L 4 R 1019/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 661/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1019/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 2005 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der am 1949 geborene Kläger stammt aus Rumänien. Dort war er von Juni 1963 bis August 1964 als Bauhelfer beschäftigt. Anschließend besuchte er bis Juli 1968 die technische Veterinärschule. Danach war er von August 1968 bis Dezember 1971, unterbrochen durch den Militärdienst, als Arbeiter sowie von April 1972 bis Oktober 1972 und von Mai 1973 bis September 1978 als Veterinärtechniker beschäftigt. Am 12. September 1978 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises "A". Im Anschluss bezog er - unterbrochen durch eine Beschäftigung als Lagerist von Februar 1979 bis September 1980 - Arbeitslosengeld und absolvierte eine Umschulung zum Schmucksteinfasser. Die ca. eineinhalb Jahre dauernde Umschulung schloss er mit der Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald am 25. Juni 1982 ab. In seinem Beruf als Schmucksteinfasser war er vom 02. März 1987 bis 31. Juli 1998 bei der Firma Y. Schmuck GmbH in P. tätig. Nach Bezug von Arbeitslosengeld war er vom 16. Mai 2000 bis 02. Juni 2000 als Zahntechnikerhelfer tätig. Danach war er arbeitsunfähig erkrankt, wobei er vom 15. Juni bis 15. Juli, vom 24. Juli bis 23. August und vom 27. Oktober bis 24. November 2000 im Zentrum für Psychiatrie C., Landesklinik Nordschwarzwald, wegen einer mittelschweren depressiven Episode stationär behandelt wurde. Seit dem 19. April 2001 bezog er Leistungen wegen Arbeitslosigkeit vom damaligen Arbeitsamt Pforzheim.

Die Beklagte bewilligte vom 01. April 1998 bis 13. Mai 1998 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der W.-Klinik S. B., aus der der Kläger vollschichtig arbeitsfähig entlassen wurde. Der Entlassungsbericht des Dr. V. vom 22. Juni 1998 nannte als Diagnosen eine schwere depressive Erschöpfungsreaktion mit Somatisierung, eine Autoimmunhyperthyreose und eine psychogene Sehstörung. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Juni 2001 stellte die Beklagte u.a. die nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu berücksichtigenden Zeiten bis 11. September 1978 fest.

Am 22. Juli 2002 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Ärztin für Innere Medizin Dr. R. führte in ihrem Gutachten vom 11. September 2002 zusammenfassend aus, vom 01. April bis 13. Mai 1998 sei ein stationäres Heilverfahren wegen depressiver Erschöpfungsreaktion durchgeführt worden. Ebenfalls im Jahr 1998 sei eine Radiojodtherapie wegen einer Autoimmunhyperthyreose erfolgt. Der Kläger sei vom 15. Juni bis 15. Juli, 24. Juli bis 23. August sowie 27. Oktober bis 24. November 2000 im Zentrum für Psychiatrie C., Landesklinik Nordschwarzwald, wegen depressiver Episoden nach dem Arbeitsplatzverlust und nach Trennung von der Lebensgefährtin behandelt worden. Der Kläger klage seit Jahren über ein vermehrtes Schwitzen und rezidivierende depressive Störungen. Klinisch zeige sich ein guter Allgemein- und Kräftezustand bei erheblich übergewichtigem Ernährungszustand. Das Leistungsvermögen sei nicht wesentlich eingeschränkt. Leichte und mittelschwere Tätigkeiten könnten vollschichtig verrichtet werden. Der Gutachterin lagen ein Befundbericht des Arztes für Innere Medizin Dr. St. vom 12. September 2002, internistische und endokrinologische Befundberichte der Gemeinschaftspraxis Dr. Va. und Zink vom 10. und 21. Dezember 2001, ein urologischer Bericht des Facharztes für Urologie N. vom 29. Oktober 2001, Auszüge aus einem Gutachten des Arbeitsmediziners Dr. T. für das Arbeitsamt P. vom 19. September 2001, Berichte des Nervenarztes Dr. H. vom 07. Mai und 10. August 2001, ein sozialmedizinisches Gutachten des Dr. B., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 17. April 2001, ein Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie C., Landesklinik Nordschwarzwald, vom 15. Dezember 2000 über die stationäre Behandlung des Klägers dort vom 27. Oktober bis 24. November 2000 vor.

Mit Bescheid vom 07. Oktober 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe ihm nicht zu. Die erforderliche Wartezeit mit fünf Jahren anrechenbaren Zeiten sei dagegen erfüllt.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er könne nicht mehr arbeiten. Er bezog sich auf von ihm anlässlich des Widerspruchs vorgelegte ärztliche Bescheinigungen des Facharztes für Innere Medizin Dr. Ko. vom 23. August 2001. Dieser führte aus, der Kläger leide seit Jahren an Sehstörungen im Sinne von wechselnden Sehschärfen und an übermäßigem Schwitzen. Beide Symptome seien therapeutisch nicht beeinflussbar. Zu den Akten gelangten des Weiteren der Entlassungsbericht des Dr. V. vom 22. Juni 1998, die Entlassungsberichte des Zentrums für Psychiatrie C., Landesklinik Nordschwarzwald, vom 10. Oktober und 15. Dezember 2000, verschiedene Befundberichte sowie ein Attest der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. St. vom 30. Juli 1998, wonach der Kläger dort in laufender nervenärztlicher Behandlung gestanden habe. Zwischenzeitlich sei der Kläger durch ein Heilverfahren wiederhergestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03. Februar 2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen seien bereits im Antragsverfahren bzw. im Rehabilitationsverfahren und bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit bekannt gewesen. Der Kläger könne mittelschwere Arbeiten ohne Einschränkungen und auch seinen erlernten Beruf als Schmucksteinfasser mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Der Kläger hat am 26. Februar 2003 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Bei seiner Tätigkeit als Schmucksteinfasser handle es sich um eine Facharbeitertätigkeit. Diese Tätigkeit könne er unter Berücksichtigung seiner Beschwerden im Bereich der rechten Schulter, der Wirbelsäule und der verminderten Belastung infolge der Depression, dem starken Schwitzen und der bisher nicht berücksichtigten erheblichen Sehschwäche nicht mehr ausüben. Das Leistungsvermögen sei selbst für eine leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ beeinträchtigt. Dies sei auf die starke psychische Erkrankung mit Somatisierungsbeschwerden, starkem Schwitzen und Sehschwäche zurückzuführen. Körperlich anstrengende Tätigkeiten könne er deshalb nicht mehr verrichten. Er müsse wegen des starken Schwitzens mehrmals täglich seine Kleidung wechseln und könne letztlich nicht mehr weiterarbeiten. Bei Ausübung einer leichten Tätigkeit sei die erhebliche Sehschwäche zu beachten. Bei den geringsten neuen Anforderungen und Belastungen verschlimmere sich die Sehschwäche. Es komme zunehmend zu somatoformen Schmerzen im gesamten Körperbereich. Zur der Ergänzung seines Vortrags hat der Kläger ein Attest des Dr. Ko. vom 20. Februar 2003 vorgelegt. Dieser hat mitgeteilt, dass mehrfache augenärztliche Untersuchungen die Ursache der Sehstörung nicht hätten klären können. Im Jahr 2000 habe sich eine bereits seit längerer Zeit vorhandene Depression so verschlimmert, dass der Kläger zweimal im Zentrum für Psychiatrie C., Landesklinik Nordschwarzwald, habe behandelt werden müssen. Dort seien die Sehstörungen als Ausdruck der psychischen Erkrankung angesehen worden. Das starke Schwitzen beeinträchtige den Kläger ganz erheblich. Er vermeide deshalb auch kleinste Anstrengungen aus Angst vor erneuten Schweißausbrüchen. Das vermehrte Schwitzen sei im Oktober 2002 in der Deutschen Klinik für Diagnostik in W. abgeklärt worden, ohne dass man eine organische Ursache gefunden habe. Alle Behandlungsversuche seien erfolglos geblieben.

Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Spezielle Schmerztherapie, Rehabilitationswesen-Sozialmedizin Dr. G. vom 05. Dezember 2003 entgegengetreten und hat die Tätigkeit eines Registrators als Verweisungstätigkeit benannt. Dr. G. hat darauf hingewiesen, bei der Tätigkeit als Schmucksteinfasser handele es sich nach der Tätigkeitsbeschreibung der Bundesanstalt für Arbeit um eine leichte Tätigkeit mit erhöhten Anforderungen an Feinmotorik, Korrektheit, aber auch Sehvermögen. Der ophthalmologische Befund zeige keine Auffälligkeiten. Die Schweißneigung, das metabolische Syndrom bei Adipositas, das ausgeprägte Schlafapnoesyndrom sowie die Somatisierungstendenz seien bei entsprechender Compliance gut therapeutisch beeinflussbar und würden keine Einschränkungen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach sich ziehen. Hinsichtlich der Sehschwäche sei von einer erlebnisreaktiv ausgelösten neurotischen Sehstörung auszugehen, die im Zusammenhang mit den Kränkungserlebnissen auf dem letzten Arbeitsplatz zu werten sei. Es sei nicht von einer Dauerbeeinträchtigung auszugehen. Dem Kläger könne eine Tätigkeit auf einem entsprechenden Arbeitsplatz ohne Zeitdruck, auch wieder als Schmucksteinfasser, zugemutet werden. Der Stellungnahme hat die Tätigkeitsbeschreibung der Bundesanstalt für Arbeit (Berufenet) für die Tätigkeit Schmucksteinfasser beigelegen.

Das SG hat Dr. Ko. und Nervenarzt Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 23. Juni 2003 hat Dr. Ko. seine bisherigen Angaben bestätigt und ergänzend ausgeführt, dass die Schilddrüsenüberfunktion, die sich im Jahr 1988 gezeigt habe, mittels Radiojodtherapie definitiv therapiert worden sei. Die Annahme, dass sich die übermäßige Schweißneigung daraufhin bessern würde, habe sich leider nicht bestätigt. Nach seiner Einschätzung werde der Kläger den erlernten Beruf des Schmucksteinfassers in Zukunft nicht mehr ausüben können. Es lägen keine medizinischen Befunde oder Diagnosen vor, die per se der Verrichtung einer körperlich leichten Berufstätigkeit entgegenstünden. Der Schwerpunkt der Leiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet. Der Auskunft hat er weitere ärztliche Unterlagen, u.a. den Bericht der Deutschen Klinik für Diagnostik GmbH vom 28. Oktober 2002 beigefügt. Dr. H. hat in seiner Auskunft vom 16. Februar 2004 ausgeführt, der Kläger sei 2001 in seiner Sprechstunde gewesen und habe bei den Untersuchungen im Jahr 2001 über Sehstörungen, für die kein augenärztlicher pathologischer Befund feststellbar sei, vermehrtes Schwitzen und eine Hyperthyreose geklagt. Er habe die Beschwerden als Somatisierungsstörungen eingeordnet. Ein depressiver Affekt im eigentlichen Sinne werde nicht deutlich. Es seien Therapieversuche mit Medikation unternommen worden. Seit September 2001 habe ihn der Kläger nicht mehr aufgesucht. Eine Einschätzung zum aktuellen Leistungsstand sei ihm deshalb derzeit nicht möglich.

Das SG hat Dr. He., Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Neurologie und Psychiatrie-Psychoanalyse, zum Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 07. Juli 2004 hat er zusammenfassend ausgeführt, es sei eine Hypochidrosis (Schwitzen) und eine Sehstörung festzustellen. Daneben bestünden eine Reihe von weiteren funktionellen körperlichen und depressiven Symptomen. Diese Symptome seien wahrscheinlich primär psychosomatisch im Sinne einer Somatisierungsstörung bedingt, die sich wiederum auf dem Boden einer narzisstischen stimmungslabilen Persönlichkeitsstruktur entwickelt habe. Gleichzeitig gebe es organische Problembereiche, die differenzialdiagnostisch zu erwägen seien. Die Schilddrüsensubstitution sei derzeit nicht befriedigend. Es liege ein Hyperparathyreodismus, ein beginnendes metabolisches Syndrom, ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom und ein Alkohol- und Barbituratgebrauch vor. Diese Faktoren könnten zu psychischen Störungen führen bzw. solche verstärken. Vorrangig werde die Leistungsfähigkeit durch die multiple psychosomatische Symptomatik eingeschränkt. Eine Tätigkeit als Schmuck- und Edelsteinfasser sei eingeschränkt. Auch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Registrator seien in der derzeitigen Verfassung kaum vollschichtig durchzuführen. Sie seinen nur vier, möglicherweise auch sechs Stunden täglich noch möglich. Der jetzt festgestellte Gesundheitszustand dürfte sich etwa ab Mitte 2000 eingestellt haben. Es handle sich prinzipiell nicht um Leiden mit Dauercharakter. Es bestehe inzwischen allerdings eine ausgeprägte Chronifizierung, sodass die Aussicht, dass sich die Gesundheitsstörungen in absehbarer Zeit wesentlich bessern könnten, begrenzt sei. Eine Besserung durch eine umfassende multimodale Therapie zum jetzigen Zeitpunkt sei zwar nicht unwahrscheinlich, gleichwohl bleibe die Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit abzuwarten.

Den gutachterlichen Feststellungen ist die Beklagte unter Bezugnahme auf eine weitere Stellungnahme des Dr. G. vom 15. Dezember 2004 entgegengetreten. Dr. He. drücke sich eher unscharf aus, halte jedoch ein sechsstündiges Leistungsvermögen ohne betriebsunübliche Arbeitsbedingungen durchaus für möglich. Aus nervenärztlich-sozialmedizinischer Sicht spreche unter Wertung aller hier vorliegenden Befunde und den doch eher als gering einzuschätzenden erkennbaren tatsächlichen funktionellen Einschränkungen und Beeinträchtigungen nichts gegen ein über sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten ohne Zeitdruck. Nach Kenntnisnahme der Arbeitsplatzbeschreibung eines Edelsteinfassers halte er seit Juni 2000 die dort für diese Tätigkeit geforderten Belastungen nicht mehr für abverlangbar. Als Registrator könne der Kläger jedoch weiterhin tätig sein.

Der Kläger hat im Hinblick auf die Auffassung des Dr. Ko., er könne zwar nicht mehr als Schmucksteinfasser arbeiten, aber noch leichte Tätigkeiten in vollschichtigem Umfang verrichten, nur noch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beantragt (Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 08. September 2003). In der mündlichen Verhandlung des SG hat er Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer ab 01. Juli 2002 und einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005 beantragt.

Entsprechend diesem Antrag hat das SG mit Urteil vom 17. Februar 2005 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. Februar 2003 verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer ab 01. Juli 2002 und Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit im Zeitraum vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005 zu gewähren. Der Kläger könne Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts nur noch vier bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Die Einschätzung des Dr. He. sei überzeugend. Auch seine Annahme, dass der jetzt festgestellte Zustand sich Mitte des Jahres 2000 eingestellt habe, sei nachvollziehbar. Die Voraussetzungen für eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung als sogenannte Arbeitsmarktrente seien ebenfalls erfüllt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 08. März 2005 zugestellte Urteil am 11. März 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, eine Reduzierung der Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden sei nicht bewiesen. Dr. He. beschreibe einen relativ unauffälligen psychischen Befund. Sowohl im Gutachten der Dr. R. vom 25. September 2002 als auch im Gutachten, das im Rehabilitationsverfahren durch Dr. Schmidt am 07. März 2001 erstellt worden sei, werde eine derartige Leistungseinschränkung nicht beschrieben. In den drei Entlassungsberichten der Landesklinik Nordschwarzwald aus dem Jahre 2000 werde als Diagnose eine mittelgradige Episode, also ein vorübergehender Zustand vermerkt. Es sei eine jeweils schnelle und deutliche Befundbesserung bei der Entlassung festgestellt worden. Auch Dr. H. habe im Arztbrief vom 10. August 2001 mitgeteilt, der Kläger wirke nicht depressiv. Dr. Ko. habe in seiner schriftlichen Aussage vom 23. Juni 2003 darauf hingewiesen, dass keine medizinischen Befunde oder Diagnosen vorlägen, die per se der Verrichtung einer körperlich leichten Berufstätigkeit entgegenstünden. Zwar habe man den Kläger im Widerspruchsbescheid vom 03. Februar 2003 als Facharbeiter eingestuft. Nach nochmaliger Überprüfung werde dies nicht mehr aufrechterhalten. Der Schmucksteinfasser sei seit 1937 ein Ausbildungsberuf mit dreijähriger Lehrzeit gewesen. Dieser Beruf sei durch den Beruf Edelsteinfasser mit einer 42-monatigen Ausbildung gemäß der (von der Beklagten vorgelegten) Verordnung über die Berufsausbildung zum Edelsteinfasser vom 02. April 1992 (BGBl. I 1992, S. 782) abgelöst worden. Der Kläger sei nur ca. ein Jahr umgeschult worden. Angesichts der Kürze dieses Zeitraums sei klärungsbedürftig, ob der Kläger bis 31. Juli 1998 wissens- und könnensmäßig einem Edelsteinfasser mit 42-monatiger Ausbildungszeit gleichstehe. Selbst wenn dies der Fall sei, könne der Kläger auf die Tätigkeit eines Registrators verwiesen werden. In Fällen, in denen sich das Berufsbild wandle und neue Ausbildungsberufe entstünden, sei zu prüfen, ob gemessen an den geltenden neuen Ausbildungsberufen über vergleichbare Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt worden sei. Auch ein Gutachten nach Aktenlage, das Dr. T. im Rahmen eines Antrags des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt habe, beschreibe ein sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Beigeladene zur Zahlung der Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung verurteilt wird.

Seine Einstufung als Facharbeiter aufgrund seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit sei nicht in Zweifel zu ziehen. Er habe die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Schmucksteinfasser bestanden. Zwar habe die Umschulung nur 1,5 bis 1,75 Jahre gedauert, hieraus lasse sich jedoch nicht herleiten, dass ihm kein Berufsschutz als Facharbeiter zustehe. Auf Nachfrage des Berichterstatters hat der Kläger mitgeteilt, dass er seit September 2001 nicht in nervenärztlicher und psychiatrischer Behandlung gestanden habe. Für die Zeit nach dem 31. Dezember 2005 habe er auch keinen neuen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gestellt. Ergänzend hat der Kläger einen Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie Dr. Lo. vom 02. Juli 2007, in dem dieser eine endokrine Störung ausgeschlossen hat, vorgelegt.

Nach Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über soziale Sicherheit vom 08. April 2005 am 01. Juli 2006 ist die nach Art. 24 des Abkommens für alle Verfahren mit Versicherungszeiten in Deutschland und Rumänien zuständige Deutsche Rentenversicherung Unterfranken zum Verfahren beigeladen worden. Die Beigeladene hat sich den Ausführungen und Anträgen der Beklagten angeschlossen.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald mit Schreiben vom 11. November 2005 den Ausbildungsplan für das bis 1992 gültige Berufsbild des Ausbildungsberufes Schmucksteinfasser sowie eine Tätigkeitsbeschreibung dieses Ausbildungsberufes vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 07. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. Februar 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht keine Rente wegen voller, teilweiser oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.

1. Soweit das SG die Beklagte verurteilt hat, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005 zu gewähren, ist das Urteil bereits deshalb aufzuheben, weil der Kläger sein Begehren auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zurückgenommen hat und der Rechtsstreit damit insoweit (Rente wegen voller Erwerbsminderung) nach § 102 Satz 2 SGG erledigt ist. Der Kläger erhob zwar gegen den Bescheid der Beklagten vom 07. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. Februar 2003, der auch den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ablehnte, zunächst unbeschränkt Klage. Diese Klage nahm er aber mit dem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 08. September 2003 (Blatt 46 SG-Akte) im Hinblick auf die Angaben des vom SG gehörten sachverständigen Zeugen Dr. Ko. teilweise, nämlich soweit es die Rente wegen voller Erwerbsminderung betraf, zurück. In diesem Schriftsatz erklärte der Kläger ausdrücklich, dass er nur noch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beantragt. Durch die teilweise Rücknahme der Klage wurde der Bescheid der Beklagten vom 07. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. Februar 2003 insoweit bestandskräftig, als es die Ablehnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung betrifft. Gegenstand des Rechtsstreites war dann nur noch die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung des SG erneut die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Klagerücknahme kann als Prozesshandlung nicht widerrufen oder angefochten werden. Auch falls man insoweit im Zusammenhang mit den Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 25. Januar 2005, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung lägen vor, die Erhebung einer neuen Klage sehen würde, müsste diese Klage abgewiesen werden. Denn unabhängig davon, ob eine zulässige Klageänderung (§ 99 SGG) vorliegt, steht einer Verurteilung jedenfalls der infolge der teilweisen Klagerücknahme bestandskräftig gewordene Bescheid vom 07. Oktober 2002 entgegen.

2. Nach § 43 Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser, als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert.

Der Kläger ist nicht teilweise erwerbsgemindert. Beim Kläger liegt eine Somatisierungsstörung vor. Diese führt zu einem verstärkten Schwitzen und dem zeitweisen Auftreten einer Sehstörung. Daneben liegen weitere Symptome vor, so die Verpflichtung zur Schilddrüsensubstitution, ein Hyperparathyreodismus, ein beginnendes metabolisches Syndrom und ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, wobei offen ist, ob diese Folge der Somatisierungsstörung oder eigenständige organische Erkrankungen sind. Hinsichtlich der Feststellungen der genannten Erkrankungen stimmen sowohl Dr. He. in seinem Gutachten vom 07. Juli 2004 als auch Dr. R. in ihrem Gutachten vom 11. September 2002 als auch die behandelnden Ärzte weitgehend überein. Dr. Ko. beschreibt in seiner Stellungnahme vom 23. Juni 2003 ebenso die Neigung zu übermäßigem Schwitzen, die wechselnde Sehschärfe sowie die Schilddrüsenüberfunktion. Auch in den Berichten des Zentrums für Psychiatrie C., Landesklinik Nordschwarzwald, wird im Wesentlichen auf die genannten Krankheitsbilder abgestellt. Die depressive Erkrankung, wegen der der Kläger im Jahre 2000 sich mehrmals in stationärer Behandlung des Zentrums für Psychiatrie C., Landesklinik Nordschwarzwald, befand, war nur vorübergehend, was schon die Diagnose einer depressiven Episode zeigt. Aus den Berichten über die stationären Behandlungen ergibt sich zudem, dass auf Grund der Behandlung eine Besserung eintrat. Der Nervenarzt Dr. H. diagnostiziert in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2004 Somatisierungsstörungen. Dass insbesondere Gesundheitsstörungen erheblichen Ausmaßes auf nervenärztlichem Gebiet nicht bestehen, zeigt die Tatsache, dass der Kläger seit der letzten Konsultation bei Nervenarzt Dr. H. am 24. September 2001 nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung war. Wenn die Indikation für eine solche Behandlung gegeben wäre, hätte diese von anderen behandelnden Ärzten, insbesondere dem Hausarzt Dr. Ko., veranlasst werden müssen.

Ausgehend von diesen Befunden ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers, dass er aus gesundheitlichen Gründen in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten mit gewissen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Bereits der Hausarzt Dr. Ko. hat in seiner Stellungnahme angegeben, es lägen keine medizinischen Befunde oder Diagnosen vor, die der Verrichtung einer körperlich leichten Berufstätigkeit entgegenstehen würden. Ebenso sieht Dr. R. in ihrem Gutachten vom 11. September 2002 keine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers. Diese Einschätzung teilt auch die Internistin Dr. Schmidt in ihrem im Reha-Verfahren erstatteten Gutachten vom 07. März 2001. Diese Beurteilung wird gestützt durch die Mitteilung des Nervenarztes Dr. H., der ausdrücklich darauf hinweist, dass der Kläger zwar sichtbar angespannt war, ein depressiver Affekt im eigentlichen Sinne aber nicht deutlich wurde.

Die Leistungsbeurteilung des Dr. He. in seinem Gutachten überzeugt den Senat dagegen nicht. Ausgehend von den von ihm im Rahmen der Begutachtung erhobenen Befunde ist seine Einschätzung, der Kläger könne nur noch vier bis sechs Stunden täglich leichte Arbeiten verrichten, nicht nachvollziehbar. Dr. He. führt aus, dass der Kläger nur leicht schwitze, dass er bewusstseinsklar, allseits orientiert, recht aufmerksam und konzentriert gewesen sei. Kognitive Störungen konnte er ausschließen. Zwar war der Affekt in der Begutachtungssituation etwas herabgestimmt, wurde dann aber lebhafter, wenn auch in der emotionalen Schwingungsfähigkeit nicht sehr moduliert. Störungen der Hirnnerven, der Reflexe, der Motorik, der Sensibilität, der Koordination und des Vegetativum konnte er nicht feststellen. Aufgrund welcher Umstände Dr. He. dann zu der Schlussfolgerung kommt, die Hyperhydrosis bei Somatisierungsstörung und die somatoforme autonome Funktionsstörung sei so stark ausgeprägt, dass der Kläger in einer Tätigkeit als Registrator bzw. bei anderen Tätigkeiten nicht mehr mindestens sechs Stunden arbeiten könne, ist nicht nachvollziehbar. Dabei bleibt unbeachtet, ob nicht Dr. He. selbst eine Tätigkeit des Klägers als Registrator bzw. bei anderen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden arbeitstäglich noch für möglich hält. Hierauf könnte seine Beschreibung, wonach solche Tätigkeiten "in jedem Fall vier, möglicherweise auch sechs Stunden" möglich seien, hindeuten. Insoweit weist Dr. G. zutreffend darauf hin, dass unter Wertung der vorliegenden Befunde die erkennbaren tatsächlichen funktionellen Einschränkungen und Beeinträchtigungen als gering einzuschätzen sind. Sie stehen einem sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten ohne Zeitdruck, besondere geistige Anspannung und Nachtschicht nicht entgegen.

3. Dem Kläger steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Unter dem "bisherigen Beruf" im gesetzlichen Sinne ist die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zu verstehen, wenn sie die qualitativ höchste im Berufsleben war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Danach ist als "bisheriger Beruf" des Klägers die von 02. März 1987 bis 31. Juli 1998 ausgeübte Tätigkeit des Schmucksteinfassers anzusehen. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, er könne diese Tätigkeit nicht mehr verrichten, liegt Berufsunfähigkeit nicht vor, weil der Kläger zumutbar auf die Tätigkeit eines Registrators verwiesen werden kann.

Kann der Versicherte den bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich und fachlich noch bewältigen kann. Diesbezüglich hat die Rechtsprechung zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufs und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters mit anerkanntem Ausbildungsberuf von mehr als zwei Jahren Ausbildungszeit, regelmäßig drei Jahren, eines angelernten Arbeiters und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils nächst niedrigeren Gruppe möglich. Erforderlich ist, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten in einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).

Ob die zuletzt von 1987 bis 1998 ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Schmucksteinfasser dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen ist, kann letztendlich offenbleiben. Dagegen spricht, dass die Ausbildung für den Umschulungsberuf des Schmucksteinfassers 1,5 bis 1,75 Jahre dauerte, mithin weniger als zwei Jahre. Dies spräche eher für eine Zuordnung zu der Gruppe des angelernten Arbeiters (sonstige Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren). Für die Einstufung der Tätigkeit in die Gruppe des Facharbeiters könnte allerdings der von der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald mit Schreiben vom 11. November 2005 vorgelegte Ausbildungsplan über den Ausbildungsberuf Schmucksteinfasser sprechen. Selbst wenn man den Kläger als Facharbeiter einstuft, ist dem Kläger eine Tätigkeit als Registrator zumutbar, auch aus gesundheitlichen Gründen. Der Kläger könnte dann auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Berufsgruppe des genannten Mehrstufenschemas bzw. auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens drei Monaten erfordern oder sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder auf Grund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben und deshalb einer Anlerntätigkeit gleichstehen, wobei der betreffende Versicherte im Stande sein muss, die Tätigkeit nach einer Einweisungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig zu verrichten. All das wäre hinsichtlich der Tätigkeit des Registrators der Fall. Die Wertigkeit der Arbeit des Registrators als für Facharbeiter zumutbare Verweisungstätigkeit folgt aus ihrer Einstufung in das nach Qualitätsmerkmalen geordnete Lohngruppengefüge der einschlägigen Tarifverträge; darin spiegelt sich ihr qualitativer Rang wider. Im öffentlichen Dienst wurden Registratoren nach Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) und im privaten Versicherungsgewerbe nach Gehaltsgruppe II des Manteltarifvertrages der privaten Versicherungswirtschaft entlohnt, weshalb sich Facharbeiter auf diese Tätigkeit sozial zumutbar verweisen lassen müssen (zur Verweisung eines Facharbeiters auf Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VIII BAT vgl. grundlegend BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17; vgl. auch BSG, Urteil vom 27. November 1991, - 5 RJ 91/98 -; ständige Rechtsprechung der Senate des LSG Baden-Württemberg, z.B.: Urteil vom 08. Dezember 2004 - L 3 RJ 2594/03 -; Urteil vom 25. Januar 2005, - L 11 RJ 4993/03 - veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de; Urteil vom 11. Oktober 2006, - L 5 R 4635/05; Urteil des erkennenden Senats vom 26. Januar 2007 - L 4 R 4256/03 -; Beschluss des erkennenden Senats vom 23. April 2007 - L 4 R 5000/05 -).

Die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst ist nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt. Sie reicht von der vorwiegend mechanischen Tätigkeit (BAT X) und den einfacheren Arbeiten (BAT IX) über schwierigere Tätigkeiten (BAT VIII) bis zu Arbeiten mit gründlichen und besonders qualifizierten Fachkenntnissen und/oder leitenden Funktionen (BAT VII bis V). Diese Eingruppierungsgrundsätze und -regelungen gelten, da bisher noch keine spezielle neue Entgeltordnung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Grund des neuen Tarifvertrags öffentlicher Dienst geschaffen wurde, fort (Dassau und Langenbrinck: TVöD Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht, 1. Auflage 2005, S. 102; Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale im öffentlichen Dienst, Kommentar bearbeitet von Breier u.a. 85. Aktualisierung, Stand 01. Oktober 2006, Vorwort 2005). Die Vergütungsgruppe VIII BAT erfasst Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen , Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z.B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung). In die Vergütungsgruppe IX b BAT werden Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfacheren Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien z.B. Zettelkatalogen, nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung, Schreibmaterialienverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher) eingruppiert. Die Vergütungsgruppen sind im Verhältnis zueinander zu sehen. Eine "schwierigere Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe VIII BAT muss an den "einfacheren Arbeiten" der Vergütungsgruppe IX b BAT gemessen werden. Deshalb ist unter den schwierigeren Tätigkeiten nach VIII BAT weniger als eine schwierige Tätigkeit zu verstehen; der Komparativ "schwierigere" wird hier als Steigerung gegenüber den "einfacheren" Arbeiten der Vergütungsgruppe IX b Fallgruppe 1 gebraucht. Die schwierigeren Tätigkeiten zeichnen sich durch Verantwortlichkeit, große Selbständigkeit, eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere Initiative, besondere eigene Überlegung und eine Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten im Sinne von Vergütungsgruppe IX b nicht gefordert wird, aus. Schwierigere Tätigkeiten liegen gegenüber einfacheren Tätigkeiten dann vor, wenn die Tätigkeit den Einsatz qualifizierterer Fähigkeiten der Angestellten, gleich in welcher Hinsicht, im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten verlangt (Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale im öffentlichen Dienst, a.a.O. S. 123; Krasemann: Das Eingruppierungsrecht des BAT, BAT-O, 7. Auflage 2001 Rdnr. 90; vgl. auch Gutachten der Regionaldirektion Bayern, Nürnberg vom 20. April 2005 zu S 8 RJ 750/02 in www. sozialgerichtsbarkeit.de). Die schwierigere Tätigkeit muss damit im Schwierigkeitsgrad einerseits deutlich erkennbar über den Anforderungen der Postabfertigung liegen, andererseits ist für eine solche Tätigkeit die Anwendung von "gründlichen Fachkenntnissen" nicht erforderlich (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. April 2003 - L 14 RA 140/00 - veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger keine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten absolviert hat, verfügt er nach Auffassung des Senats angesichts seiner schulischen und beruflichen Ausbildung und seiner langjährigen Tätigkeit über Kenntnisse, die es ihm ermöglichen, qualifizierte Tätigkeiten in der Registratur, die der Vergütungsgruppe VIII BAT entsprechen, in einer dreimonatigen Einarbeitungszeit zu erlernen. Mit dem oben beschriebenen Leistungsvermögen ist es dem Kläger möglich, mindestens sechs Stunden täglich als Registrator zu arbeiten. Bewegen von Lasten über fünf bis zehn kg, Zwangshaltungen und Arbeiten auf Leitern sind nicht generell und in allen Fällen mit der Tätigkeit eines Registrators verbunden. Der Kläger ist nach seinen körperlichen, psychischen und geistigen Fähigkeiten aus den getroffenen Feststellungen in der Lage, eine solche Tätigkeit sechsstündig zu verrichten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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