L 12 AL 148/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AL 6981/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 148/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18. Oktober 2003 bis zum 2. November 2003.

Der 1947 geborene Kläger stand seit Oktober 1985 als Maschinenarbeiter in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma C GmbH. Vom 11. September 2001 bis 24. November 2002 war er wegen einer Herzkrankheit arbeitsunfähig krank gewesen, hatte danach aber wieder seine Arbeit aufgenommen. Am 25. August 2003 wurde er erneut zu einer Herzoperation vom Deutschen Herzzentrum B aufgenommen, der Krankenhausaufenthalt dauerte bis zum 8. September 2003. Am 26. September 2003 begann er eine Maßnahme zur Rehabilitation in der B Klinik B, die bis zum 17. Oktober 2003 andauerte, und aus der er als (noch) arbeitsunfähig entlassen wurde. Am 3. November 2003 nahm der Kläger seine bisherige Beschäftigung wieder auf.

Der Arbeitgeber leistete für die Zeit vom 25. August 2003 bis 5. Oktober 2003 Lohnfortzahlung; vom 6. Oktober 2003 bis zum 17. Oktober 2003 erhielt der Kläger Übergangsgeld von der Bundesknappschaft. Seine Krankenkasse wies ihn mit Schreiben vom 16. September 2003 anlässlich seiner Arbeitsunfähigkeit ab dem 25. August 2003 darauf hin, dass Krankengeld wegen derselben Krankheit längstens für 78 Wochen gezahlt werden könne. Das Krankengeld ende spätestens am 8. September 2003.

Am 5. September 2003 meldete die Ehefrau des (noch im Krankenhaus befindlichen) Klägers diesen bei der Beklagten mit Wirkung zum 6. Oktober 2003 arbeitslos. Am 24. September 2003 ging bei der Beklagten die Mitteilung ein, dass der Kläger nicht zu einer ärztlichen Untersuchung erscheinen könne, da er sich seit dem 26. September 2003 zur Rehabilitation in der B Klinik befinde. Am 7. November 2003 erhielt die Beklagte diverse Unterlagen zum Antrag auf Arbeitslosengeld über das Institut für Internationale Bildung und Kommunikation, welche der Kläger dort auf Veranlassung der Beklagten abgegeben hatte.

Durch Bescheid vom 11. November 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab. Der Kläger könne wegen Erkrankung keine Arbeit aufnehmen und stehe deswegen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er kein Arbeitslosengeld beantragt habe, da er nicht arbeitslos sei. Vielmehr begehre er Übergangsgeld an Stelle von Krankengeld. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid v. 28. November 2003). Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld sei eine persönliche Arbeitslosmeldung. Der Kläger habe sich aber am 18. Oktober 2003 nicht den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung gestellt. Auch Übergangsgeld könne der Kläger nicht verlangen, da ein entsprechender Anspruch gegen die Arbeitsverwaltung nur im Zusammenhang mit Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bestehen könne.

Dagegen richtet sich die am 29. Dezember 2003 beim Sozialgericht eingegangene Klage, mit welcher der Kläger zunächst geltend gemacht hat, dass erst für den 5. Dezember 2003 seine nächste persönliche Meldung angeordnet gewesen sei. Am 2. Oktober 2003 habe nochmals seine Ehefrau, am 23. Oktober 2003, 30. Oktober 2003 und 6. November 2003 er selbst vorgesprochen. Es sei ihm nicht nachvollziehbar, dass er für die Zeit vom 18. Oktober 2003 bis 2. November 2003 ohne jegliche Unterstützung bleiben solle.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil v. 21. Februar 2005). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht arbeitslos gewesen sei, da er nicht alle Möglichkeiten genutzt habe, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Der Beklagten sei nicht bekannt gewesen, dass die Rehabilitationsmaßnahme am 17. Oktober 2003 beendet gewesen sei, deswegen habe sie den Kläger nicht vermitteln können. Insoweit komme es auf die Fiktion der Arbeitsfähigkeit nach § 125 SGB III nicht an. Auch fehle die erforderliche Arbeitslosmeldung. Zwar erlaube der Gesetzgeber grundsätzlich eine vorgezogene Arbeitslosmeldung. Ihre Wirksamkeit setze aber eine spätere Arbeitslosigkeit voraus, die hier indessen wegen des Unterlassens der Anzeige vom Ende der Kur nicht eingetreten sei. Ansprüche nach § 126 SGB III bestünden nicht, weil der Kläger nicht während des Bezuges von Arbeitslosengeld arbeitsunfähig geworden sei.

Gegen das ihm am 11. März 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. April 2005 die ausdrücklich vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er habe alles getan, was die Beklagte ihm abverlangt habe. Er sei nie darauf hingewiesen worden, dass er sich nach dem Ende der Rehabilitation sofort bei der Beklagten melden müsse. Er hätte sich trotz seines noch bestehenden Arbeitsvertrages der Vermittlung zur Verfügung gestellt, wenn ihm gesagt worden wäre, dass dies eine notwendige Voraussetzung für den Erwerb des Anspruches auf Arbeitslosengeld sei. Seine Ehefrau sei von der Beklagten für die Abgabe der zur Bearbeitung des Antrags noch notwendigen Unterlagen an das Institut für Internationale Bildung und Kommunikation verwiesen worden. Die dortige Bearbeiterin, Frau K, habe sinngemäß gesagt, dass wichtig für das Arbeitsamt nur eine Bestätigung über die Dauer der Rehabilitation sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Februar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 18. Oktober 2003 bis 2. November 2003 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Der Kläger sei auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen und ihm das Merkblatt Nr. 1 für Arbeitslose ausgehändigt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum er zwar den Beginn der Rehabilitationsmaßnahme, aber nicht deren Ende mitgeteilt habe.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Veraltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtwidrig, weil der Kläger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18. Oktober 2003 bis zum 2. November 2003 hat.

Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ergibt sich nicht aus den §§ 117, 119 SGB III. Diese Vorschriften (in der für den streitigen Zeitpunkt geltenden Fassung) setzen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld voraus, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Der Kläger war nicht arbeitslos. Arbeitslosigkeit liegt nach § 118 SGB III vor, wenn ein Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Eine Beschäftigungssuche setzt nach § 119 Abs.1 SGB III die Verfügbarkeit voraus. Aus § 119 Abs. 2 und 3 SGB III ergibt sich zur Verfügbarkeit, dass sie nur bei Vorliegen von Arbeitsfähigkeit gegeben sein kann. Der Arbeitnehmer muss eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben können und dürfen.

Der Kläger konnte in der streitigen Zeit keine Beschäftigung in dem erforderlichen Umfang ausüben, da er nach Beendigung der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zunächst noch arbeitsunfähig krank gewesen war. Erst ab dem 3. November 2003 hat er sich (mit Veränderungsmitteilung vom 4. November 2003) bei der Beklagten wieder arbeitsfähig gemeldet. An diesem Tag hatte er seine bisherige Tätigkeit aber schon wieder aufgenommen. Gegen seine Verfügbarkeit im streitigen Zeitraum spricht im Übrigen auch, dass er in seinem Widerspruch gegen die Ablehnung der Leistungsgewährung erklärte, kein Arbeitslosengeld, sondern Übergangsgeld an Stelle von Krankengeld zu begehren. Soweit er nunmehr ausführt, dass er sich auf Nachfrage auch ausdrücklich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestellt hätte, bezieht sich das offensichtlich nur auf die formalen Voraussetzungen der Verfügbarkeit, ohne aber die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als solche in Frage zu stellen. Wegen fehlender Arbeitsfähigkeit besteht demnach kein Anspruch nach den §§ 117, 119 SGB III, ohne dass es darauf ankommt, dass der Kläger sich am 18. Oktober 2003 entgegen § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht persönlich arbeitslos gemeldet hat.

Der Kläger hat ebenso wenig einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 125 SGB III. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch, wer allein deswegen nicht arbeitslos ist, weil er keine versicherungspflichtige Tätigkeit mindestens 15 Stunden wöchentlich ausüben kann, solange verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht festgestellt worden ist. Unter den Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III, nämlich wenn der Leistungsgeminderte sich wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich arbeitslos melden kann, erlaubt das Gesetz die Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter. § 125 SGB III findet aber keine Anwendung auf den Kläger, weil es an einer mehr als sechsmonatigen Minderung der Leistungsfähigkeit fehlt, die von der Vorschrift indessen vorausgesetzt wird (§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers, in die der streitige Zeitraum fällt, dauerte vom 25. August 2003 bis zum 2. November 2003 an, währte also wesentlich weniger als sechs Monate, Der Kläger war danach jedenfalls nicht wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit an der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gehindert.

Daran ändert auch nichts, wenn nicht die – erst im Nachhinein feststehende - tatsächliche Dauer der Erkrankung betrachtet, sondern darauf abgestellt wird, ob bereits zum Zeitpunkt der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des Leistungsanspruches schon anzunehmen war, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit binnen sechs Monaten wieder fortfallen würde (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24. August 2006 - L 4 AL 57/04 -). Für den vorliegenden Fall belegt die kurze Zeitspanne zwischen dem Ende der Rehabilitationsmaßnahme und der Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit, dass die medizinische Rehabilitation erfolgreich verlaufen ist und deswegen am 18. Oktober 2003, als die Entlassung aus der Maßnahme erfolgte, schon absehbar war, dass der Kläger nach einer gewissen Schonfrist wieder arbeitsfähig werden würde. Eine mehr als sechsmonatige Aufhebung der Leistungsfähigkeit war danach am 18. Oktober 2003 nicht mehr zu erwarten.

Zu einem anderen Ergebnis führt schließlich ebenso wenig der Hinweis des Klägers, es könne nicht sein, trotz Beitragszahlung durch alle sozialen Sicherungssysteme zu fallen. Dass sein Krankengeldanspruch erschöpft war, stellt er selbst nicht in Frage; weitergehende Ansprüche auf Krankengeld wären überdies gegenüber der Krankenkasse zu verfolgen. § 125 SGB III hat nicht die Aufgabe, einen nahtlosen Leistungsbezug nach Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug sicherzustellen, die Vorschrift soll lediglich verhindern, dass widersprüchliche Beurteilungen der Leistungsfähigkeit zwischen Rentenversicherungsträger und der Arbeitsverwaltung zu Lasten der Versicherten gehen (Bundessozialgericht, Urteil v. 9. September 1999 – B 11 AL 13/99 R -). Diese Funktion des § 125 SGB III ist hier schon deswegen nicht betroffen, weil der Kläger noch bei keinem Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt hatte. Das Arbeitslosengeld stellt kein "Ersatzkrankengeld" dar. Vielmehr besteht tatsächlich – wenn, wie hier, dieselbe Krankheit für mehr als 78 Wochen jeweils nur vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, aber keine dauernde Erwerbsminderung verursacht – kein Leistungsanspruch aus einer Sozialversicherung. Allerdings hätte bei Bedürftigkeit ein Anspruch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bestanden.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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