L 7 KA 1116/02 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 29 KA 2596/02 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 KA 1116/02 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf EUR 2.000,-.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz ist die vom Antragsteller begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich des Sofortvollzugs der Beendigung der Gemeinschaftspraxis des Antragstellers und seiner getrennt lebenden Ehefrau, der Beigeladenen zu 9).

Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 31. August 1993 wurde die Ausübung der Gemeinschaftspraxis zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen zu 9) genehmigt. Mit Schreiben vom 5. Februar 2002, zugegangen bei der Beigeladenen zu 1) am 8. März 2002, beantragte die Beigeladene zu 9) die Auflösung der Gemeinschaftspraxis und begründete dies u.a. damit, dass sie seit Dezember 2001 von dem Antragsteller getrennt lebe und dieser bei dem Amtsgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt habe, die die Praxis und sie ruiniere. Mit Beschluss vom 30. April 2002 stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte in Hessen fest, dass die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 9) und des Antragstellers am 31. März 2002 geendet habe. Hiergegen hat der Antragsteller am 10. Mai 2002 Widerspruch eingelegt. Die Beigeladene zu 9) hat die sofortige Vollziehung der Beendigung beantragt. Mit Beschluss vom 24. Juli 2002 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück und ordnete den Sofortvollzug der Entscheidung an. In der Begründung führte er u.a. aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 19.8.1992 = NJW 1993, S. 1547) auch die Beendigung einer Gemeinschaftspraxis durch Verwaltungsakt erfolge. Danach müssten für die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit mindestens drei Anforderungen erfüllt sein, es müsste sich um Vertragsärzte handeln, es müsste eine gemeinsame Ausübung ärztlicher Tätigkeit vorliegen und es müsste eine Genehmigung des Zulassungsausschusses erteilt sein. Mit dem Wegfall auch nur einer der drei Voraussetzungen fehle die Grundlage und die mit der Gemeinschaftspraxis verbundenen Berechtigungen (insbesondere die Patientenbehandlung und Leistungsabrechnung unter einheitlichem Namen sowie die Einschränkung des Gebots der persönlichen Leistungserbringung) fänden ihr Ende. Im vorliegenden Fall reiche die einseitige Erklärung der Beigeladenen zu 9) über den Wegfall der gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit aus. Einer gemeinsamen Erklärung bedürfe es nicht. weil es für die Rechtsfolge der Beendigung einer gemeinsamen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in Bezug auf das Zulassungsrecht nicht auf die Vereinbarungen oder Rechtsbeziehungen privatrechtlicher Natur ankomme. Der Sofortvollzug sei angeordnet worden, da es im Interesse der auch öffentlich-rechtlichen Relevanz von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit liege, gegenüber den in Betracht kommenden Patienten, aber auch gegenüber der Beigeladenen zu 1) und den Kassen definitiv zu klären, dass die Gemeinschaftspraxis nicht mehr bestehe. Dies schon deshalb, weil der Antragsteller vom Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis ausgehe. Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 30. April 2002 hat der Antragsteller Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben (S 29 KA 2487/02) mit dem Ziel der Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Auch gegen den Beschluss vom 24. Juli 2002 hat der Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Am 5. August 2002 hat der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im vorliegenden Verfahren beantragt, den Sofortvollzug aufzuheben. Er hat u.a. vorgetragen, er versuche, mit der Beigeladenen zu 9) im Rahmen des Scheidungsverfahrens eine finanzielle Regelung herbeizuführen. In diesem Rahmen sei am 4. Februar 2002 ein Vergleich geschlossen worden, wonach er monatlich EUR 1.250,- aus der Gemeinschaftspraxis erhalte. Einen Tag nach diesem Vergleich habe die Beigeladene zu 9) die Auflösung der Gemeinschaftspraxis beantragt und wolle damit den Vergleich unterlaufen und ihn finanziell ruinieren. Die Fortführung als Praxisgemeinschaft sei faktisch nicht möglich, da die Angestellten von der Beigeladenen zu 9) eingestellt worden und dieser gegenüber loyal seien. Er habe dann keine Chance, seine Patienten zu halten. Eine Gemeinschaftspraxis könne ebenso wie bei der Gründung auch bei der Trennung nur durch gemeinschaftliche Erklärung aufgelöst werden.

Mit Beschluss vom 9. September 2002 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Antrag sei statthaft, jedoch unbegründet. Die im einstweiligen Rechtsschutz nur mögliche summarische Prüfung ergebe, dass alles für die Erfolglosigkeit der Klage spreche. Nach dem Urteil des BSG vom 19.8.1992 (s.o.) sei bei Beendigung einer Gemeinschaftspraxis ebenso wie bei deren Genehmigung eine Zuständigkeit der Zulassungsgremien gegeben (§ 33 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte - Ärzte-ZV). Mit der Erklärung der Beigeladenen zu 9), die Gemeinschaftspraxis mit dem Antragsteller nicht mehr ausüben zu wollen, fehle eine der drei Voraussetzungen für die Führung einer Gemeinschaftspraxis. Damit genüge die einseitige Erklärung der Beigeladenen zu 9) gegenüber dem Zulassungsausschuss. Die angefochtenen Entscheidungen seien auch nicht wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs rechtswidrig. Der Antragsteller sei zu den Sitzungen ordnungsgemäß geladen worden. Es seien keine nachvollziehbaren Gründe genannt worden, weshalb er an der Teilnahme gehindert gewesen sei. Auch der angeordnete Sofortvollzug sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner habe zu Recht vorrangig auf die Aufrechterhaltung einer ungestörten vertragsärztlichen Versorgung der Patienten abgestellt. Dies wäre bei einer weiteren Beibehaltung einer Gemeinschaftspraxis nicht gesichert, wie sich aus den zahlreichen Vorwürfen des Antragstellers hinsichtlich der bereits bestehenden Probleme mit der Beigeladenen zu 9) ablesen lasse. Der Antragsteller habe sowohl die außergerichtlichen Kosten wie auch die mit Wirkung ab 2. Januar 2002 durch das 6. SGGÄndG eingeführten Gerichtsgebühren gemäß § 197a SGG zu tragen. Gegen den am 12. September 2002 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 7. Oktober 2002 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht Frankfurt am Main am 14. Oktober 2002 nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller trägt vor, der angefochtene Beschluss des Antragsgegners habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, da der Sofortvollzug sich laut Tenor auf die Zurückweisung des Widerspruches beziehe. Das Sozialgericht habe die Bedeutung des Urteils des BSG vom 19.8.1992 verkannt. Wenn zur Begründung einer Gemeinschaftspraxis die Erklärung beider beteiligter Ärzte erforderlich sei, könne es nicht angehen, für die Auflösung die Erklärung lediglich eines Arztes genügen zu lassen. Vielmehr sei eine übereinstimmende Erklärung der an der Gemeinschaftspraxis beteiligten Ärzte erforderlich. Die Beigeladene zu 9) sei an den Vergleich vom 4. Februar 2002 gebunden, der gerade nicht die Auflösung der Gemeinschaftspraxis vorsehe. Sie sei damit rechtlich gehindert gewesen, die Auflösung der Gemeinschaftspraxis zu beantragen. Sie habe auch nicht erklärt, dass sie die vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr gemeinsam mit dem Antragsteller ausüben wolle.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2002 wird die gemäß § 97 Abs. 4 Sozialgesetzbuch 5. Buch vom Antragsgegner mit Beschluss vom 24. Juli 2002 angeordnete sofortige Vollziehung ausgesetzt und die aufschiebende Wirkung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens in der Hauptsache hergestellt.

Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Antragsgegner trägt vor, die Entscheidung vom 24. Juli 2002 habe mit dem Sofortvollzug verbunden werden müssen. Im vorliegenden Fall der Beendigung der vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis schweige das Gesetz in § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV. Die Entscheidung der Zulassungsgremien habe deshalb auch keine rein deklaratorische Wirkung, weshalb Rechtsbehelfe gegen solche Entscheidungen grundsätzlich mit aufschiebender Wirkung verbunden seien. Dementsprechend könne der Antragsgegner nach § 97 Abs. 4 SGB 5 seine Entscheidung mit Sofortvollzug ausstatten, sofern dies im öffentlichen Interesse liege. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug liege in der Vermeidung von Unsicherheiten bei der Abrechnung, aber auch von Irritationen bei den Patienten, denen nicht mehr genügend klar sein könne, wer ihr ärztlicher Partner bei der Behandlung und in einem gedachten Haftungsfall sein könnte. Dies werde bestätigt durch die Beharrlichkeit des Antragstellers, mit der er die Erklärungen seiner Ehefrau missverstehe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 172, 173 form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2002 hat zutreffend den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Auflösung der Gemeinschaftspraxis des Antragstellers und der Beigeladenen zu 9) abgelehnt. Auch nach Auffassung des erkennenden Senates war der zugrundeliegende Beschluss vom 30. April 2002 für die Beendigung der Gemeinschaftspraxis konstitutiv. Dabei kann für die hier zu entscheidende Frage des mit Beschluss vom 24. Juli 2002 angeordneten Sofortvollzuges offen bleiben, ob sich damit eine Rückwirkung des Beschlusses zum 31. März 2002 vereinbaren lässt. Der vom Antragsteller eingelegte Widerspruch führte damit zur aufschiebenden Wirkung, § 86a Abs. 1 SGG. Entsprechend § 97a Abs. 4 SGB 5 konnte der Antragsgegner bei Vorliegen des öffentlichen Interesses den sofortigen Vollzug anordnen. Der erkennende Senat geht davon aus, dass der Ausspruch des Sofortvollzugs im Beschluss vom 24. Juli 2002 nicht im Sinne des Antragstellers missverstanden werden kann. Der Sofortvollzug der Auflösung der Gemeinschaftspraxis war von der Beigeladenen zu 9) beantragt und von dem Antragsgegner ausgesprochen worden. Der Sofortvollzug erfolgte im öffentlichen Interesse und war auch das geeignete Mittel, um weitere Auseinandersetzungen des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 9) innerhalb der Gemeinschaftspraxis zum Schaden der Patienten zu vermeiden und den Beigeladenen zu 1) bis 8) nach der Beendigung der Gemeinschaftspraxis wieder klare Abrechnungs- und Vertragsverhältnisse zu bieten. Die Beendigung der Gemeinschaftspraxis konnte durch einseitige Erklärung der Beigeladenen zu 9) erfolgen, da damit ausreichend sicher dokumentiert wurde, dass es an einem übereinstimmenden Willen der beteiligten Vertragsärzte fehlte, weiterhin die vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam auszuüben (vgl. Urteil des BSG vom 19.8.1992, s.o.). Im übrigen zeigen gerade die gegenseitigen Vorwürfe des Antragstellers und der Beigeladenen zu 9), dass es auch inhaltlich an einer Vertrauensbasis für die Weiterführung der Gemeinschaftspraxis fehlen dürfte, ohne dass es darauf noch ankäme. Soweit der Antragsteller auf die familien- und zivilrechtlichen Auseinandersetzungen und dabei auch auf den Vergleich vom 4. Februar 2002 hinweist, hat dies keine Auswirkung auf die öffentlich-rechtlich zu beurteilende Frage der Beendigung der Gemeinschaftspraxis (vgl. Urteil des BSG vom 19.8.1992, s.o.).
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zur Begründung im übrigen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 9. September 2002 verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 SGG, 154, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung auf EUR 2.000,- beruht auf § 13 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung des Auffangstreitwertes von EUR 4.000,- und der geringeren wertmäßigen Bedeutung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.

Gegen diese Entscheidung findet die Beschwerde nicht statt, da das Landessozialgericht die Entscheidung getroffen hat, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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