L 21 R 117/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 673/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 R 117/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten des gesamten Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Neuberechnung seiner Rente unter Anwendung der Entgeltpunkte "West" sowie die Auszahlung der sich hieraus ergebenden Rentenleistung.

Der geborene Kläger bezieht seit dem 01. Januar 1992 von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der im Gebiet der ehemaligen DDR geborene Kläger desertierte im Jahr 1958 aus der NVA und übersiedelte in die Bundesrepublik Deutschland. Dort war er u. a. bei der H beschäftigt. Bei einem berufsbedingten Aufenthalt im SR wurde er 1964 verhaftet und in der DDR bis Dezember 1966 - nach Verurteilung wegen Militärspionage zu einer Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren - inhaftiert. Nach Entlassung aus der Haft hatte der Kläger seinen Wohnsitz erneut in der ehemaligen DDR und zwar durchgehend bis zum 02. Oktober 1990 und darüber hinaus.

Mit Rehabilitierungsbescheid vom 17. April 1997 wurde festgestellt, dass der Kläger Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet - Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG - ist. Als Verfolgungszeit wurde der Zeitraum vom 12. März 1964 bis zum 02. Oktober 1990 festgestellt, weil der Kläger in diesem Zeitraum infolge der zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung weder seinen bis dahin ausgeübten Beruf als Matrose noch einen sozial gleichwertigen Beruf habe ausüben können. Zu Beginn der Verfolgung sei der Kläger Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Für die ohne Verfolgungsmaßnahme fiktiv ausgeübte Tätigkeit gemäß Anlagen 13 und 14 zum SGB VI wurde der Kläger dem Bereich 15 (Verkehr) und der Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) zugeordnet.

Mit Bescheid vom 09. Juli 1996 war dem Kläger eine bisher gewährte Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31. Oktober 1998 weiter bewilligt worden. Hiergegen hatte der Kläger am 06. Dezember 1996 Widerspruch erhoben und u. a. geltend gemacht, dass er nach dem Rehabilitierungsbescheid Bundesbürger gewesen sei und daher die Berechnung seiner Rente unter Zugrundelegung der Entgeltpunkte - EP - "West" zu erfolgen habe. Mit Bescheid vom 09. Juli 1998 wurde die bisher gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit als Dauerrente bewilligt. Mit Widerspruch vom 27. August 1999 hatte sich der Kläger erneut gegen die Zugrundelegung der EP "Ost" bei der Rentenberechnung gewandt. Die Beklagte hatte diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03. Februar 2000 zurückgewiesen und hierbei ausgeführt, dass der Kläger am Stichtag 18. Mai 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet gehabt hatte und daher nach § 254 d Abs. 1 SGB VI EP (Ost) zu berücksichtigen seien. Hiergegen hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt.

Auf Antrag des Klägers vom 07. September 2001, mit dem er einen erhöhten Rentenanspruch aufgrund der gesetzlichen Änderungen durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz) geltend machte, führte die Beklagte erneut eine Vergleichsberechnung nach dem BerRehaG durch und stellte den Höchstwert der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers mit Bescheid vom 17. Oktober 2002 ab dem 01. Dezember 2002 neu fest. Hierbei berücksichtigte sie für den Verfolgungszeitraum erneut EP (Ost).

Den hiergegen am 07. November 2002 erhobenen Widerspruch des Klägers, den dieser nicht begründet hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. Juli 2003 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Juli 2003 Klage erhoben, mit der er die Berechnung seiner Rente wegen Erwerbsminderung unter Anwendung der Entgeltpunkte "West" begehrt hat. Wenn, wie in seinem Fall, die Verfolgungszeit im Wesentlichen aus einem unfreiwilligen Aufenthalt in der DDR bestehe, nachdem zuvor der Wohnsitz auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland gelegen habe, müsse die rentenrechtliche Rehabilitierung auch die Berücksichtigung der EP "West" vorsehen. Nach seiner Haftentlassung sei er bis zum 09. November 1989 durch das Grenzregime der DDR gehindert gewesen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt erneut wieder dort zu nehmen, wo dieser bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1964 bestanden habe.

Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, dass die Regelung des § 254 d SGB VI anzuwenden und daher auf den gewöhnlichen Aufenthalt am Stichtag 18. Mai 1990 abzustellen sei. Der Kläger habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt an diesem Stichtag im Beitrittsgebiet gehabt. Im Übrigen sei der im Streit befindliche Sachverhalt bereits bestandskräftig mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Februar 2000 entschieden worden. Dieser Widerspruchsbescheid entfalte Bindungswirkung, so dass eine erneute Sachprüfung entbehrlich sei. Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 21. Oktober 2004 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Rentenanwartschaft des Klägers in der Zeit vom 12. März 1964 bis 02. Oktober 1990 unter Anwendung der EP "West" festzustellen. Zur Begründung heißt es, der Kläger sei für die Zeit vom 18. Juli 1958 bis 02. Oktober 1990 insbesondere unter dem Hinweis der Rehabilitierungsbehörde, demzufolge er im Jahr 1964 Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei, in rentenrechtlicher Hinsicht so zu stellen, als hätte er durchgehend seinen Wohnsitz im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland gehabt. Wenn die Verfolgungszeit im Wesentlichen aus einem unfreiwilligen Aufenthalt in der DDR bestehe, nachdem zuvor der Wohnsitz auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland gelegen habe, müsse die rentenrechtliche Rehabilitierung auch die Berücksichtigung der EP "West" vorsehen, ansonsten würde die rentenrechtliche Rehabilitierung ins Leere laufen. § 10 BerRehaG stehe dieser Wertung nicht entgegen, weil es sich allenfalls um eine klarstellende Vorschrift handele. Der Beklagten sei es verwehrt, sich auf die Bindungswirkung des Widerspruchsbescheides vom 03. Februar 2000 zu berufen, weil sie bereits damals das Recht unzutreffend angewandt habe.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 28. Januar 2005 zugestellte Urteil am 24. Februar 2005 Berufung eingelegt. § 254 d SGB VI sehe für Zeiten im Beitrittsgebiet grundsätzlich die Anwendung von EP (Ost) vor. Die Ausnahmeregelung des Absatzes 2 finde keine Anwendung, da der Kläger am 18. Mai 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet gehabt habe. Ein eventueller Wille des Klägers, wieder in das Bundesgebiet überzusiedeln, lasse sich rückschauend jedenfalls nicht konstruieren, da auch nach dem November 1989 bis heute keine diesbezüglichen Bestrebungen vorgelegen hätten. Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz sei keine eigenständige Bewertungsvorschrift, sondern enthalte allenfalls ergänzende Regelungen zu den rentenrechtlichen Vorschriften. § 254 d SGB VI gelte als unabdingbar anzuwendende Norm.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, er habe während des gesamten streitbefangenen Zeitraums über einen polizeilich gemeldeten Wohnsitz in der W Straße bei K in B verfügt. Im Übrigen habe er sich unmittelbar nach dem 09. November 1989 in dem damaligen Übergangslager B gemeldet. Mit dem Rehabilitierungsbescheid vom 17. April 1997 sei kenntlich gemacht worden, dass er zu Beginn seiner Verfolgung Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Die Einlieferungseinweisung für die Haftanstalt in B vom 13. März 1964 des damaligen Staatssekretariats für Staatssicherheit bei dem Ministerium des Innern der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik enthalte die Angabe der Wohnanschrift in B. Am 18. Mai 1990 bzw. in den Tagen davor und danach habe er sich bei seiner Tante in H/, K Straße befunden. Die Tante habe in diesem Zeitraum ihren 50. Geburtstag gefeiert, der Kläger habe damals die Absicht gehabt, in absehbarer Zeit zu seiner Tante zu ziehen. Die Tante sei im Laufe der Zeit von B nach H umgezogen, der Kläger sei nach der Grenzöffnung häufig bei ihr gewesen. Vor und nach seinen Besuchen bei der Tante habe er an seinem jetzigen Wohnsitz in B gelebt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Az.: [eine Akte, sechs Halbhefter]) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Das Sozialgericht Potsdam hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, die Berechnung der Höhe der Rente des Klägers unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten - EP - "West" vorzunehmen. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Juli 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung von EP "West" bei der Berechnung seiner Rente.

Dies folgt jedoch nicht bereits - wie die Beklagte meint - daraus, dass diese bereits mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Februar 2000 bei der Neufeststellung der dem Kläger bis zum 31. Oktober 1998 gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit festgestellt hat, dass die Rentenberechnung unter Anwendung des § 254 d Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - und Berücksichtigung von EP (Ost) zu erfolgen habe. Zum einen kann die Bestandkraft dieses Bescheides ohnehin nur Auswirkungen auf das seinerzeit festgestellte Rentenstammrecht und dessen Berechnung haben, nicht jedoch die hier streitgegenständliche Berechnung der ab dem 01. Dezember 2002 gewährten Rente auf Dauer betreffen. Im Übrigen wäre selbst wenn vorliegend über denselben Streitgegenstand zu befinden wäre, etwa im Rahmen eines Zugunstenverfahrens, eine erneute Sachprüfung erforderlich (vgl. BSG Urteil vom 28. Januar 1981 - 9 RV 29/80, juris). Ein Anspruch des Klägers auf Berechnung seiner Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01. Dezember 2002 unter Zugrundelegung von EP "West" besteht jedoch nicht.

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus dem Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet - Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG. Der Ausgleich von Nachteilen in der Rentenversicherung ist im Vierten Abschnitt dieses Gesetzes geregelt. § 10 Satz 1 BerRehaG stellt klar, dass die Vorschriften dieses Abschnitts die allgemein anzuwendenden rentenrechtlichen Vorschriften ergänzen. Hierbei sind die Vorschriften des BerRehaG nur dann anzuwenden, wenn sie gegenüber den allgemeinen rentenrechtlichen Vorschriften zu einem günstigeren Rentenbetrag führen (§ 10 BerRehaG). Die Überprüfung, ob sich unter Berücksichtigung des Nachteilsausgleichs eine günstigere Rente ergibt, ist auf der Grundlage der Anzahl der ermittelten EP vorzunehmen.

§ 13 BerRehaG, der die Feststellung von Entgeltpunkten für Verfolgungszeiten als Pflichtbeitragszeiten regelt, enthält jedoch keine Aussagen darüber, ob EP "West" oder EP (Ost) zu berücksichtigen sind. Auch ansonsten enthält das BerRehaG keine eigenständigen Bewertungsvorschriften. Es gelten somit die allgemeinen rentenrechtlichen Vorschriften und hierbei insbesondere § 254 d SGB VI (hierzu s.u.).

Soweit der Kläger geltend macht, seine rentenrechtliche Rehabilitierung müsse auch die Berücksichtigung der EP "West" vorsehen, weil sie anderenfalls "ins Leere" liefe, kann ihm nicht gefolgt werden. Das berufliche Rehabilitierungsgesetz dient dem Ausgleich von Nachteilen, die sich daraus ergeben haben, dass durch staatliche Maßnahmen in eine ausgeübte Berufstätigkeit eingegriffen oder verhindert wurde, dass ein erlernter Beruf ausgeübt oder eine Ausbildung abgeschlossen werden konnte. Im Falle des Klägers beruhte die Rehabilitierungsentscheidung darauf, dass dieser während der Dauer des Bestehens der DDR seinen erlernten Beruf eines Matrosen - und auch keinen gleichwertigen Beruf - hat ausüben können. Der Nachteilsausgleich nach dem BerRehaG besteht darin, dass für festgestellte Verfolgungszeiten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für eine entsprechende - ohne den Eingriff anzunehmende - fiktive Beschäftigung als gezahlt gelten. Für die ohne Verfolgungsmaßnahme fiktiv ausgeübte Tätigkeit gemäß Anlagen 13 und 14 zum SGB VI wurde der Kläger dem Bereich 15 (Verkehr) und der Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) zugeordnet.

Das berufliche Rehabilitierungsgesetz bezweckt nicht etwa den Ausgleich des Nachteils, den der Kläger dadurch erlitten hat, dass er die DDR nach seiner Inhaftierung – ebenso wie die anderen Bürger dieses Staates - nicht verlassen durfte und dadurch einer - ggf. höher vergüteten - Erwerbstätigkeit in seinem erlernten Beruf in der Bundesrepublik Deutschland bzw. auf Schiffen unter ausländischen Flaggen nicht nachgehen konnte. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollten die beruflichen Benachteiligungen, die - systembedingt - mehr oder weniger allgemeines DDR-Schicksal waren, nicht zu Ausgleichsleistungen führen (BT-Drs. 12/4994 S. 18).

Das BerRehaG bezweckt im Übrigen auch nicht, sämtliche beruflichen Nachteile von Verfolgten auszugleichen, sondern nur die dort aufgeführten und innerhalb einer bestimmten Zeitspanne erlittenen. Nicht jede staatliche Repressalie, die zu einer Minderung der innegehabten beruflichen Stellung geführt hat, gilt als wiedergutzumachende Verfolgung im Sinne des BerRehaG (Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 26. Mai 2005 - L 2 RJ 338/03, Juris, Rdnr. 28). Die Schutzwirkung des BerRehaG ist auf Eingriffe in eine begonnene, zur Zeit des Eingriffs tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit sowie auf die Fälle der Verhinderung, einen erlernten Beruf auszuüben - wie im Falle des Klägers - oder eine Ausbildung abzuschließen, begrenzt. Diese gesetzliche Beschränkung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

Ein Verstoß des BerRehaG gegen höherrangiges Recht ist nicht erkennbar. Mit dem BerRehaG ist der Auftrag aus Artikel 17 des Einigungsvertrages - EinigVtr -, alle Personen zu rehabilitieren, die Opfer einer politisch motivierten Verfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- oder verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind, umgesetzt worden. Der EinigVtr hat selbst keine Vorgaben über die Art und Weise der Rehabilitation gemacht und bestimmt, die Rehabilitierung mit einer "angemessenen" Entschädigungsregelung zu verbinden (Art. 17 EinigVtr) und damit festgeschrieben, dass neben der politisch-moralischen Genugtuung auch materielle Ansprüche einzuräumen sind (Begründung zum EinigVtr: BT-Drucks. 11/7760, S. 355 ff. zu Kap. V Art. 17). Der Gesetzgeber hat durch das VwRehaG und das BerRehaG auch materielle Ansprüche eingeräumt und damit den Auftrag umgesetzt, auch wenn der Kläger dies in seinem Fall für unzureichend erachtet.

Das BerRehaG bezweckt insbesondere nicht, den Kläger so zu stellen, als hätte er seine Erwerbsbiografie in den alten Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt. Die "rentenrechtliche Rehabilitierung" des Klägers läuft somit auch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts keineswegs "ins Leere". Die Ausführungen im sozialgerichtlichen Urteil, der Kläger habe die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besessen, sind im Übrigen unzutreffend. Weder das alte Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 (RGBL 1913, 583 - RuStAG) noch das Staatsangehörigkeitsgesetz 2005 - StAG - (BGBl I 2002 vom 25. Juni 2002) sieht eine Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland vor. Es gibt und gab vielmehr nur die "deutsche Staatsangehörigkeit" Nach bundesdeutschem Verständnis besaßen alle Bürger der DDR regelmäßig die deutsche Staatsangehörigkeit.

Danach ist § 254 d SGB VI anzuwenden. Gemäß § 254 d Abs. 1 SGB VI sind für die dort genannten Zeiten im Beitrittsgebiet anstelle der Entgeltpunkte "West" Entgeltpunkte (Ost) zu berücksichtigen. § 254 d Abs. 1 SGB VI findet nur dann keine Anwendung auf Zeiten vor dem 19. Mai 1990, wenn der Versicherte seinen gewöhnlichen Aufenthalt am 18. Mai 1990 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatte und weiterhin seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte und unmittelbar vor Beginn des Auslandsaufenthaltes seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet gehabt hat. Diese Ausnahme war beim Kläger nicht gegeben.

Der Kläger hatte am 18. Mai 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - hat den gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der Kläger hat am Stichtag seinen Lebensmittelpunkt an seinem jetzigen Wohnsitz in B. Dass der Kläger sich an diesem Tag zu Besuch bei seiner Tante zur Feier deren Geburtstags aufgehalten hat, macht den Wohnort seiner Tante nicht zum Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes setzt voraus, dass der Betreffende den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft oder auf Dauer angelegt, also zukunftsoffen, an diesem Ort hat (Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 30 SGB I Rdnr. 10, 11 m.w.N.). Davon kann bei einem lediglich besuchsweisen Aufenthalt nicht die Rede sein. Wo eine Person polizeilich gemeldet ist, ist unbeachtlich (BSGE 53, 49, 52).

Die Beklagte hat danach zu Recht die Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers unter Anwendung von Entgeltpunkten (Ost) vorgenommen. Einwände gegen die von der Beklagten durchgeführte Vergleichsberechnung nach § 13 BerRehaG werden vom Kläger nicht erhoben. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte insofern Fehler gemacht hätte.

Das sozialgerichtliche Urteil war somit aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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