L 5 KR 11/07

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 22/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 11/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 8. November 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten sich auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer nachträglichen Beitragsforderung der Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe von 9.312,83 EUR für die Zeit von Januar 2000 bis Juni 2003.

Die Klägerin war als selbstständige Apothekerin in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. Juni 2003 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Entsprechend ihren Angaben über ihre Entnahmen aus der Apotheke wurden die Beiträge auf der Grundlage monatlicher Einkünfte in Höhe von 3.000,00 DM bzw. – ab 1. Januar 2002 – in Höhe von 1.500,00 EUR festgesetzt. Ab 2000 (Bescheid vom 11. April 2000) erfolgten die Neufestsetzungen jeweils vorläufig. Die Beklagte forderte von der Klägerin Einkommenssteuerbescheide an. Nachdem deren Steuerberater bereits zuvor einen Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Zeit vom 14. Juni bis 31. De¬zember 1998 in Höhe von 23.748,40 DM mitgeteilt hatte, übersandte er der Beklagten am 25. Februar 2004 die Steuerbescheide vom 23. Mai 2003 für die Jahre 1998 bis 2000 und vom 27. Januar 2004 für das Jahr 2001. Danach ergaben sich für 1998 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 23.770,00 DM, Bruttoarbeitslohn in Höhe von 18.716,00 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 29.176,00 DM sowie negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.648,00 DM; für 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 48.899,00 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 20.915,00 DM sowie negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.898,00 DM; für 2000 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 91.109,00 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 22.235,00 DM sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 473,00 DM und für 2001 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 104.395,00 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 12.924,00 DM und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7.936,00 DM. Am 19. Mai 2004 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Bescheinigung des Steuerberaters über den Gewinn aus der Apotheke für das Jahr 2002 in Höhe von 17.970,37 EUR.

Mit Bescheid vom 27. September 2004 setzte die Beklagte die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 30. Juni 2003 neu fest. Sie legte für den gesamten Zeitraum monatliche Einkünfte in Höhe von 9.484,75 DM entsprechend dem Steuerbescheid für das Jahr 2000 zugrunde. Unter Berücksichtigung der erfolgten Zahlungen der Klägerin und unter Beachtung der Beitragsbemessungsgrenze errechnete sie einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 9.312,83 EUR und forderte die Klägerin zur Zahlung bis zum 15. November 2004 auf. Mit ihrem Widerspruch vom 18. Oktober 2004 wandte sich die Klägerin gegen die Beitragsfestsetzung für das Jahr 2002 mit der Begründung, die Beklagte habe fehlerhaft das Einkommen für 2000 zugrunde gelegt, obwohl es 2002 lediglich 17.970,37 EUR betragen habe. Sie rechne mit einer Beitragsrückerstattung. Beiträge würden im Fall höherer Einkommen nachträglich angehoben, im Fall niedrigerer Einkommen erfolge aber keine Rückerstattung. Damit werde sie gegenüber Pflichtversicherten unangemessen benachteiligt. Ihr gesunkenes Einkommen sei Folge der Ausgabenkürzungen im Gesundheitswesen, daher dauerhaft und nicht nur einmalig angelegt. Sie habe es nicht zu vertreten, dass sie als Selbstständige die Einkommensteuererklärungen nicht zeitgerecht vorlegen könne. Sie legte ferner den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 vor, demzufolge die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 17.764,00 EUR betragen hatten, die Einkünfte aus Kapitalvermögen 3.889,00 EUR und die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 4.173,00 EUR. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2005 zurück. Sie legte darin die Höchst- und Mindestbeiträge für die Jahre 2000 bis 2003 dar und führte aus, dass ein Selbstständiger, der nicht den Höchstbetrag entrichten wolle, nachweisen müsse, dass sein Einkommen den 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze unterschreite. Für die Ermittlung des Einkommens seien amtliche Unterlagen, insbesondere die Einkommensteuer- und Vorauszahlungsbescheide der Finanzämter, heranzuziehen. Grundsätzlich sei dabei der letzte Einkommensteuerbescheid maßgebend. Zur Beitragsbemessung der Klägerin sei der letzte Bescheid für das Jahr 2000 vom 23. Mai 2003 heranzuziehen. Der Folgebescheid für das Jahr 2001 sei erst am 27. Ja¬nu¬ar 2004, also nach beendeter Mitgliedschaft, erlassen worden. Daher sei für den gesamten Zeitraum der Bescheid für das Jahr 2000 zu¬grunde zu legen. Weise ein freiwilliges Mitglied sein aktuelles Einkommen anhand des Einkommensteuerbescheides zeitnah nach, komme eine Nacherhebung von Beiträgen nur bei vorläufig ergangenen Beitragsbescheiden in Betracht. Weise das Mitglied die Beitragshöhe nicht rechtzeitig nach, müsse der Versicherungsträger bei höherem Einkommen den Beitrag rückwirkend anpassen. Es sei davon auszugehen, dass Versicherte verminderte Einkünfte unverzüglich an die Krankenkasse meldeten. Dagegen würde die Krankenkasse benachteiligt, wenn Beiträge aufgrund höheren Einkommens erst ab der Meldung erhöht werden könnten. Die Klägerin habe die Einkommensteuerbescheide mit mehrmonatiger Verspätung eingereicht. Sie sei gegenüber einer von Anfang an richtigen Beitragsfestsetzung nicht benachteiligt. Im Übrigen habe die Klägerin keine Angaben zu ihren Einkünften aus Kapitalerträgen und Vermietung und Verpachtung gemacht. Gegenüber versicherungspflichtigen Mitgliedern sei sie nicht ungleich behandelt worden. Sie hätte ihre Einkünfte aufgrund gewissenhafter Schätzung frühzeitig mitteilen und die Einkommen¬steuerbescheide zeitnah weiterleiten können.

Gegen die Entscheidung hat die Klägerin am 18. Februar 2005 beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben und ausgeführt, aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen sei die Beklagte in allen Jahren in der Lage gewesen, die Beiträge vorläufig festzusetzen. Auch für das Jahr 2002 hätte sie eine derartige vorläufige und nach Vorlage der endgültigen Einkommensteuerbescheide eine endgültige Festsetzung vornehmen müssen. Vor dem ergangenen Bescheid hätten ihr alle erforderlichen Unterlagen vorgelegen. Sie selbst habe die Steuerunterlagen nach Erhalt unverzüglich an die Beklagte weitergeleitet. Im Übrigen arbeite die Beklagte unsauber, indem sie bei den Einkünften aus Kapitalbeträgen teilweise die Werbungskosten abziehe, dies jedoch teilweise unterlasse.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2005 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, die Bescheide für 2001 und 2002 hätten für die Beitragsberechnung nicht zugrunde gelegt werden können, da sie nach Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses ergangen seien. Auch für das Jahr 2002 sei der Beitrag nur vorläufig festgesetzt worden.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 8. November 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beitragsbelastung freiwilliger Mitglieder müsse deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigen. Dabei sei bei hauptberuflich selbstständigen freiwilligen Mitgliedern grundsätzlich der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze als Einkommen heranzuziehen, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Die Beklagte habe zutreffend für den gesamten Zeitraum die Einnahmen der Klägerin des Jahres 2000 zugrunde gelegt, denn hierbei handele es sich um die aktuellen Angaben über die Einkünfte, und die Festsetzung datiere vom 22. Mai 2003, also noch zur Zeit der Mitgliedschaft. Der Einkommensteuerbescheid für 2001 sei der Beklagten erst am 27. Januar 2004, also nach Ende der Mitgliedschaft zugegangen. Im Übrigen weise dieser Bescheid ein höheres Einkommen als 2000 aus. Die Einkommen der Klägerin seien von der Beklagten tatsächlich nur im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt worden. Die Beklagte sei bei der endgültigen Beitragsfestsetzung durch die vorläufig ergangenen Bescheide trotz deren Bestandskraft nicht gebunden gewesen. Ein vorläufig ergangener Verwaltungsakt entfalte keine Bindungswirkung hinsichtlich der Beitragshöhe. Er schaffe nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens Rechtssicherheit. Auch für 2002 seien die Beiträge vorläufig festgesetzt worden. Die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass ein Einkommensteuerbescheid für die endgültige Beitragsfestsetzung benötigt werde, dass aber auch ein Vorauszahlungsbescheid ausreiche. Derartige Unterlagen habe die Klägerin nicht eingereicht.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 5. Januar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 5. Februar 2007 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin wendet sich erneut dagegen, dass im Rahmen der endgültigen Beitragsfestsetzung nur ein höheres, nicht aber ein niedrigeres Einkommen gegenüber der vorläufigen Beitragsbemessung berücksichtigt werde. Eine zukunftsbezogene Darlegung des Einkommens sei ihr nicht möglich gewesen, da sie alle Einkommensnachweise ab 2000 nach dem Ende ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten eingereicht habe. Die Einkommensnachweise spiegelten also keine zukunftsbezogene Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wider. Es sei unerheblich, ob die Steuerbescheide aus dem Zeitraum der Mitgliedschaft datierten. Sie – die Klägerin – habe keinen Einfluss auf die Steuerfestsetzung. Ihre Beitragshöhe könne nicht davon abhängen, ob sie ihre Mitgliedschaft zwischenzeitlich beendet habe oder nicht. Die niedrigeren Einkünfte des Jahres 2002 hätten also berücksichtigt werden müssen, da sie sie der Beklagten noch vor der Beitragsfestsetzung vom 27. Sep¬tember 2004 mitgeteilt habe. Die Beklagte habe in den vorläufigen Bescheiden ausdrücklich den Nachweis durch eine "gewissenhafte Einkommensschätzung des Steuerberaters" als ausreichend erachtet.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 8. Novem- ber 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Sep¬tember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und ergänzend ausgeführt, das Bundessozialgericht habe im Falle einer vorläufigen Beitragsfestsetzung die Nachforderung von Beiträgen ausdrücklich als zulässig erachtet. Die Herabsetzung von Beiträgen sei nur im Falle des Nachweises niedrigerer Einkünfte möglich. Die Klägerin habe die niedrigeren Beiträge erst nach Ende ihrer Mitgliedschaft im Jahre 2004 nachgewiesen, und zwar auch dann, wenn man auf die Mitteilung des Steuerberaters abstelle. Für die Jahre 2002 und 2003 könnten die niedrigeren Einkünfte daher nicht mehr zugrunde gelegt werden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt. Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte haben dem Senat vorgelegen. Zur Ergänzung wird darauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat ist gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) berechtigt, über die Berufung der Klägerin ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis hierzu erklärt.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Beitragsbescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid sind nicht - auch nicht für das Jahr 2002 - zu beanstanden. Die Beklagte hat die Beitragsforderung gegenüber der Klägerin richtig berechnet.

Nach § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) wird die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt.

Absatz 2 der Vorschrift regelt Mindestanforderungen, die die Satzung erfüllen muss. Sie muss die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zu¬grun¬de zu legen sind. Dabei gilt gemäß § 240 Abs. 4 SGB V grundsätzlich mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahmen je Kalendertag. Für freiwillige Mitglieder, die - wie die Klägerin - hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, gilt nach Absatz 4 Satz 2 als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gemäß § 223 SGB V, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Nach Absatz 4 Satz 3 können Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines von der Versicherten geführten Nachweises nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden.

Diese gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte rechtlich zutreffend umgesetzt. Sie war insbesondere berechtigt, rückwirkend höhere Beiträge zu fordern, ohne an die vorläufigen Beitragsfestsetzungen für die Jahre 2000 bis 2003 gebunden zu sein. Diese sind zwar bestandskräftig geworden (§ 77 SGG), ihre Bindungswirkung hindert aber nicht die rückwirkende Nacherhebung der Beiträge. Denn die Bescheide waren als vorläufige Beitragsbescheide ausgewiesen worden. Die Beklagte hatte die Klägerin darauf hingewiesen, dass die vorläufigen Beitragsfestsetzungen allein auf den derzeit vorliegenden Unterlagen basierten, die die Einkommensangaben der Klägerin enthielten. Die Klägerin war in den Bescheiden ausdrücklich aufgefordert worden, amtliche Nachweise über ihr Einkommen vorzulegen. Die Bindungswirkung der vorläufigen Beitragsfestsetzung erstreckte sich folglich lediglich auf den Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass der endgültigen Beitragsbescheide. Aufgrund der weiterführenden Hinweise auf die endgültige Beitragsfestsetzung nach Vorlage der amtlichen Unterlagen war die Klägerin auch über den Grund der vorläufigen Festsetzung in Kenntnis gesetzt. Die Vorläufigkeit der Regelung musste in den Bescheiden nach Inhalt und Umfang genannt sein, um einer Umgehung der Voraussetzungen für eine Rücknahme, einen Widerruf oder eine Abänderung nach den §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) vorzubeugen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 12 KR 14/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 5). Aufgrund der Angaben der Beklagten in den vorläufigen Beitragsbescheiden und insbesondere in den weiteren Aufforderungsschreiben (vgl. Schreiben vom 2. Mai 2001) sind diese Anforderungen erfüllt. Die vorläufige Beitragsfestsetzung wird zwar im Gesetz nicht genannt, gerade zu Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft selbstständig erwerbstätiger Versicherter ist sie jedoch sachgerecht, da anderenfalls für sie grundsätzlich nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze als Bemessungsgrundlage heranzuziehen wäre und eine nachträgliche Abänderung wegen der Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V nicht mehr möglich wäre. Um auch diesen Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, eine Beitragsfestsetzung in Anlehnung an die tatsächlichen Einkommensverhältnisse zu erwirken, ist eine vorläufige Beitragsfestsetzung notwendig.

Die Beklagte hat zutreffend die Höhe der Beiträge anhand des im Steuerbescheid für das Jahr 2000 ausgewiesenen Einkommens festgesetzt, nicht aber für 2002 und - ggf. - für das Jahr 2003 ein niedrigeres Einkommen zugrunde gelegt. Für das Jahr 2001 stellt sich die Frage, ob das Einkommen aus dem Steuerbescheid für jenes Jahr vom 22. Mai 2003 hätte herangezogen werden müssen, nicht, denn dieses lag höher als im Jahr 2000. Der Berücksichtigung des niedrigeren, im Steuerbescheid vom 5. August 2004 oder in der Einkommensbestätigung des Steuerberaters Martens vom 7. Mai 2004 ausgewiesenen Einkommens für das Jahr 2002 steht die Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V entgegen, nach der Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden können (vgl. Urteil des BSG vom 22. März 2006, a. a. O.). Sowohl die Bescheinigung des Steuerberaters als auch der Steuerbescheid waren erst nach Ablauf des Versicherungsverhältnisses gefertigt worden. Mit der Regelung der zukunftsbezogenen Beitragsberechnung wollte der Gesetzgeber bewusst einer rückwirkenden Korrektur der Beitragsbemessung entgegenwirken und eine Anpassung der Beiträge nur für die Zukunft zulassen. Eine Nachberechnung der Beiträge hielt der Gesetzgeber allerdings dann für zulässig, wenn der Versicherte entgegen seiner Verpflichtung aus § 206 SGB V die Höhe des Einkommens nicht unverzüglich mitgeteilt hatte (Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V § 240 Rz. 58). Dies bringt es mit sich, dass rückwirkende Beitragsabsenkungen nicht möglich sind.

Das Verbot einer rückwirkenden Beitragsabsenkung steht den Gesichtspunkten nicht entgegen, die das BSG für eine vorläufige Beitragsfestsetzung entwickelt hat. Insbesondere wird es damit erstmalig freiwillig versicherten selbstständig Tätigen dadurch nicht unmöglich gemacht, niedrigere als die Höchstbeiträge zu zahlen, die sie nach der Systematik des § 240 Abs. 4 SGB V anderenfalls zu zahlen hätten. Bei einer vorläufigen Beitragsfestsetzung werden im Rahmen der endgültigen Festsetzung faktisch die niedrigeren Einkommen berücksichtigt. Bei der Klägerin wirkt sich dies jedoch tatsächlich nicht aus, weil auch das nachgewiesene Einkommen für 2000 bereits über der Beitragsbemessungsgrenze lag. Entsprechend geringere Einkünfte hätten zu einer Beitragsfestsetzung zwischen der Höchstgrenze des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze kalendertäglich) und der Mindestgrenze (40. Teil der monatlichen Bezugsgröße) geführt. Für 2002 konnte das gegenüber 2000 und 2001 niedrigere Einkommen dagegen nicht berücksichtigt werden. Denn es wurde erst nach dem Bescheid vom 27. September 2004 und damit nach der endgültigen Beitragsfestsetzung nachgewiesen. Die Klägerin hatte den Steuerbescheid erst am 31. Januar 2005 vorgelegt. Auf die Bescheinigung des Steuerberaters Martens vom 7. Mai 2004, der Beklagten am 19. Mai vorgelegt, kann dagegen nicht abgestellt werden. Denn sie bescheinigt lediglich den Gewinn aus der Apotheke, während die Klägerin 2002 wie auch in den Vorjahren erhebliche weitere Einkünfte erzielt hatte. Diese Einkünfte für 2002 der Beitragsberechnung zugrunde gelegt, hätte gegen § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V verstoßen, denn das Einkommen war erst nachträglich, auch gegenüber der endgültigen Beitragsfestsetzung, nachgewiesen.

Der Höhe nach ist die Beitragsfestsetzung auf der Grundlage der vorgelegten Einkommensnachweise für das Jahr 2000 nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt und die darüber hinausgehenden Einkommensanteile bei der Beitragsbemessung nicht zugrunde gelegt. Sie hat die Einkünfte außerdem zutreffend aus dem Steuernachweis entnommen. Hierbei sind lediglich die positiven Einkünfte zu berücksichtigen, etwaige Verluste aus einzelnen Einkommensarten mindern das positive Einkommen nicht (BSG, Urteil vom 28. Februar 1984, SozR 2200 § 180 Nr. 16).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Angesichts des Urteils des BSG vom 22. März 2006 (a. a. O.) liegt kein Grund im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision vor.
Rechtskraft
Aus
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