L 12 SO 1995/06 KO-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 392/06 KO-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 SO 1995/06 KO-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 04.04.2006 (S 3 SO 392/06 KO-A) wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer vom Antragsteller als Bevollmächtigtem auf eigene Veranlassung eingeholten ärztlichen Bescheinigung im Streit.

Der 1969 geborene Mandant des Antragstellers hat eine geistige Behinderung mit mehreren Verhaltensauffälligkeiten und ist seit 1976 in vollstationärer Betreuung in der Einrichtung Stiftung Haus L. in Sch. G. untergebracht, welche in der Vergangenheit im Rahmen einer Eingliederungshilfe nach den §§ 39 ff. Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom Landeswohlfahrtsverband Baden-Württemberg-Hohenzollern finanziert wurde. Zum 01.02.2002 wurde der Mandant des Antragstellers in eine "therapeutische Wohngruppe" aufgenommen, welche im Zuge eines Modellprojektes die Zusammenarbeit mit verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe erproben sollte. Die Aufnahme in diese Betreuungsform war im Rahmen des Modellprojekt auf drei Jahre befristet. Am 11.05.2005 beantragte der Antragsteller die Weitergewährung der für das Modellprojekt bewilligten Eingliederungshilfe in Höhe von 211,38 Euro kalendertäglich ab dem 01.07.2005 zur Fortsetzung der bisherigen Unterbringung und Betreuung im Rahmen der therapeutischen Wohngruppe. Die Antragsgegnerin lehnte das mit dem Hinweis ab, dass die - niedrigeren - Leistungen, welche vor dem Beginn des Modellprojekts gewährt worden seien, bedarfsgerecht seien.

Daraufhin beantragte Antragsteller am 01.07.2005 beim Sozialgericht Ulm (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung für seinen Mandanten. In diesem Verfahren legte der Antragsteller ein von ihm in Auftrag gegebenes "nervenfachärztliches Gutachten" des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 29.07.2005 vor. Der Gutachter bezeichnete hierin die weitere Teilnahme des Mandanten an der Intensivgruppe der Wohneinrichtung L. als erforderlich, da nur so das weitere Abklingen der schweren, die Betreuung in einer normalen Wohngruppe unmöglich machenden Verhaltensauffälligkeiten des Antragstellers gewährleistet werden könne. Aus nervenfachärztlicher Sicht sei eine sofortige oder mittelfristige Verlegung auf eine Normalgruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer erheblichen Verschlechterung des psychoorganischen Befindens bzw. mit einer schweren Verschlechterung des globalen Funktionsniveaus verbunden. Im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (S 3 SO 1931/05 ER) wurde dem Mandanten mit Beschluss vom 16.08.2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Antragstellers gewährt (S 3 SO 1932/05 PKH-A).

Das SG hat den Gutachter Dr. B. in einem Erörterungstermin vom 19.08.2005 als Zeugen angehört. Anschließend hat das SG mit Beschluss vom 31.08.2005 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Mandanten des Antragstellers für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.01.2006 Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII in Höhe von 211,38 Euro kalendertäglich zu gewähren, wobei der Betrag direkt an das Haus L. zu leisten sei. Zur Begründung hat das SG unter anderem ausgeführt, dass nach der gutachterlichen Stellungnahme erhebliche Verhaltesauffälligkeiten vorlägen, die eine Reintegration des Mandanten in eine allgemeine Wohnform nicht zuließen.

Der Beschluss des SG wurde auf Beschwerde der Antragsgegnerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss des Landessozialgerichts vom 19.12.2005 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (L 7 SO 4186/05 ER-B).

Am 07.09.2005 legte der Antragsteller seine Kostennote für das erstinstanzliche Antragsverfahren vor, welche Kosten für das nervenfachärztliche Gutachten des Dr. B. in Höhe von 68,00 Euro enthielt. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass die Kosten des Gutachtens von Dr. B. notwendige Aufwendungen des Antragstellers im Sinne des § 193 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien. Das Gutachten sei nicht nur förderlich, sondern sogar nötig gewesen, um gegenüber dem Gericht den bestehenden medizinisch-psychologischen Zustand des Mandanten nachzuweisen. Das Gericht habe in seinem Beschluss vom 31.08.2005 auch mehrfach auf dieses Gutachten Bezug genommen und seine Entscheidung darauf gestützt. Insofern seien die für die Vorbereitung des Rechtsstreits entstandenen Kosten erstattungsfähig.

Mit Beschluss vom 16.01.2006 setzte die Kostenbeamtin des SG die Gesamtvergütung des Bevollmächtigten auf 845,52 Euro fest, wobei sie die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Gutachtens von Dr. B. ablehnte.

Deswegen legte der Antragsteller am 24.01.2006 beim SG sofortige Erinnerung ein, mit der er seinen bisherigen Vortrag zur Erstattungsfähigkeit des Gutachtens wiederholte. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung mit Entscheidung vom 27.01.2006 nicht ab.

Mit Beschluss vom 04.04.2006 hat die zuständige Kammer des SG den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller weitere 68,00 Euro für die Einholung der gutachterlichen Äußerung von Dr. B. zu erstatten sein. Die Beschwerde hat das SG hierbei zugelassen. Die Erinnerung sei zulässig (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -) und begründet. Nach § 122 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 55 Abs. 1 RVG umfasse die Prozesskostenhilfe die Ansprüche des Rechtsanwalts auf Vergütung gegen den Beteiligten. Teil der Vergütung seien insbesondere die Auslagen (§ 46 RVG). Die Kosten für die ärztliche Stellungnahme des Dr. B. seien als sachdienliche Auslagen erstattungsfähig. Die Vorschrift des § 193 SGG sei nicht einschlägig, da sie die Kosten betreffe, welche die Beteiligten sich untereinander zu erstatten hätten. Gem. § 46 Abs. 1 RVG seien nur die Auslagen zu vergüten, die zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich gewesen sein. Die Einholung des Gutachtens von Dr. Baden sei vorliegend geeignet und zweckmäßig im Hinblick auf das Verfahrensziel und auch angemessen im Hinblick auf die Kosten gewesen. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO seien im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Anordnungsgrund und der Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Die Amtsermittlungspflicht des Gerichts sei aufgrund der Vorläufigkeit des Verfahrens auf eine "summarische Prüfung" beschränkt. Die Glaubhaftmachung könne auch durch Vorlage ärztlicher Atteste bzw. Sachverständige Äußerungen erfolgen und müsse dies erforderlichenfalls sogar (unter Hinweis auf VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 24.08.2004 - 19 L 1676/04 -). Bei dem vorgelegten Gutachten handele es sich in der Sache um eine sachverständige Zeugenaussage. Diese sei geeignet und zweckmäßig gewesen, um den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Im Klageverfahren hätte das Gericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht auf Kosten der Staatskasse eine sachverständige Aussage des Arztes einholen müssen. Die Kosten in Höhe von 70,00 Euro lägen im Rahmen dessen, was für eine umfangreiche und - angesichts der Komplexität des zugrunde liegenden Sachverhaltes angemessene - sachverständige Zeugenaussage geltend gemacht werden könne. Außerdem habe ein enger Bezug zum Verfahren bestanden. Auf Grund der Besonderheiten des Eilverfahrens sei es nicht zumutbar gewesen, zuerst die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe abzuwarten, da die Möglichkeit bestanden habe, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und der Antrag auf Prozesskostenhilfe zeitgleich hätten abgelehnt werden können.

Deswegen hat der Bezirksrevisor am 12.04.2006 beim SG Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde sei zulässig, da das SG diesen Rechtsbehelf ausdrücklich zugelassen habe. Die Auslagen für die gutachterliche Äußerung des Dr. B. seien nicht erstattungsfähig (unter Berufung auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.1995 - L 10 KO-B 18/93 B -). Aus diesem Beschluss lasse sich ableiten, dass die betreffenden Kosten, die im Rahmen von Prozesskostenhilfe angefallen seien, nicht aus der Staatskasse zu erstatten seien und insoweit keine tatsächlichen Auslagen im Sinne des § 46 i. V. m. der Ziffer 7000 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG darstellten.

Das SG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 18.04.2006 nicht abgeholfen (S 3 SO 1384/06 KO-B) und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die beigezogenen Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen des SG mit Ausnahme der Urteile die Beschwerde statt, soweit nicht im SGG anderes bestimmt ist. Nach § 178 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht endgültig, wenn gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle das Gericht angerufen wird.

Ein solcher Fall liegt hier vor, nachdem das SG auf die Erinnerung gegen die Entscheidung seines Kostenbeamten entschieden hat. Die nach der Rechtsmittelbelehrung des SG mögliche Beschwerde gegen richterliche Beschlüsse im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 3 RVG steht dem Bevollmächtigten nach dem Gesetz nicht zu.

Weder durch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 12.06.2007 - L 12 AL 1353/07 KO-B) noch - wie vorliegend - durch die ausdrückliche Zulassung der Beschwerde kann insoweit die Zulässigkeit einer Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) bewirkt werden, wenn das Gesetz die Möglichkeit der Beschwerde nicht vorsieht.

Wegen des abschließenden Normengefüges der §§ 172 ff. SGG ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG die Beschwerde an das LSG gegen die Entscheidung des SG grundsätzlich ausgeschlossen (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.12.2006 - L 8 B 4/06 SO SF -, m. w. N.; juris). Nach der grundlegenden Systematik des SGG sind auf eine Erinnerung ergangene Beschlüsse des SG unanfechtbar. Neben der Regelung des § 178 Satz 1 SGG sieht deshalb das SGG für das Kostenfestsetzungsverfahren in § 197 Abs. 2 SGG und in Verfahren zur Feststellung der Pauschgebühr in § 189 Abs. 2 SGG nur eine gerichtliche - endgültige - Entscheidung auf die Erinnerung gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten vor, nicht aber eine Beschwerdemöglichkeit gegen den auf die Erinnerung hin ergangenen Beschluss.

Die Beschwerdemöglichkeit nach § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 3 RVG ist danach nur in Verfahrensordnungen denkbar, die diese Beschwerdemöglichkeit nicht ihrerseits ausgeschlossen haben. Für Fragen der Statthaftigkeit von Rechtsbehelfen ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gegenüber dem SGG das allgemeinere Gesetz, womit dem SGG als dem spezielleren Gesetz der Vorrang gebührt. Dementsprechend kann das RVG in seinem verfahrensrechtlichen Teil nicht eine Gebührennachprüfungsinstanz schaffen, die es als solche in der Sozialgerichtsbarkeit ausdrücklich für den Bereich der Kostenentscheidungen nicht gibt.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen weist in der zitierten Entscheidung zutreffend darauf hin, dass der vorliegende Ausschluss der Beschwerde der Einheitlichkeit des Verfahrens dient, weil nur so unterschiedliche Entscheidungen im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG und im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG vermieden werden können. Denn es ist kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, dass in Kostenfestsetzungsverfahren gegen den unterlegenen Verfahrensgegner das SG endgültig über die Kosten entscheidet, in Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse aber seine Entscheidung mit der Beschwerde überprüfbar sein soll.

Dies zeigt sich in den Fällen besonders deutlich, in denen nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und einem teilweisen Obsiegen in der Hauptsache nur ein Teil der klägerischen außergerichtlichen Kosten von der Staatskasse und der Rest von der Beklagten der Hauptsache zu tragen sind. Nur hinsichtlich des Kostenanteils, der von der Staatskasse zu tragen ist, könnte dann Beschwerde nach dem RVG zum LSG eingelegt werden, nicht jedoch hinsichtlich des Kostenanteils, der von der Beklagten zu tragen ist.

Es liegt auf der Hand, dass insofern die Gefahr abweichender und widersprüchlicher Kostenentscheidungen hinsichtlich desselben Hauptsacheverfahrens besteht.

Auch der Hinweis des SG, die §§ 193 ff. SGG seien vorliegend nicht einschlägig, da hierin nur die Kostentragung der Beteiligten untereinander geregelt werde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Sowohl in § 197 Abs. 2 SGG als auch in § 178 Satz 1 SGG und § 189 Abs. 2 SGG ist für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit einheitlich geregelt, dass auf Erinnerungen gegen Beschlüsse des Urkundsbeamten nur noch ein Rechtsbehelf am selben Gericht besteht.

Die vorliegende Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG und § 56 Abs. 2 Satz 3 sowie § 33 Abs. 9 RVG.

Diese Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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