Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 1065/07 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Nichteinhaltung der Frist zur Beitrittsanzeige (SGB 5 § 9 Abs 2 ) führt dann nicht zur rückwirkenden Beendigung der Mitgliedschaft, wenn die Krankenkasse einen – wenn auch rechtswidrigen – bindenden Verwaltungsakt erlassen hat.
Die Krankenkasse ist auch dann, wenn jemand nach den Vorschriften des SGB 5 nicht mehr Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung werden kann, an ihre gegenteilige rechtswidrige Feststellung gebunden.
Die Krankenkasse ist auch dann, wenn jemand nach den Vorschriften des SGB 5 nicht mehr Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung werden kann, an ihre gegenteilige rechtswidrige Feststellung gebunden.
Es wird vorläufig und bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren festgestellt, dass die Antragstellerin weiterhin und ununterbrochen Mitglied bei der Antragsgegnerin ist. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I Die Antragstellerin war vom 1. November 1995 bis zum 15. Februar 2003 pflichtversichertes Mitglied bei der Beigeladenen zu 2. wegen eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V). Anschließend war sie etwas eineinhalb Jahre nicht krankenversichert.
Im Juli 2005 beantragte sie über einen Versicherungsmakler die freiwillige Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin. Das Antragsformular wurde am 22. Juli 2005 von der Antragstellerin ausgefüllt und unterschrieben. Ihre Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit schätzte sie auf 1.750,00 Euro monatlich. Die Antragsgegnerin nahm die Antragstellerin als Mitglied auf und setzte die Beiträge mit Beitragsbescheid vom 28. September 2005 auf 242,71 Euro monatlich zur Krankenversicherung und 35,32 Euro monatlich zur Pflegeversicherung fest. Ob der Antragstellerin auch ein Begrüßungssschreiben übersandt worden ist, ist der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen. Jedenfalls erhielt sie eine Versichertenkarte.
Unter dem 2. September 2006 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, das die zum 1. August 2005 bestätigte Mitgliedschaft leider storniert werden müsse, da die Antragstellerin ihren Zahlungspflichten nicht nachgekommen sei. Die Antragsgegnerin forderte die Versicherungskarte von der Antragstellerin zurück.
Unter dem 5. Dezember 2006 übersandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin einen "Leistungsrückforderungsbescheid" in Höhe von 16.217,12 Euro über Arzneikosten für den Zeitraum vom 30. August 2005 bis 30. Mai 2006 in Höhe von 52,09 Euro, stationärer Krankenhausbehandlung vom 21. September bis 25. Oktober 2005 über 7.289,31 Euro und für eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung vom 16. Juni 2006 bis 13. August 2006 über 11.581,78 Euro. Von diesem Rechnungsbetrag in Höhe von 18.923,18 Euro brachte die Antragsgegnerin das Beitragsguthaben in Höhe von 2.706,06 Euro in Abzug, worauf sich der Endbetrag von 16.217,12 Euro ergab. Die Antragstellerin wurde zur Zahlung dieses Betrages aufgefordert. Ein Vollstreckungsversuch vom 22. Juni 2007 blieb erfolglos.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 teilte die Antragsgegnerin ergänzend mit, das die Mitgliedschaft aus zwei Gründen storniert worden sei: Zum einen sei die Antragstellerin ihrer Beitragszahlung seit dem 1. August 2005 nicht nachgekommen und zum anderen sei sie vor den 1. Juli 2005 privat krankenversichert gewesen. Die freiwillige Versicherung könne jedoch nur dann beantragt werden, wenn die Vorversicherungszeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfüllt sei. Dies sei bei der Antragstellerin nicht der Fall gewesen. Nach rechtlichem Hinweis der Prozessvertretung teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. August 2007 mit, dass ein Beitragsrückstand tatsächlich keine rechtliche Begründung für die rückwirkende Stornierung der Mitgliedschaft darstelle. An der Stornierung müsse allerdings festgehalten werden, da gemäß § 9 SGB V eine freiwillige Mitgliedschaft nicht möglich gewesen sei.
Am 17. Oktober 2007 hat die Antragsstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Schleswig beantragt und ausgeführt, sie habe in dem Antrag wahrheitsgemäße Angaben gemacht und auch die Versicherungsbeiträge regelmäßig gezahlt. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass eine rückwirkende Stornierung der freiwilligen Mitgliedschaft wegen Nichtvorliegen einer Rechtsgrundlage unzulässig gewesen sei. Zudem sei eine Kündigung des Vertrages durch die Antragsgegnerin bislang nicht ausgesprochen worden. Seit Mai 2007 beziehe sie Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie habe sich im Rahmen dieses Bezuges bei der AOK Schleswig-Holstein krankenversichern wollen. Diese sei mit Schreiben vom 19. Juli 2007 wieder rückgängig gemacht worden. Es müsse damit gerechnet werden, dass sie wegen erheblicher Suizidgefahr erneut in ein Krankenhaus eingewiesen werden müsse und bedürfe deshalb dringend des Krankenversicherungsschutzes. Die Antragstellerin übersendet die Verordnung einer Krankenhauseinweisung ihrer Hausärztin Dr. G vom 24. Oktober 2007 wegen Depression und Selbstmordgefährdung. Sie trägt vor, sie könne sich trotz Notwendigkeit wegen der ungeklärten Mitgliedschaft nicht in die verordnete Behandlung begeben.
Nachdem die Antragstellerin zunächst beantragt hat 1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die weitere Durchführung einer psychiatrischen Behandlung beim Landesverein für Innere Medizin, Psychiatrisches Krankenhaus, Daldorfer Straße 2 in 24636 Rickling zu finanzieren, soweit die behandelnden Ärzte der Antragstellerin diese Behandlung verordnen. 2. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die weitere Durchführung einer psychiatrischen Behandlung bei Frau Dr. D , B , 22850 N zu finanzieren, soweit die behandelnden Ärzte der Antragstellerin diese Behandlung verordnen. B , 22850 N. 3. die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits,
beantragt sie nunmehr, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Antragstellerin weiterhin und ununterbrochen Mitglied bei der Antragsgegnerin ist.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie wendet ein, aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II bestehe Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V. Für diese Mitgliedschaft sei die letzte Krankenkasse zuständig, an die die meldepflichtige Stelle die Versicherungspflichtigen zu melden habe (§ 175 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Die Antragsgegnerin sei nicht als letzte Krankenkasse der Antragstellerin zuständig, denn die Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt rechtmäßiges freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin gewesen. Vielmehr sei als letzte Krankenkasse Beigeladenen zu 2 anzusehen. Da offenbar die freiwillige Mitgliedschaft dort wegen Beitragsrückstandes geendet habe, sei eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV nach dem 15. Februar 2003 ausgeschlossen.
Das Sozialgericht Schleswig hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 19. Oktober 2007 an das Sozialgericht Lübeck verwiesen. Die Kammer hat die AOK Schleswig-Holstein ( zu 1) und die AOK Niedersachsen (zu 2) nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beigeladen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 2 hat am 5. November 2007 mitgeteilt, dass die Antragstellerin bis zum 15. Februar 2003 bei ihr nicht freiwillig sondern wegen einer Beschäftigung in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert gewesen sei.
Im Termin am 6. November 2007 ist die Sach- und Rechtslage ausführlich mit den Beteiligten erörtert worden. Die Antragstellerin hat im Termin darauf hingewiesen, dass die Mitgliedschaft als ALG II-Bezieherin bei der AOK Schleswig-Holstein mit dem Hinweis nachträglich storniert worden sei, es müsste eine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin bestehen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat zugestanden, dass Beitragsrückstände nach seinen Unterlagen tatsächlich nicht vorgelegen haben. Ebenfalls hat er zugestanden, dass die Vorversicherungszeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V von der Antragstellerin erfüllt werde. An dem Abweisungsantrag hat er jedoch mit der nachgeschobenen Begründung festgehalten, die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung scheitere an der Nichteinhaltung der Frist nach § 5 Abs. 2 SGB V.
Die die Antragstellerin betreffende Verwaltungsakte der Antragsgegnerin hat vorgelegen, ebenso die Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens.
II
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und auch begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sogenannte Regelungsanordnung). Voraussetzung dafür sind das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches gemäß den §§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG, 920 ff. Zivilprozessordnung – ZPO die beide glaubhaft zu machen sind.
Der Begriff des Anordnungsgrundes ist in § 86 b Abs. 2 SGG nicht genannt. Er ergibt sich aus der in Abs. 2 Satz 4 SGG geregelten Verweisung auf § 920 ZPO, dessen Abs. 2 § 916 ZPO in Bezug nimmt; dieser stellt die Verbindung zum materiellen Recht her. Die Antragstellerin hat sowohl den Anordnungsgrund als auch den Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund besteht schon deshalb, weil es ihr nicht zugemutet werden kann, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Wegen der bei ihr bestehenden Suizidgefahr und der Notwendigkeit einer Krankenhauseinweisung war deshalb eine Eilentscheidung erforderlich, insbesondere deshalb, weil die Antragstellerin sich geweigert hat, sich ohne die Klärung des Krankenversicherungsschutzes in die verordnete Krankenhausbehandlung zu begeben.
Auch ein Anordnungsanspruch sieht die Kammer als gegeben, denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Ohnehin kommt bei drohendenden schwerwiegenden oder lebensbedrohenden Folgen sogar bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht (Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 86 b Rn 29 a m. w. N.).
Die Antragsgegnerin hat auch nicht mehr daran festgehalten, dass die Antragstellerin ihre Beiträge nicht gezahlt hat. Die regelmäßige Beitragszahlung ergibt sich im Übrigen aus dem Leistungsrückforderungsbescheid, denn die Antragsgegnerin hat dort die gezahlten Beiträge gutgeschrieben. Diese Gutschrift dokumentiert, dass die Beiträge von der Antragstellerin regelmäßig gezahlt worden sind.
Ebenfalls hält die Antragsgegnerin nicht mehr daran fest, dass die Vorversicherungszeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V von der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht erfüllt war. Die Annahme einer freiwilligen Versicherung bei der Beigeladenen zu 2 entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Vielmehr ist die Antragstellerin dort pflichtversichert gewesen. Dies hat die Beigeladene zu 2 ausdrücklich mit Schriftsatz vom 5. November 2007 bestätigt. Der im Termin nachgeschobene Einwand der Antragsgegnerin, der letztlich noch zur Aufrechterhaltung der Entscheidung erhoben wurde, beinhaltetet die Fristversäumnis nach § 9 Abs. 2 SGB V. Danach ist der Beitritt zur freiwilligen Versicherung der Krankenkasse nach Beendigung der Mitgliedschaft innerhalb von drei Monaten anzuzeigen. Dies hat die Antragstellerin unstreitig nicht getan, vielmehr ist sie nach dem 15. Februar 2003 und dem Zeitpunkt der Beendigung der Versicherungspflicht eineinhalb Jahre nicht krankenversichert gewesen. Die Antragsgegnerin hätte somit die Aufnahme der Antragstellerin als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung gegebenenfalls ablehnen können. Dies hat sie jedoch unstreitig nicht getan. Sie hat vielmehr bestandskräftig die Antragstellering als Mitglied aufgenommen und diese Mitgliedschaft bisher auch nicht gekündigt.
Deshalb führt die Nichteinhaltung der Frist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht zur rückwirkenden Beendigung der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin seit dem 1. August 2005. Denn auch dann, wenn ein Betroffener nach den Vorschriften des SGB V nicht mehr Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung werden kann, ist die Krankenkasse an ihre gegenteilige rechtswidrige Feststellung gebunden, die sie mit dem Betroffenen durch einen in der Sache bindenden Verwaltungsakt getroffen hat (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Januar 2007, L 16 KR 227/06).
Mit der rückwirkenden Stornierung der Mitgliedschaft verstößt die Antragsgegnerin gegen den Grundsatz des "venire contra factum proprium ". Die Antragsstellerin konnte und durfte davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme als freiwilliges Mitglied erfüllt waren. Es befremdet auch, das die Antragsgegnerin zunächst die rückwirkende Stornierung auf die - später als falsch eingestandene Behauptung – die Beiträge seien nicht gezahlt worden, und anschließend im Gerichtsverfahren auf den – ebenfalls später zurückgenommenen Einwand – der nicht erfüllten Vorversicherungszeit gestützt hat. Zudem könnte ein Beitragsrückstand lediglich unter den Voraussetzungen von § 191 Nr. 3 SGB V mit Wirkung für die Zukunft beendet werden. Muss die Antragsgegnerin sich aber an die bestandskräftige Aufnahme der Antragstellerin als freiwilliges Mitglied trotz eventueller Rechtswidrigkeit wegen Fristversäumnis festhalten lassen, wird sie im Hauptsacheverfahren voraussichtlich Erfolg haben.
Bei ununterbrochener Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin ist ab dem Zeitpunkt des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II ab 8. Mai 2007 insoweit eine Änderung eingetreten, als ab diesem 8. Mai 2007 eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V besteht. Diese Mitgliedschaft entsteht nach § 175 Abs. 2 Satz 2 ebenfalls bei der Antragsgegnerin, die nach dem Verwaltungsvorgang auch den Versicherungsbeginn am 8. Mai 2007 festgestellt hat.
Der Antrag auf vorläufige Feststellung der fortbestehenden Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache musste deshalb Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.
Gründe:
I Die Antragstellerin war vom 1. November 1995 bis zum 15. Februar 2003 pflichtversichertes Mitglied bei der Beigeladenen zu 2. wegen eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V). Anschließend war sie etwas eineinhalb Jahre nicht krankenversichert.
Im Juli 2005 beantragte sie über einen Versicherungsmakler die freiwillige Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin. Das Antragsformular wurde am 22. Juli 2005 von der Antragstellerin ausgefüllt und unterschrieben. Ihre Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit schätzte sie auf 1.750,00 Euro monatlich. Die Antragsgegnerin nahm die Antragstellerin als Mitglied auf und setzte die Beiträge mit Beitragsbescheid vom 28. September 2005 auf 242,71 Euro monatlich zur Krankenversicherung und 35,32 Euro monatlich zur Pflegeversicherung fest. Ob der Antragstellerin auch ein Begrüßungssschreiben übersandt worden ist, ist der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen. Jedenfalls erhielt sie eine Versichertenkarte.
Unter dem 2. September 2006 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, das die zum 1. August 2005 bestätigte Mitgliedschaft leider storniert werden müsse, da die Antragstellerin ihren Zahlungspflichten nicht nachgekommen sei. Die Antragsgegnerin forderte die Versicherungskarte von der Antragstellerin zurück.
Unter dem 5. Dezember 2006 übersandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin einen "Leistungsrückforderungsbescheid" in Höhe von 16.217,12 Euro über Arzneikosten für den Zeitraum vom 30. August 2005 bis 30. Mai 2006 in Höhe von 52,09 Euro, stationärer Krankenhausbehandlung vom 21. September bis 25. Oktober 2005 über 7.289,31 Euro und für eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung vom 16. Juni 2006 bis 13. August 2006 über 11.581,78 Euro. Von diesem Rechnungsbetrag in Höhe von 18.923,18 Euro brachte die Antragsgegnerin das Beitragsguthaben in Höhe von 2.706,06 Euro in Abzug, worauf sich der Endbetrag von 16.217,12 Euro ergab. Die Antragstellerin wurde zur Zahlung dieses Betrages aufgefordert. Ein Vollstreckungsversuch vom 22. Juni 2007 blieb erfolglos.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 teilte die Antragsgegnerin ergänzend mit, das die Mitgliedschaft aus zwei Gründen storniert worden sei: Zum einen sei die Antragstellerin ihrer Beitragszahlung seit dem 1. August 2005 nicht nachgekommen und zum anderen sei sie vor den 1. Juli 2005 privat krankenversichert gewesen. Die freiwillige Versicherung könne jedoch nur dann beantragt werden, wenn die Vorversicherungszeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfüllt sei. Dies sei bei der Antragstellerin nicht der Fall gewesen. Nach rechtlichem Hinweis der Prozessvertretung teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. August 2007 mit, dass ein Beitragsrückstand tatsächlich keine rechtliche Begründung für die rückwirkende Stornierung der Mitgliedschaft darstelle. An der Stornierung müsse allerdings festgehalten werden, da gemäß § 9 SGB V eine freiwillige Mitgliedschaft nicht möglich gewesen sei.
Am 17. Oktober 2007 hat die Antragsstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Schleswig beantragt und ausgeführt, sie habe in dem Antrag wahrheitsgemäße Angaben gemacht und auch die Versicherungsbeiträge regelmäßig gezahlt. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass eine rückwirkende Stornierung der freiwilligen Mitgliedschaft wegen Nichtvorliegen einer Rechtsgrundlage unzulässig gewesen sei. Zudem sei eine Kündigung des Vertrages durch die Antragsgegnerin bislang nicht ausgesprochen worden. Seit Mai 2007 beziehe sie Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie habe sich im Rahmen dieses Bezuges bei der AOK Schleswig-Holstein krankenversichern wollen. Diese sei mit Schreiben vom 19. Juli 2007 wieder rückgängig gemacht worden. Es müsse damit gerechnet werden, dass sie wegen erheblicher Suizidgefahr erneut in ein Krankenhaus eingewiesen werden müsse und bedürfe deshalb dringend des Krankenversicherungsschutzes. Die Antragstellerin übersendet die Verordnung einer Krankenhauseinweisung ihrer Hausärztin Dr. G vom 24. Oktober 2007 wegen Depression und Selbstmordgefährdung. Sie trägt vor, sie könne sich trotz Notwendigkeit wegen der ungeklärten Mitgliedschaft nicht in die verordnete Behandlung begeben.
Nachdem die Antragstellerin zunächst beantragt hat 1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die weitere Durchführung einer psychiatrischen Behandlung beim Landesverein für Innere Medizin, Psychiatrisches Krankenhaus, Daldorfer Straße 2 in 24636 Rickling zu finanzieren, soweit die behandelnden Ärzte der Antragstellerin diese Behandlung verordnen. 2. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die weitere Durchführung einer psychiatrischen Behandlung bei Frau Dr. D , B , 22850 N zu finanzieren, soweit die behandelnden Ärzte der Antragstellerin diese Behandlung verordnen. B , 22850 N. 3. die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits,
beantragt sie nunmehr, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Antragstellerin weiterhin und ununterbrochen Mitglied bei der Antragsgegnerin ist.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie wendet ein, aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II bestehe Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V. Für diese Mitgliedschaft sei die letzte Krankenkasse zuständig, an die die meldepflichtige Stelle die Versicherungspflichtigen zu melden habe (§ 175 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Die Antragsgegnerin sei nicht als letzte Krankenkasse der Antragstellerin zuständig, denn die Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt rechtmäßiges freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin gewesen. Vielmehr sei als letzte Krankenkasse Beigeladenen zu 2 anzusehen. Da offenbar die freiwillige Mitgliedschaft dort wegen Beitragsrückstandes geendet habe, sei eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV nach dem 15. Februar 2003 ausgeschlossen.
Das Sozialgericht Schleswig hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 19. Oktober 2007 an das Sozialgericht Lübeck verwiesen. Die Kammer hat die AOK Schleswig-Holstein ( zu 1) und die AOK Niedersachsen (zu 2) nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beigeladen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 2 hat am 5. November 2007 mitgeteilt, dass die Antragstellerin bis zum 15. Februar 2003 bei ihr nicht freiwillig sondern wegen einer Beschäftigung in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert gewesen sei.
Im Termin am 6. November 2007 ist die Sach- und Rechtslage ausführlich mit den Beteiligten erörtert worden. Die Antragstellerin hat im Termin darauf hingewiesen, dass die Mitgliedschaft als ALG II-Bezieherin bei der AOK Schleswig-Holstein mit dem Hinweis nachträglich storniert worden sei, es müsste eine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin bestehen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat zugestanden, dass Beitragsrückstände nach seinen Unterlagen tatsächlich nicht vorgelegen haben. Ebenfalls hat er zugestanden, dass die Vorversicherungszeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V von der Antragstellerin erfüllt werde. An dem Abweisungsantrag hat er jedoch mit der nachgeschobenen Begründung festgehalten, die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung scheitere an der Nichteinhaltung der Frist nach § 5 Abs. 2 SGB V.
Die die Antragstellerin betreffende Verwaltungsakte der Antragsgegnerin hat vorgelegen, ebenso die Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens.
II
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und auch begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sogenannte Regelungsanordnung). Voraussetzung dafür sind das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches gemäß den §§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG, 920 ff. Zivilprozessordnung – ZPO die beide glaubhaft zu machen sind.
Der Begriff des Anordnungsgrundes ist in § 86 b Abs. 2 SGG nicht genannt. Er ergibt sich aus der in Abs. 2 Satz 4 SGG geregelten Verweisung auf § 920 ZPO, dessen Abs. 2 § 916 ZPO in Bezug nimmt; dieser stellt die Verbindung zum materiellen Recht her. Die Antragstellerin hat sowohl den Anordnungsgrund als auch den Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund besteht schon deshalb, weil es ihr nicht zugemutet werden kann, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Wegen der bei ihr bestehenden Suizidgefahr und der Notwendigkeit einer Krankenhauseinweisung war deshalb eine Eilentscheidung erforderlich, insbesondere deshalb, weil die Antragstellerin sich geweigert hat, sich ohne die Klärung des Krankenversicherungsschutzes in die verordnete Krankenhausbehandlung zu begeben.
Auch ein Anordnungsanspruch sieht die Kammer als gegeben, denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Ohnehin kommt bei drohendenden schwerwiegenden oder lebensbedrohenden Folgen sogar bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht (Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 86 b Rn 29 a m. w. N.).
Die Antragsgegnerin hat auch nicht mehr daran festgehalten, dass die Antragstellerin ihre Beiträge nicht gezahlt hat. Die regelmäßige Beitragszahlung ergibt sich im Übrigen aus dem Leistungsrückforderungsbescheid, denn die Antragsgegnerin hat dort die gezahlten Beiträge gutgeschrieben. Diese Gutschrift dokumentiert, dass die Beiträge von der Antragstellerin regelmäßig gezahlt worden sind.
Ebenfalls hält die Antragsgegnerin nicht mehr daran fest, dass die Vorversicherungszeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V von der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht erfüllt war. Die Annahme einer freiwilligen Versicherung bei der Beigeladenen zu 2 entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Vielmehr ist die Antragstellerin dort pflichtversichert gewesen. Dies hat die Beigeladene zu 2 ausdrücklich mit Schriftsatz vom 5. November 2007 bestätigt. Der im Termin nachgeschobene Einwand der Antragsgegnerin, der letztlich noch zur Aufrechterhaltung der Entscheidung erhoben wurde, beinhaltetet die Fristversäumnis nach § 9 Abs. 2 SGB V. Danach ist der Beitritt zur freiwilligen Versicherung der Krankenkasse nach Beendigung der Mitgliedschaft innerhalb von drei Monaten anzuzeigen. Dies hat die Antragstellerin unstreitig nicht getan, vielmehr ist sie nach dem 15. Februar 2003 und dem Zeitpunkt der Beendigung der Versicherungspflicht eineinhalb Jahre nicht krankenversichert gewesen. Die Antragsgegnerin hätte somit die Aufnahme der Antragstellerin als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung gegebenenfalls ablehnen können. Dies hat sie jedoch unstreitig nicht getan. Sie hat vielmehr bestandskräftig die Antragstellering als Mitglied aufgenommen und diese Mitgliedschaft bisher auch nicht gekündigt.
Deshalb führt die Nichteinhaltung der Frist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht zur rückwirkenden Beendigung der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin seit dem 1. August 2005. Denn auch dann, wenn ein Betroffener nach den Vorschriften des SGB V nicht mehr Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung werden kann, ist die Krankenkasse an ihre gegenteilige rechtswidrige Feststellung gebunden, die sie mit dem Betroffenen durch einen in der Sache bindenden Verwaltungsakt getroffen hat (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Januar 2007, L 16 KR 227/06).
Mit der rückwirkenden Stornierung der Mitgliedschaft verstößt die Antragsgegnerin gegen den Grundsatz des "venire contra factum proprium ". Die Antragsstellerin konnte und durfte davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme als freiwilliges Mitglied erfüllt waren. Es befremdet auch, das die Antragsgegnerin zunächst die rückwirkende Stornierung auf die - später als falsch eingestandene Behauptung – die Beiträge seien nicht gezahlt worden, und anschließend im Gerichtsverfahren auf den – ebenfalls später zurückgenommenen Einwand – der nicht erfüllten Vorversicherungszeit gestützt hat. Zudem könnte ein Beitragsrückstand lediglich unter den Voraussetzungen von § 191 Nr. 3 SGB V mit Wirkung für die Zukunft beendet werden. Muss die Antragsgegnerin sich aber an die bestandskräftige Aufnahme der Antragstellerin als freiwilliges Mitglied trotz eventueller Rechtswidrigkeit wegen Fristversäumnis festhalten lassen, wird sie im Hauptsacheverfahren voraussichtlich Erfolg haben.
Bei ununterbrochener Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin ist ab dem Zeitpunkt des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II ab 8. Mai 2007 insoweit eine Änderung eingetreten, als ab diesem 8. Mai 2007 eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V besteht. Diese Mitgliedschaft entsteht nach § 175 Abs. 2 Satz 2 ebenfalls bei der Antragsgegnerin, die nach dem Verwaltungsvorgang auch den Versicherungsbeginn am 8. Mai 2007 festgestellt hat.
Der Antrag auf vorläufige Feststellung der fortbestehenden Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache musste deshalb Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.
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