Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 AL 4444/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 128/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe über den 1. Januar 2005 hinaus.
Der 1943 geborene Kläger war bis zum 31. März 1996 als Gebietsverkaufsleiter bei der Firma B beschäftigt. Seit dem 29. April 1996 bezog er Arbeitslosengeld, seit dem 12. Februar 1998 Arbeitslosenhilfe. Der Bezug von Arbeitslosenhilfe endete zunächst am 28. Februar 1998, der Kläger war vom 1. März 1998 bis zum 30. November 2000 selbständig erwerbstätig. Ab dem 12. Dezember 2000 bezog er dann wieder Arbeitslosenhilfe. Am 2. August 2001 gab er die Erklärung nach § 428 des Sozialgesetzbuchs, Drittes Buch (SGB III) ab, zukünftig Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Voraussetzungen beziehen zu wollen.
Durch Bescheid vom 2. Februar 2004 bewilligte die Beklagte Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 12. Februar 2004 bis zum 11. Februar 2005 in Höhe von 190,75 Euro wöchentlich. Durch Änderungsbescheid vom 29. Juni 2004 nahm sie diese Bewilligung unter Hinweis auf § 45 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) für die Zukunft insoweit zurück, als nunmehr der 31. Dezember 2004 als Ablauf des Bewilligungsabschnittes festgesetzt wurde. Der dagegen erhobene Widerspruch, der mit Hinweis auf die Rechts- und Verfassungswidrigkeit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe begründet worden war, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbe-scheid vom 3. August 2004). Die Beklagte verwies auf die gesetzlichen Regelungen.
Das Sozialgericht hat die am 25. August 2004 erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Dezember 2004). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 45 SGB X berechtigt gewesen sei, die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe aufzuheben. Nach dem seit dem 1. Januar 2004 geltenden § 190 Abs. 3 SGB III habe Arbeitslosenhilfe nur bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden dürfen. Diese Regelung sei verfassungsgemäß, sie verstoße weder gegen die Eigentumsgarantie noch das Sozialstaatsgebot. Denn die Arbeitslosenhilfe sei eine steuerfinanzierte Leistung gewesen und der Staat lediglich verpflichtet, Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger zu schaffen. Der Kläger habe die Möglichkeit, ab dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) in Anspruch zu nehmen. Dem Kläger sei auch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn er die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe über den 31. Dezember 2004 hinaus nicht erkannt haben sollte. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ab dem 1. Januar 2005 sei allgemein bekannt und ständig in den Medien präsent gewesen.
Gegen das ihm am 7. März 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 30. März 2005. Das Sozialgericht habe die Entwicklung der Gesetzgebung und die verfassungsrechtlichen Fragen nur unzureichend berücksichtigt. § 428 SGB III sei eingeführt worden, um älteren Arbeitnehmern den gleitenden Übergang in die Rente zu erleichtern. Ange-sichts der Verhältnisse des Arbeitsmarktes sei ihre Vermittlung in Arbeit aussichtslos gewesen, weswegen sie von der Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung und die Agentur für Arbeit von Vermittlungsbemühungen hätten befreit werden sollen. Die Arbeitsmarktlage für ältere Arbeitnehmer sei unverändert negativ geblieben. Durch die Einführung des Arbeitslosengeldes II werde ihm – dem Kläger - nunmehr der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe versagt, obwohl ihm die Beklagte zunächst ausdrücklich nahe gelegt habe, Arbeitslosenhilfe unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III in Anspruch zu nehmen. Soweit das Bundessozialgericht der Arbeitslosenhilfe bisher den Schutz des Art. 14 GG als sozialrechtliches Eigentum versagt habe, sei ausschließlich die originäre Arbeitslosenhilfe betroffen gewesen, die mittlerweile aber ohnehin abgeschafft sei. Das Vorliegen einer eigentumsähnlichen Position im Sozialrecht könne nicht davon abhängen, ob die Leistungen aus Steuern oder Beiträgen finanziert würden. Vielmehr müsse ausreichen, dass die Berechtigten durch eigene Leistungen zum Entstehen des Anspruchs beigetragen hätten. Zwar sei auch der Eingriff in eine vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasste Position möglich, aber nur unter der Vor-aussetzung, dass die Interessen der von dem Eingriff Betroffenen berücksichtigt und gegen das Gemeinwohlinteresse abgewogen würden. Das SGB II sei (auch) eingeführt worden, um die Betroffenen besser als bisher durch schnelle und passgenaue Vermittlung in Arbeit zu fördern. Von diesen Vorteilen bleibe er- der Kläger - indessen ausgeschlossen, da er eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben habe. Dann sei es nicht gerechtfertigt, ihm gegenüber die mit Einführung des SGB II einhergehenden Nachteile, nämlich eine Kürzung der Unterstützungs-leistungen, umzusetzen. Folglich habe er weiter Anspruch auf Leistungen entsprechend der bis zum 31. Dezember 2004 gezahlten Arbeitslosenhilfe. Ergänzend werde auf ein Gutachten von Professor Dr. U M, Universität H, Bezug genommen. Im Übrigen habe das Sozialgericht versäumt aufzuklären, ob er tatsächlich grobfahrlässig gewesen sei. Der Hinweis auf die öffentliche Diskussion um die Einführung des SGB II reiche nicht aus, weil weder Verpflichtung noch Obliegenheit bestanden habe, von der Diskussion Kenntnis zu nehmen. Jedenfalls habe der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung, so dass die Revision zuzulassen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.
Der Bescheid vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2004 ist nicht rechtswidrig. Der Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 2004 durfte nach § 45 SGB X (teilweise) zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigen-der Verwaltungsakt unter den Einschränkungen in § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X zurückgenommen werden, soweit er rechtwidrig ist. Der Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 2004 verstieß gegen den am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III, wonach Arbeitslosenhilfe längstens bis zum 31. Dezember bewilligt werden durfte. Er war demnach von Anfang an rechtswidrig, soweit er Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 11. Februar 2005 bewilligte.
Die Beklagte hat die Bewilligung weniger als fünf Monate nach ihrer Erteilung (teilweise) wieder zurückgenommen. Dadurch ist die in § 45 Abs. 3 SGB X für die Rücknahme gesetzte Frist von 2 Jahren nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes gewahrt. § 45 Abs. 4 SGB X findet keine Anwendung, da die Rücknahme keine Wirkung für die Vergangenheit hat, weil sie aus-schließlich noch in der Zukunft liegende Leistungszeiträume betraf.
Nach § 45 Abs. 2 SGB X ist die Rücknahme bei Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand des Verwaltungsaktes nur zulässig, wenn das Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme nicht schutzwürdig ist. Einer der Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X, bei denen das Vertrauen in der Regel schutzwürdig ist, liegt nicht vor. Die Rücknahme betrifft keine bereits erbrachten Leistungen. Die für Januar und Februar 2005 bewilligten Leistungen kann der Kläger bei der Rücknahme der Bewilligung im Juni 2004 noch nicht verbraucht haben. Ebenso wenig ist eine Vermögensdisposition erkennbar. Dafür, dass der Kläger im Hinblick auf die Höhe der für Januar und Februar 2005 bewilligten Leistungen langfristige Verbindlichkeiten eingegangen sein könnte, denen nunmehr die finanzielle Grund-lage entzogen ist, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.
Bei der dann vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt das öffentli-che Interesse an der Einhaltung der Gesetze, so dass die Bewilligung vom 2. Februar 2004 für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 2005 zurückgenommen werden durfte. Das wirtschaftli-che Interesse des Klägers steht nicht höher. Anstelle von Arbeitslosenhilfe hat der Kläger nach dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen SGB II nunmehr Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und für Unterkunft und Heizung (§§ 20, 22 SGB II) gehabt. Die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe erfolgte bereits im Juni 2004, als die betroffenen Leistungszeiträume Januar und Februar 2005 noch relativ weit entfernt waren, und der Kläger demnach noch ausreichend Zeit hatte, sich auf die neue Lage einzustellen. Die Bewilligung ist zudem durch einen in die Zukunft gerichteten Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erfolgt, bei dem von vornherein nicht auszuschließen gewesen ist, dass noch eintretende Ände-rungen der Verhältnisse zu geringeren Leistungen führen würden. Die Differenz zwischen der ursprünglich für Januar und Februar 2005 bewilligten Arbeitslosenhilfe und den nach dem SGB II zu gewährenden Leistungen ist zu gering, als dass sich aus ihr eine völlige Umgestaltung der wirtschaftlichen Lage des Klägers ergeben könnte. Auf die vom Sozialgericht erörterte Frage, ob der Kläger bösgläubig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gewesen ist, kommt es danach nicht an.
§ 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III, der Ausdruck der vom Gesetzgeber gewollten Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005 und ihre Ersetzung durch Leistungen nach dem SGB II ist, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das gilt auch in Hinblick auf ältere Arbeitnehmer, welche eine Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III abgegeben haben. Das entspricht der mitt-erweile ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG - (Urt. v. 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R und B 11b AS 9/06 R -; Urt. v. 21. März 2007 – B 11a AL 43/06 R -; Urt. v. 10. Mai 2007 – B 7a AL 48/06 R -; Urt. v. 16. Mai 2007 – B 11b AS 29/06 R -; Urt. v. 6. September 2007 – B 14/7b AS 30/06 R -). Das Vorbringen des Klägers bietet keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Das gilt insbesondere auch für seinen Hinweis auf die gemäß § 428 SGB III abgegebene Erklärung. Die Bedeutung dieser Erklärung erschöpft sich darin, dass nach ihrer Abgabe auf die subjektive Arbeitsbereitschaft als Voraus-setzung für Ansprüche auf Leistungen verzichtet worden ist. Nur darauf kann sich ein Vertrauen beziehen, über die Höhe der Leistungen sagt die Erklärung dagegen nichts aus. Soweit ein Vertrauen anzuerkennen ist, wird es durch die Einführung des SGB II nicht beeinträchtigt. Die Übergangsregelung in § 65 Abs. 4 SGB II zeigt vielmehr, dass ältere Arbeitslose nunmehr auch Arbeitslosengeld II beziehen können, ohne dass es auf ihre subjektive Arbeitsbereitschaft ankäme. Der Kläger kann auch nichts daraus herleiten, dass für ihn keine Vermittlungsbemühungen erfolgten. Der Gesetzgeber hat die in § 428 SGB III geregelte Vergünstigung für ältere Arbeitnehmer eingeführt, weil deren Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt gering waren (BSG, Urt. v. 21. März 2007 – B 11a AL 43/06 R -). Mit der Abgabe der entsprechenden Er-klärung hat der Kläger danach nur auf eine Vermittlungsmöglichkeit verzichtet, deren Erfolgsaussichten ohnehin gering waren. Es steht ihm indessen frei, die Möglichkeiten zur Arbeitsvermittlung in der Zukunft wieder zu nutzen. Im Übrigen wäre es ein ungereimtes Ergebnis, wenn nur für diejenigen älteren Arbeitslosen, die keine Erklärung nach § 428 SGB III ab-gegeben haben, eine Absenkung der Leistungen durch Inkrafttreten des SGB II erfolgen würde.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe über den 1. Januar 2005 hinaus.
Der 1943 geborene Kläger war bis zum 31. März 1996 als Gebietsverkaufsleiter bei der Firma B beschäftigt. Seit dem 29. April 1996 bezog er Arbeitslosengeld, seit dem 12. Februar 1998 Arbeitslosenhilfe. Der Bezug von Arbeitslosenhilfe endete zunächst am 28. Februar 1998, der Kläger war vom 1. März 1998 bis zum 30. November 2000 selbständig erwerbstätig. Ab dem 12. Dezember 2000 bezog er dann wieder Arbeitslosenhilfe. Am 2. August 2001 gab er die Erklärung nach § 428 des Sozialgesetzbuchs, Drittes Buch (SGB III) ab, zukünftig Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Voraussetzungen beziehen zu wollen.
Durch Bescheid vom 2. Februar 2004 bewilligte die Beklagte Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 12. Februar 2004 bis zum 11. Februar 2005 in Höhe von 190,75 Euro wöchentlich. Durch Änderungsbescheid vom 29. Juni 2004 nahm sie diese Bewilligung unter Hinweis auf § 45 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) für die Zukunft insoweit zurück, als nunmehr der 31. Dezember 2004 als Ablauf des Bewilligungsabschnittes festgesetzt wurde. Der dagegen erhobene Widerspruch, der mit Hinweis auf die Rechts- und Verfassungswidrigkeit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe begründet worden war, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbe-scheid vom 3. August 2004). Die Beklagte verwies auf die gesetzlichen Regelungen.
Das Sozialgericht hat die am 25. August 2004 erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Dezember 2004). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 45 SGB X berechtigt gewesen sei, die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe aufzuheben. Nach dem seit dem 1. Januar 2004 geltenden § 190 Abs. 3 SGB III habe Arbeitslosenhilfe nur bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden dürfen. Diese Regelung sei verfassungsgemäß, sie verstoße weder gegen die Eigentumsgarantie noch das Sozialstaatsgebot. Denn die Arbeitslosenhilfe sei eine steuerfinanzierte Leistung gewesen und der Staat lediglich verpflichtet, Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger zu schaffen. Der Kläger habe die Möglichkeit, ab dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) in Anspruch zu nehmen. Dem Kläger sei auch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn er die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe über den 31. Dezember 2004 hinaus nicht erkannt haben sollte. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ab dem 1. Januar 2005 sei allgemein bekannt und ständig in den Medien präsent gewesen.
Gegen das ihm am 7. März 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 30. März 2005. Das Sozialgericht habe die Entwicklung der Gesetzgebung und die verfassungsrechtlichen Fragen nur unzureichend berücksichtigt. § 428 SGB III sei eingeführt worden, um älteren Arbeitnehmern den gleitenden Übergang in die Rente zu erleichtern. Ange-sichts der Verhältnisse des Arbeitsmarktes sei ihre Vermittlung in Arbeit aussichtslos gewesen, weswegen sie von der Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung und die Agentur für Arbeit von Vermittlungsbemühungen hätten befreit werden sollen. Die Arbeitsmarktlage für ältere Arbeitnehmer sei unverändert negativ geblieben. Durch die Einführung des Arbeitslosengeldes II werde ihm – dem Kläger - nunmehr der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe versagt, obwohl ihm die Beklagte zunächst ausdrücklich nahe gelegt habe, Arbeitslosenhilfe unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III in Anspruch zu nehmen. Soweit das Bundessozialgericht der Arbeitslosenhilfe bisher den Schutz des Art. 14 GG als sozialrechtliches Eigentum versagt habe, sei ausschließlich die originäre Arbeitslosenhilfe betroffen gewesen, die mittlerweile aber ohnehin abgeschafft sei. Das Vorliegen einer eigentumsähnlichen Position im Sozialrecht könne nicht davon abhängen, ob die Leistungen aus Steuern oder Beiträgen finanziert würden. Vielmehr müsse ausreichen, dass die Berechtigten durch eigene Leistungen zum Entstehen des Anspruchs beigetragen hätten. Zwar sei auch der Eingriff in eine vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasste Position möglich, aber nur unter der Vor-aussetzung, dass die Interessen der von dem Eingriff Betroffenen berücksichtigt und gegen das Gemeinwohlinteresse abgewogen würden. Das SGB II sei (auch) eingeführt worden, um die Betroffenen besser als bisher durch schnelle und passgenaue Vermittlung in Arbeit zu fördern. Von diesen Vorteilen bleibe er- der Kläger - indessen ausgeschlossen, da er eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben habe. Dann sei es nicht gerechtfertigt, ihm gegenüber die mit Einführung des SGB II einhergehenden Nachteile, nämlich eine Kürzung der Unterstützungs-leistungen, umzusetzen. Folglich habe er weiter Anspruch auf Leistungen entsprechend der bis zum 31. Dezember 2004 gezahlten Arbeitslosenhilfe. Ergänzend werde auf ein Gutachten von Professor Dr. U M, Universität H, Bezug genommen. Im Übrigen habe das Sozialgericht versäumt aufzuklären, ob er tatsächlich grobfahrlässig gewesen sei. Der Hinweis auf die öffentliche Diskussion um die Einführung des SGB II reiche nicht aus, weil weder Verpflichtung noch Obliegenheit bestanden habe, von der Diskussion Kenntnis zu nehmen. Jedenfalls habe der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung, so dass die Revision zuzulassen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.
Der Bescheid vom 29. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2004 ist nicht rechtswidrig. Der Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 2004 durfte nach § 45 SGB X (teilweise) zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigen-der Verwaltungsakt unter den Einschränkungen in § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X zurückgenommen werden, soweit er rechtwidrig ist. Der Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 2004 verstieß gegen den am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III, wonach Arbeitslosenhilfe längstens bis zum 31. Dezember bewilligt werden durfte. Er war demnach von Anfang an rechtswidrig, soweit er Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 11. Februar 2005 bewilligte.
Die Beklagte hat die Bewilligung weniger als fünf Monate nach ihrer Erteilung (teilweise) wieder zurückgenommen. Dadurch ist die in § 45 Abs. 3 SGB X für die Rücknahme gesetzte Frist von 2 Jahren nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes gewahrt. § 45 Abs. 4 SGB X findet keine Anwendung, da die Rücknahme keine Wirkung für die Vergangenheit hat, weil sie aus-schließlich noch in der Zukunft liegende Leistungszeiträume betraf.
Nach § 45 Abs. 2 SGB X ist die Rücknahme bei Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand des Verwaltungsaktes nur zulässig, wenn das Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme nicht schutzwürdig ist. Einer der Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X, bei denen das Vertrauen in der Regel schutzwürdig ist, liegt nicht vor. Die Rücknahme betrifft keine bereits erbrachten Leistungen. Die für Januar und Februar 2005 bewilligten Leistungen kann der Kläger bei der Rücknahme der Bewilligung im Juni 2004 noch nicht verbraucht haben. Ebenso wenig ist eine Vermögensdisposition erkennbar. Dafür, dass der Kläger im Hinblick auf die Höhe der für Januar und Februar 2005 bewilligten Leistungen langfristige Verbindlichkeiten eingegangen sein könnte, denen nunmehr die finanzielle Grund-lage entzogen ist, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.
Bei der dann vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt das öffentli-che Interesse an der Einhaltung der Gesetze, so dass die Bewilligung vom 2. Februar 2004 für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 2005 zurückgenommen werden durfte. Das wirtschaftli-che Interesse des Klägers steht nicht höher. Anstelle von Arbeitslosenhilfe hat der Kläger nach dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen SGB II nunmehr Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und für Unterkunft und Heizung (§§ 20, 22 SGB II) gehabt. Die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe erfolgte bereits im Juni 2004, als die betroffenen Leistungszeiträume Januar und Februar 2005 noch relativ weit entfernt waren, und der Kläger demnach noch ausreichend Zeit hatte, sich auf die neue Lage einzustellen. Die Bewilligung ist zudem durch einen in die Zukunft gerichteten Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erfolgt, bei dem von vornherein nicht auszuschließen gewesen ist, dass noch eintretende Ände-rungen der Verhältnisse zu geringeren Leistungen führen würden. Die Differenz zwischen der ursprünglich für Januar und Februar 2005 bewilligten Arbeitslosenhilfe und den nach dem SGB II zu gewährenden Leistungen ist zu gering, als dass sich aus ihr eine völlige Umgestaltung der wirtschaftlichen Lage des Klägers ergeben könnte. Auf die vom Sozialgericht erörterte Frage, ob der Kläger bösgläubig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gewesen ist, kommt es danach nicht an.
§ 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III, der Ausdruck der vom Gesetzgeber gewollten Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005 und ihre Ersetzung durch Leistungen nach dem SGB II ist, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das gilt auch in Hinblick auf ältere Arbeitnehmer, welche eine Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III abgegeben haben. Das entspricht der mitt-erweile ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG - (Urt. v. 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R und B 11b AS 9/06 R -; Urt. v. 21. März 2007 – B 11a AL 43/06 R -; Urt. v. 10. Mai 2007 – B 7a AL 48/06 R -; Urt. v. 16. Mai 2007 – B 11b AS 29/06 R -; Urt. v. 6. September 2007 – B 14/7b AS 30/06 R -). Das Vorbringen des Klägers bietet keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Das gilt insbesondere auch für seinen Hinweis auf die gemäß § 428 SGB III abgegebene Erklärung. Die Bedeutung dieser Erklärung erschöpft sich darin, dass nach ihrer Abgabe auf die subjektive Arbeitsbereitschaft als Voraus-setzung für Ansprüche auf Leistungen verzichtet worden ist. Nur darauf kann sich ein Vertrauen beziehen, über die Höhe der Leistungen sagt die Erklärung dagegen nichts aus. Soweit ein Vertrauen anzuerkennen ist, wird es durch die Einführung des SGB II nicht beeinträchtigt. Die Übergangsregelung in § 65 Abs. 4 SGB II zeigt vielmehr, dass ältere Arbeitslose nunmehr auch Arbeitslosengeld II beziehen können, ohne dass es auf ihre subjektive Arbeitsbereitschaft ankäme. Der Kläger kann auch nichts daraus herleiten, dass für ihn keine Vermittlungsbemühungen erfolgten. Der Gesetzgeber hat die in § 428 SGB III geregelte Vergünstigung für ältere Arbeitnehmer eingeführt, weil deren Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt gering waren (BSG, Urt. v. 21. März 2007 – B 11a AL 43/06 R -). Mit der Abgabe der entsprechenden Er-klärung hat der Kläger danach nur auf eine Vermittlungsmöglichkeit verzichtet, deren Erfolgsaussichten ohnehin gering waren. Es steht ihm indessen frei, die Möglichkeiten zur Arbeitsvermittlung in der Zukunft wieder zu nutzen. Im Übrigen wäre es ein ungereimtes Ergebnis, wenn nur für diejenigen älteren Arbeitslosen, die keine Erklärung nach § 428 SGB III ab-gegeben haben, eine Absenkung der Leistungen durch Inkrafttreten des SGB II erfolgen würde.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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