L 14 R 477/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 1271/05 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 477/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16. März 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen beiden Beteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, oder ein Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung seit März 2003.

Der im Jahre 1948 geborene Kläger, ein Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas mit dortigem Wohnsitz, hat nach einer Versicherungszeit in Jugoslawien von Juli bis Oktober 1968 eine versicherungspflichtige Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) von März 1969 bis Dezember 1971 (25 Pflichtbeiträge als Bauarbeiter) ausgeübt. Anschließend war er in seinem Heimatland vom 14.04.1972 bis 03.04.1992 ununterbrochen beschäftigt. In dem von der bosnischen Verbindungsstelle mitgeteilten Versicherungsverlauf ist ferner noch eine Zeit vom 20.01. bis 03.12.1995 mit Nr.3 ("Ersatzzeiten" - Zeiten ohne Beitragsentrichtung, z.B. Teilnahme am Volksbefreiungskampf) berücksichtigt.

Auf einen am 05.03.2003 gestellten Rentenantrag wegen Invalidität und voller oder teilweiser Erwerbsminderung wurde der Kläger in seinem Heimatland ab 25.02.2003 berentet. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20.10.2004 ab, weil ausgehend von einem am Tag der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Vom 01.01.1984 bis zum Eintritt des fiktiven Versicherungsfalls sei nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt (Lücke ab Mai 1992); außerdem sei in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des fiktiven Leistungsfalles, d.h. vom 05.03.1998 bis 04.03.2003, nicht die gesetzlich erforderliche Mindestzeit von drei Jahren (36 Monaten) mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Daher sei nicht mehr geprüft worden, ob aus medizinischer Sicht Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vorliege.

Auf Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf seine Invalidität ab 25.02.2003 überprüfte die Beklagte die medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung. Vorhanden hierzu war ein Gutachten der Invalidenkommission M. vom 29.03.2004 mit den Diagnosen - Zustand nach non-transmuralem Myocardinfarkt (mit Hinweis auf eine unmittelbar nachfolgende stationäre Behandlung im Klinikum M. vom 15.11. bis 12.12.2002), - arterielle Hypertonie Grad I/II (Blutdruck 170/110 mmHg), - chronische Bronchitis, - Hornhautnarbe des rechten Auges, - Erblindung des rechten Auges, - chronisches subdurales Hämatom rechte Seite - Zustand nach Operation (mit Hinweis auf eine Kopfverletzung durch Verkehrsunfall im August 2003 und operativer Entfernung eines Hämatoms am 24.10.2003). Die Invalidenkommission sah den Kläger deswegen nur mehr für fähig an, seit einer am 25.02.2003 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit weniger als zwei Stunden täglich Erwerbstätigkeiten zu verrichten.

Dem Gutachten der Invalidenkommission wiederum lagen nicht nur die Krankenhausberichte über die stationären Behandlungen in den Jahren 2002 und 2003 bei, sondern zahlreiche ärztliche Befunde aus den Jahren 1995 und 1996, die oft mit dem Vermerk "Befund für die Invalidenkommission" versehen waren. Hier finden sich Diagnosen wie Lumbalsyndrom, depressiv-neurasthenisches Syndrom, symptomatischer Alkoholismus, posttraumatische Kopfschmerzen, Bronchitis und Lungenentzündung sowie nahezu Blindheit des rechten Auges (Visus 0,1).

Der Ärztliche Dienst der Beklagten forderte noch vom bosnischen Versicherungsträger echocardiographische und ergometrische Befunde nach, die im Jahre 2005 erhoben und nachgereicht wurden. Der Prüfarzt Dr.D. kam anschließend am 13.07.2005 zu dem Ergebnis, dass der Kläger "seit Rentenantrag" (?) nur mehr körperlich leichte Arbeiten täglich drei bis unter sechs Stunden verrichten könne. Die Rechtsbehelfsstelle der Beklagten wies daraufhin den Widerspruch unter Zugrundelegung des Eintritts einer Erwerbsminderung am 05.03.2003 - mit gleicher Begründung wie im Ausgangsbescheid vom 20.10.2004 - zurück (Widerspruchsbescheid vom 15.07.2005).

Im anschließenden sozialgerichtlichen Rechtsstreit machte der Kläger geltend, er leide an ischämischer Kardiomyopathie, Zustand nach non-transmuralem Myocardinfarkt und Zustand nach Implantation eines Stents. Er sei im Fünf-Jahres-Zeitraum, also von 1998 bis 2003, schwer krank gewesen und habe keine Arbeiten verrichten können. Hierzu reichte er ein Attest des Dr.J. vom 28.08.2005 über ambulante und stationäre Behandlungen von 1998 bis 2003 wegen Schmerzen in der Brust (Diagnose: ischämische Cardiomyopathie und Zustand nach Herzinfarkt nach karonarer Herzkrankheit) ein, weiterhin einen ärztlichen Kurzbericht vom 05.12.2005 über Fieber, Husten und Bronchitis (Entzündungsprozess der Lunge) und die bereits bekannte Ergometrie aus dem Jahre 2005 (vermerkt sind hier ein Zigarettenkonsum von 30 Stück täglich, eine ergometrische Belastung bis 75 Watt, "subjektive Störungen" und keine eindeutigen Anzeichen für Myocardischämie).

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2007 ab. In den Entscheidungsgründen von etwas mehr als einer halben Seite ist unter Hinweis auf die Begründung im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid angeführt (§ 136 Abs.3 SGG), dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Berentung nicht erfülle; eine rentenerhebliche Leistungseinschränkung hätte spätestens im Mai 1995 nachgewiesen werden müssen.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung legt der Kläger zum Nachweis einer erheblichen Leistungseinschränkung im Mai 1995 den Beschluss des Direktors der Rentenversicherungsanstalt M. in Bosnien-Herzegowina vom 12.09.1995 vor. Hierin heißt es, dass das gemäß Antrag des Klägers am 16.06.1995 eingeleitete Rentenverfahren eingestellt werde. In diesem Verfahren sei von den zuständigen Ärzten (Schriftstück Nr.1025 vom 06.09.1995) die Notwendigkeit einer stationären Behandlung des Klägers festgestellt worden, und es werde - weil die Behandlung noch nicht beendet sei, wie im Spruch (d.h. Einstellung) entschieden. Es werde vorgeschlagen, dass der Patient nach dem Ende der Behandlung wieder einen Rentenantrag stelle und die entsprechenden ärztlichen Unterlagen beifüge.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 16.03.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2005 aufzuheben oder abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge und die zu Beweiszwecken beigezogene Versichertenakte der Beklagten vor. Hierauf wird zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen, Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.

Im Ergebnis sind das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts und der rentenablehnende Bescheid der Beklagten zu bestätigen, auch wenn beide Entscheidungen die offensichtliche Problematik des vorliegenden Falles nicht gesehen oder jedenfalls stillschweigend übergangen haben.

Dem Kläger stand ein Anspruch auf Rente wegen ge- oder verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zu. Vorliegend ist nicht nur von einem Rentenantrag vom 05.03.2003 auszugehen, sondern auch von einem Rentenantrag vom 16.06.1995. Hierauf weisen der "Einstellungsbeschluss" des bosnischen Versicherungsträgers vom 12.09.1995 und die Vermerke in den im Jahre 1995 zu Rentenzwecken erhobenen ärztlichen Befunde hin. Nach Sachverhalt - eine Beschränkung des im Jahre 1995 gestellten Rentenantrags auf Rente nur nach jugoslawischen bzw. bosnischen Vorschriften ist nicht ersichtlich (und müsste als Ausnahmetatbestand nachgewiesen sein, was aber vorliegend nicht der Fall ist) - hat der Kläger im Juni 1995 auch Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nach deutschen Vorschriften beantragt und einen solchen Antrag nicht zurückgenommen. Selbst wenn er nicht ausdrücklich Rente nach dem Recht der BRD beantragt haben sollte, gilt sein Antrag auf Invalidenrente nach jugoslawischem bzw. bosnischem Recht auch als Antrag auf entsprechende Leistung nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates (Art.33 Abs.2 des Abkommens zwischen der BRD und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974). Der Antrag ist lediglich vom bosnischen Versicherungsträger nicht an den deutschen Versicherungsträger weitergeleitet worden, wobei Ursache hierfür die Einstellung des Rentenverfahrens oder - wie in vielen anderen Fällen - kriegsbedingte Umstände gewesen sein können. Mit Einstellung des Rentenverfahrens wegen Invalidität hat sich aber der Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nicht erledigt. Er hat nun einmal, sei er tatsächlich gestellt worden oder fiktiv als gestellt zu behandeln, Existenz gewonnen; über den deswegen vorhandenen Antrag auf Rentenleistungen nach deutschem Recht konnte der bosnische Rentenversicherungsträger nicht mit Wirkung für und gegen den deutschen Versicherungsträger und den Kläger entscheiden mit der Folge, dass der Antrag durch "bestandskräftige" Entscheidung ("Einstellungsbeschluss") als verbraucht gilt.

Bei Zugrundelegung eines Antrags vom 16.06.1995 anstelle eines Antrags vom 05.03.2005 ergibt sich ebenfalls kein Rentenanspruch des Klägers unter Berücksichtigung des damals - von Januar 1992 bis Dezember 2000 - geltenden Rechts. Auch nach diesem musste der Leistungsfall, eine rentenrechtlich erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (im Sinne von Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit), spätestens am 31.05.1994 und nicht, wie das Sozialgericht in seinem Urteil meinte, im Mai 1995 eingetreten sein.

§ 43 Abs.1 Nr.1 und Abs.3, § 44 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 Sozialgesetzbuch Teil IV in der von 1992 bis 2000 geltenden Fassung (SGB VI a.F.) setzen bei Lücken im Versicherungsleben vom 01.01.1984 bis zum Eintritt des Leistungsfalls (§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI a.F.) voraus, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles, gegebenenfalls verlängert um Schiebezeiten, mindestens für drei Jahre (36 Monate) Pflichtbeiträge vorliegen. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger letztmals bei Eintritt des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit im Mai 1994; nur dann liegen in den vorausgehenden fünf Jahren (Mai 1989 bis einschließlich April 1994) noch 36 Monate (Mai 1989 bis einschließlich April 1992) an Pflichtbeiträgen vor. Die vom Kläger später noch von Januar bis Dezember 1995 zurückgelegte "Ersatzzeit" vermag ihm insoweit nicht weiter zu helfen; selbst bei Wertung dieser Zeit als Schiebezeit oder bei unrichtiger Behandlung als Beitragszeit bliebe im Versicherungsverlauf eine Lücke von Mai 1992 bis einschließlich Dezember 1994, insgesamt 32 Monate; diese Lücke ist größer als 24 Monate, die gerade noch rentenunschädlich wären, und verhindert, dass bei einem ab Juni 1994 eintretenden Leistungsfall von den vorausgehenden 60 Monaten noch mindestens 36 Monate mit Beitragszeiten liegen können.

Berufsunfähigkeit bis zum 31.05.1994 ist beim Kläger nicht eingetreten. Ein Nachweis hierfür konnte nicht erbracht werden, es fehlt an aussagekräftigen Befunden für diese Zeit.

Ärztliche Befunde liegen lediglich für die Zeit ab Juni 1995 (erster Rentenantrag) bis Januar 1996 und dann erst wieder ab dem Jahre 2002 vor. Aus den nicht besonders aussagekräftigen Befunden von 1995/1996 lassen sich bis zum 31.05.1994 keine damals rentenerheblichen und seitdem andauernden Gesundheitsstörungen ableiten. Als ehemals schwerwiegendster Befund lag laut augenärztlichem Kurzbericht vom 09.01.1996 für die Invalidenkommission eine praktische Blindheit des rechten Auges (Sehschärfe 0,1 rechts bei guter Sehleistung links) bei Hornhautnarbe laut Anamnese aufgrund einer Augenverletzung im Jahre 1985, vor. Über die geklagten Beschwerden an der Lendenwirbelsäule ("zeitweise Schmerz im Kreuz") ist nicht mehr zu erfahren, als dass am 06.06.1995 eine eingeschränkte Beweglichkeit bestand (neuropsychiatrischer Befund vom 06.06.1995). Die darauf veranlasste orthopädische Untersuchung vom 15.06.1995 führte zwar zur röntgenologischen Feststellung degenerativer Veränderungen an den Wirbelkörpern der Lendenwirbelsäule bei regelrechten Zwischenwirbelräumen und zur orthopädischen Diagnose einer Spondylose der Lendenwirbelsäule und eines sekundären lumbosacralen Syndroms, dies aber unter dem Vermerk, dass der objektive klinische Befund an der Lendenwirbelsäule regelrecht gewesen sei. Ebenso wenig gravierend ist der internistische Befund vom 15.06.1995. Bei unauffälligen Bauchorganen und unauffälligen Herz- und Kreislaufbefunden ergaben sich letztlich nur Varizen an den Unterschenkeln ohne Ödembildung.

Den weiterhin gestellten neuropsychiatrischen Diagnosen "späte posttraumatische Kopfschmerzen (Hinweis auf Kopfverletzung 1974), totale Radikulopathie (nur Lendenwirbelsäulen-Beschwerden!), depressives neurasthenisches Syndrom und symptomatischer Äthylismus" vom 06.06.1995 fehlt es schlichtweg an der Erhebung von Befunden (oder der Beschreibung von Befunden). Hier sind lediglich unfundierte ärztliche Behauptungen oder Vermutungen ersichtlich, die sich weder für Juni 1995 noch so für die folgenden Jahre und erst nicht für das vorausgegangene Jahr 1994 objektivieren lassen. Dasselbe gilt für den neuropsychiatrischen Befund desselben Arztes vom 10.01.1996, in dem noch ins Blaue hinein eine posttraumatische Enzephalopathie diagnostiziert wurde. Die Zweifelhaftigkeit dieses in keiner Weise belegten Befundes wird auch gestützt durch die Unrichtigkeit der sonstigen wiedergegebenen Diagnosen. Aus dem gelegentlichen Kreuzschmerz bei orthopädisch festgestellter Spondylose der Lendenwirbelsäule wurde wieder eine totale Radikulopathie (gemeint wohl totale Wurzelreizung) und eine Spondylose der Halswirbelsäule (?). Der weiterhin diagnostizierte arterielle Bluthochdruck entsprach auch nicht den kurz vorausgehenden internistischen Befunden (regelrechtes Herz- und Kreislaufverhalten; Blutdruck 110/75 mmHg, Puls 80 pro Minute).

Erheblich auffallend im Juni 1995 war laut Facharztbefund vom 08.06.1995 eine nur mit vier Worten wiedergegebene Bronchitis, die dem Arzt der Invalidenkommission offenbar als akut und behandlungsbedürftig erschien und vermutlich auch als wahrscheinlich vorübergehend, weil es sonst kaum zur Einstellung des Rentenverfahrens gekommen wäre. Jedenfalls wurden in der Folgezeit im Klinikum M. vom 24.09. bis 07.11.1995 eine Behandlung wegen fieberhafter "atypischer Bronchopneumonie der linken Seite" (also eine nicht durch Bakterien verursachte Entzündung des linken Lungenflügels) und vom 02. bis 26.12.1995 eine Behandlung wegen fieberhafter obstruktiver Bronchitis und Influenza (Grippe) durchgeführt. Der Kläger wurde beide Male nach Besserung des Allgemeinzustands und der festgestellten restriktiv-obstruktiven Ventilationsstörungen entlassen. Für die vorausgehende rentenerhebliche Zeit bis Mai 1994 ergaben sich aber nur anamnestische Hinweise, dass der Kläger seit dem Jahre 1980 wegen obstruktiver Bronchitis behandelt worden sei und mehrmals eine Lungenentzündung gehabt habe. Mit derartigen vagen Hinweisen kann nicht auf ein bereits seit Mai 1994 auf Dauer wesentlich eingeschränktes Erwerbsvermögen des Klägers geschlossen werden. Art und Schwere einer möglicherweise chronischen Bronchitis sind im Jahre 1994 völlig unbekannt, und überdies stand diese angeblich seit 1980 bestehende Gesundheitsstörung des Klägers auch nicht in den Jahren 2002 und 2003 im Vordergrund, sondern wurde nur als Nebendiagnose genannt. Berücksichtigt werden muss ferner, dass eine angeblich seit 1980 bestehende Bronchitis den Kläger bis zum Jahre 1992 nicht an der Ausübung von Erwerbstätigkeiten gehindert hat und nach Sachverhalt die Arbeitsaufgabe im April 1992 auch nicht gesundheitsbedingt war; ein möglicher Zusammenhang kann hier nur mit dem Beginn des Bürgerkriegs im Heimatland des Klägers gesehen werden. Auch die Invalidenkommission hatte letztlich eine rentenerheblich eingeschränkte Erwerbsfähigkeit des Klägers erst mit der Arbeitsunfähigkeit vom 25.02.2003 bei vorausgehendem Herzinfarkt (stationäre Behandlung vom 15.11. bis 12.12.2002) gesehen.

Nachweise für ein bereits im Mai 1994 auf Dauer eingeschränktes Leistungsvermögen des Klägers sind nicht vorhanden. Auch das in erster Instanz vom Kläger beigebrachte Attest des Internisten Dr.J. vom 28.08.2005 ist weder vom knappen Inhalt her noch vom angegebenen Zeitraum der Behandlungen von 1998 bis 2003 wegen "Schmerzen in der Brust" (Diagnose: ischämische Kardiomyopathie) und der angeblichen Leistungsunfähigkeit des Klägers bereits ab 1998 geeignet, wesentliche Gesundheitsstörungen schon im Mai 1994 darzutun, geschweige denn zu beweisen.

Berufsunfähigkeit im Sinne von § 43 Abs.2 Satz 1 SGB VI, d.h. ein Absinken der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten, ist nicht gegeben. Vielmehr ist nach dem Sachverhalt davon auszugehen, dass der Kläger bis Mai 1994 noch vollschichtig (acht Stunden täglich) leichte und zumindest mittelschwere Arbeiten verrichten konnte. Möglicherweise konnte er bis zu dem genannten Zeitpunkt den zuletzt in der BRD ausgeübten Beruf als Bauarbeiter nicht mehr verrichten, weil diese Tätigkeit die Fähigkeit zu körperlich schweren Arbeiten voraussetzt und die Leistungsfähigkeit des Klägers - unter Umständen wegen des Lumbalsyndroms und eventuell wegen einer gewissen Einschränkung der Lungenfunktion - schon etwas in qualitativer Hinsicht herabgesetzt war. Er kann aber keinen Berufsschutz geltend machen. Nach seinen Angaben vom 08.12.2005 gegenüber dem Sozialgericht hat er eine Berufsausbildung nicht durchlaufen und war in der BRD als Tiefbauarbeiter (Kanalbau) eingesetzt, wobei er keine Facharbeitertätigkeit ausgeübt hat und nicht einmal für seine Tätigkeit angelernt worden ist. Als Ungelernter oder allenfalls sehr kurzfristig eingearbeitete Kraft ist der Kläger, falls er die bisherige Tätigkeit (im Mai 1994 und später) nicht mehr ausüben konnte, auf alle seine gesundheitlichen Fähigkeiten entsprechenden ungelernten Erwerbstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar, sofern sie nicht räumliches Sehen voraussetzen. Die Ausübung andersartiger Tätigkeiten ist ebenso zumutbar wie ein gewisser beruflicher Abstieg bzw. ein (bis zur "Lohnhälfte" reichender) Minderverdienst.

Lag spätestens im Mai 1994 keine Berufsunfähigkeit vor, war ehemals - bei dem damaligen vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers - umso weniger Erwerbsunfähigkeit gegeben, denn letztere setzt eine noch weitergehende Einschränkung des Erwerbsvermögens des Klägers voraus. Erwerbsunfähig sind nämlich nach § 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI a.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt.

Der Kläger erfüllt ferner nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß den von der Beklagten und dem Sozialgericht allein gesehenen Vorschriften der §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (SGB VI n.F.), die die ab 01.01.1992 geltenden Vorschriften der § 43, 44, 240, 241 SGB VI a.F. (Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit) abgelöst haben und eine Berentung ab 01.01.2001 auf teils anderer Basis als bisher vorsehen. Die geänderten Vorschriften setzen aber nicht nur ein auf unter drei Stunden täglich oder ein unter sechs Stunden täglich gemindertes Erwerbsvermögen voraus; beibehalten wurde wie bisher die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, d.h. entweder die lückenlose Belegung aller Monate seit dem 01.01.1984 bis zum Eintritt des Leistungsfalls mit Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen oder sonstigen anwartschaftserhaltenden Zeiten (§ 241 Abs.2 SGB VI n.F.) oder das Vorhandensein von Pflichtbeiträgen für 36 Monate im Fünf-Jahres-Zeitraum vor Eintritt des Leistungsfalls der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung (§ 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2 und Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB VI n.F.).

Letzteres kann der Kläger nicht erfüllen, weil hierfür ein spätestens im Mai 1994 eingetretener Leistungsfall erforderlich ist, aber nicht nachgewiesen ist, dass das damalige Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht oder sonst in erheblicher Weise eingeschränkt gewesen ist. Eine Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen ist bei einem im Juni 1995 gestellten Rentenantrag nur möglich für die Zeit ab 01.01.1995 (§ 197 Abs.2, § 198 SGB VI). Nicht mehr belegt werden können damit die Lücken im Versicherungsleben des Klägers ab Mai 1992.

Aufgrund der Sachlage konnte offenbleiben, ob und seit welchem Zeitpunkt in der Zeit nach Mai 1994 die medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung des Klägers (Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit bzw. teilweise oder volle Erwerbsminderung) eingetreten sind, denn er konnte dann die zusätzlich erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllen. Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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