Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 3165/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1185/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1954 geborene Klägerin zog 1973 aus K. kommend in die Bundesrepublik Deutschland zu. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war nach ihrem Zuzug zunächst als Arbeiterin in der Elektroindustrie beschäftigt. Anschließend betrieb die Klägerin bis April 1998 eine Gaststätte; nach deren Schließung war sie arbeitslos. Am 25. August 1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Nach Beiziehung von Befundunterlagen ließ die Beklagte die Klägerin von Lungenarzt Dr. H. begutachten. Dieser hielt die Klägerin in seinem Gutachten vom 3. November 1998 noch für fähig, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Zur Begründung führte Dr. H. unter anderem aus, die Epilepsie, an der die Klägerin leide sei zwischenzeitlich gut eingestellt. Gestützt auf diese sozialmedizinische Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. November 1998 den Rentenantrag ab. Während des anschließenden Widerspruchsverfahrens gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der M.-B.-Klinik in K ... Die Klägerin absolvierte in dieser Klinik in der Zeit vom 16. Dezember 1998 bis 26. Januar 1999 ein stationäres Heilverfahren. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. und der leitende Dipl.-Psych. B. vertraten im Entlassungsbericht vom 8. Februar 1999 die Ansicht, die Klägerin sei zwar weiterhin aufgrund einer noch bei Entlassung bestehenden mittelschweren depressiven Störung arbeitsunfähig; leichte Arbeiten seien der Klägerin aber noch vollschichtig zuzumuten. Nachdem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. in seinem Gutachten vom 17. Juni 1999 zum selben Ergebnis gekommen war, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 1999 zurück. Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 14 RJ 3604/99) beauftragte das SG von Amts wegen den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Nervenarzt Prof. Dr. L. sowie den leitenden Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik M. Prof. Dr. P.-E. mit der Erstattung medizinischer Sachverständigengutachten. Wegen des Inhalts dieser Gutachten wird auf Bl. 83 bis 99, 118 bis 139 und 141 bis 155 der beigezogenen Klageakte S 14 RJ 3604/99 Bezug genommen. Im Anschluss an die Beweiserhebung verpflichtete sich die Beklagte im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. April 1999 bis 31. März 2002 zu gewähren. Tatsächlich zahlte die Beklagte der Klägerin die Rente bis 30. April 2002, eine Erstattungsforderung erfolgte nicht.
Am 4. Dezember 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Weitergewährung der Rente über den Wegfallzeitpunkt hinaus. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin erneut von Dr. G. begutachten. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 15. Januar 2002 ein cerebrales Anfallsleiden und eine Dystymie mit Somatisierungsneigung. Trotz dieser Erkrankungen könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten in Tagschicht, ohne Zeitdruck und ohne erhöhte Unfallgefahr wieder vollschichtig verrichten. Mit Bescheid vom 30. Januar 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weitergewährung ab; den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2002 zurück.
Mit der am 16. September 2002 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sei sie weiterhin erwerbsunfähig. Ihr Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert; vor allem die Epilepsie mit zwei bis zehn Anfällen pro Monat begründe die Annahme von Erwerbsunfähigkeit. Durch die depressive Erkrankung werde die Einschränkung des Leistungsvermögens noch verstärkt. Die von der Beklagten vorgenommene sozialmedizinische Beurteilung halte sie nicht für schlüssig. Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 19. November 2003 (Bl. 107/108 der Klageakten S 14 RJ 3165/02 entgegengetreten. Das SG hat von Amts wegen den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG Prof. Dr. L. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dr. Sch. hat die Klägerin in seinem Gutachten vom 28. März 2003 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 30. Dezember 2003) noch für fähig gehalten, leichte Arbeiten wieder acht stunden arbeitstäglich zu verrichten. Demgegenüber hat Prof. Dr. L. in seinem Gutachten vom 30. September 2003 die Auffassung vertreten, die Klägerin könne nicht mehr als arbeitsfähig eingestuft werden. Mit Urteil vom 12. Februar 2004 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 25. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. März 2004 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass SG habe dem Gutachten von Dr. Sch. zu Unrecht einen höheren Beweiswert eingeräumt als demjenigen von Prof. Dr. L ... Letzterer habe die Beurteilung von Dr. Sch. vor allem in diagnostischer Hinsicht widerlegt, weshalb auch dessen sozialmedizinische Beurteilung nicht überzeuge.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Februar 2004 sowie den Bescheid vom 30. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31. März 2002 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend. Zur weiteren Begründung legt die Beklagte sozialmedizinische Stellungnahmen von Ärztin für Nervenheilkunde B. (Stellungnahmen vom 10. März 2006 (Bl. 140 bis 142 der Berufungsakte) und vom 14. Mai 2007 (Bl. 192/193 der Berufungsakte)) vor.
Der Senat hat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG ein weiteres Gutachten von dem Arzt für Neurologie Prof. Dr. W. eingeholt worden. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 22. Dezember 2004 ein leicht ausgeprägtes Wirbelsäulensyndrom, eine aus eigenen anamnestischen Angaben ableitbare Epilepsie und eine Dysthymie diagnostiziert. Eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinn könne aber ausgeschlossen werden. Die Klägerin sei deshalb noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein; das Wirbelsäulenleiden und die Epilepsie bedingten lediglich qualitative Einschränkungen. Demgegenüber hat Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 30. November 2005 ausgeführt, seines Erachtens könne die Klägerin selbst leichte Arbeiten nur noch bis zu maximal drei bis vier Stunden pro Tag ausführen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG (S 14 RJ 3604/99 und S 14 RJ 3165/02) sowie die Berufungsakten des Senats (L 13 R 1185/04) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 SGG; Bundessozialgericht )BSG( SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Antrag der Klägerin vom 4. Dezember 2001 auf Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente ablehnende Bescheid vom 30. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2002. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit über den 31. März 2002 hinaus. Des weiteren besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht.
Maßgeblich für den erhobenen Anspruch sind gemäß § 302b Abs. 1 Satz 1 und 2 Sechstes Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch die Bestimmungen des SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.). Soweit sich ein Rentenbeginn - bei einem erst später eingetretenen Leistungsfall - erst nach dem 1. April 2002 ergeben würde, richtet sich der Anspruch nach §§ 43, 240 SGB VI in der seit 1.1.2001 geltenden Fassung (n.F.; vgl. §§ 300 Abs. 2, 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl. I S. 1827; Jörg in Kreikebohm, SGB VI, § 302b Rdnr. 3).
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sowie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und erwerbsunfähig sind; entsprechende Regelungen sind in § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. für die Rente wegen Berufsunfähigkeit vorgesehen. Berufsunfähig sind nach allen Fassungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI - geändert erst durch die Einführung der neuen Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI ab 1. Januar 2001 - Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich geistig und seelisch Gesunden mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zu beachten ist außerdem die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SGB VI vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 659; vgl. BSGE 78, 207, 212; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 56); danach ist bei vollschichtigem Leistungsvermögen die jeweilige Arbeitsmarktlage grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. dazu allgemein BSG - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff.).
Bereits die weniger weitgehenden Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit liegen nicht vor. Zwar ist die allgemeine Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 1 SGB VI) und die erforderliche Drei-Fünftel-Belegung mit Pflichtbeiträgen (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F.) erfüllt, die Klägerin ist aber - jedenfalls seit 1. April 2002 - nicht berufsunfähig.
Seit diesem Zeitpunkt ist die Klägerin in der Lage, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Funktionseinschränkungen vollschichtig zu verrichten; eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht liegt nicht vor. Dies steht zur vollen Überzeugung des Senats fest aufgrund der im Ergebnis überzeugenden Gutachten von Dr. Sch. und Prof. Dr. B., die die auf das Gutachten von Dr. G. vom 15. Januar 2002 gestützte sozialmedizinische Beurteilung der Beklagten bestätigt haben. Prof. Dr. B. hat auf neurologischem Fachgebiet zunächst ein Wirbelsäulensyndrom diagnostiziert, dieses aber nur als leicht ausgeprägtes qualifiziert. Diese Einschätzung überzeugt, nachdem er keine sensiblen oder motorischen neurologischen Defizite, die auf ein Wirbelsäulensyndrom beziehbar wären, objektivieren konnte und aktuell auch Nervenwurzelreizsymptome ausgeschlossen werden konnten. Die freie Wegstrecke war, wie der Sachverständige durch das Ergebnis einer durchgeführten Belastungsuntersuchung nachgewiesen hat, objektiv nicht beeinträchtigt. Die Diagnose einer Epilepsie vermochte Prof. Dr. B. nicht zu objektivieren. Letztlich kann hier aber offen bleiben, ob die Klägerin an einem solchen Krankheitsbild leidet, denn auch dieses hätte, wie Prof. Dr. B. unter Zugrundelegung der anamnestischen Angaben der Klägerin überzeugend dargelegt hat, keine Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen; diese Krankheit würde in dem von der Klägerin beschriebenen Ausprägungsgrad – Anfälle treten nach Angaben der Klägerin vorwiegend nachts auf – lediglich qualitative Funktionseinschränkungen bedingen, die einen Rentenanspruch nicht begründen könnten. Dies hat Prof. Dr. B. aus den Angaben der Klägerin zu ihrem Freizeitverhalten nachvollziehbar geschlussfolgert. Die dem neurologischen Fachgebiet schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin im Ergebnis deshalb nur in qualitativer Hinsicht ein. Die Klägerin muss dauerhaft mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mit häufigem Bücken, Drehen und Wenden, Arbeiten in häufigen Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten unter Einfluss von Kälte und Nässe ohne entsprechende Schutzkleidung vermeiden. Darüber hinaus sind Arbeiten an ungeschützten Maschinen, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, das Führen von Fahrzeugen und generell alle Arbeiten, die mit einer außergewöhnlichen Gefährdung einhergehen, ausgeschlossen. Diese Funktionseinschränkungen sind jedoch nicht so schwerwiegend, als dass hieraus eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens folgen würde.
Auf psychiatrischem Fachgebiet liegen ebenfalls keine Erkrankungen vor, die eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin in rentenberechtigendem Umfang nach sich ziehen könnten. Prof. Dr. B. konnte bei der Klägerin keine psychiatrischen Krankheitssymptome objektivieren. Es fanden sich lediglich in den anamnestischen Angaben Hinweise auf eine zeitweise bestehende negativ getönte subjektive Befindlichkeit im Sinne einer Dysthymie, jedoch ohne daraus resultierende objektivierbare Symptome. Dies erscheint nachvollziehbar, nachdem sich auch aus den Schilderungen der Klägerin hinsichtlich ihres Tagesablaufes, privater Interessen und sozialer Kontakte keine Hinweise auf ein psychiatrisches Krankheitsbild klinisch-relevanten Ausmaßes ergaben. Diese Einschätzung deckt sich weitgehend mit derjenigen von Dr G., dessen Gutachten vom 15. Januar 2002 der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten kann und Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 28. März 2003.
Angesichts dieser überzeugenden Einschätzungen des beruflichen Leistungsvermögens durch den Sachverständigen Prof. Dr. B., dessen Wertungen durch die Gutachten von Dr. G. und Dr. Sch. Bestätigung finden, vermochte der Senat den abweichenden Beurteilungen der auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. W. nicht zu folgen. Das Gutachten von Prof. Dr. L. leidet bereits daran, dass die Sachverständige die vom Gericht gestellten Beweisfragen nicht nachvollziehbar beantwortet hat. Dies wiegt um so schwerer, als er keine schlüssigen Angaben zur Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rentenversicherungsrechts (hierauf bezogen sich die vom SG im Gutachtensauftrag vom 6. Juni 2003 gestellten Beweisfragen) gemacht hat, sondern lediglich zur Arbeitsfähigkeit Stellung genommen hat. Offen bleibt, ob damit der Begriff der Arbeitsfähigkeit im Sinne des Krankenversicherungsrechts gemeint ist oder der Sachverständige die Begrifflichkeiten lediglich verwechselt hat. Jedenfalls fehlt dem Gutachten eine klare und in der Begründung schlüssige Aussage zum quantitativen Leistungsvermögen der Klägerin bezogen auf leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Damit ist das Gutachten insgesamt nicht überzeugend und deshalb auch nicht geeignet die Richtigkeit der überzeugenden sozialmedizinischen Beurteilung von Prof. Dr. B. zu widerlegen. Die Ausführungen von Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 30.11.2005 überzeugen – auch unter Berücksichtigung seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. März 2007 – ebenfalls nicht. Die Einschätzung von Prof. Dr. W., das Leistungsvermögen der Klägerin sei auch quantitativ eingeschränkt beruht vorrangig auf deren subjektiver Beschwerdeschilderung und ist durch objektive Befunde nicht belegt. Gerade auf nervenärztlichem Fachgebiet kann eine rentenberechtigende Einschränkung des beruflichen Restleistungsvermögens wegen regelmäßig fehlender objektivierbarer Befunde erst dann angenommen werden, wenn mit Sicherheit auszuschließen ist, dass die geschilderten und subjektiv empfundenen Beschwerden vorgetäuscht oder auch nur aggraviert werden oder mit zumutbarer Willensanstrengung überwunden werden können. Für eine solche Feststellung bieten die Darlegungen Prof. Dr. W. keine ausreichende Grundlage. Auch sein Gutachten ist deshalb nicht geeignet, die überzeugende Beurteilung von Prof. Dr. B. zu widerlegen. Nachdem auch auf anderen medizinischen Fachgebieten keine Erkrankungen vorliegen, die von Relevanz für das quantitative Leistungsvermögen sind oder auch nur (weitere) qualitative Einschränkungen rechtfertigen, steht im Ergebnis fest, dass die Klägerin auch unter zusammenfassender Würdigung aller Befunde noch in der Lage ist, unter Beachtung der genannten Funktionseinschränkungen zumindest leichte körperliche Arbeiten vollschichtig auszuführen.
Die Klägerin hat zuletzt keine Tätigkeit verrichtet, die eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten erfordert hätten. Dementsprechend ist sie nach dem vom BSG zur Bestimmung des qualitativen Werts des "bisherigen Berufs" entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) allenfalls der Gruppe der sog. "unteren Angelernten" zuzuordnen. Ausgehend hiervon ist sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen, wofür - wie oben dargelegt - noch ein positives Leistungsbild besteht. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht. Eine Benennungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsminderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Bei den dargelegten, von der Klägerin einzuhaltenden Funktionseinschränkungen handelt es sich vielmehr um eine Summierung gewöhnlicher Einschränkungen, die den Rückschluss, dass entsprechende Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vorhanden sind, nicht zulässt (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110).
Da die Klägerin somit nicht berufsunfähig ist, erfüllt sie erst recht nicht die noch strengeren Anforderungen für das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit. Auch ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht (§§ 43, 240 SGB VI n.F.) besteht nicht. Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 43, 240 SGB VI n.F., die bei einem Rentenbeginn nach dem 1. April 2002 maßgeblich wären, liegen angesichts des oben festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin ebenfalls nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1954 geborene Klägerin zog 1973 aus K. kommend in die Bundesrepublik Deutschland zu. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war nach ihrem Zuzug zunächst als Arbeiterin in der Elektroindustrie beschäftigt. Anschließend betrieb die Klägerin bis April 1998 eine Gaststätte; nach deren Schließung war sie arbeitslos. Am 25. August 1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Nach Beiziehung von Befundunterlagen ließ die Beklagte die Klägerin von Lungenarzt Dr. H. begutachten. Dieser hielt die Klägerin in seinem Gutachten vom 3. November 1998 noch für fähig, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Zur Begründung führte Dr. H. unter anderem aus, die Epilepsie, an der die Klägerin leide sei zwischenzeitlich gut eingestellt. Gestützt auf diese sozialmedizinische Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. November 1998 den Rentenantrag ab. Während des anschließenden Widerspruchsverfahrens gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der M.-B.-Klinik in K ... Die Klägerin absolvierte in dieser Klinik in der Zeit vom 16. Dezember 1998 bis 26. Januar 1999 ein stationäres Heilverfahren. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. und der leitende Dipl.-Psych. B. vertraten im Entlassungsbericht vom 8. Februar 1999 die Ansicht, die Klägerin sei zwar weiterhin aufgrund einer noch bei Entlassung bestehenden mittelschweren depressiven Störung arbeitsunfähig; leichte Arbeiten seien der Klägerin aber noch vollschichtig zuzumuten. Nachdem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. in seinem Gutachten vom 17. Juni 1999 zum selben Ergebnis gekommen war, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 1999 zurück. Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 14 RJ 3604/99) beauftragte das SG von Amts wegen den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Nervenarzt Prof. Dr. L. sowie den leitenden Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik M. Prof. Dr. P.-E. mit der Erstattung medizinischer Sachverständigengutachten. Wegen des Inhalts dieser Gutachten wird auf Bl. 83 bis 99, 118 bis 139 und 141 bis 155 der beigezogenen Klageakte S 14 RJ 3604/99 Bezug genommen. Im Anschluss an die Beweiserhebung verpflichtete sich die Beklagte im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. April 1999 bis 31. März 2002 zu gewähren. Tatsächlich zahlte die Beklagte der Klägerin die Rente bis 30. April 2002, eine Erstattungsforderung erfolgte nicht.
Am 4. Dezember 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Weitergewährung der Rente über den Wegfallzeitpunkt hinaus. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin erneut von Dr. G. begutachten. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 15. Januar 2002 ein cerebrales Anfallsleiden und eine Dystymie mit Somatisierungsneigung. Trotz dieser Erkrankungen könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten in Tagschicht, ohne Zeitdruck und ohne erhöhte Unfallgefahr wieder vollschichtig verrichten. Mit Bescheid vom 30. Januar 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weitergewährung ab; den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2002 zurück.
Mit der am 16. September 2002 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sei sie weiterhin erwerbsunfähig. Ihr Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert; vor allem die Epilepsie mit zwei bis zehn Anfällen pro Monat begründe die Annahme von Erwerbsunfähigkeit. Durch die depressive Erkrankung werde die Einschränkung des Leistungsvermögens noch verstärkt. Die von der Beklagten vorgenommene sozialmedizinische Beurteilung halte sie nicht für schlüssig. Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 19. November 2003 (Bl. 107/108 der Klageakten S 14 RJ 3165/02 entgegengetreten. Das SG hat von Amts wegen den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG Prof. Dr. L. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dr. Sch. hat die Klägerin in seinem Gutachten vom 28. März 2003 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 30. Dezember 2003) noch für fähig gehalten, leichte Arbeiten wieder acht stunden arbeitstäglich zu verrichten. Demgegenüber hat Prof. Dr. L. in seinem Gutachten vom 30. September 2003 die Auffassung vertreten, die Klägerin könne nicht mehr als arbeitsfähig eingestuft werden. Mit Urteil vom 12. Februar 2004 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 25. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. März 2004 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass SG habe dem Gutachten von Dr. Sch. zu Unrecht einen höheren Beweiswert eingeräumt als demjenigen von Prof. Dr. L ... Letzterer habe die Beurteilung von Dr. Sch. vor allem in diagnostischer Hinsicht widerlegt, weshalb auch dessen sozialmedizinische Beurteilung nicht überzeuge.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Februar 2004 sowie den Bescheid vom 30. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31. März 2002 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend. Zur weiteren Begründung legt die Beklagte sozialmedizinische Stellungnahmen von Ärztin für Nervenheilkunde B. (Stellungnahmen vom 10. März 2006 (Bl. 140 bis 142 der Berufungsakte) und vom 14. Mai 2007 (Bl. 192/193 der Berufungsakte)) vor.
Der Senat hat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG ein weiteres Gutachten von dem Arzt für Neurologie Prof. Dr. W. eingeholt worden. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 22. Dezember 2004 ein leicht ausgeprägtes Wirbelsäulensyndrom, eine aus eigenen anamnestischen Angaben ableitbare Epilepsie und eine Dysthymie diagnostiziert. Eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinn könne aber ausgeschlossen werden. Die Klägerin sei deshalb noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein; das Wirbelsäulenleiden und die Epilepsie bedingten lediglich qualitative Einschränkungen. Demgegenüber hat Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 30. November 2005 ausgeführt, seines Erachtens könne die Klägerin selbst leichte Arbeiten nur noch bis zu maximal drei bis vier Stunden pro Tag ausführen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG (S 14 RJ 3604/99 und S 14 RJ 3165/02) sowie die Berufungsakten des Senats (L 13 R 1185/04) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 SGG; Bundessozialgericht )BSG( SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Antrag der Klägerin vom 4. Dezember 2001 auf Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente ablehnende Bescheid vom 30. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2002. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit über den 31. März 2002 hinaus. Des weiteren besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht.
Maßgeblich für den erhobenen Anspruch sind gemäß § 302b Abs. 1 Satz 1 und 2 Sechstes Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch die Bestimmungen des SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.). Soweit sich ein Rentenbeginn - bei einem erst später eingetretenen Leistungsfall - erst nach dem 1. April 2002 ergeben würde, richtet sich der Anspruch nach §§ 43, 240 SGB VI in der seit 1.1.2001 geltenden Fassung (n.F.; vgl. §§ 300 Abs. 2, 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl. I S. 1827; Jörg in Kreikebohm, SGB VI, § 302b Rdnr. 3).
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sowie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und erwerbsunfähig sind; entsprechende Regelungen sind in § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. für die Rente wegen Berufsunfähigkeit vorgesehen. Berufsunfähig sind nach allen Fassungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI - geändert erst durch die Einführung der neuen Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI ab 1. Januar 2001 - Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich geistig und seelisch Gesunden mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zu beachten ist außerdem die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SGB VI vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 659; vgl. BSGE 78, 207, 212; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 56); danach ist bei vollschichtigem Leistungsvermögen die jeweilige Arbeitsmarktlage grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. dazu allgemein BSG - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff.).
Bereits die weniger weitgehenden Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit liegen nicht vor. Zwar ist die allgemeine Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 1 SGB VI) und die erforderliche Drei-Fünftel-Belegung mit Pflichtbeiträgen (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F.) erfüllt, die Klägerin ist aber - jedenfalls seit 1. April 2002 - nicht berufsunfähig.
Seit diesem Zeitpunkt ist die Klägerin in der Lage, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Funktionseinschränkungen vollschichtig zu verrichten; eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht liegt nicht vor. Dies steht zur vollen Überzeugung des Senats fest aufgrund der im Ergebnis überzeugenden Gutachten von Dr. Sch. und Prof. Dr. B., die die auf das Gutachten von Dr. G. vom 15. Januar 2002 gestützte sozialmedizinische Beurteilung der Beklagten bestätigt haben. Prof. Dr. B. hat auf neurologischem Fachgebiet zunächst ein Wirbelsäulensyndrom diagnostiziert, dieses aber nur als leicht ausgeprägtes qualifiziert. Diese Einschätzung überzeugt, nachdem er keine sensiblen oder motorischen neurologischen Defizite, die auf ein Wirbelsäulensyndrom beziehbar wären, objektivieren konnte und aktuell auch Nervenwurzelreizsymptome ausgeschlossen werden konnten. Die freie Wegstrecke war, wie der Sachverständige durch das Ergebnis einer durchgeführten Belastungsuntersuchung nachgewiesen hat, objektiv nicht beeinträchtigt. Die Diagnose einer Epilepsie vermochte Prof. Dr. B. nicht zu objektivieren. Letztlich kann hier aber offen bleiben, ob die Klägerin an einem solchen Krankheitsbild leidet, denn auch dieses hätte, wie Prof. Dr. B. unter Zugrundelegung der anamnestischen Angaben der Klägerin überzeugend dargelegt hat, keine Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen; diese Krankheit würde in dem von der Klägerin beschriebenen Ausprägungsgrad – Anfälle treten nach Angaben der Klägerin vorwiegend nachts auf – lediglich qualitative Funktionseinschränkungen bedingen, die einen Rentenanspruch nicht begründen könnten. Dies hat Prof. Dr. B. aus den Angaben der Klägerin zu ihrem Freizeitverhalten nachvollziehbar geschlussfolgert. Die dem neurologischen Fachgebiet schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin im Ergebnis deshalb nur in qualitativer Hinsicht ein. Die Klägerin muss dauerhaft mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mit häufigem Bücken, Drehen und Wenden, Arbeiten in häufigen Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten unter Einfluss von Kälte und Nässe ohne entsprechende Schutzkleidung vermeiden. Darüber hinaus sind Arbeiten an ungeschützten Maschinen, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, das Führen von Fahrzeugen und generell alle Arbeiten, die mit einer außergewöhnlichen Gefährdung einhergehen, ausgeschlossen. Diese Funktionseinschränkungen sind jedoch nicht so schwerwiegend, als dass hieraus eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens folgen würde.
Auf psychiatrischem Fachgebiet liegen ebenfalls keine Erkrankungen vor, die eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin in rentenberechtigendem Umfang nach sich ziehen könnten. Prof. Dr. B. konnte bei der Klägerin keine psychiatrischen Krankheitssymptome objektivieren. Es fanden sich lediglich in den anamnestischen Angaben Hinweise auf eine zeitweise bestehende negativ getönte subjektive Befindlichkeit im Sinne einer Dysthymie, jedoch ohne daraus resultierende objektivierbare Symptome. Dies erscheint nachvollziehbar, nachdem sich auch aus den Schilderungen der Klägerin hinsichtlich ihres Tagesablaufes, privater Interessen und sozialer Kontakte keine Hinweise auf ein psychiatrisches Krankheitsbild klinisch-relevanten Ausmaßes ergaben. Diese Einschätzung deckt sich weitgehend mit derjenigen von Dr G., dessen Gutachten vom 15. Januar 2002 der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten kann und Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 28. März 2003.
Angesichts dieser überzeugenden Einschätzungen des beruflichen Leistungsvermögens durch den Sachverständigen Prof. Dr. B., dessen Wertungen durch die Gutachten von Dr. G. und Dr. Sch. Bestätigung finden, vermochte der Senat den abweichenden Beurteilungen der auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. W. nicht zu folgen. Das Gutachten von Prof. Dr. L. leidet bereits daran, dass die Sachverständige die vom Gericht gestellten Beweisfragen nicht nachvollziehbar beantwortet hat. Dies wiegt um so schwerer, als er keine schlüssigen Angaben zur Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rentenversicherungsrechts (hierauf bezogen sich die vom SG im Gutachtensauftrag vom 6. Juni 2003 gestellten Beweisfragen) gemacht hat, sondern lediglich zur Arbeitsfähigkeit Stellung genommen hat. Offen bleibt, ob damit der Begriff der Arbeitsfähigkeit im Sinne des Krankenversicherungsrechts gemeint ist oder der Sachverständige die Begrifflichkeiten lediglich verwechselt hat. Jedenfalls fehlt dem Gutachten eine klare und in der Begründung schlüssige Aussage zum quantitativen Leistungsvermögen der Klägerin bezogen auf leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Damit ist das Gutachten insgesamt nicht überzeugend und deshalb auch nicht geeignet die Richtigkeit der überzeugenden sozialmedizinischen Beurteilung von Prof. Dr. B. zu widerlegen. Die Ausführungen von Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 30.11.2005 überzeugen – auch unter Berücksichtigung seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. März 2007 – ebenfalls nicht. Die Einschätzung von Prof. Dr. W., das Leistungsvermögen der Klägerin sei auch quantitativ eingeschränkt beruht vorrangig auf deren subjektiver Beschwerdeschilderung und ist durch objektive Befunde nicht belegt. Gerade auf nervenärztlichem Fachgebiet kann eine rentenberechtigende Einschränkung des beruflichen Restleistungsvermögens wegen regelmäßig fehlender objektivierbarer Befunde erst dann angenommen werden, wenn mit Sicherheit auszuschließen ist, dass die geschilderten und subjektiv empfundenen Beschwerden vorgetäuscht oder auch nur aggraviert werden oder mit zumutbarer Willensanstrengung überwunden werden können. Für eine solche Feststellung bieten die Darlegungen Prof. Dr. W. keine ausreichende Grundlage. Auch sein Gutachten ist deshalb nicht geeignet, die überzeugende Beurteilung von Prof. Dr. B. zu widerlegen. Nachdem auch auf anderen medizinischen Fachgebieten keine Erkrankungen vorliegen, die von Relevanz für das quantitative Leistungsvermögen sind oder auch nur (weitere) qualitative Einschränkungen rechtfertigen, steht im Ergebnis fest, dass die Klägerin auch unter zusammenfassender Würdigung aller Befunde noch in der Lage ist, unter Beachtung der genannten Funktionseinschränkungen zumindest leichte körperliche Arbeiten vollschichtig auszuführen.
Die Klägerin hat zuletzt keine Tätigkeit verrichtet, die eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten erfordert hätten. Dementsprechend ist sie nach dem vom BSG zur Bestimmung des qualitativen Werts des "bisherigen Berufs" entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) allenfalls der Gruppe der sog. "unteren Angelernten" zuzuordnen. Ausgehend hiervon ist sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen, wofür - wie oben dargelegt - noch ein positives Leistungsbild besteht. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht. Eine Benennungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsminderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Bei den dargelegten, von der Klägerin einzuhaltenden Funktionseinschränkungen handelt es sich vielmehr um eine Summierung gewöhnlicher Einschränkungen, die den Rückschluss, dass entsprechende Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vorhanden sind, nicht zulässt (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110).
Da die Klägerin somit nicht berufsunfähig ist, erfüllt sie erst recht nicht die noch strengeren Anforderungen für das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit. Auch ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht (§§ 43, 240 SGB VI n.F.) besteht nicht. Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 43, 240 SGB VI n.F., die bei einem Rentenbeginn nach dem 1. April 2002 maßgeblich wären, liegen angesichts des oben festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin ebenfalls nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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