Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
6 RJ 407/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 132/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Juni 2006 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente bzw. einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 1999 ergänzend zu der seit 1. August 2001 gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit streitig.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Juni 2006 verwiesen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger im Verfahren S 6 RJ 1147/03 ein Anerkenntnis der Beklagten auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erwirkte, die er dann nicht antrat. Dr. L. ist im Gutachten vom 31. März 2005 zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Kläger liege eine depressive Störung, im Wesentlichen wohl als psycho-reaktive Folge des 1999 stattgehabten schweren Unfalls, vor, die das Leistungsvermögen auf vollschichtig leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, mit der Möglichkeit, die Körperhaltung kurz frei wechseln zu können, mit einem nur geringen Verantwortungsbereich, ohne Zwangshaltungen, ohne Zeitdruck, Akkord-, Schicht- oder Nachtarbeit, ohne Publikumsverkehr und nicht auf Gerüsten oder Leitern oder mit Verletzungsgefahr begrenze. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Hemmungen gegenüber der Aufnahme einer leidensgerechten Tätigkeit könnten mit zumutbarer Willenanspannung überwunden werden. In der mündlichen Verhandlung hat Dr. L. sein Gutachten erläutert und im Übrigen eine medizinische Rehabilitation in einer psychosomatisch ausgerichteten Schmerzklinik vorgeschlagen.
Das Sozialgericht ist dieser Einschätzung gefolgt und hat die Klage auf Gewährung einer Rente mit Urteil vom 30. Juni 2006 abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt: Das erstinstanzliche Urteil sei in allen Punkten unzutreffend. Er habe Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Gutachten von Dr. L. könne nicht überzeugen. Dieser habe sich mit entgegenstehenden Äußerungen anderer Ärzte nicht auseinandergesetzt, die vorliegenden Schmerzen nicht ausreichend gewertet und die Frage, ob Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme überwunden werden könnten, nicht hinreichend problematisiert. Vielmehr würden die massiven Leistungseinschränkungen zutreffend von der behandelnden Neurologin/Psychiaterin Dr. M. beschrieben. Ebenso habe der Neurologe/Psychiater Dr. N. in seinem Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen vom 18. September 2003 kein positives Leistungsvermögen mehr sehen können. Auch habe er (der Kläger) bereits einen Rentenanspruch nach dem für ihn günstigeren alten Rentenrecht (also den vor dem 1. Januar 2001 geltenden Bestimmungen), denn der Unfallversicherungsträger wäre verpflichtet gewesen, ihn bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zu einer Stellung eines Rentenantrages aufzufordern. Es sei nämlich schon früher eine Wiederaufnahme der früheren Tätigkeit fraglich gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Juni 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2004 sowie der Ausführungsbescheide vom 19. Mai und 4. August 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab 1. September 1999 eine Erwerbsunfähigkeitsrente, hilfsweise eine Berufsunfähigkeitsrente, hilfshilfsweise ab 1. August 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, hilfshilfshilfsweise eine Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Frau Dr. M. einzuholen, hilfshilfshilfshilfsweise eine orthopädische Begutachtung nach § 106 SGG wegen der Osteoporose einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe keinen über die gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. August 2001 hinausgehenden Rentenanspruch. Die erstinstanzliche Entscheidung sei daher nicht zu beanstanden.
Das Gericht hat dem Kläger eine Frist zur Stellung eines Antrages auf Erstattung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG gesetzt. Dieser hat innerhalb der (zwischenzeitlich verlängerten) Frist mitgeteilt, es werde zunächst auf ein Gutachten nach § 109 SGG verzichtet, und das im Rahmen des § 109 SGG im Unfallversicherungsrechtsstreit eingeholte Gutachten des Psychiaters L1. vom 8. Januar 2007 vorgelegt (Untersuchung am 16. Juni 2006). Herr L1. hat in diesem Gutachten das Vorliegen einer durch den Unfall bedingten Persönlichkeitsveränderung diagnostiziert. Es bestehe durchgehend Behandlungsbedürftigkeit. Die Frage der Arbeitsunfähigkeit könne er nur bedingt einschätzen. Wegen der schwerwiegenden Einschränkungen im sozialen Kommunikationsverhalten, in der Aufrechthaltung einer persönlichen Beziehung, in der Realitätseinschätzung und in der Fähigkeit, einen Beruf auszuüben, sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v. H. angemessen. Der Kläger sei aktuell nicht in der Lage, sich vollständig um seine Lebensbelange (Einkaufen, Pflege der Wohnung, Pflege der eigenen Person, Ordnen von Papieren u. ä.) zu kümmern. Weitere Ermittlungen seien nicht nur nicht erforderlich, sondern könnten dem Kläger möglicherweise schaden.
Die Beklagte hat unter Vorlage einer Stellungnahme des Neurologen/Psychiaters Aßmann mitgeteilt, dem Gutachten L1. könne nicht gefolgt werden. Zur Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit enthalte das Gutachten keine Aussage. Nach eigenen Ausführungen des Gutachters sei kein gravierend anderer Befund als in den bisherigen Gutachten erhoben worden. Lediglich sei eine andere Wertung erfolgt. Der bisher zum Restleistungsvermögen vertretene Standpunkt werde daher aufrecht erhalten.
Der Kläger meint, in dem Gutachten L1. werde eine veränderte Bewertungsgrundlage beschrieben. Daher sei eine erneute medizinische Begutachtung erforderlich.
Auf seine Frage, ob ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG eingeholt werde, hat das Gericht mitgeteilt, es sehe dazu keinen Anlass.
Die Ladung zum Verhandlungstermin ist dem Kläger Mitte Oktober zugestellt worden. Ende Oktober hat der Kläger vorgeschlagen, doch einen anderen Gutachter als den bestellten Dr. N. mit der Begutachtung nach Aktenlage zu beauftragen und im Übrigen gebeten, von einer erneuten Untersuchung abzusehen. Zur Unterstützung seines Vorbringens hat er das Attest der behandelnden Ärztin Dr. M. vorgelegt, die ausführt, sie habe am 30. Oktober 2007 eine Krisenintervention durchführen müssen. Der Kläger sei einfach nicht mehr in der Lage, zum wiederholten Male über das Trauma zu berichten. In Anbetracht der Tatsache, dass sehr viele Gutachten vorlägen und im Gutachten L1. die Befunde äußerst realistisch und sachlich und fachlich klar geschildert seien, sei aus ihrer Sicht eine weitere Begutachtung dem Kläger nicht mehr zuzumuten.
Dr. N. hat das Gutachten vom 18. November 2007 nach Aktenlage erstattet, nachdem der Kläger zum angebotenen Untersuchungstermin nicht erschienen ist. Hierin kommt er zu dem Ergebnis, bei dem Kläger liege eine anhaltende Anpassungsstörung mit ängstlich depressiver Prägung bei akzentuierter Persönlichkeit vor. Sein Leistungsvermögen sei auf vollschichtige leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen begrenzt. Wegefähigkeit bestehe. Auch könnten Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung überwunden werden. Im Gutachten L1. werde eine Verschlechterung des Befundes beschrieben, welche mangels Untersuchung nicht überprüft werden könne. Seiner Beurteilung könne nicht gefolgt werden. Es sei bereits eine posttraumatische Belastungsstörung als Vorstufe der Persönlichkeitsänderung nicht gesichert. Vielmehr liege eher eine Anpassungsstörung vor, die hier über einen längeren Zeitraum anhalte, weil es immer wieder Situationen gebe, die der Kläger als massiv verletzend empfinde. Gegenüber einer Anpassungsstörung sei die angenommene Persönlichkeitsänderung deswegen abzugrenzen gewesen. Es könne entgegen der Ansicht von L1. nicht von einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung ausgegangen werden, denn dazu fehle es an einer anhaltenden Erfahrung von Extrembelastung (wie z. B. Gefängnisaufenthalt mit Folter). Die von L1. angenommene Diagnose lasse sich nicht begründen. Ungeachtet dessen scheine sich die Erkrankung des Klägers zunehmend zu verschlechtern. Allerdings seien einige Angaben des Klägers gegenüber L1. kritisch zu hinterfragen. Bei den gezeigten Krankheitsphänomenen sei abzugrenzen zwischen einer willentlich ausgestalteten Versorgungshaltung sowie Rückzugstendenzen und den Folgen der Erkrankung selbst. Hierzu enthalte das Gutachten L1. zu wenig Aussagen. Dennoch sei aber anzunehmen, dass der Kläger Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme überwinden könne, denn die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Gutachten L1. zeige, dass auch er nicht von einer sehr schweren Störung ausgehe. Dr. N. hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2007 erläutert und ergänzende Ausführungen gemacht. Hinsichtlich des Inhalts seiner Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 11. Dezember 2007 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit Bezug auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG). Weder der Vortrag des Klägers noch die Ermittlungen des Gerichts im Berufungsverfahren führen zu einer anderen rechtlichen Bewertung.
Dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente wegen voller Erwerbsminderung hat, ist durch das überzeugende Gutachten von Dr. N. bestätigt worden, denn der Kläger verfügt danach noch über ein auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbares vollschichtiges Leistungsvermögen. Zwar hat sich dieser Gutachter kein eigenes Bild vom Gesundheitszustand des Klägers machen können, weil der Kläger nicht bereit war, bei ihm zur Untersuchung zu erscheinen, obwohl ihm eine solche Untersuchung zumutbar gewesen wäre. Zu Recht weist Dr. N. jedoch darauf hin, dass die Befundbeschreibungen im Gutachten L1. und die von der behandelnden Ärztin Dr. M. mitgeteilten Befunde lediglich die Annahme eines mittelgradig ausgeprägten depressiven Syndroms, zeitweilig auch mit einer Tendenz zur schweren Ausprägung, begründen. Für eine durchgehende, lang anhaltende schwere Ausprägung gibt es demgegenüber keinen Anhalt. Dabei kann dahinstehen, ob differentialdiagnostisch eine lang hingezogene depressive Episode mittelgradiger Ausprägung oder eine posttraumatische Belastungsstörung angenommen wird. Die anhaltende Anpassungsstörung mit ängstlich depressiver Prägung bei akzentuierter Persönlichkeit, das Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach Wirbelkörperfraktur und die Osteoporose führen nicht zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen. Der Kläger ist vielmehr noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung im Sitzen mit der Möglichkeit wechselnder Körperhaltung zu ebener Erde auszuüben. Dabei sind Zwangshaltungen über einen Zeitraum von mehr als 60 Minuten, besonderer Zeitdruck, Akkord- und Nachtarbeit, Arbeit auf Leitern, Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen zu vermeiden. Wegefähigkeit besteht. Auch ist der Kläger in der Lage, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden.
Die überzeugenden Darlegungen von Dr. N. werden nicht durch das Gutachten L1. in Frage gestellt, da dieses keine Ausführungen zum Leistungsvermögen enthält und Dr. N. zwar von der – für diesen Rechtsstreit nicht entscheidenden – Bezeichnung der Erkrankung abweicht, jedoch nicht von einem wesentlich anderen Befund ausgeht.
Wie auch das Sozialgericht ausführt, liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Der Kläger kann auf Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Dort stehen ihm zumindest leichte Pack-, Montier-, Produktions-, Prüf-, Etikettier-, Muster- und Kommissionierungsarbeiten offen. Wie sich aus der den Beteiligten bekannten berufskundlichen Aussage des ehemaligen Leiters des Arbeitsamtes Hamburg-Mitte vom 22. Februar 1999 in Verfahren 16 J 1480/97 ergibt, besteht bei diesen Tätigkeiten, die in der Regel in sitzender Arbeitshaltung ausgeführt werden, die Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung nach etwa 50 bis 55 Minuten für die Zeitdauer von ca. 5 bis 10 Minuten. Der konkreten Benennung einer in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit bedarf es daher nicht.
Der Senat ist dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG nicht gefolgt. Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht den Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Die Zulassung der Begutachtung würde den Rechtsstreit verzögern, weil die Einholung des Gutachtens abgewartet werden müsste. Der Antrag ist zumindest aus grober Nachlässigkeit erst jetzt gestellt worden. Im Berufungsverfahren ist dem Kläger eine (einmal verlängerte) Frist zur Stellung eines Antrags gemäß § 109 SGG gegeben worden. Auf diesen Antrag hat er ausdrücklich verzichtet und es stattdessen für ausreichend erachtet, das Gutachten von L1. vorzulegen. Dass das Gericht später seine Nachfrage, ob es eine weitere Beweisaufnahme für erforderlich halte, verneinte, führte auch nicht zur Stellung eines Antrags gemäß § 109 SGG. Einen solchen Antrag hat er auch nicht gestellt, als ihm die Ladung unter Mitteilung des Gutachtenauftrages an Dr. N. Mitte Oktober zugegangen ist. Erst als er das für ihn negative Gutachten von Dr. N. vorlag, hat er den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG mit Schreiben vom 26. November 2007 gestellt.
Der Senat ist nicht gehalten, von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten einzuholen, um die Auswirkungen der bei dem Kläger vorliegenden Osteoporose auf das Leistungsvermögen einschätzen zu lassen. Weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den Akten ergeben sich Anhaltspunkte für eine durch diese Erkrankung eingetretene weitergehende Leistungseinschränkung als bisher angenommen. In den gutachtlichen Einschätzungen ist die schon seit mehreren Jahren bestehende Osteoporose mit berücksichtigt worden.
Es kann unentschieden bleiben, ob dem geltend gemachten Rentenanspruch zusätzlich entgegensteht, dass der Kläger nicht bereit war, die von der Beklagten angebotenen medizinische Rehabilitationsmaßnahme anzutreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente bzw. einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 1999 ergänzend zu der seit 1. August 2001 gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit streitig.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Juni 2006 verwiesen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger im Verfahren S 6 RJ 1147/03 ein Anerkenntnis der Beklagten auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erwirkte, die er dann nicht antrat. Dr. L. ist im Gutachten vom 31. März 2005 zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Kläger liege eine depressive Störung, im Wesentlichen wohl als psycho-reaktive Folge des 1999 stattgehabten schweren Unfalls, vor, die das Leistungsvermögen auf vollschichtig leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, mit der Möglichkeit, die Körperhaltung kurz frei wechseln zu können, mit einem nur geringen Verantwortungsbereich, ohne Zwangshaltungen, ohne Zeitdruck, Akkord-, Schicht- oder Nachtarbeit, ohne Publikumsverkehr und nicht auf Gerüsten oder Leitern oder mit Verletzungsgefahr begrenze. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Hemmungen gegenüber der Aufnahme einer leidensgerechten Tätigkeit könnten mit zumutbarer Willenanspannung überwunden werden. In der mündlichen Verhandlung hat Dr. L. sein Gutachten erläutert und im Übrigen eine medizinische Rehabilitation in einer psychosomatisch ausgerichteten Schmerzklinik vorgeschlagen.
Das Sozialgericht ist dieser Einschätzung gefolgt und hat die Klage auf Gewährung einer Rente mit Urteil vom 30. Juni 2006 abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt: Das erstinstanzliche Urteil sei in allen Punkten unzutreffend. Er habe Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Gutachten von Dr. L. könne nicht überzeugen. Dieser habe sich mit entgegenstehenden Äußerungen anderer Ärzte nicht auseinandergesetzt, die vorliegenden Schmerzen nicht ausreichend gewertet und die Frage, ob Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme überwunden werden könnten, nicht hinreichend problematisiert. Vielmehr würden die massiven Leistungseinschränkungen zutreffend von der behandelnden Neurologin/Psychiaterin Dr. M. beschrieben. Ebenso habe der Neurologe/Psychiater Dr. N. in seinem Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen vom 18. September 2003 kein positives Leistungsvermögen mehr sehen können. Auch habe er (der Kläger) bereits einen Rentenanspruch nach dem für ihn günstigeren alten Rentenrecht (also den vor dem 1. Januar 2001 geltenden Bestimmungen), denn der Unfallversicherungsträger wäre verpflichtet gewesen, ihn bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zu einer Stellung eines Rentenantrages aufzufordern. Es sei nämlich schon früher eine Wiederaufnahme der früheren Tätigkeit fraglich gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Juni 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2004 sowie der Ausführungsbescheide vom 19. Mai und 4. August 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab 1. September 1999 eine Erwerbsunfähigkeitsrente, hilfsweise eine Berufsunfähigkeitsrente, hilfshilfsweise ab 1. August 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, hilfshilfshilfsweise eine Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Frau Dr. M. einzuholen, hilfshilfshilfshilfsweise eine orthopädische Begutachtung nach § 106 SGG wegen der Osteoporose einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe keinen über die gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. August 2001 hinausgehenden Rentenanspruch. Die erstinstanzliche Entscheidung sei daher nicht zu beanstanden.
Das Gericht hat dem Kläger eine Frist zur Stellung eines Antrages auf Erstattung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG gesetzt. Dieser hat innerhalb der (zwischenzeitlich verlängerten) Frist mitgeteilt, es werde zunächst auf ein Gutachten nach § 109 SGG verzichtet, und das im Rahmen des § 109 SGG im Unfallversicherungsrechtsstreit eingeholte Gutachten des Psychiaters L1. vom 8. Januar 2007 vorgelegt (Untersuchung am 16. Juni 2006). Herr L1. hat in diesem Gutachten das Vorliegen einer durch den Unfall bedingten Persönlichkeitsveränderung diagnostiziert. Es bestehe durchgehend Behandlungsbedürftigkeit. Die Frage der Arbeitsunfähigkeit könne er nur bedingt einschätzen. Wegen der schwerwiegenden Einschränkungen im sozialen Kommunikationsverhalten, in der Aufrechthaltung einer persönlichen Beziehung, in der Realitätseinschätzung und in der Fähigkeit, einen Beruf auszuüben, sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v. H. angemessen. Der Kläger sei aktuell nicht in der Lage, sich vollständig um seine Lebensbelange (Einkaufen, Pflege der Wohnung, Pflege der eigenen Person, Ordnen von Papieren u. ä.) zu kümmern. Weitere Ermittlungen seien nicht nur nicht erforderlich, sondern könnten dem Kläger möglicherweise schaden.
Die Beklagte hat unter Vorlage einer Stellungnahme des Neurologen/Psychiaters Aßmann mitgeteilt, dem Gutachten L1. könne nicht gefolgt werden. Zur Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit enthalte das Gutachten keine Aussage. Nach eigenen Ausführungen des Gutachters sei kein gravierend anderer Befund als in den bisherigen Gutachten erhoben worden. Lediglich sei eine andere Wertung erfolgt. Der bisher zum Restleistungsvermögen vertretene Standpunkt werde daher aufrecht erhalten.
Der Kläger meint, in dem Gutachten L1. werde eine veränderte Bewertungsgrundlage beschrieben. Daher sei eine erneute medizinische Begutachtung erforderlich.
Auf seine Frage, ob ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG eingeholt werde, hat das Gericht mitgeteilt, es sehe dazu keinen Anlass.
Die Ladung zum Verhandlungstermin ist dem Kläger Mitte Oktober zugestellt worden. Ende Oktober hat der Kläger vorgeschlagen, doch einen anderen Gutachter als den bestellten Dr. N. mit der Begutachtung nach Aktenlage zu beauftragen und im Übrigen gebeten, von einer erneuten Untersuchung abzusehen. Zur Unterstützung seines Vorbringens hat er das Attest der behandelnden Ärztin Dr. M. vorgelegt, die ausführt, sie habe am 30. Oktober 2007 eine Krisenintervention durchführen müssen. Der Kläger sei einfach nicht mehr in der Lage, zum wiederholten Male über das Trauma zu berichten. In Anbetracht der Tatsache, dass sehr viele Gutachten vorlägen und im Gutachten L1. die Befunde äußerst realistisch und sachlich und fachlich klar geschildert seien, sei aus ihrer Sicht eine weitere Begutachtung dem Kläger nicht mehr zuzumuten.
Dr. N. hat das Gutachten vom 18. November 2007 nach Aktenlage erstattet, nachdem der Kläger zum angebotenen Untersuchungstermin nicht erschienen ist. Hierin kommt er zu dem Ergebnis, bei dem Kläger liege eine anhaltende Anpassungsstörung mit ängstlich depressiver Prägung bei akzentuierter Persönlichkeit vor. Sein Leistungsvermögen sei auf vollschichtige leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen begrenzt. Wegefähigkeit bestehe. Auch könnten Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung überwunden werden. Im Gutachten L1. werde eine Verschlechterung des Befundes beschrieben, welche mangels Untersuchung nicht überprüft werden könne. Seiner Beurteilung könne nicht gefolgt werden. Es sei bereits eine posttraumatische Belastungsstörung als Vorstufe der Persönlichkeitsänderung nicht gesichert. Vielmehr liege eher eine Anpassungsstörung vor, die hier über einen längeren Zeitraum anhalte, weil es immer wieder Situationen gebe, die der Kläger als massiv verletzend empfinde. Gegenüber einer Anpassungsstörung sei die angenommene Persönlichkeitsänderung deswegen abzugrenzen gewesen. Es könne entgegen der Ansicht von L1. nicht von einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung ausgegangen werden, denn dazu fehle es an einer anhaltenden Erfahrung von Extrembelastung (wie z. B. Gefängnisaufenthalt mit Folter). Die von L1. angenommene Diagnose lasse sich nicht begründen. Ungeachtet dessen scheine sich die Erkrankung des Klägers zunehmend zu verschlechtern. Allerdings seien einige Angaben des Klägers gegenüber L1. kritisch zu hinterfragen. Bei den gezeigten Krankheitsphänomenen sei abzugrenzen zwischen einer willentlich ausgestalteten Versorgungshaltung sowie Rückzugstendenzen und den Folgen der Erkrankung selbst. Hierzu enthalte das Gutachten L1. zu wenig Aussagen. Dennoch sei aber anzunehmen, dass der Kläger Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme überwinden könne, denn die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Gutachten L1. zeige, dass auch er nicht von einer sehr schweren Störung ausgehe. Dr. N. hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2007 erläutert und ergänzende Ausführungen gemacht. Hinsichtlich des Inhalts seiner Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 11. Dezember 2007 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit Bezug auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG). Weder der Vortrag des Klägers noch die Ermittlungen des Gerichts im Berufungsverfahren führen zu einer anderen rechtlichen Bewertung.
Dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente wegen voller Erwerbsminderung hat, ist durch das überzeugende Gutachten von Dr. N. bestätigt worden, denn der Kläger verfügt danach noch über ein auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbares vollschichtiges Leistungsvermögen. Zwar hat sich dieser Gutachter kein eigenes Bild vom Gesundheitszustand des Klägers machen können, weil der Kläger nicht bereit war, bei ihm zur Untersuchung zu erscheinen, obwohl ihm eine solche Untersuchung zumutbar gewesen wäre. Zu Recht weist Dr. N. jedoch darauf hin, dass die Befundbeschreibungen im Gutachten L1. und die von der behandelnden Ärztin Dr. M. mitgeteilten Befunde lediglich die Annahme eines mittelgradig ausgeprägten depressiven Syndroms, zeitweilig auch mit einer Tendenz zur schweren Ausprägung, begründen. Für eine durchgehende, lang anhaltende schwere Ausprägung gibt es demgegenüber keinen Anhalt. Dabei kann dahinstehen, ob differentialdiagnostisch eine lang hingezogene depressive Episode mittelgradiger Ausprägung oder eine posttraumatische Belastungsstörung angenommen wird. Die anhaltende Anpassungsstörung mit ängstlich depressiver Prägung bei akzentuierter Persönlichkeit, das Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach Wirbelkörperfraktur und die Osteoporose führen nicht zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen. Der Kläger ist vielmehr noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung im Sitzen mit der Möglichkeit wechselnder Körperhaltung zu ebener Erde auszuüben. Dabei sind Zwangshaltungen über einen Zeitraum von mehr als 60 Minuten, besonderer Zeitdruck, Akkord- und Nachtarbeit, Arbeit auf Leitern, Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen zu vermeiden. Wegefähigkeit besteht. Auch ist der Kläger in der Lage, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden.
Die überzeugenden Darlegungen von Dr. N. werden nicht durch das Gutachten L1. in Frage gestellt, da dieses keine Ausführungen zum Leistungsvermögen enthält und Dr. N. zwar von der – für diesen Rechtsstreit nicht entscheidenden – Bezeichnung der Erkrankung abweicht, jedoch nicht von einem wesentlich anderen Befund ausgeht.
Wie auch das Sozialgericht ausführt, liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Der Kläger kann auf Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Dort stehen ihm zumindest leichte Pack-, Montier-, Produktions-, Prüf-, Etikettier-, Muster- und Kommissionierungsarbeiten offen. Wie sich aus der den Beteiligten bekannten berufskundlichen Aussage des ehemaligen Leiters des Arbeitsamtes Hamburg-Mitte vom 22. Februar 1999 in Verfahren 16 J 1480/97 ergibt, besteht bei diesen Tätigkeiten, die in der Regel in sitzender Arbeitshaltung ausgeführt werden, die Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung nach etwa 50 bis 55 Minuten für die Zeitdauer von ca. 5 bis 10 Minuten. Der konkreten Benennung einer in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit bedarf es daher nicht.
Der Senat ist dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG nicht gefolgt. Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht den Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Die Zulassung der Begutachtung würde den Rechtsstreit verzögern, weil die Einholung des Gutachtens abgewartet werden müsste. Der Antrag ist zumindest aus grober Nachlässigkeit erst jetzt gestellt worden. Im Berufungsverfahren ist dem Kläger eine (einmal verlängerte) Frist zur Stellung eines Antrags gemäß § 109 SGG gegeben worden. Auf diesen Antrag hat er ausdrücklich verzichtet und es stattdessen für ausreichend erachtet, das Gutachten von L1. vorzulegen. Dass das Gericht später seine Nachfrage, ob es eine weitere Beweisaufnahme für erforderlich halte, verneinte, führte auch nicht zur Stellung eines Antrags gemäß § 109 SGG. Einen solchen Antrag hat er auch nicht gestellt, als ihm die Ladung unter Mitteilung des Gutachtenauftrages an Dr. N. Mitte Oktober zugegangen ist. Erst als er das für ihn negative Gutachten von Dr. N. vorlag, hat er den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG mit Schreiben vom 26. November 2007 gestellt.
Der Senat ist nicht gehalten, von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten einzuholen, um die Auswirkungen der bei dem Kläger vorliegenden Osteoporose auf das Leistungsvermögen einschätzen zu lassen. Weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den Akten ergeben sich Anhaltspunkte für eine durch diese Erkrankung eingetretene weitergehende Leistungseinschränkung als bisher angenommen. In den gutachtlichen Einschätzungen ist die schon seit mehreren Jahren bestehende Osteoporose mit berücksichtigt worden.
Es kann unentschieden bleiben, ob dem geltend gemachten Rentenanspruch zusätzlich entgegensteht, dass der Kläger nicht bereit war, die von der Beklagten angebotenen medizinische Rehabilitationsmaßnahme anzutreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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