der Kläger in grob fahrlässiger Weise in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Insoweit wird auf die oben erfolgten Ausführungen zum Verschweigen des wahren Aufenthaltsortes des Klägers Bezug genommen. Im Rahmen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ist dieses grob fahrlässige Unterlassen einer für die Leistung maßgeblichen Mitteilung von Umständen dem aktiven Tun gleichzustellen (Wiesner in: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 45 Rn. 22 m.w.N.).
Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit war davon auszugehen, dass es entscheidend auf die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten ankommt (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44 264, 273; vom 05.02.2006, B 70 AL 58/05 R). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Ein Kennenmüssen ist erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BVerwGE 40, 212). Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen eine Frage der Würdigung des Einzelfalles, die dem Tatsachengericht obliegt (BSGE SozR 2200 § 1301 Nr. 7).
Falsche Angaben im Sinne eines solchen grob fahrlässigen Unterlassen der für die Leistung maßgeblichen Mitteilung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts sind gegeben. Der Kläger hätte seine Verpflichtung zur Mitteilung der richtigen Anschrift ohne weiteres erkennen können, ebenso, dass die Mitteilung der Adresse seines Vaters, unter der er sich nach seinen eigenen Angaben gar nicht aufhielt, in wesentlicher Beziehung unrichtig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ist. Insofern ist ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beurteilung der groben Fahrlässigkeit (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.02.2001, Az.: B 11 AL 21/00 R = SozR 3-1300 § 45 Nr. 45) festzustellen, dass der Kläger bezüglich seiner Pflichten und Obliegenheiten als Arbeitsloser von der Beklagten ordnungsgemäß belehrt worden ist. Der Kläger hat in seinem Antrag vom 01.11.2003 den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose unterschriftlich bestätigt. Dieses Merkblatt enthält leicht verständliche Hinweise zur Verfügbarkeit und Erreichbarkeit. So führt es auf S. 7 aus, dass der Arbeitslose für Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stehen müsse. Er müsse persönlich für das Arbeitsamt an jedem Werktag unter der von ihm benannten Anschrift erreichbar sein und das Arbeitsamt auch täglich aufsuchen können. Wenn er dennoch beabsichtige, sich vorübergehend unter einer anderen Anschrift aufzuhalten, müsse er das Arbeitsamt benachrichtigen. Dieses werde den Arbeitslosen informieren, ob und unter welchen Bedingungen ein leistungsunschädlicher Aufenthalt möglich sei. Ferner führt das Merkblatt auf S. 24 aus, der Arbeitslose müsse für sein Arbeitsamt erreichbar sein, insbesondere von Briefsendungen des Arbeitsamtes an jedem Werktag einmal in seiner Wohnung persönlich und ohne von dem Arbeitslosen zu vertretende Verzögerungen Kenntnis nehmen können. Am Wochenende oder vor Feiertagen reiche es aus, wenn er die an Samstagen oder Tagen vor Feiertagen eingehende Post am darauf folgenden Tag zur Kenntnis nehme. Daher müsse der Arbeitslose es seinem Arbeitsamt rechtzeitig mitteilen, wenn er (auch innerhalb derselben Gemeinde) umziehe oder an einem Werktag ganztags nicht zuhause sei. Wenn der Arbeitslose an einem oder mehreren Werktagen ganztags unter der dem Arbeitsamt bekannten Anschrift nicht zu erreichen sei, sei dies ohne leistungsrechtliche Nachteile nur möglich, wenn der Arbeitsvermittler vorher zugestimmt habe.
Der Kläger hat den aufgehobenen Bewilligungsbescheid zur Kenntnis genommen und - wie zur vollen Überzeugung des Senats feststeht - auch verstanden. Entsprechendes gilt für das Merkblatt mit seinen umfassenden und leicht verständlichen Hinweisen zur Erreichbarkeit. Der Kläger hätte daher seine Verpflichtung zur Mitteilung der richtigen Anschrift mit seinen intellektuellen Fähigkeiten auch unter Berücksichtigung seiner besonderen sozialen Situtation nach der Haftentlassung ohne weiteres erkennen können. Dies gilt umsomehr, als sich der Kläger - vor der hier maßgeblichen Arbeitslosmeldung mit den der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit zugrunde zu legenden falschen Angaben - bereits mehrfach arbeitslos gemeldet und dementsprechend bereits einige Erfahrung im Umgang mit derartigen Verwaltungsvorgängen gesammelt hatte. Zudem zeigt die Einlassung des Klägers im Gerichtsverfahren, dass er sein fehlerhaftes Unterlassen ohne weiteres hätte erkennen können; hier gab er nämlich selbst an, eben nicht bei seinem Vater gewohnt und auch keinen Wohnungsschlüssel gehabt zu haben. Liegen die Dinge so, woran der Senat aufgrund der Angaben des Klägers keinerlei Zweifel hat, hätte es sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass die Angabe der Anschrift der väterlichen Wohnung nicht für die Herstellung einer Erreichbarkeit durch die Beklagte ausreicht. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger in seinem Antrag eine zweite Telefonnummer eingetragen hat. Denn es musste ihm ohne weiteres klar sein, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Massenverwaltung ihm nicht "hinterher telefonieren" kann, um ihn im Sinne der EAO zu erreichen. Der Kläger erfüllt mithin mit seinem Verhalten angesichts der vorliegenden subjektiven Umstände bezüglich der ihm zumutbaren Sorgfalts- bzw. Überprüfungspflichten den Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III sind erfüllt. Insbesondere sind die in § 45 SGB X enthaltenen Fristen für die Rücknahme eingehalten.
Da die entsprechende Bewilligung rechtmäßig aufgehoben worden ist, sind die bereits erbrachten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Auch der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2005 ist rechtmäßig. Zu Recht wurde dem Kläger für den noch offenen Zeitraum von 96 Tagen nach dessen Haftentlassung und wieder gegebener Erreichbarkeit Alg bewilligt, da der entsprechende Anspruch nicht erloschen oder gemindert war.
Insgesamt ist daher die Berufung zurückzuweisen.
Aufgrund des Unterliegens des Klägers in beiden Rechtszügen war die Beklagte nicht zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten zu verpflichten, § 193 SGG.
Rechtskraft
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