L 7 AS 164/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 AS 1003/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 164/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11. April 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten wegen der Höhe von Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.09.2005 bis 28.02.2006. Speziell begehren die Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Die Klägerin zu 1 ist 55 Jahre, der Kläger zu 2 62 Jahre alt. Sie sind miteinander verheiratet und wohnten im streitgegen-ständlichen Zeitraum zusammen. Nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen, die ihre Erwerbsfähigkeit in Frage stellen könnten, bestanden nicht. Vom 01.01.2005 an lebten die Kläger von Arbeitslosengeld (Alg) II. Daneben bezog der Kläger zu 2 ein äußerst geringfügiges Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit als Fliesenleger. Sonstige Einkünfte sind nicht er-sichtlich.

Die "Wohnverhältnisse" der Kläger stellen sich folgendermaßen dar: Als die Kläger im September 2004 erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragten, wohnten sie ge-meinsam im Landkreis G. , und zwar A. , G ... Zunächst aber korrespondierten sie wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit der Agentur für Arbeit W ... Im Schreiben vom 16.09.2004 wies die Agentur für Arbeit W. die Kläger allerdings darauf hin, sie sollten den Antrag in G. , O.straße , einreichen; dies ist die Adresse der Beklagten. Am 02.12.2004 hatten die Kläger eine Dreizimmerwohnung in P. im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu einer Nettomiete von 500,00 EUR angemietet; Mietbeginn sollte der 15.12.2004 sein. Diese Wohnung wurde jedoch nicht bezogen, der Mietvertrag vielmehr am 22.12.2004 einvernehmlich aufgehoben. Den Mietvertrag hatten die Kläger jedoch vor dem Jahreswechsel 2004/2005 der Beigeladenen vorgelegt, diese jedoch nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass sie tatsächlich weiter in M. wohnten. So teilte die Klägerin zu 1 noch am 27.12.2004 telefonisch mit, der Umzug nach P. würde sich wegen Renovierungsarbeiten noch etwas verzögern; deshalb solle man eine Postfachadresse in W. heranziehen.

Zusammen mit dem Berufungsschriftsatz haben die Kläger die Kopie eines von ihnen gefertigten Schreibens vom 01.01.2005 an die Beklagte vorgelegt. Darin wird mitgeteilt, die Wohnung in P. könne nicht bezogen werden, da dort immer noch keine Fußböden verlegt worden seien. Sie, die Kläger, hätten nun aber eine andere Wohnung gefunden. In einem späteren Schreiben vom 20.06.2005 teilte die Klägerin zu 1 der Beklagten mit:

"Bereits am 02.01.2005 haben wir dem Arbeitsamt mitgeteilt, dass wir die Wohnung in P. nicht beziehen können, da diese zum vereinbarten Zeitpunkt nicht fertig werden konnte. Da uns bereits ein nicht mehr verschiebbarer Räumungstermin vom 21.01.2005 bevorstand, haben wir notgedrungen kurzfristig eine Ersatzwohnung suchen müssen. Aus uns nicht nachvollziehbaren Gründen wurden wir bis vor wenigen Tagen noch vom Arbeitsamt W. betreut."

Bei dieser "Ersatzwohnung", die dann auch tatsächlich bewohnt wurde, handelte es sich um eine Dachgeschosswohnung in M ... Die Wohnfläche betrug 130 qm. Die Wohnung hatte fünf Zimmer, eine Küche, ein Bad mit Toilette sowie eine separate Toilette. Sie war mit einem Balkon/Terrasse ausgestattet. Als Beginn des Mietverhältnisses wurde der 01.01.2005 vereinbart. Die Kaltmiete belief sich monatlich auf 870,00 EUR zuzüglich 30,00 EUR für Garage, Stellplatz, Garten. Die monatliche Heiz-kosten-/Warmwasservorauszahlung sowie die Betriebskostenvor-auszahlungen beliefen sich auf jeweils 115,00 EUR pro Monat. Hinzu kamen 20,00 EUR monatlich als Vorauszahlung für die Müllentsorgung (Inklusivmiete: 1.150,00 EUR pro Monat). Der entsprechende Mietvertrag war von der Vermieterseite am 28.12.2004 unterschrieben worden; eine Unterschrift der Kläger als Mieter fehlt auf dem in den Akten befindlichen Exemplar. Die melderechtliche Anmeldung in M. erfolgte am 02.02.2005; als Einzugsdatum wurde dabei der 01.02.2005 angegeben.

Indes bezogen die Kläger ab 01.01.2005 bis einschließlich 31.08.2005 Alg II von der Beigeladenen (zuletzt mit Bescheid vom 07.07.2005). Diese ging entsprechend der Mitteilung der Kläger davon aus, diese würden in P. leben; der Leis-tungsbescheid vom 07.07.2005 war adressiert an "W.straße , P."; die Bescheide kamen nicht als unzu-stellbar zurück. Zuletzt wurden den Klägern monatliche Leistungen in Höhe von 1.150,56 EUR zuerkannt. Dabei ging die Beigeladene stets von einer monatlichen Kaltmiete von 500,00 EUR für die vermeintliche Wohnung in P. aus. Die Kläger haben den Ansatz der P.-Miete nicht gerügt. Der Umstand, dass die Kläger nicht in P. wohnhaft waren, wurde der Beigeladenen durch die Polizei M. am 08.06.2005 mitgeteilt.

Am 20.06.2005 stellten die Kläger erstmals einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei der Beklag-ten. Mit Bescheid vom 01.09.2005 bewilligte diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.09.2005 bis 28.02.2006 in Höhe von monatlich 1.002,56 EUR. Dabei legte die Beklagte eine Kaltmiete von 360,00 EUR monat-lich zugrunde, Heizkosten von monatlich 102,56 EUR, Neben- und Betriebskosten in Höhe von 115,00 EUR monatlich sowie monatli-che Müllkosten in Höhe von 20,00 EUR, insgesamt also Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 597,56 EUR.

Gegen den Bescheid vom 01.09.2005 legten die Kläger mit Schreiben vom 11.09.2005 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 21.10.2005 gewährte die Beklagte für September 2005 Alg II in Höhe von 1.222,56 EUR, für die Monate Oktober 2005 bis Februar 2006 monatlich 972,56 EUR; diese Änderung ergab sich daraus, dass im September 2005 fälschlicherweise Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit angesetzt worden waren, die aber tatsächlich nicht angefallen waren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch vom 11.09.2005 als unbegründet zurück. Der monat-liche Gesamtbedarf betrage 1.222,56 EUR (unter Berücksichti-gung des Zuschlags gemäß § 24 SGB II). Darin seien die ange-messenen Kosten der Unterkunft in Höhe von 360,00 EUR Kaltmie-te zuzüglich der um Strom- und Warmwasserkosten bereinigten Nebenkosten berücksichtigt. Weitere Ausführungen zum Problem der Unterkunftskosten machte die Beklagte im Widerspruchsbescheid nicht.

Beim Sozialgericht München Klage erhoben haben die Kläger mit Schriftsatz vom 13.12.2005. Sie haben in diesem Zusammenhang vorgetragen, die Miete müsse übernommen werden, solange sie angemessen sei. Bereits mit Schreiben vom 01.01.2005 hätten sie der Beklagten den aktuellen Mietvertrag übersandt. Bis heute sei weder von der Beigeladenen noch von der Beklagten mitgeteilt worden, die Wohnung in M. sei nicht angemessen.

Das Sozialgericht München hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.04.2006 abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Über-nahme der tatsächlichen Unterkunftskosten, so das Sozialge-richt zur Begründung, lägen nicht vor. Die Kläger hätten zwar tatsächlich im Zuständigkeitsbereich der Beklagten seit Beginn ihres Leistungsbezugs gewohnt, sie hätten jedoch unter Angabe einer anderen Wohnadresse von der Beigeladenen bis August 2005 Leistungen bezogen. Ausweislich der Akten hätten der Beigela-denen der alte Mietvertrag über eine Haushälfte in H. und ein Mietvertrag über eine Dreizimmerwohnung in P. ab dem 15.12.2004 vorgelegen. Auf dieser Grundlage seien Leistungen einschließlich der im Mietvertrag angegebenen Unterkunftskosten gewährt worden. Erst am 13.06.2005 hätte die Polizeiinspektion M. der Beigeladenen die Vereinbarung vom 22.12.2004 über die Aufhebung des Mietvertrages über die Drei-zimmerwohnung in P. vorgelegt. Unerheblich sei, ob die Kläger bereits im Januar 2005 der Beklagten den Mietvertrag über die Wohnung in M. übersandt hätten, da sie erstmals am 16.06.2005 bei dieser Leistungen beantragt hätten. Die Kläger hätten die von ihnen beantragten Unterkunftskosten (für P.) für acht Monate erhalten, bevor sie die unangemessen hohen Unterkunftskosten bei der Beklagten geltend gemacht hätten. Ausweislich der Kontoauszüge hätten sie bereits ab Mai 2005 keine Miete für ihre Wohnung in M. mehr bezahlt. Da die Kläger überhaupt keine Unterkunftskosten an den Vermieter bezahlt hätten, bestehe auch kein Bedarf für höhere Unterkunftskosten für diese Wohnung, die wegen der Mietrückstände auch durch eine Nachzahlung nicht zu erhalten sei. Ein Regelfall der tatsächlichen Übernahme der Unterkunftskosten für längstens sechs Monate liege ferner deshalb nicht vor, da hier ein Wechsel des zuständigen Leistungsträgers erfolgt sei. Ebenso wie bei einem Umzug in eine zu teuere Wohnung träten die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der hier maßgebenden Fassung (a.F.) nicht erneut ein, wenn die andere, erstmals angegebene Wohnung zu teuer sei. Das Gesetz stelle durch die Formulierung "in der Regel für längstens sechs Monate" auf den Zeitpunkt ab, an dem die Wohnung entweder erstmals zu teuer geworden sei oder erstmals Leistungen beantragt worden seien. Ein Wechsel des Leistungsträgers führe nicht dazu, dass der neue Leistungsträger erneut die tatsächlichen Unterkunftskosten für einen längeren Zeitraum zu übernehmen habe. Auch sei der Schutzzweck des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F., nämlich hilfebedürftigen Mietern Zeit zur Senkung ihrer Unterkunftskosten durch Suche einer neuen Wohnung zu geben, wenn ihre Wohnung zu Beginn oder während des Hilfebezugs unangemessen teuer werde, nicht einschlägig. Die Tatsache, dass die Kläger nicht zur Senkung ihrer Unterkunftskosten aufgefordert worden seien, führe zu keinem anderen Ergebnis. Weder die Beigeladene noch die Beklagte hätten Veranlassung gehabt, sie auf ihre Verpflichtung zur Senkung der Unterkunftskosten hinzuweisen. Dies hätten die Kläger selbst zu vertreten, da sie unter falschen Angaben Leistungen bezogen hätten. Sie seien deshalb nicht anders zu behandeln als Hilfeempfänger, die ohne die erforderliche Zustimmung des neuen Leistungsträgers in eine zu teuere Wohnung umziehen würden.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger. Sie machen gel-tend, auch nachdem sie den Mietvertrag von P. vorge-legt hätten, seien sie weiterhin von der Beklagten betreut worden. Deshalb sei auch der neue Mietvertrag für die Wohnung in M. mit Schreiben vom 01.01.2005 an die Beklagte und nicht an die Beigeladene geschickt worden. Dass die neue Wohnung zu groß oder unangemessen sei, sei von keiner Seite mitgeteilt worden.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11.04.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.09.2005 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 21.10.2005 sowie des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2005 zu verpflichten, ihnen für den Zeitraum vom 01.09.2005 bis 28.02.2006 die tatsächlichen Unterkunftskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Schreiben der Kläger vom 01.01. und 06.01.2005 würden be-weisen, dass diese bereits damals durch die Beigeladene be-treut wurden. Die Kläger hätten im weiteren Verwaltungsverfah-ren mit der Beigeladenen korrespondiert. Die Kläger hätten die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nicht nur für sechs Mona-te, sondern sogar für acht Monate erhalten. Das Gesetz stelle durch die Formulierung "in der Regel für längstens sechs Mona-te" auf den Zeitpunkt ab, an dem die Wohnung entweder erstmals zu teuer geworden sei oder erstmals Leistungen nach dem SGB II beantragt worden seien. Unerheblich sei, ob die Kläger bereits im Januar 2005 der Beklagten einen Mietvertrag über die Woh-nung in M. übersandt hätten, da Leistungen nach dem SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht würden.

Mit Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 03.01.2007 wurde der Jobcenter W. gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen. Die Beigeladene hat sich den Ausführungen des Sozialgerichts München und der Beklagten angeschlossen. Sie weist darauf hin, streitgegenständlich sei der Bewilligungszeitraum ab 01.09.2005. Vor dem 01.01.2005 sei die Agentur für Arbeit sowohl für den Landkreis G. als auch für den Landkreis W. zuständig gewesen. Erst ab dem 01.01.2005 sei die Zuständigkeit auf die jeweiligen Jobcenter übergegangen.

Sie beantragt ebenfalls, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Streitig sind Geldleistungen von mehr als 500,- EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Berufung hat aber dennoch keinen Erfolg, weil sie unbe-gründet ist. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11.04.2006 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Be-klagte hat es zu Recht abgelehnt, bei der Leistungsberechnung die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zugrunde zu legen; der Bescheid vom 01.09.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 21.10.2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2005 ist rechtmäßig.

Der Senat hat mündlich verhandeln und durch Urteil entscheiden können, obwohl die Kläger nicht anwesend waren. Sie waren ord-nungsgemäß geladen und darauf hingewiesen worden, dass im Fal-le des Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann. Für beide war sogar das persönliche Erscheinen angeordnet worden. Zunächst waren die Kläger unter Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG für den 15.06.2007, 11.00 Uhr, geladen worden. Auf ein Terminsverlegungsgesuch der Beklagten vom 04.06.2007 hin erfolgte mit Schreiben vom 05.06.2007 eine Umladung auf 09.45 Uhr; dieses ist den Klägern am 06.06.2007 zugestellt worden. Die Kläger haben die Umladung jedoch nicht beachtet und sind erst zum ursprünglich festgelegten Termin um 11.00 Uhr erschienen. Die Umladung verstößt nicht gegen Ladungsfristen. Unabhängig davon, dass die dreitägige Mindestladungsfrist des § 202 SGG in Verbindung mit § 217 der Zivilprozessordnung ohnehin eingehalten wäre, gilt diese für eine bloße Verlegung der Terminsstunde von vornherein nicht (vgl. Hüßtege in: Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 28. Auflage 2007, § 217 RdNr. 1). § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG, der nur eine Regelfrist normiert, steht der Ordnungsmäßigkeit der erfolgten Umladung noch weniger entgegen.

Streitgegenstand des Verfahrens sind die Leistungen für Unter-kunft und Heizung nur im Zeitraum vom 01.09.2005 bis zum 28.02.2006 (gegen die Erstreckung auf Folgezeiträume vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R -; zur "Streitgegenstandsfähigkeit" der Leistungen für Unterkunft und Heizung vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -). Die Zeit vorher wird von der Klage dagegen nicht betroffen; insbesondere ist kein Antrag der Kläger nach § 44 SGB X Streitgegenstand.

In der Sache bleibt das Begehren der Kläger ohne Erfolg. Sie haben keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 SGB II (a.F.) wurden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen waren (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Ein-zelfalles angemessenen Umfang überstiegen, waren sie als Be-darf der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dieser nicht möglich oder zumutbar war, die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2). Die im Bescheid vom 01.09.2005 angesetzten Kosten der Unterkunft (ohne Heizung) in Höhe von 475,00 EUR monatlich liegen nicht unterhalb dessen, was im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. als angemessen zu beurteilen ist. Einen Anspruch darauf, dass im streitgegenständlichen Zeitraum höhere Kosten der Unterkunft (ohne Heizung) in die Leistungsberechnung einfließen, insbesondere die tatsächlich angefallenen Kosten, haben die Kläger nicht. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. bietet dafür keine Handhabe.

Die Ausgangskonstellation des vorliegenden Falles erscheint eigentümlich: Eine unzuständige Behörde, nämlich die Beigeladene, hat den Klägern für eine nicht bewohnte Wohnung Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt, und zwar in "tatsächlicher" Höhe, wenn man die Verhältnisse dieser "virtuellen" Wohnung zugrunde legt. Gemessen an der tatsächlich innegehabten Wohnung blieb der Leistungsbetrag jedoch weit unter den tatsächlichen Aufwendungen. Dennoch haben die Kläger dies immerhin acht Monate lang akzeptiert. Erst die Polizei hat den Sachverhalt aufgedeckt. Die Kläger meinen zu Unrecht, § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. vermittle ihnen einen Anspruch darauf, auf jeden Fall für sechs Monate Leistungen unter Berücksichtigung der überhöhten tatsächlichen Kosten der Unterkunft (ohne Heizung) zugesprochen zu erhalten.

Die Kläger stützen den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf das Argument, sie seien von behördlicher Seite nicht darauf hingewiesen worden, dass die tatsächlichen Kosten der Wohnung in M. das Maß des Angemessenen übersteigen würden. Erst wenn ihnen diese Kenntnis verschafft worden sei, könne die Sechsmonatsfrist zu laufen beginnen. Damit verkennen sie die Funktion von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F ...

1. Das Begehren der Kläger scheitert jedoch nicht schon daran, dass sie keine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II a.F. einge-holt hatten. Darin liegt im vorliegenden Fall durchaus ein er-örterungswürdiges Problem. Bei einem Vergleich von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. mit § 22 Abs. 2 SGB II lässt sich nämlich eine unterschiedliche, aber doch aufeinander abgestimmte Finalität feststellen: Wenn für eine Wohnungsnahme von Gesetzes wegen eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II a.F. erforderlich gewesen war, bestand von vornherein kein Raum für Vertrauensschutz, den gerade § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. bewirken wollte. Dass sie keine Zusicherung eingeholt hatten, gereicht den Klägern aber nicht zum Nachteil. Denn ihre Wohnungsnahme in M. unterlag allem Anschein nach noch keinem Zusicherungserfordernis. § 22 Abs. 2 SGB II a.F. trat erst zum 01.01.2005 in Kraft (Artikel 61 Abs. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - BGBl I S. 2954). Der das Zustimmungserfordernis auslösende Tatbestand war jedoch bereits vorher eingetreten. Zwar erfolgte der tatsächliche Bezug der Wohnung erst zum Februar 2005. Es kommt aber insoweit nicht auf die tatsächliche Besitznahme, sondern - so § 22 Abs. 2 SGB II a.F. ganz dezidiert - auf den Abschluss des Mietvertrages an. Es spricht Vieles dafür, dass der Mietvertrag noch im Jahr 2004 geschlossen worden war; ein nur mit der Unterschrift des Vermieters versehenes Exemplar war auf den 28.12.2004 datiert. Es kann zugunsten der Kläger unterstellt werden, dass dieses Datum nicht nur die Abgabe des Vertragsangebots des Vermieters betrifft, sondern den Vertragsschluss insgesamt. Denn auch wenn kein Zusicherungserfordernis bestanden haben sollte, vermögen die Kläger mit ihrem Begehren aus den im Folgenden dargestellten Gründen nicht durchzudringen.

2. Acht Monate lang hatten die Kläger von der Beigeladenen mehr als die angemessenen, jedoch weniger als die tatsächlichen Kosten (nach den Maßstäben der Wohnung in M.) erhalten. Das wird § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. insoweit nicht gerecht, als nach dieser Vorschrift ausnahmsweise die tatsächlichen Aufwendungen für eine Übergangszeit, höchstens für sechs Monate, zu tragen waren. Diese tatsächlichen Kosten haben die Kläger, wie sie vortragen, in der Tat nie in Form von Leistungen erhalten.

Der Schluss, den die Kläger aus diesem Befund ziehen, ist je-doch falsch: Sie gehen davon aus, ihnen würde unabhängig von den konkreten Umständen auf jeden Fall sechsmal die tatsächli-che Monatsmiete zustehen. Den Klägern ist zwar insoweit Recht zu geben, als es für den Lauf der Sechsmonatsfrist auf den Tag ankommt, an dem die Hilfebedürftigen über die Höhe der ange-messenen Unterkunftskosten informiert waren. Um diese Informa-tion zu erreichen, wird regelmäßig ein entsprechendes Informa-tionsschreiben der Behörde erforderlich sein. Unabdingbar ist dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts indes nicht. So hat das Bundessozialgericht deutlich gemacht, dass ein Informationsschreiben nicht Selbstzweck ist (Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R). Dafür, dass ein Informations-schreiben nur Mittel zum Zweck, nicht jedoch conditio sine qua non ist, spricht auch, dass das Bundessozialgericht es in der gleichen Entscheidung genügen hat lassen, dass im seinerzeit entschiedenen Fall eine entsprechende Aufklärung bereits vor dem 01.01.2005 unter dem Reglement des Bundessozialhilfegeset-zes erfolgt war.

Hier aber machen die Kläger geltend, ihnen sei gerade nicht bewusst gewesen, dass die Wohnung in M. überteuert gewesen sei. Implizit behaupten sie damit auch, sie hätten nicht ge-wusst, wie hoch die angemessenen Unterkunftskosten gelegen seien. Sie machen geltend, sie hätten deshalb für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf die tatsächlichen Unterkunftskosten. In der Tat konnte die sechsmonatige "Schon-frist" des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. nicht durch Zahlun-gen der tatsächlichen Unterkunftskosten erschöpft werden, die erfolgten, bevor Kenntnis darüber bestand, dass die tatsächli-chen Unterkunftskosten unangemessen waren.

Dennoch kann der Ansicht der Kläger nicht beigetreten werden. Gegen sie spricht, dass § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. eine Billigkeitsregel darstellte. Mit ihr wurde dem Hilfesuchenden ausnahmsweise für eine kurze Übergangsfrist etwas (weiter) zugestanden, worauf er nach der grundsätzlichen Konzeption des Gesetzes (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F.) an sich keinen An-spruch haben sollte. Die Frist gewährte dem Hilfesuchenden Aufschub, damit dieser innerhalb vertretbarer Zeit seine Unterkunftskosten auf das angemessene Maß zu senken in der Lage war.

Die Kläger haben jedoch ein Verhalten gezeigt, das es nicht zulässt, sie in den Genuss dieser ausnahmsweisen Vergünstigung kommen zu lassen, die nach ihrem Wesen Härten vermeiden soll. Denn sie haben in treuwidriger Weise vereitelt, dass die Be-klagte sie über die Unangemessenheit der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung informieren konnte. Dabei spielt keine Rolle, wie es letztendlich zu dem Irrtum auf Seiten der Beklagten und der Beigeladenen kam. Allein das Folgeverhalten der Kläger lässt es nicht zu, sich darauf zu berufen, ihnen sei erst im September 2005 eröffnet worden, dass sie eine unangemessen teuere Wohnung bewohnten. Nach Entstehen des Irrtums auf Seiten der Behörden haben sie durch protestlose Entgegennahme nicht der Realität entsprechender Leistungen über längere Zeit hinweg in zurechenbarer Weise den Irrtum der Behörden über den Wohnort perpetuiert und gefördert. Es erscheint nicht relevant, wenn sie vorgeben, sie hätten nicht gewusst, welche Behörde für sie zuständig sei. Denn sie haben immerhin über Monate hinweg nicht nur formal die fehlende Zuständigkeit ohne Widerspruch hingenommen, sondern auch akzeptiert - und das ist entscheidend -, dass die gezahlten Leistungen weit unter den tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung blieben; dieses Defizit konnte ihnen nicht entgangen sein. Es fragt sich in diesem Zusammenhang, wie die Kläger während der Monate Januar bis August 2005 ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten, wenn ihre tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung weit über den hierfür zuerkannten Leistungen lagen. Dahinstehen kann, welchen Grund die Kläger für dieses erstaunliche Verhalten gehabt haben könnten. Jedenfalls war der Hintergrund zur Überzeugung des Senats nicht bloße Unkenntnis. Denn sie hatten allem Anschein nach Vorsorge dafür getroffen, dass die Post, die von der Beigeladenen nach P. geschickt wurde, ihnen auch zuging.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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