Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1511/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2234/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung eines hirnorganischen Psychosyndroms als Berufskrankheit (BK).
Der am 1947 geborene Kläger besuchte nach Abschluss der Volksschule eine Handelsschule und erwarb die Mittlere Reife. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Danach arbeitete er in der Buchhaltung und bildete sich zum Steuerbevollmächtigten weiter. Im Jahr 1980 gründete er eine eigene Praxis und legte 1986 die Übergangsprüfung zum Steuerberater ab. Nach Weiterbildung zum vereidigten Buchprüfer war er ab 1988 bis zur Feststellung eines Adeno-Karzinoms des Dickdarms (Januar 1999) als solcher tätig. Die Anerkennung des Karzinoms als BK ist bestandskräftig abgelehnt (rechtskräftiges Urteil des Senats vom 25.01.2007, L 10 U 4822/03).
Im elterlichen Unternehmen (bis 1974 Firma F. X. B., Bau- und Möbelschreinerei, Fensterbau, danach bis Februar 1999 Firma F. X. B. Isolierglasfabrik), an dem er später als Mitgesellschafter beteiligt war, half er nach eigenen Angaben schon ab 1952: Von 1961 bis 1991 arbeitete er nebenberuflich ca. drei Stunden täglich bzw. samstags acht Stunden sowie ab 1991 bis 1998 etwa eine Stunde täglich, zu 40% im Maschinensaal sowie im Bereich der Spänesilos und des Bankraums, zu 30% in der Lackiererei und Holzimprägnierung und zu 30% in der Isolierglasfabrikation. Außerdem reinigte er (bis 1975) das Lokomobil, eine Art Dampfmaschine. Der Lackierbereich war ca. 40 qm groß und bis 1990 erfolgte die Lüftung nur über die Fenster. Ab 1991 war eine Trockenabsaugung mit ca. 6 qm Filterfläche eingebaut. Verarbeitet wurden Nitrolacke, Acryllacke und bis 1965 auch Wasserbeizen, die selbst angemischt wurden. Es wurde häufig gestrichen und teilweise auch mit der Becherpistole lackiert. Als Reinigungsmittel diente Nitroverdünnung. Unter anderem bestand Kontakt mit den aliphatischen Kohlenwasserstoffen n-Hexan und n-Heptan, den Alkoholen Methanol, Ethanol und Isopropanol, den Ketonen Butanon-2, 2-Hexanon, MEK und MIBK sowie mit den aromatischen Kohlenwasserstoffen Benzol, Toluol, Xylol und Styrol. Außerdem hatte er - so seine Angaben - Kontakt zu Holzstäuben sowie bei der Reinigung des Lokomobils bis 1975 mit Verbrennungsrückständen. An den Einsatz von Asbest, Eternit und Trichlorethylen (Tri) konnte er sich bei einer Befragung vom 25.05.2000 nicht erinnern. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der beruflichen Belastung wird auf die Angaben des Klägers (Bl. 40 f. der Verwaltungsakten) und den Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten Dr. S. der Beklagten vom 02.06.2000 verwiesen, dem auch vom Kläger vorgelegte (20) Aktenordner mit allen Produkten, die für den Betrieb gekauft worden waren, vorlagen (Bl. 144 ff. der Verwaltungsakten).
Anlässlich einer stationären Behandlung in der H.-Klinik vom 28.09.1999 bis 17.12.1999 wurde u.a. ein hirnorganisches Psychosyndrom (familiäre Form eines vorzeitigen diffusen Hirnabbaus) diagnostiziert.
Den auf das hirnorganische Psychosyndrom bezogenen Antrag des Klägers vom 03.02.2000 auf Anerkennung einer Berufskrankheit und Zahlung einer Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.10.2000 und Widerspruchsbescheid vom 30.04.2001 ab. Die Erkrankung des Klägers sei keine Berufskrankheit nach der derzeit gültigen Liste der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), es handele sich auch um keine Erkrankung, die gemäß § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) wie eine Berufskrankheit zu entschädigen sei. Grundlage hierfür waren ein vom Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer beigezogenes Gutachten von Prof. Dr. L. (dementielles Syndrom leichter Ausprägung im Sinne einer Demenz bei Alzheimerkrankheit mit frühem Beginn), eine Stellungnahme des Dr. S. und eine Stellungnahme des Beratungsarztes Prof. Dr. K. (Bl. 163 der Verwaltungsakten).
Deswegen hat der Kläger am 25.05.2001 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, das hirnorganische Psychosyndrom sei auf seine nebenberufliche Tätigkeit in der Schreinerei sowie die Fenster- und Isolierglasbearbeitung in den Jahren 1961 bis 1998 wie auch auf seine Mithilfe im Kindesalter und während seiner Schulzeit ab 1952 zurückzuführen.
Das SG hat ein neurologisch-neuropsychologisches Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Sch. mit neuroradiologischem Zusatzgutachten von Dr. Sch. und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten durch den Nervenarzt Dr. B. eingeholt. Priv.-Doz. Dr. Sch. hat eine Depression, eine funktionelle kognitive Störung im Rahmen einer Depression und entsprechend dem neuroradiologischen Zusatzgutachten von Prof. Dr. Sch. (MRT des Schädels) eine ätiologisch unklare, fokal akzentuierte äußere Hirnatrophie festgestellt. Aus dem kernspintomografischen Befund und dem Befund des ebenfalls durchgeführten EEG ließen sich keine positiven Anhalte für eine Gehirnerkrankung infolge von Lösungsmittel- oder sonstigen Vergiftungen ableiten. Insbesondere bestehe keine diffuse Hirnsubstanzminderung (Hirnatrophie), keine Veränderung der weißen Substanz (Marklager) und keine Allgemeinveränderung im EEG als Ausdruck einer evtl. diffusen Funktionsstörung. Dr. B. hat ausgeführt, der Kläger leide an einer Neuropathie, einer ausgeprägten Myopathie, ausgeprägten Gleichgewichtsstörungen, einer schweren Hirnleistungsminderung und Wesensänderung (mehrmaliger Nachweis in der Psychometrie und bei zweimaliger Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Untersuchung) und einem Colon-Carzinom, die sämtlich durch die Arbeit in der Schreinerei des Vaters und später im eigenen Betrieb verursacht seien. Die PET-Befunde und der von Priv.-Doz. Dr. Sch. zitierte kernspintomografische Befund würden einander entsprechen. Wenn eine Hirnatrophie so ausgeprägt sei, dass sie schon mit der relativ ungenauen Untersuchung des Kernspintomogramms festgestellt werden könne, liege immer eine schwere Hirnschädigung vor. Im Wesentlichen fielen die Schäden unter die Nr. 1317 der Anlage zur BKV.
Mit Urteil vom 26.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Erkrankung, die einer der Nummern der Berufskrankheitenliste zugeordnet werden könne, sei nicht nachgewiesen. Darüber hinaus fehle es an einer exakt definierten Erkrankung, für die die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII konkret geprüft werden könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG verwiesen.
Gegen das am 24.12.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.01.2005 Berufung eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, das Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Sch. , auf welches sich das SG stütze, sei unvollständig, nicht plausibel und würdige das Gesamtbild seiner Erkrankungen nicht. Außerdem habe es das SG unterlassen, ein arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen, obwohl Priv.-Doz. Dr. Sch. dies ausdrücklich für notwendig erachtet habe. Die Beurteilung der H.-Klinik und das Gutachten von Prof. Dr. L. könnten allenfalls bezüglich der Diagnose, nicht hingegen zur Kausalität übernommen werden, da es Dr. A. (Facharzt für psychotherapeutische Medizin und Psychiatrie) von der H.-Klinik und Prof. Dr. L. (Diplompsychologe) an fachlicher Kompetenz fehle. Hingegen habe Dr. B. durch die Psychometrie, die PET-Untersuchung und eine Muskelbiopsie die organischen Schäden des Klägers eindeutig nachgewiesen und insgesamt schlüssig dargelegt, dass eine Berufskrankheit vorliege. Des Weiteren habe das SG es unterlassen, die Arbeitsstoffe des Klägers zu ermitteln, deren Toxizität zu klären, die Sicherheitsblätter der Produkte beizuziehen und eine weitere fachspezifische Begutachtung zu veranlassen.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgericht Freiburg vom 26.10.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2001 aufzuheben und festzustellen, dass die bei dem Kläger bestehende Erkrankung (insbesondere ein hirnorganisches Psychosyndrom) eine Berufskrankheit der Anlage zur BKV bzw. nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist, hilfsweise nach § 109 SGG Gutachten bei Prof. Dr. F.-B. und Prof. Dr. H. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, die Untersuchungen von Dr. B. seien unvollständig, außerdem habe Dr. B. die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie nie ausdrücklich gestellt. Die PET- Untersuchung sei nur für eine Stoffwechselstörung beweisend und spreche nach ihrem Verlauf eher für eine degenerative Erkrankung. Unabhängig davon sei der Nachweis des Merkmals einer "chronischen Lösungsmittelexposition" fraglich.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Das geschieht in der BKV, der in der Anlage 1 eine Liste der entschädigungspflichtigen BKen angefügt ist. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehört auch die hier vorrangig geltend gemachte Nr. 1317 der Anlage zur BKV: "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische".
Voraussetzung für die Anerkennung und ggf. Entschädigung einer Erkrankung als BK ist in diesen Fällen zum einen, dass der schädigende Stoff ("Listenstoff") generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffs wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht. Der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit gilt jedenfalls für den konkret-individuellen Kausalzusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit in innerem Zusammenhang stehenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung ("haftungsbegründende Kausalität") und zwischen dieser und dem Eintritt der Erkrankung ("haftungsausfüllende Kausalität").
Beim Kläger liegt keine Erkrankung vor, die auf die von ihm behaupteten Einwirkungen zurückzuführen ist. Denn eine toxikologische oder mit sonstigen beruflichen Einwirkungen zusammenhängende Genese der nachgewiesenen Gesundheitsstörungen ist nicht wahrscheinlich. Dementsprechend braucht der Senat die genaue Art und das genaue Ausmaß der beruflichen Expositionen nicht weiter abklären.
Insbesondere leidet der Kläger nicht an einer von Nr. 1317 der Anlage zur BKV erfassten Polyneuropathie oder Enzephalopathie.
Der Senat kann sich bereits nicht davon überzeugen, dass der Kläger an einer Enzephalopathie leidet. Bei einer Enzephalopathie handelt es sich um eine nichtentzündliche, diffuse Erkrankung oder Schädigung des Gehirns mit vielfältiger Ätiologie (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 531). Eine solche diffuse Schädigung des Gehirns ist bei dem Kläger nicht nachgewiesen. Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Sch. hat - dem radiologischen Zusatzgutachten des Prof. Dr. Sch. folgend - dargelegt, dass nach dem kernspintomografischen Befund zwar eine fokal akzentuierte äußere Hirnatrophie, nicht jedoch eine diffuse Hirnsubstanzminderung und auch keine Veränderung der weißen Substanz (Marklager) besteht. Auch besteht nach den Feststellungen von Priv.-Doz. Dr. Sch. keine Allgemeinveränderung des EEG als Ausdruck einer diffusen Funktionsstörung. Nachgewiesen ist somit insgesamt lediglich eine fokale Hirnatrophie im Bereich des hinteren Stirnlappens und des Scheitellappens beidseits, nicht jedoch eine diffuse Hirnatrophie.
Auch eine andere, von der Anlage zur BKV erfasste und mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einwirkungen zurückzuführende Erkrankung liegt nicht vor. Der Kläger leidet nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Sch. an einer Depression, einer funktionellen Störung im Rahmen der Depression und - wie bereits ausgeführt - einer ätiologisch unklaren, fokal akzentuierten äußeren Hirnatrophie.
Die im MRT des Schädels dargestellte fokal akzentuierte äußere Hirnatrophie kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf eine Exposition gegenüber den vom Kläger angeschuldigten Stoffen zurückgeführt werden. Dagegen sprechen - so zusammenfassend Priv.-Doz. Dr. Sch. - der zeitliche Ablauf, das Fehlen relevanter Befunde in den apparativen Untersuchungen und das Vorhandensein alternativer Erklärungen für die vorliegenden Gesundheitsstörungen.
Für den Senat überzeugend hält es der Sachverständige für unplausibel, wenn der Kläger erst viele Jahre nach einer Reduzierung der Tätigkeit in der Isolierglasfabrik eine gravierende Einschränkung der Leistungsfähigkeit erlitten hat. Ausgehend davon, dass der Kläger seine Tätigkeit in der Isolierglasfabrik Anfang der 90er Jahre deutlich verringerte, hätte eine intoxikationsbedingte Hirnleistungsminderung ihren Gipfel 1990/1991 oder spätestens wenige Jahre danach haben müssen. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Neufassung des ärztlichen Merkblattes zur BK 1317 (abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317) eine Progredienz der Beschwerden nach Expositionsende bzw. eine lange Latenzzeit nicht (mehr) als Ausschlusskriterium für einen beruflichen Zusammenhang aufführt, führt dies hier nicht weiter. Zum einen hält das Merkblatt auch fest, dass toxische Enzephalopathien in der Regel noch während der Expositionszeit auftreten. Ist ein solcher Regelfall nicht gegeben, müssen jedenfalls andere Umstände für einen Zusammenhang der Symptome mit toxisch wirkenden Stoffen sprechen. Zum anderen liegt - wie bereits dargelegt - beim Kläger gar keine Enzephalopathie vor. Keinesfalls lässt sich schließlich mit dem Fehlen eines zeitlichen Zusammenhangs ein ursächlicher Zusammenhang begründen. Die gilt nicht nur für die Nr. 1317 der Anlage zur BKV, sondern generell.
Andere für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände liegen nicht vor. Aus dem kernspintomografischen Befund und dem EEG-Befund lassen sich gerade keine positiven Anhalte für eine Gehirnerkrankung infolge von Lösungsmittel- oder sonstigen Vergiftungen ableiten. Der MRT-Befund hat - wie bereits erwähnt - keine für eine solche Genese sprechende diffuse Hirnsubstanzminderung oder eine Veränderung der weißen Substanz (Marklager) ergeben, ebenso wenig zeigten sich im EEG Allgemeinveränderungen als Ausdruck einer diffusen Funktionsstörung. Der Befund einer fokalen Atrophie passt - so der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Sch. - nicht zu der Annahme einer Intoxikationsfolge. Eben weil - so zutreffend der Sachverständige - die Auswirkungen toxischer Schädigungen des Gehirns meistens unspezifisch sind, wäre eine diffuse Schädigung mit einer diffusen Symptomatik zu erwarten. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ist insoweit nicht geboten. Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Sch. hat lediglich dargelegt, dass die fokale Substanzminderung der Hirnrinde erstes Anzeichen einer degenerativen Erkrankung sein kann und diesbezüglich - also für deren Nachweis - auf weitere Untersuchungsmöglichkeiten hingewiesen. Der Nachweis einer degenerativen Erkrankung ist jedoch für die Entscheidung des Senats nicht erforderlich. Er würde nur einen ursächlichen Zusammenhang mit beruflichen Belastungen ausschließen. Diesen Zusammenhang verneint der Senat jedoch auch ohne diese Ermittlungen aus den dargestellten Gründen. Dementsprechend kommt dem Aspekt einer degenerativen Erkrankung als alternative Erklärung für die Kausalitätsbeurteilung auch nur untergeordnete Bedeutung zu. Nur am Rande ist in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf hinzuweisen, dass - ohne dass hier eine weitere Sachaufklärung möglich erscheint - sich in der Familie des Klägers Fälle von "demenzieller" Auffälligkeit häufen. So hat er selbst angegeben, nicht nur sein Vater, sondern auch Onkel hätten solche Auffälligkeiten gezeigt.
Die von Priv.-Doz. Dr. Sch. diagnostizierte Depression ist nicht auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen. Sie trat erstmals in Gefolge der - nicht beruflich bedingten (s. Urteil des Senats vom 25.01.2007, L 10 U 4822/03) - Karzinom-Erkrankung auf und steht mit dieser Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang, möglicherweise auch mit der jahrzehntelangen Überlastung des Klägers. Ob eine organische Hirnerkrankung, hier in Form der diagnostizierten Hirn-atrophie insoweit ebenfalls eine Rolle spielt, lässt sich - so zutreffend Priv.-Doz. Dr. Sch. - nicht klären, wobei dieser Frage in Ermangelung eines begründbaren ursächlichen Zusammenhangs einer solchen Hirnerkrankung mit beruflicher Exposition ohnehin keine durchschlagende Bedeutung zukommt.
Die von dem Kläger geltend gemachte kognitive Leistungsminderung ist nach den überzeugenden Ausführungen von Priv.-Doz. Dr. Sch. mit Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise auf die Depression zurückzuführen, die sich infolge der Krebserkrankung und der in der Vergangenheit bestandenen jahrzehntelangen beruflichen und familiären Überlastung (Pflege des Vaters) entwickelt hat. Auch wenn der Kläger und seine Ehefrau bei der Untersuchung angegeben haben, dass dieser "schon über die letzten 15 Jahre nachgelassen" habe, ist eine (wesentliche) Leistungsminderung erst im Zusammenhang mit der Darmkrebserkrankung im Jahr 1999 anzunehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt führte der Kläger eine Steuerberater-Kanzlei mit mehreren Mitarbeitern, betreute schwierige geschäftliche, rechtliche und steuerliche Vorgänge in den Betrieben seiner Familie und bereitete sich nebenher auf eine Prüfung zum vereidigten Wirtschaftsprüfer vor. Eine geistige Leistungseinschränkung ist damit nicht zu vereinbaren. Für die Verursachung der kognitiven Leistungsminderung durch die Depression spricht nach den überzeugenden Ausführungen von Priv.-Doz. Dr. Sch. auch die Synchronität von psychischer und geistiger Beeinträchtigung sowie der Umstand, dass die Einschränkungen im Alltags- und Berufsleben noch als erheblich gravierender erlebt werden, als es die Testleistungen annehmen lassen. Ob auch eine organische Erkrankung, hier also die diagnostizierte Hirnatrophie als Mitursache der verminderten Fähigkeit des Klägers zur Konzentration in Betracht kommt, kann offen bleiben. Denn - wie ausgeführt - ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Hirnatrophie und beruflichen Einwirkungen nicht wahrscheinlich.
Damit ist auch die Annahme der H.-Klinik über das Vorliegen eines - auch von Dr. B. so nicht diagnostizierten - hirnorganischen Psychosyndroms als Synonym einer Enzephalopathie (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 329) widerlegt. Abgesehen davon, dass die dort behandelnden Ärzte ohnehin keinen ursächlichen Zusammenhang mit beruflichen Einwirkungen, sondern eine familiäre Form eines vorzeitigen diffusen Hirnabbaus am wahrscheinlichsten sahen, haben sie die beim Kläger vorliegende Depression mit ihren Auswirkungen auf das geistige Leistungsvermögen verkannt.
Der Auffassung des Sachverständigen Dr. B. folgt der Senat nicht. Dr. B. hat als Diagnosen eine Neuropathie, eine ausgeprägte Myopathie, Gleichgewichtsstörungen, eine schwere Hirnleistungsminderung und Wesensänderung sowie ein Colon-Carzinom angegeben. Dass letzteres keine Berufskrankheit ist, hat der Senat bereits mit Urteil vom 25.01.2007 entschieden. Das Sozialgericht hat darüber hinaus zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei den von Dr. B. genannten Gleichgewichtsstörungen nicht um eine medizinische Diagnose, sondern um eine Beschreibung von Beschwerden handelt.
Dr. B. hat bereits das Vorliegen einer Enzephalopathie nicht ausreichend dargetan. Zwar hat er eine Hirnleistungsminderung diagnostiziert. Dass dieser eine diffuse Schädigung des Gehirns zu Grunde liegen würde, ergibt sich aus seinem Gutachten jedoch nicht. Einen eindeutigen Beleg für eine hirnorganische Schädigung hat Dr. B. weiter in der von ihm veranlassten PET-Untersuchung gesehen. Dabei entsprechen die PET-Befunde nach den Ausführungen von Dr. B. dem vom Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Sch. dargestellten kernspintomographischen Befund. Dieser spricht aber - wie bereits dargelegt - weder für eine Enzephalopathie noch für eine sonstige toxische Hirnschädigung. Darüber hinaus hat Dr. B. auch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Hirnleistungsminderung und einer Schädigung durch Lösungsmittel oder deren Gemische oder durch sonstige Einwirkungen nicht schlüssig dargelegt. Er hat ohne weiteren Beleg lediglich behauptet, die toxische Belastung in Schreinereien sei hoch, und ausgeführt, dass eine genaue Beziehung zwischen einem bestimmten Arbeitsstoff und einem bestimmten Schaden nicht hergestellt werden könne. Damit aber fehlt es gerade an der notwendigen Begründung für einen ursächlichen Zusammenhang.
Soweit Dr. B. eine von der Nr. 1317 der Anlage zur BKV erfasste Polyneuropathie diagnostiziert hat, sind von ihm keine hinreichenden Befunde dokumentiert, die eine derartige Diagnose stützen würden. Die im Rahmen der Befunderhebung angegebene handschuh- und sockenförmige Hypästhesie und Hyperpathie ist mangels der Angabe näherer Untersuchungsbefunde nicht nachvollziehbar. Demgegenüber hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Sch. derartige Beschwerden gerade nicht angegeben; solche gehen auch aus dem Entlassungsbericht der H.-Klinik nicht hervor. Ergänzend ist anzumerken, dass das ärztliche Merkblatt zur Nr. 1317 der Anlage zur BKV (a.a.O.) nach wie vor festhält, dass sich die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie in der Regel in engem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition entwickelt und (nur) vereinzelt Krankheitsabläufe berichtet worden sind, in denen die klinische Diagnose erst zwei bis drei Monate nach Ende der Exposition erstmals gestellt wird. Ein derartiger enger zeitlicher Zusammenhang ist, selbst wenn sich bei der Begutachtung durch Dr. B. im September 2003 ein Hinweis auf eine Polyneuropathie ergeben hätte, nicht gegeben.
Soweit Dr. B. eine Myopathie festgestellt hat, fehlt auch insoweit eine tragfähige Begründung für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs mit beruflichen Einwirkungen.
Auch eine Erkrankung, die wie eine BK anzuerkennen ist, liegt nicht vor. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (sog. gruppentypische Risikoerhöhung). Da - wie ausgeführt - ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beim Kläger nachgewiesenen Gesundheitsstörungen und den behaupteten beruflichen Einwirkungen nicht zu begründen ist, kommt auch eine "Wie-BK" nicht in Betracht. Auf die Frage einer gruppentypischen Risikoerkrankung kommt es deshalb nicht an. Das von Prov.-Doz. Dr. Sch. zu dieser Frage angeregte arbeitsmedizinische Gutachten ist somit nicht erforderlich.
Den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch Prof. Dr. F.-B. und eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG durch Prof. Dr. H. lehnt der Senat ab.
Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des Behinderten, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Einer wiederholten Antragstellung muss jedoch nur gefolgt werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Ein besonderer Umstand kann darin liegen, dass es sich bei den Ärzten jeweils um Spezialisten handelt, wobei jeder für sein Sachgebiet Stellung nehmen soll. Sind für einzelne Gesundheitsstörungen mehrere Facharztgruppen zuständig, kann aber nicht pauschal vorgebracht werden, ein Vertreter der jeweils anderen Facharztgruppe verfüge über eine größere Sachkunde, vielmehr muss im Einzelfall dargetan werden, warum der neue Gutachter in dem konkreten Fall zusätzliche entscheidende Erkenntnisse vorbringen kann. Bei verwandten Fachrichtungen ist in der Regel kein Grund für ein weiteres Gutachten gegeben (Keller in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 109 Rdnr. 10b).
Vorliegend ist auf Antrag des Klägers bereits ein Gutachten - mit testpsychologischer Befundung - nach § 109 SGG beim Nervenarzt Dr. B. eingeholt worden. Die vom Kläger in erster Linie behauptete BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV und das in Rede stehende Krankheitsbild mit den vom Kläger dargestellten mentalen Einschränkungen fällt gerade in das Fachgebiet des Dr. B ... Damit liegt ein Gutachten nach § 109 SGG auf dem maßgeblichen Fachgebiet vor. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren grundlegenden Erkenntnisse Prof. Dr. F.-B. insoweit einbringen könnte. Der Kläger hat nicht einmal dargetan, welchem medizinischen Sachgebiet Prof. Dr. F.-B. zuzuordnen ist. Allein der Umstand, dass der Kläger den von ihm selbst benannten Dr. B. im Nachhinein als ungeeignet ansieht, die kausalen Fragen des vorliegenden Falles noch tiefer gehend zu begründen, rechtfertigt ebenso wenig die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG wie der Umstand, dass Dr. B. weder das Gericht erster Instanz noch den Senat zu überzeugen vermag.
Prof. Dr. H. ist kein approbierter Arzt, sodass er bereits deshalb nicht für die Erstattung eines Gutachtens nach § 109 SGG in Frage kommt. Inwieweit der Antrag des Klägers auf Anhörung des Prof. Dr. H. dahin auszulegen ist, diesen lediglich als Hilfsperson eines anderen Sachverständigen mit einer psychologischen Untersuchung zu beauftragen, stellt sich nicht, weil der Senat - wie dargelegt - kein weiteres Gutachten einholt. Im Übrigen hat eine testpsychologische Untersuchung des Klägers bereits im Zusammenhang mit der Begutachtung durch Dr. B. stattgefunden.
Auch die weiteren, vom Kläger mit Schriftsatz vom 17.12.2007 gestellten Beweisanträge lehnt der Senat ab. Die ersten beiden Beweisanträge beziehen sich auf die Ursache des vom Kläger behaupteten hirnorganischen Psychosyndroms (Synonym einer Enzephalopathie). Da der Senat aber ein solches hirnorganisches Psychosyndrom nicht als nachgewiesen ansieht, kann auch eine Ursache hierfür nicht geklärt werden. Im Übrigen hat Priv.-Doz. Dr. Sch. in seinem Sachverständigengutachten gerade zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den beruflichen Expositionen des Klägers, wozu auch die Stoffe gehörten, auf die sich der Beweisantrag bezieht, und den beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen Stellung genommen. Die weiteren Beweisanträge betreffen vom Kläger als fehlerhaft angenommene oder vermisste Argumentationspunkte des Sozialgerichts. Hierauf kommt es indessen nicht an. Der Senat ist nicht auf die Überprüfung einzelner Argumentationspunkte des angefochtenen Urteils beschränkt, sondern beurteilt die streitige Frage des Vorliegens einer BK auf Grund der gesamten Umstände des vorliegenden Falles und er stützt sich gerade auf ein zur streitigen Frage eingeholtes Sachverständigengutachten, jenes von Priv.-Doz. Dr. Sch ...
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung eines hirnorganischen Psychosyndroms als Berufskrankheit (BK).
Der am 1947 geborene Kläger besuchte nach Abschluss der Volksschule eine Handelsschule und erwarb die Mittlere Reife. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Danach arbeitete er in der Buchhaltung und bildete sich zum Steuerbevollmächtigten weiter. Im Jahr 1980 gründete er eine eigene Praxis und legte 1986 die Übergangsprüfung zum Steuerberater ab. Nach Weiterbildung zum vereidigten Buchprüfer war er ab 1988 bis zur Feststellung eines Adeno-Karzinoms des Dickdarms (Januar 1999) als solcher tätig. Die Anerkennung des Karzinoms als BK ist bestandskräftig abgelehnt (rechtskräftiges Urteil des Senats vom 25.01.2007, L 10 U 4822/03).
Im elterlichen Unternehmen (bis 1974 Firma F. X. B., Bau- und Möbelschreinerei, Fensterbau, danach bis Februar 1999 Firma F. X. B. Isolierglasfabrik), an dem er später als Mitgesellschafter beteiligt war, half er nach eigenen Angaben schon ab 1952: Von 1961 bis 1991 arbeitete er nebenberuflich ca. drei Stunden täglich bzw. samstags acht Stunden sowie ab 1991 bis 1998 etwa eine Stunde täglich, zu 40% im Maschinensaal sowie im Bereich der Spänesilos und des Bankraums, zu 30% in der Lackiererei und Holzimprägnierung und zu 30% in der Isolierglasfabrikation. Außerdem reinigte er (bis 1975) das Lokomobil, eine Art Dampfmaschine. Der Lackierbereich war ca. 40 qm groß und bis 1990 erfolgte die Lüftung nur über die Fenster. Ab 1991 war eine Trockenabsaugung mit ca. 6 qm Filterfläche eingebaut. Verarbeitet wurden Nitrolacke, Acryllacke und bis 1965 auch Wasserbeizen, die selbst angemischt wurden. Es wurde häufig gestrichen und teilweise auch mit der Becherpistole lackiert. Als Reinigungsmittel diente Nitroverdünnung. Unter anderem bestand Kontakt mit den aliphatischen Kohlenwasserstoffen n-Hexan und n-Heptan, den Alkoholen Methanol, Ethanol und Isopropanol, den Ketonen Butanon-2, 2-Hexanon, MEK und MIBK sowie mit den aromatischen Kohlenwasserstoffen Benzol, Toluol, Xylol und Styrol. Außerdem hatte er - so seine Angaben - Kontakt zu Holzstäuben sowie bei der Reinigung des Lokomobils bis 1975 mit Verbrennungsrückständen. An den Einsatz von Asbest, Eternit und Trichlorethylen (Tri) konnte er sich bei einer Befragung vom 25.05.2000 nicht erinnern. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der beruflichen Belastung wird auf die Angaben des Klägers (Bl. 40 f. der Verwaltungsakten) und den Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten Dr. S. der Beklagten vom 02.06.2000 verwiesen, dem auch vom Kläger vorgelegte (20) Aktenordner mit allen Produkten, die für den Betrieb gekauft worden waren, vorlagen (Bl. 144 ff. der Verwaltungsakten).
Anlässlich einer stationären Behandlung in der H.-Klinik vom 28.09.1999 bis 17.12.1999 wurde u.a. ein hirnorganisches Psychosyndrom (familiäre Form eines vorzeitigen diffusen Hirnabbaus) diagnostiziert.
Den auf das hirnorganische Psychosyndrom bezogenen Antrag des Klägers vom 03.02.2000 auf Anerkennung einer Berufskrankheit und Zahlung einer Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.10.2000 und Widerspruchsbescheid vom 30.04.2001 ab. Die Erkrankung des Klägers sei keine Berufskrankheit nach der derzeit gültigen Liste der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), es handele sich auch um keine Erkrankung, die gemäß § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) wie eine Berufskrankheit zu entschädigen sei. Grundlage hierfür waren ein vom Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer beigezogenes Gutachten von Prof. Dr. L. (dementielles Syndrom leichter Ausprägung im Sinne einer Demenz bei Alzheimerkrankheit mit frühem Beginn), eine Stellungnahme des Dr. S. und eine Stellungnahme des Beratungsarztes Prof. Dr. K. (Bl. 163 der Verwaltungsakten).
Deswegen hat der Kläger am 25.05.2001 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, das hirnorganische Psychosyndrom sei auf seine nebenberufliche Tätigkeit in der Schreinerei sowie die Fenster- und Isolierglasbearbeitung in den Jahren 1961 bis 1998 wie auch auf seine Mithilfe im Kindesalter und während seiner Schulzeit ab 1952 zurückzuführen.
Das SG hat ein neurologisch-neuropsychologisches Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Sch. mit neuroradiologischem Zusatzgutachten von Dr. Sch. und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten durch den Nervenarzt Dr. B. eingeholt. Priv.-Doz. Dr. Sch. hat eine Depression, eine funktionelle kognitive Störung im Rahmen einer Depression und entsprechend dem neuroradiologischen Zusatzgutachten von Prof. Dr. Sch. (MRT des Schädels) eine ätiologisch unklare, fokal akzentuierte äußere Hirnatrophie festgestellt. Aus dem kernspintomografischen Befund und dem Befund des ebenfalls durchgeführten EEG ließen sich keine positiven Anhalte für eine Gehirnerkrankung infolge von Lösungsmittel- oder sonstigen Vergiftungen ableiten. Insbesondere bestehe keine diffuse Hirnsubstanzminderung (Hirnatrophie), keine Veränderung der weißen Substanz (Marklager) und keine Allgemeinveränderung im EEG als Ausdruck einer evtl. diffusen Funktionsstörung. Dr. B. hat ausgeführt, der Kläger leide an einer Neuropathie, einer ausgeprägten Myopathie, ausgeprägten Gleichgewichtsstörungen, einer schweren Hirnleistungsminderung und Wesensänderung (mehrmaliger Nachweis in der Psychometrie und bei zweimaliger Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Untersuchung) und einem Colon-Carzinom, die sämtlich durch die Arbeit in der Schreinerei des Vaters und später im eigenen Betrieb verursacht seien. Die PET-Befunde und der von Priv.-Doz. Dr. Sch. zitierte kernspintomografische Befund würden einander entsprechen. Wenn eine Hirnatrophie so ausgeprägt sei, dass sie schon mit der relativ ungenauen Untersuchung des Kernspintomogramms festgestellt werden könne, liege immer eine schwere Hirnschädigung vor. Im Wesentlichen fielen die Schäden unter die Nr. 1317 der Anlage zur BKV.
Mit Urteil vom 26.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Erkrankung, die einer der Nummern der Berufskrankheitenliste zugeordnet werden könne, sei nicht nachgewiesen. Darüber hinaus fehle es an einer exakt definierten Erkrankung, für die die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII konkret geprüft werden könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG verwiesen.
Gegen das am 24.12.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.01.2005 Berufung eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, das Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Sch. , auf welches sich das SG stütze, sei unvollständig, nicht plausibel und würdige das Gesamtbild seiner Erkrankungen nicht. Außerdem habe es das SG unterlassen, ein arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen, obwohl Priv.-Doz. Dr. Sch. dies ausdrücklich für notwendig erachtet habe. Die Beurteilung der H.-Klinik und das Gutachten von Prof. Dr. L. könnten allenfalls bezüglich der Diagnose, nicht hingegen zur Kausalität übernommen werden, da es Dr. A. (Facharzt für psychotherapeutische Medizin und Psychiatrie) von der H.-Klinik und Prof. Dr. L. (Diplompsychologe) an fachlicher Kompetenz fehle. Hingegen habe Dr. B. durch die Psychometrie, die PET-Untersuchung und eine Muskelbiopsie die organischen Schäden des Klägers eindeutig nachgewiesen und insgesamt schlüssig dargelegt, dass eine Berufskrankheit vorliege. Des Weiteren habe das SG es unterlassen, die Arbeitsstoffe des Klägers zu ermitteln, deren Toxizität zu klären, die Sicherheitsblätter der Produkte beizuziehen und eine weitere fachspezifische Begutachtung zu veranlassen.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgericht Freiburg vom 26.10.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2001 aufzuheben und festzustellen, dass die bei dem Kläger bestehende Erkrankung (insbesondere ein hirnorganisches Psychosyndrom) eine Berufskrankheit der Anlage zur BKV bzw. nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist, hilfsweise nach § 109 SGG Gutachten bei Prof. Dr. F.-B. und Prof. Dr. H. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, die Untersuchungen von Dr. B. seien unvollständig, außerdem habe Dr. B. die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie nie ausdrücklich gestellt. Die PET- Untersuchung sei nur für eine Stoffwechselstörung beweisend und spreche nach ihrem Verlauf eher für eine degenerative Erkrankung. Unabhängig davon sei der Nachweis des Merkmals einer "chronischen Lösungsmittelexposition" fraglich.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Das geschieht in der BKV, der in der Anlage 1 eine Liste der entschädigungspflichtigen BKen angefügt ist. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehört auch die hier vorrangig geltend gemachte Nr. 1317 der Anlage zur BKV: "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische".
Voraussetzung für die Anerkennung und ggf. Entschädigung einer Erkrankung als BK ist in diesen Fällen zum einen, dass der schädigende Stoff ("Listenstoff") generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffs wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht. Der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit gilt jedenfalls für den konkret-individuellen Kausalzusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit in innerem Zusammenhang stehenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung ("haftungsbegründende Kausalität") und zwischen dieser und dem Eintritt der Erkrankung ("haftungsausfüllende Kausalität").
Beim Kläger liegt keine Erkrankung vor, die auf die von ihm behaupteten Einwirkungen zurückzuführen ist. Denn eine toxikologische oder mit sonstigen beruflichen Einwirkungen zusammenhängende Genese der nachgewiesenen Gesundheitsstörungen ist nicht wahrscheinlich. Dementsprechend braucht der Senat die genaue Art und das genaue Ausmaß der beruflichen Expositionen nicht weiter abklären.
Insbesondere leidet der Kläger nicht an einer von Nr. 1317 der Anlage zur BKV erfassten Polyneuropathie oder Enzephalopathie.
Der Senat kann sich bereits nicht davon überzeugen, dass der Kläger an einer Enzephalopathie leidet. Bei einer Enzephalopathie handelt es sich um eine nichtentzündliche, diffuse Erkrankung oder Schädigung des Gehirns mit vielfältiger Ätiologie (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 531). Eine solche diffuse Schädigung des Gehirns ist bei dem Kläger nicht nachgewiesen. Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Sch. hat - dem radiologischen Zusatzgutachten des Prof. Dr. Sch. folgend - dargelegt, dass nach dem kernspintomografischen Befund zwar eine fokal akzentuierte äußere Hirnatrophie, nicht jedoch eine diffuse Hirnsubstanzminderung und auch keine Veränderung der weißen Substanz (Marklager) besteht. Auch besteht nach den Feststellungen von Priv.-Doz. Dr. Sch. keine Allgemeinveränderung des EEG als Ausdruck einer diffusen Funktionsstörung. Nachgewiesen ist somit insgesamt lediglich eine fokale Hirnatrophie im Bereich des hinteren Stirnlappens und des Scheitellappens beidseits, nicht jedoch eine diffuse Hirnatrophie.
Auch eine andere, von der Anlage zur BKV erfasste und mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einwirkungen zurückzuführende Erkrankung liegt nicht vor. Der Kläger leidet nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Sch. an einer Depression, einer funktionellen Störung im Rahmen der Depression und - wie bereits ausgeführt - einer ätiologisch unklaren, fokal akzentuierten äußeren Hirnatrophie.
Die im MRT des Schädels dargestellte fokal akzentuierte äußere Hirnatrophie kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf eine Exposition gegenüber den vom Kläger angeschuldigten Stoffen zurückgeführt werden. Dagegen sprechen - so zusammenfassend Priv.-Doz. Dr. Sch. - der zeitliche Ablauf, das Fehlen relevanter Befunde in den apparativen Untersuchungen und das Vorhandensein alternativer Erklärungen für die vorliegenden Gesundheitsstörungen.
Für den Senat überzeugend hält es der Sachverständige für unplausibel, wenn der Kläger erst viele Jahre nach einer Reduzierung der Tätigkeit in der Isolierglasfabrik eine gravierende Einschränkung der Leistungsfähigkeit erlitten hat. Ausgehend davon, dass der Kläger seine Tätigkeit in der Isolierglasfabrik Anfang der 90er Jahre deutlich verringerte, hätte eine intoxikationsbedingte Hirnleistungsminderung ihren Gipfel 1990/1991 oder spätestens wenige Jahre danach haben müssen. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Neufassung des ärztlichen Merkblattes zur BK 1317 (abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317) eine Progredienz der Beschwerden nach Expositionsende bzw. eine lange Latenzzeit nicht (mehr) als Ausschlusskriterium für einen beruflichen Zusammenhang aufführt, führt dies hier nicht weiter. Zum einen hält das Merkblatt auch fest, dass toxische Enzephalopathien in der Regel noch während der Expositionszeit auftreten. Ist ein solcher Regelfall nicht gegeben, müssen jedenfalls andere Umstände für einen Zusammenhang der Symptome mit toxisch wirkenden Stoffen sprechen. Zum anderen liegt - wie bereits dargelegt - beim Kläger gar keine Enzephalopathie vor. Keinesfalls lässt sich schließlich mit dem Fehlen eines zeitlichen Zusammenhangs ein ursächlicher Zusammenhang begründen. Die gilt nicht nur für die Nr. 1317 der Anlage zur BKV, sondern generell.
Andere für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände liegen nicht vor. Aus dem kernspintomografischen Befund und dem EEG-Befund lassen sich gerade keine positiven Anhalte für eine Gehirnerkrankung infolge von Lösungsmittel- oder sonstigen Vergiftungen ableiten. Der MRT-Befund hat - wie bereits erwähnt - keine für eine solche Genese sprechende diffuse Hirnsubstanzminderung oder eine Veränderung der weißen Substanz (Marklager) ergeben, ebenso wenig zeigten sich im EEG Allgemeinveränderungen als Ausdruck einer diffusen Funktionsstörung. Der Befund einer fokalen Atrophie passt - so der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Sch. - nicht zu der Annahme einer Intoxikationsfolge. Eben weil - so zutreffend der Sachverständige - die Auswirkungen toxischer Schädigungen des Gehirns meistens unspezifisch sind, wäre eine diffuse Schädigung mit einer diffusen Symptomatik zu erwarten. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ist insoweit nicht geboten. Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Sch. hat lediglich dargelegt, dass die fokale Substanzminderung der Hirnrinde erstes Anzeichen einer degenerativen Erkrankung sein kann und diesbezüglich - also für deren Nachweis - auf weitere Untersuchungsmöglichkeiten hingewiesen. Der Nachweis einer degenerativen Erkrankung ist jedoch für die Entscheidung des Senats nicht erforderlich. Er würde nur einen ursächlichen Zusammenhang mit beruflichen Belastungen ausschließen. Diesen Zusammenhang verneint der Senat jedoch auch ohne diese Ermittlungen aus den dargestellten Gründen. Dementsprechend kommt dem Aspekt einer degenerativen Erkrankung als alternative Erklärung für die Kausalitätsbeurteilung auch nur untergeordnete Bedeutung zu. Nur am Rande ist in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf hinzuweisen, dass - ohne dass hier eine weitere Sachaufklärung möglich erscheint - sich in der Familie des Klägers Fälle von "demenzieller" Auffälligkeit häufen. So hat er selbst angegeben, nicht nur sein Vater, sondern auch Onkel hätten solche Auffälligkeiten gezeigt.
Die von Priv.-Doz. Dr. Sch. diagnostizierte Depression ist nicht auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen. Sie trat erstmals in Gefolge der - nicht beruflich bedingten (s. Urteil des Senats vom 25.01.2007, L 10 U 4822/03) - Karzinom-Erkrankung auf und steht mit dieser Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang, möglicherweise auch mit der jahrzehntelangen Überlastung des Klägers. Ob eine organische Hirnerkrankung, hier in Form der diagnostizierten Hirn-atrophie insoweit ebenfalls eine Rolle spielt, lässt sich - so zutreffend Priv.-Doz. Dr. Sch. - nicht klären, wobei dieser Frage in Ermangelung eines begründbaren ursächlichen Zusammenhangs einer solchen Hirnerkrankung mit beruflicher Exposition ohnehin keine durchschlagende Bedeutung zukommt.
Die von dem Kläger geltend gemachte kognitive Leistungsminderung ist nach den überzeugenden Ausführungen von Priv.-Doz. Dr. Sch. mit Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise auf die Depression zurückzuführen, die sich infolge der Krebserkrankung und der in der Vergangenheit bestandenen jahrzehntelangen beruflichen und familiären Überlastung (Pflege des Vaters) entwickelt hat. Auch wenn der Kläger und seine Ehefrau bei der Untersuchung angegeben haben, dass dieser "schon über die letzten 15 Jahre nachgelassen" habe, ist eine (wesentliche) Leistungsminderung erst im Zusammenhang mit der Darmkrebserkrankung im Jahr 1999 anzunehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt führte der Kläger eine Steuerberater-Kanzlei mit mehreren Mitarbeitern, betreute schwierige geschäftliche, rechtliche und steuerliche Vorgänge in den Betrieben seiner Familie und bereitete sich nebenher auf eine Prüfung zum vereidigten Wirtschaftsprüfer vor. Eine geistige Leistungseinschränkung ist damit nicht zu vereinbaren. Für die Verursachung der kognitiven Leistungsminderung durch die Depression spricht nach den überzeugenden Ausführungen von Priv.-Doz. Dr. Sch. auch die Synchronität von psychischer und geistiger Beeinträchtigung sowie der Umstand, dass die Einschränkungen im Alltags- und Berufsleben noch als erheblich gravierender erlebt werden, als es die Testleistungen annehmen lassen. Ob auch eine organische Erkrankung, hier also die diagnostizierte Hirnatrophie als Mitursache der verminderten Fähigkeit des Klägers zur Konzentration in Betracht kommt, kann offen bleiben. Denn - wie ausgeführt - ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Hirnatrophie und beruflichen Einwirkungen nicht wahrscheinlich.
Damit ist auch die Annahme der H.-Klinik über das Vorliegen eines - auch von Dr. B. so nicht diagnostizierten - hirnorganischen Psychosyndroms als Synonym einer Enzephalopathie (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 329) widerlegt. Abgesehen davon, dass die dort behandelnden Ärzte ohnehin keinen ursächlichen Zusammenhang mit beruflichen Einwirkungen, sondern eine familiäre Form eines vorzeitigen diffusen Hirnabbaus am wahrscheinlichsten sahen, haben sie die beim Kläger vorliegende Depression mit ihren Auswirkungen auf das geistige Leistungsvermögen verkannt.
Der Auffassung des Sachverständigen Dr. B. folgt der Senat nicht. Dr. B. hat als Diagnosen eine Neuropathie, eine ausgeprägte Myopathie, Gleichgewichtsstörungen, eine schwere Hirnleistungsminderung und Wesensänderung sowie ein Colon-Carzinom angegeben. Dass letzteres keine Berufskrankheit ist, hat der Senat bereits mit Urteil vom 25.01.2007 entschieden. Das Sozialgericht hat darüber hinaus zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei den von Dr. B. genannten Gleichgewichtsstörungen nicht um eine medizinische Diagnose, sondern um eine Beschreibung von Beschwerden handelt.
Dr. B. hat bereits das Vorliegen einer Enzephalopathie nicht ausreichend dargetan. Zwar hat er eine Hirnleistungsminderung diagnostiziert. Dass dieser eine diffuse Schädigung des Gehirns zu Grunde liegen würde, ergibt sich aus seinem Gutachten jedoch nicht. Einen eindeutigen Beleg für eine hirnorganische Schädigung hat Dr. B. weiter in der von ihm veranlassten PET-Untersuchung gesehen. Dabei entsprechen die PET-Befunde nach den Ausführungen von Dr. B. dem vom Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Sch. dargestellten kernspintomographischen Befund. Dieser spricht aber - wie bereits dargelegt - weder für eine Enzephalopathie noch für eine sonstige toxische Hirnschädigung. Darüber hinaus hat Dr. B. auch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Hirnleistungsminderung und einer Schädigung durch Lösungsmittel oder deren Gemische oder durch sonstige Einwirkungen nicht schlüssig dargelegt. Er hat ohne weiteren Beleg lediglich behauptet, die toxische Belastung in Schreinereien sei hoch, und ausgeführt, dass eine genaue Beziehung zwischen einem bestimmten Arbeitsstoff und einem bestimmten Schaden nicht hergestellt werden könne. Damit aber fehlt es gerade an der notwendigen Begründung für einen ursächlichen Zusammenhang.
Soweit Dr. B. eine von der Nr. 1317 der Anlage zur BKV erfasste Polyneuropathie diagnostiziert hat, sind von ihm keine hinreichenden Befunde dokumentiert, die eine derartige Diagnose stützen würden. Die im Rahmen der Befunderhebung angegebene handschuh- und sockenförmige Hypästhesie und Hyperpathie ist mangels der Angabe näherer Untersuchungsbefunde nicht nachvollziehbar. Demgegenüber hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Sch. derartige Beschwerden gerade nicht angegeben; solche gehen auch aus dem Entlassungsbericht der H.-Klinik nicht hervor. Ergänzend ist anzumerken, dass das ärztliche Merkblatt zur Nr. 1317 der Anlage zur BKV (a.a.O.) nach wie vor festhält, dass sich die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie in der Regel in engem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition entwickelt und (nur) vereinzelt Krankheitsabläufe berichtet worden sind, in denen die klinische Diagnose erst zwei bis drei Monate nach Ende der Exposition erstmals gestellt wird. Ein derartiger enger zeitlicher Zusammenhang ist, selbst wenn sich bei der Begutachtung durch Dr. B. im September 2003 ein Hinweis auf eine Polyneuropathie ergeben hätte, nicht gegeben.
Soweit Dr. B. eine Myopathie festgestellt hat, fehlt auch insoweit eine tragfähige Begründung für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs mit beruflichen Einwirkungen.
Auch eine Erkrankung, die wie eine BK anzuerkennen ist, liegt nicht vor. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (sog. gruppentypische Risikoerhöhung). Da - wie ausgeführt - ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beim Kläger nachgewiesenen Gesundheitsstörungen und den behaupteten beruflichen Einwirkungen nicht zu begründen ist, kommt auch eine "Wie-BK" nicht in Betracht. Auf die Frage einer gruppentypischen Risikoerkrankung kommt es deshalb nicht an. Das von Prov.-Doz. Dr. Sch. zu dieser Frage angeregte arbeitsmedizinische Gutachten ist somit nicht erforderlich.
Den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch Prof. Dr. F.-B. und eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG durch Prof. Dr. H. lehnt der Senat ab.
Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des Behinderten, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Einer wiederholten Antragstellung muss jedoch nur gefolgt werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Ein besonderer Umstand kann darin liegen, dass es sich bei den Ärzten jeweils um Spezialisten handelt, wobei jeder für sein Sachgebiet Stellung nehmen soll. Sind für einzelne Gesundheitsstörungen mehrere Facharztgruppen zuständig, kann aber nicht pauschal vorgebracht werden, ein Vertreter der jeweils anderen Facharztgruppe verfüge über eine größere Sachkunde, vielmehr muss im Einzelfall dargetan werden, warum der neue Gutachter in dem konkreten Fall zusätzliche entscheidende Erkenntnisse vorbringen kann. Bei verwandten Fachrichtungen ist in der Regel kein Grund für ein weiteres Gutachten gegeben (Keller in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 109 Rdnr. 10b).
Vorliegend ist auf Antrag des Klägers bereits ein Gutachten - mit testpsychologischer Befundung - nach § 109 SGG beim Nervenarzt Dr. B. eingeholt worden. Die vom Kläger in erster Linie behauptete BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV und das in Rede stehende Krankheitsbild mit den vom Kläger dargestellten mentalen Einschränkungen fällt gerade in das Fachgebiet des Dr. B ... Damit liegt ein Gutachten nach § 109 SGG auf dem maßgeblichen Fachgebiet vor. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren grundlegenden Erkenntnisse Prof. Dr. F.-B. insoweit einbringen könnte. Der Kläger hat nicht einmal dargetan, welchem medizinischen Sachgebiet Prof. Dr. F.-B. zuzuordnen ist. Allein der Umstand, dass der Kläger den von ihm selbst benannten Dr. B. im Nachhinein als ungeeignet ansieht, die kausalen Fragen des vorliegenden Falles noch tiefer gehend zu begründen, rechtfertigt ebenso wenig die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG wie der Umstand, dass Dr. B. weder das Gericht erster Instanz noch den Senat zu überzeugen vermag.
Prof. Dr. H. ist kein approbierter Arzt, sodass er bereits deshalb nicht für die Erstattung eines Gutachtens nach § 109 SGG in Frage kommt. Inwieweit der Antrag des Klägers auf Anhörung des Prof. Dr. H. dahin auszulegen ist, diesen lediglich als Hilfsperson eines anderen Sachverständigen mit einer psychologischen Untersuchung zu beauftragen, stellt sich nicht, weil der Senat - wie dargelegt - kein weiteres Gutachten einholt. Im Übrigen hat eine testpsychologische Untersuchung des Klägers bereits im Zusammenhang mit der Begutachtung durch Dr. B. stattgefunden.
Auch die weiteren, vom Kläger mit Schriftsatz vom 17.12.2007 gestellten Beweisanträge lehnt der Senat ab. Die ersten beiden Beweisanträge beziehen sich auf die Ursache des vom Kläger behaupteten hirnorganischen Psychosyndroms (Synonym einer Enzephalopathie). Da der Senat aber ein solches hirnorganisches Psychosyndrom nicht als nachgewiesen ansieht, kann auch eine Ursache hierfür nicht geklärt werden. Im Übrigen hat Priv.-Doz. Dr. Sch. in seinem Sachverständigengutachten gerade zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den beruflichen Expositionen des Klägers, wozu auch die Stoffe gehörten, auf die sich der Beweisantrag bezieht, und den beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen Stellung genommen. Die weiteren Beweisanträge betreffen vom Kläger als fehlerhaft angenommene oder vermisste Argumentationspunkte des Sozialgerichts. Hierauf kommt es indessen nicht an. Der Senat ist nicht auf die Überprüfung einzelner Argumentationspunkte des angefochtenen Urteils beschränkt, sondern beurteilt die streitige Frage des Vorliegens einer BK auf Grund der gesamten Umstände des vorliegenden Falles und er stützt sich gerade auf ein zur streitigen Frage eingeholtes Sachverständigengutachten, jenes von Priv.-Doz. Dr. Sch ...
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved