Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 2706/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 469/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Beitragszahlung aus Versorgungsbezügen streitig.
Die 1950 geborene Klägerin ist seit 1975 Mitglied der Beklagten. Neben eigenen Einkünften aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei den Gemeindewerken bezieht sie seit 12.09.1995 von der D. R. B. (vormals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA -) eine große Witwenrente mit einem Rentenbetrag zum 01.02.1996 von 541,81 DM. Nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung (KV) von 35,76 DM und einem entsprechenden Anteil zur Pflegeversicherung (PV) von 2,71 DM verblieb ihr ein Teilbetrag von 503,34 DM. Darüber hinaus bezieht die Klägerin von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) eine Betriebsrente und vom Kommunalen Versorgungsverband B.-W. (KVBW) Versorgungsbezüge. Letztere beliefen sich im Oktober 1995 auf 1.859,93 DM (zur Höhe bis August 2004 Bl. 31 V-Akte).
Mit Schreiben vom 03.04.1996 teilte die Beklagte dem KVBW mit, ab 01.10.1995 seien KV-Beiträge und ggfs. PV-Beiträge einzubehalten und abzuführen. In der Erfassungsliste für die Zahlstelle, die auf diesem Schreiben abgedruckt war, wurde der Beitragssatz KV mit 6,75 %, bei der Beitragsabführungspflicht aber die Kennziffer 1 (1 = nein (KV + PVA)) eingetragen. In der Folgezeit wurden von den Versorgungsbezügen, die die Klägerin vom KVBW erhielt, tatsächlich keine Beiträge an die Beklagte abgeführt. Dieser Sachverhalt wurde erst bei einer im Juli 2004 durchgeführten Zahlstellen-Bestandsabstimmung festgestellt.
Die Beklagte wandte sich daraufhin wegen der Höhe des Arbeitsentgelts, der Versorgungsbezüge und der Rente an die Klägerin, welche Bezügemitteilungen des KVBW zwischen Januar 2003 und August 2004 übersandte und darauf hinwies, dass laut Schreiben der Beklagten vom 03.04.1996 an den KVBW eine Beitragsabführungspflicht nicht bestehe. So verstehe sie jedenfalls die Angaben auf der "Erfassungsliste für die Zahlstelle". Seit dem Tod ihres Ehemannes habe sie alle angeforderten Erklärungen über die Rente, rentenvergleichbare Einnahmen, Höhe der Nachzahlungen und das Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung termingerecht zugeschickt. Seit diesem Zeitpunkt seien von ihr KV-Beiträge für die Rente der BfA, für die Rente aus VBL und für das Arbeitsentgelt aus ihrer Beschäftigung bei den Gemeindewerken abgeführt worden.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der KVBW die Versorgungsbezüge ab Oktober 1995 und die VBL die Betriebsrente ab 01.04.1997 mit (Bl. 31, 45, 46 V-Akte). Nach weiteren Ermittlungen der Beklagten hinsichtlich der Höhe der Witwenrente (Bl. 22 - 30 V-Akte) und des Entgelts der Klägerin (Bl. 33 - 41 V-Akte) forderte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2005 den KVBW auf, die KV- und PV-Beiträge ab 01.01.2004 abzuführen. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde die Klägerin hiervon unterrichtet mit dem Hinweis, dass ihr Versorgungsbezug zu ihrem Einkommen zähle und deshalb grundsätzlich für die Beitragsberechnung heranzuziehen sei.
Aufgrund des Hinweises des KVBW, dass die Klägerin beihilfeberechtigt sei, berichtigte die Beklagte mit Bescheid vom 05.12.2005 den Bescheid vom 23.11.2005 dahingehend, dass bei der Beitragsabführungspflicht nunmehr die Kennziffer 4 eingetragen wurde. Auch hiervon unterrichtete die Beklagte die Klägerin.
Mit Bescheiden der Pflegekasse vom 05.12.2005 und 13.12.2005 wurden die Pflegeversicherungsbeiträge auf die Hälfte ermäßigt.
Der KVBW teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 07.12.2005 mit, dass sich für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2005 ein nachzuerhebender KV-Beitrag von 5.000,52,- EUR und ein PV-Beitrag von 325,88 EUR ergebe. Nach § 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) könnten die rückständigen Beiträge gegen die laufenden Versorgungsbezüge bis zu deren Hälfte aufgerechnet werden, solange die Klägerin nicht nachweise, dass sie dadurch sozialhilfebedürftig werde. Die hälftige Aufrechnung erfolge erstmals bei der Versorgungszahlung für den Monat Januar 2006. Sofern die Klägerin dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt werde, werde anheimgestellt, einen entsprechenden Nachweis zu übersenden.
Mit Schreiben vom 20.12.2005 legte die Klägerin ihren Widerspruch gegen die vom KVBW beabsichtigte Verrechnung vor und machte ihre Einwendungen auch gegenüber der Beklagten geltend, nämlich, dass die Versorgungsbezüge nach ihrem Ehemann laut Schreiben der Beklagten vom 03.04.1996 beitragsfrei seien. Es handle sich hierbei um einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt, dessen Rücknahme nur innerhalb von zwei Jahren möglich gewesen wäre.
Die Beklagte teilte der Klägerin hierauf mit, dass erst im Rahmen einer Bestandsabstimmung festgestellt worden sei, dass damals mit Bescheid vom 03.04.1996 fälschlicherweise eine falsche Meldung an den KVBW abgegeben worden sei, dass keine Beitragsabführungspflicht bestehe. Dies habe nun berichtigt werden müssen. Im Rahmen der Verjährungsfrist sei es möglich, dass der KVBW rückwirkend ab 01.01.2004 die Beiträge zur KV und PV einbehalte. Im Zuge dieser Bereinigung sei mitgeteilt worden, dass die Klägerin seit 01.10.1995 einen Beihilfeanspruch habe, was vorher nicht bekannt gewesen sei.
Mit weiterem Bescheid vom 30.12.2005 erfolgte nach einem Hinweis des KVBW eine weitere Berichtigung der Bescheide vom 23.11.2005 und 05.12.2005 hinsichtlich der Angaben für die Zahlstelle.
Mit Bescheid vom 06.03.2006 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass der KVBW auch mit dem Einbehalt und der Abführung der nicht verjährten Beiträge ab 01.01.2002 beauftragt sei. Mit Schreiben vom 08.03.2006 erläuterte die Beklagte der Klägerin die rechtlichen Grundlagen für die Nachforderung der Beiträge.
Auch hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 25.04.2006 Widerspruch.
Der KVBW übersandte der Beklagten eine Berechnung des rückständigen KV- und PV-Beitrags ab Januar 2002 bis Dezember 2005 und teilte die Höhe der bereits erfolgten Tilgung mit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2006 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 23.11.2005, 05.12.2005, 30.12.2005 und 06.03.2006 zurück. Während die Kasse die Zahlstelle der VBL beauftragt gehabt habe, die Beiträge aus den Versorgungsbezügen im Rahmen des Zahlstellenverfahrens direkt an sie abzuführen, sei in der Mitteilung vom 03.04.1996 an den KVBW in der Erfassungsliste für die Zahlstelle versehentlich eine Beitragsabführungspflicht der Zahlstelle verneint worden. Die insoweit unterbliebene Beitragsabführung sei erst anlässlich einer im Juli 2004 durchgeführten Zahlstellenabstimmung festgestellt worden. Die Zahlstellen hätten für Versicherungspflichtige, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bezögen, die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen (§ 256 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V-). Bei dem beamtenrechtlichen Witwengeld, das die Klägerin vom KVBW erhalte, handle es sich unstreitig um einen beitragspflichtigen Versorgungsbezug. Auch rückständige Beiträge seien durch die Zahlstelle aus dem weiterhin zu zahlenden Versorgungsbezug einzubehalten, wenn bei Zahlung des Versorgungsbezuges die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben sei (§ 256 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 255 Abs. 2 SGB V). Die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge entstehe kraft Gesetzes. Der nachträglichen Beitragserhebung könne nur die Verwirkung oder die Verjährung der Beitragsansprüche entgegenstehen. Eine Verwirkung liege nicht vor. Es sei zu keinem Zeitpunkt, insbesondere auch nicht mit dem Bescheid vom 03.04.1996, ein Verwaltungsakt des Inhalts erlassen worden, dass die Klägerin aus ihrem Versorgungsbezug des KVBW keine Beiträge zu zahlen habe. Ein Vertrauenstatbestand liege nicht vor. Bei der verspäteten Geltendmachung der Beiträge handle es sich um "bloßes Nichtstun", welches kein Verwirkungsverhalten darstelle. Die falsche Feststellung gegenüber der Zahlstelle, wonach keine Beitragsabführungspflicht bestehe, habe sich lediglich aus der falsch ausgefüllten Erfassungsleiste, welche bereits der Bezeichnung nach nur eine interne Mitteilung zwischen der Beklagten und dem KVBW als Zahlstelle gewesen sei, ergeben. Als interner Vorgang entfalte diese Mitteilung keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen. An das Verwirkungsverhalten seien strenge Anforderungen zu stellen, weil der Beitragsschuldner gegen die Nachforderung von Beiträgen über einen längeren Zeitraum durch die Verjährungsvorschrift hinreichend geschützt sei. Danach verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Entsprechend seien die Beiträge geltend gemacht worden.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung, mit Bescheid vom 03.04.1996 habe die Beklagte eine Entscheidung dahingehend getroffen, dass Versorgungsbezüge nicht der Beitragspflicht unterlägen. Es handle sich hierbei um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der mit seinem Erlass für die Beklagte bindend geworden sei und nur unter den Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen werden dürfe. Im Hinblick auf die nunmehr geltend gemachte Nachforderung könne sie (die Klägerin) nicht nachweisen, dass sie dadurch sozialhilfebedürftig werde. Im Übrigen sei der KVBW kein Sozialleistungsträger, so dass er grundsätzlich nicht aufrechnen könne. Eine Verrechnung käme nicht in Betracht.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.01.2007, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 15.01.2007, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im Wesentlichen aus, die Beklagte mache zu Recht eine nachträgliche Einbehaltung und Abführung unter Beachtung der Verjährung von Beiträgen zur KV und PV für die Zeit ab 01.01.2002 geltend. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei § 256 Abs. 2 i.V.m. § 255 Abs. 2 SGB V mit Verweis auf § 51 Abs. 2 SGB I sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, verjährten. Die Beklagte habe diese Vorschriften zutreffend angewandt und sie sei zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verwirkung der Beitragsansprüche nicht vorgelegen habe. Auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid werde Bezug genommen. Ergänzend sei anzumerken, dass sich aus dem Bescheid vom 03.04.1996 keine eindeutige Entscheidung dahingehend entnehmen lasse, dass Versorgungsbezüge der Klägerin nicht der Beitragspflicht unterliegen sollten. Im Textteil des Bescheides sei ausdrücklich ausgeführt worden, dass KV-Beiträge und ggfs. PV-Beiträge ab 01.10.1995 einzubehalten und direkt an die Beklagte abzuführen seien. Der eigentliche Fehler habe in der Erfassungsliste für die Zahlstelle gelegen. Dort sei bei der Beitragsabführungspflicht irrtümlich die falsche Kennziffer eingetragen worden. Aufgrund der Widersprüchlichkeit der Mitteilung vom 03.04.1996 könne zum einen kein Verwirkungstatbestand hergeleitet und auch kein Vertrauensschutz geltend gemacht werden. Der vorliegende Sachverhalt falle ohnehin nicht in den Anwendungsbereich des § 45 SGB X, da die Sonderregelungen in §§ 256 Abs. 2, 255 Abs. 2 SGB V vorrangig seien. Dadurch stelle sich auch nicht ein Problem wegen der Frage, dass es sich beim KVBW aus Sicht der Klägerin um keinen Sozialleistungsträger handle. Die Einbehaltungspflicht sei ausdrücklich für die Zahlstelle des Versorgungsbezugs geregelt. Die Verjährung sei von der Beklagten beachtet worden.
Mit ihrer dagegen am 25.01.2007 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der im Wesentlichen gleichen Argumentation weiter. Soweit bekannt sei, gehe die sozialgerichtliche Rechtsprechung dahin, dass wenn sich ein Leistungsträger irre, der andere Rechtspartner aber korrekte Angaben gemacht habe, eine gewährte Leistung nicht zurückgefordert werden könne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2007 sowie die Bescheide vom 23. November 2005, 05. Dezember 2005, 30. Dezember 2005 und 06. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der mit Beschluss vom 20.02.2007 beigeladene KVBW hat keinen Antrag gestellt und den Rentenbescheid der BfA vom 04.01.1996 bezüglich großer Witwenrente ab 12.09.1995 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die Beitragsforderung die erforderliche Berufungssumme übersteigt, und damit insgesamt zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide vom 23.11.2005, 05.12.2005, 30.12.2005 und 06.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in Ihren Rechten. Das vom Beigeladenen gezahlte Witwengeld unterliegt der Beitragspflicht zur KV und PV. Dies hat die Beklagte zu Recht festgestellt. Nachgefordert werden auch nur die nicht verjährten Beiträge. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §§ 153 Abs. 2 SGG, 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG und ergänzend auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, denen sich der Senat anschließt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zugleich in Prozessstandschaft handelnd für die bei ihr errichtete Pflegekasse auch über die noch zu entrichtenden PV entscheiden durfte, denn nach § 60 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) sind diese Beiträge an die Krankenkasse, bei der die zuständige Pflegekasse errichtet ist, zugunsten der PV zu zahlen.
Das von dem KVBW gezahlte Witwengeld unterliegt nach § 229 Abs. 1 Nr. 1 SGB V als der Rente vergleichbare Einnahme (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht zur KV und PV. Dies hat zur Folge, dass entsprechend der Zuständigkeitsregelung des § 256 Abs. 1 SGB V, wonach die Zahlstellen der Versorgungsbezüge die Beiträge aus Versorgungsbezügen für Versicherungspflichtige, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen haben (Satz 1), die Beiträge zur KV und PV der Klägerin aus dem Witwengeld ab 01.01.2002 nunmehr von dem Beigeladenen als Zahlstelle des Versorgungsbezuges einbehalten werden. Der Beigeladene wird hierdurch aber nicht zum Beitragsschuldner (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 26.03.2004 - L 4 KR 4285/02 - und vom 08.08.2006 - L 11 KR 411/06 -).
Soweit es um die Einbehaltung rückständiger Beiträge geht, gilt gemäß § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V der § 255 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V entsprechend. Die Krankenkasse zieht nach § 256 Abs. 2 Satz 2 die Beiträge nur aus nachgezahlten Versorgungsbezügen ein, was hier nicht der Fall ist. Vorliegend ist die Beitragsabführung aus laufenden Bezügen in der Vergangenheit durch ein Versehen (falscher Eintrag in der Erfassungsliste für die Zahlstelle) unterblieben.
Wie in einem solchen Fall zu verfahren ist, wird in dem gemäß § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V für entsprechend anwendbar erklärten § 255 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V eindeutig geregelt. Danach sind, wenn bei der Zahlung der Versorgungsleistung die Einbehaltung der Beiträge unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Leistung, hier den Beigeladenen, aus der weiterhin, also künftig zu zahlenden Versorgungsleistung einzubehalten, wobei zu beachten ist, dass der Leistungsempfänger dadurch nicht (oder nicht in stärkerem Maß) sozialhilfebedürftig werden darf. Dies bedeutet, dass die Einbehaltung der Beiträge von Gesetzes wegen durchzuführen ist, es sei denn die Klägerin wird dadurch sozialhilfebedürftig.
Der Hinweis der Klägerin auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine gewährte Leistung nicht zurückgefordert werden könne, wenn sich ein Leistungsträger irrt, der andere Rechtspartner aber korrekte Angaben gemacht habe, geht fehl. Es geht hier nicht um eine rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts nach §§ 44 ff. SGB X, sondern um eine von Gesetzes wegen auch für die Vergangenheit durchzuführende Beitragserhebung durch Einbehaltung von den laufenden Versorgungsbezügen. Unerheblich ist insoweit, aus welchen Gründen die Beitragsabführung unterblieben ist.
Die Beitragsforderung für die Jahre ab 01.01.2002 war bei ihrer Feststellung im November 2005 bzw. März 2006 nicht verjährt (vgl. § 25 Abs. 1 SGB IV).
Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) berufen, weil § 255 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V ihre Erwartung, nicht rückwirkend zu Beiträgen herangezogen zu werden, gerade nicht schützt. Die Beitragsforderung war auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004, - B 12 KR 10/02 R - und vom 13.05.1989 - 12 RK 23/88 -; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 m.w.N.). Die Verwirkung setzt ein sog. Zeit- und Umstandsmoment voraus (vgl. Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 04.07.2007 - L 17 U 17/06 -). "Besondere Umstände", die die Verwirkung eines Rechts auslösen, das der Berechtigte während eines längeren Zeitraumes nicht ausgeübt hat, liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmen Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Fordert eine Einzugsstelle rückständige Beiträge nach, so kommt es für die Verwirkung allein auf das Verhalten der Einzugsstelle an und nicht auf das Verhalten des Versicherungsträgers, für den die Einzugsstelle die Forderung treuhänderisch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 -, SozR 2200 § 1399 Nr. 1; Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.08.2006 L 11 KR 411/06 -). Vorliegend fehlt es bereits am Zeitmoment, denn zwischen dem Bescheid vom April 1996 und der jetzt durchgeführten Beitragsabführung sind ca. 10 Jahre vergangen. Über eine Verwirkung kann aber erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums ernsthaft diskutiert werden. Außerdem fehlt es an einem Verwirkungsverhalten der Beklagten, infolge dessen die Klägerin darauf vertrauen durfte, dass aus den Versorgungsbezügen keine Beitragsabführung erfolgt. In dem Bescheid vom 03.04.1996 wurde im Textteil ausdrücklich festgestellt, dass grundsätzlich eine Beitragspflicht aus den Versorgungsbezügen besteht und ab 01.10.1995 die Zahlstelle der Versorgungsbezüge die KV- und gegebenenfalls PV-Beiträge einzubehalten und direkt an die Beklagte abzuführen hat. Der Fehler lag in der irrtümlich falschen Eintragung in der Erfassungsliste. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit der Eintragung in der Erfassungsliste zu der im Verfügungssatz festgestellten Versicherungspflicht konnte die Klägerin kein solch schutzwürdiges Vertrauen entwickeln, dass die späte Rechtsausübung für sie unzumutbar wird (Umstandsmoment). Weder die Beklagte noch der Beigeladene haben jemals zu erkennen gegeben, dass von einer Beitragsforderung Abstand genommen wird. Zudem war die späte Rechtsausübung schon deshalb zumutbar, weil die Klägerin in der Vergangenheit von der Nichtabführung der Beiträge profitiert hat und ihr dieser Vorteil auch bleibt.
Die Berufung der Klägerin konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Beitragszahlung aus Versorgungsbezügen streitig.
Die 1950 geborene Klägerin ist seit 1975 Mitglied der Beklagten. Neben eigenen Einkünften aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei den Gemeindewerken bezieht sie seit 12.09.1995 von der D. R. B. (vormals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA -) eine große Witwenrente mit einem Rentenbetrag zum 01.02.1996 von 541,81 DM. Nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung (KV) von 35,76 DM und einem entsprechenden Anteil zur Pflegeversicherung (PV) von 2,71 DM verblieb ihr ein Teilbetrag von 503,34 DM. Darüber hinaus bezieht die Klägerin von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) eine Betriebsrente und vom Kommunalen Versorgungsverband B.-W. (KVBW) Versorgungsbezüge. Letztere beliefen sich im Oktober 1995 auf 1.859,93 DM (zur Höhe bis August 2004 Bl. 31 V-Akte).
Mit Schreiben vom 03.04.1996 teilte die Beklagte dem KVBW mit, ab 01.10.1995 seien KV-Beiträge und ggfs. PV-Beiträge einzubehalten und abzuführen. In der Erfassungsliste für die Zahlstelle, die auf diesem Schreiben abgedruckt war, wurde der Beitragssatz KV mit 6,75 %, bei der Beitragsabführungspflicht aber die Kennziffer 1 (1 = nein (KV + PVA)) eingetragen. In der Folgezeit wurden von den Versorgungsbezügen, die die Klägerin vom KVBW erhielt, tatsächlich keine Beiträge an die Beklagte abgeführt. Dieser Sachverhalt wurde erst bei einer im Juli 2004 durchgeführten Zahlstellen-Bestandsabstimmung festgestellt.
Die Beklagte wandte sich daraufhin wegen der Höhe des Arbeitsentgelts, der Versorgungsbezüge und der Rente an die Klägerin, welche Bezügemitteilungen des KVBW zwischen Januar 2003 und August 2004 übersandte und darauf hinwies, dass laut Schreiben der Beklagten vom 03.04.1996 an den KVBW eine Beitragsabführungspflicht nicht bestehe. So verstehe sie jedenfalls die Angaben auf der "Erfassungsliste für die Zahlstelle". Seit dem Tod ihres Ehemannes habe sie alle angeforderten Erklärungen über die Rente, rentenvergleichbare Einnahmen, Höhe der Nachzahlungen und das Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung termingerecht zugeschickt. Seit diesem Zeitpunkt seien von ihr KV-Beiträge für die Rente der BfA, für die Rente aus VBL und für das Arbeitsentgelt aus ihrer Beschäftigung bei den Gemeindewerken abgeführt worden.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der KVBW die Versorgungsbezüge ab Oktober 1995 und die VBL die Betriebsrente ab 01.04.1997 mit (Bl. 31, 45, 46 V-Akte). Nach weiteren Ermittlungen der Beklagten hinsichtlich der Höhe der Witwenrente (Bl. 22 - 30 V-Akte) und des Entgelts der Klägerin (Bl. 33 - 41 V-Akte) forderte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2005 den KVBW auf, die KV- und PV-Beiträge ab 01.01.2004 abzuführen. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde die Klägerin hiervon unterrichtet mit dem Hinweis, dass ihr Versorgungsbezug zu ihrem Einkommen zähle und deshalb grundsätzlich für die Beitragsberechnung heranzuziehen sei.
Aufgrund des Hinweises des KVBW, dass die Klägerin beihilfeberechtigt sei, berichtigte die Beklagte mit Bescheid vom 05.12.2005 den Bescheid vom 23.11.2005 dahingehend, dass bei der Beitragsabführungspflicht nunmehr die Kennziffer 4 eingetragen wurde. Auch hiervon unterrichtete die Beklagte die Klägerin.
Mit Bescheiden der Pflegekasse vom 05.12.2005 und 13.12.2005 wurden die Pflegeversicherungsbeiträge auf die Hälfte ermäßigt.
Der KVBW teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 07.12.2005 mit, dass sich für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2005 ein nachzuerhebender KV-Beitrag von 5.000,52,- EUR und ein PV-Beitrag von 325,88 EUR ergebe. Nach § 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) könnten die rückständigen Beiträge gegen die laufenden Versorgungsbezüge bis zu deren Hälfte aufgerechnet werden, solange die Klägerin nicht nachweise, dass sie dadurch sozialhilfebedürftig werde. Die hälftige Aufrechnung erfolge erstmals bei der Versorgungszahlung für den Monat Januar 2006. Sofern die Klägerin dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt werde, werde anheimgestellt, einen entsprechenden Nachweis zu übersenden.
Mit Schreiben vom 20.12.2005 legte die Klägerin ihren Widerspruch gegen die vom KVBW beabsichtigte Verrechnung vor und machte ihre Einwendungen auch gegenüber der Beklagten geltend, nämlich, dass die Versorgungsbezüge nach ihrem Ehemann laut Schreiben der Beklagten vom 03.04.1996 beitragsfrei seien. Es handle sich hierbei um einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt, dessen Rücknahme nur innerhalb von zwei Jahren möglich gewesen wäre.
Die Beklagte teilte der Klägerin hierauf mit, dass erst im Rahmen einer Bestandsabstimmung festgestellt worden sei, dass damals mit Bescheid vom 03.04.1996 fälschlicherweise eine falsche Meldung an den KVBW abgegeben worden sei, dass keine Beitragsabführungspflicht bestehe. Dies habe nun berichtigt werden müssen. Im Rahmen der Verjährungsfrist sei es möglich, dass der KVBW rückwirkend ab 01.01.2004 die Beiträge zur KV und PV einbehalte. Im Zuge dieser Bereinigung sei mitgeteilt worden, dass die Klägerin seit 01.10.1995 einen Beihilfeanspruch habe, was vorher nicht bekannt gewesen sei.
Mit weiterem Bescheid vom 30.12.2005 erfolgte nach einem Hinweis des KVBW eine weitere Berichtigung der Bescheide vom 23.11.2005 und 05.12.2005 hinsichtlich der Angaben für die Zahlstelle.
Mit Bescheid vom 06.03.2006 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass der KVBW auch mit dem Einbehalt und der Abführung der nicht verjährten Beiträge ab 01.01.2002 beauftragt sei. Mit Schreiben vom 08.03.2006 erläuterte die Beklagte der Klägerin die rechtlichen Grundlagen für die Nachforderung der Beiträge.
Auch hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 25.04.2006 Widerspruch.
Der KVBW übersandte der Beklagten eine Berechnung des rückständigen KV- und PV-Beitrags ab Januar 2002 bis Dezember 2005 und teilte die Höhe der bereits erfolgten Tilgung mit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2006 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 23.11.2005, 05.12.2005, 30.12.2005 und 06.03.2006 zurück. Während die Kasse die Zahlstelle der VBL beauftragt gehabt habe, die Beiträge aus den Versorgungsbezügen im Rahmen des Zahlstellenverfahrens direkt an sie abzuführen, sei in der Mitteilung vom 03.04.1996 an den KVBW in der Erfassungsliste für die Zahlstelle versehentlich eine Beitragsabführungspflicht der Zahlstelle verneint worden. Die insoweit unterbliebene Beitragsabführung sei erst anlässlich einer im Juli 2004 durchgeführten Zahlstellenabstimmung festgestellt worden. Die Zahlstellen hätten für Versicherungspflichtige, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bezögen, die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen (§ 256 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V-). Bei dem beamtenrechtlichen Witwengeld, das die Klägerin vom KVBW erhalte, handle es sich unstreitig um einen beitragspflichtigen Versorgungsbezug. Auch rückständige Beiträge seien durch die Zahlstelle aus dem weiterhin zu zahlenden Versorgungsbezug einzubehalten, wenn bei Zahlung des Versorgungsbezuges die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben sei (§ 256 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 255 Abs. 2 SGB V). Die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge entstehe kraft Gesetzes. Der nachträglichen Beitragserhebung könne nur die Verwirkung oder die Verjährung der Beitragsansprüche entgegenstehen. Eine Verwirkung liege nicht vor. Es sei zu keinem Zeitpunkt, insbesondere auch nicht mit dem Bescheid vom 03.04.1996, ein Verwaltungsakt des Inhalts erlassen worden, dass die Klägerin aus ihrem Versorgungsbezug des KVBW keine Beiträge zu zahlen habe. Ein Vertrauenstatbestand liege nicht vor. Bei der verspäteten Geltendmachung der Beiträge handle es sich um "bloßes Nichtstun", welches kein Verwirkungsverhalten darstelle. Die falsche Feststellung gegenüber der Zahlstelle, wonach keine Beitragsabführungspflicht bestehe, habe sich lediglich aus der falsch ausgefüllten Erfassungsleiste, welche bereits der Bezeichnung nach nur eine interne Mitteilung zwischen der Beklagten und dem KVBW als Zahlstelle gewesen sei, ergeben. Als interner Vorgang entfalte diese Mitteilung keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen. An das Verwirkungsverhalten seien strenge Anforderungen zu stellen, weil der Beitragsschuldner gegen die Nachforderung von Beiträgen über einen längeren Zeitraum durch die Verjährungsvorschrift hinreichend geschützt sei. Danach verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Entsprechend seien die Beiträge geltend gemacht worden.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung, mit Bescheid vom 03.04.1996 habe die Beklagte eine Entscheidung dahingehend getroffen, dass Versorgungsbezüge nicht der Beitragspflicht unterlägen. Es handle sich hierbei um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der mit seinem Erlass für die Beklagte bindend geworden sei und nur unter den Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen werden dürfe. Im Hinblick auf die nunmehr geltend gemachte Nachforderung könne sie (die Klägerin) nicht nachweisen, dass sie dadurch sozialhilfebedürftig werde. Im Übrigen sei der KVBW kein Sozialleistungsträger, so dass er grundsätzlich nicht aufrechnen könne. Eine Verrechnung käme nicht in Betracht.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.01.2007, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 15.01.2007, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im Wesentlichen aus, die Beklagte mache zu Recht eine nachträgliche Einbehaltung und Abführung unter Beachtung der Verjährung von Beiträgen zur KV und PV für die Zeit ab 01.01.2002 geltend. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei § 256 Abs. 2 i.V.m. § 255 Abs. 2 SGB V mit Verweis auf § 51 Abs. 2 SGB I sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, verjährten. Die Beklagte habe diese Vorschriften zutreffend angewandt und sie sei zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verwirkung der Beitragsansprüche nicht vorgelegen habe. Auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid werde Bezug genommen. Ergänzend sei anzumerken, dass sich aus dem Bescheid vom 03.04.1996 keine eindeutige Entscheidung dahingehend entnehmen lasse, dass Versorgungsbezüge der Klägerin nicht der Beitragspflicht unterliegen sollten. Im Textteil des Bescheides sei ausdrücklich ausgeführt worden, dass KV-Beiträge und ggfs. PV-Beiträge ab 01.10.1995 einzubehalten und direkt an die Beklagte abzuführen seien. Der eigentliche Fehler habe in der Erfassungsliste für die Zahlstelle gelegen. Dort sei bei der Beitragsabführungspflicht irrtümlich die falsche Kennziffer eingetragen worden. Aufgrund der Widersprüchlichkeit der Mitteilung vom 03.04.1996 könne zum einen kein Verwirkungstatbestand hergeleitet und auch kein Vertrauensschutz geltend gemacht werden. Der vorliegende Sachverhalt falle ohnehin nicht in den Anwendungsbereich des § 45 SGB X, da die Sonderregelungen in §§ 256 Abs. 2, 255 Abs. 2 SGB V vorrangig seien. Dadurch stelle sich auch nicht ein Problem wegen der Frage, dass es sich beim KVBW aus Sicht der Klägerin um keinen Sozialleistungsträger handle. Die Einbehaltungspflicht sei ausdrücklich für die Zahlstelle des Versorgungsbezugs geregelt. Die Verjährung sei von der Beklagten beachtet worden.
Mit ihrer dagegen am 25.01.2007 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der im Wesentlichen gleichen Argumentation weiter. Soweit bekannt sei, gehe die sozialgerichtliche Rechtsprechung dahin, dass wenn sich ein Leistungsträger irre, der andere Rechtspartner aber korrekte Angaben gemacht habe, eine gewährte Leistung nicht zurückgefordert werden könne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2007 sowie die Bescheide vom 23. November 2005, 05. Dezember 2005, 30. Dezember 2005 und 06. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der mit Beschluss vom 20.02.2007 beigeladene KVBW hat keinen Antrag gestellt und den Rentenbescheid der BfA vom 04.01.1996 bezüglich großer Witwenrente ab 12.09.1995 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die Beitragsforderung die erforderliche Berufungssumme übersteigt, und damit insgesamt zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide vom 23.11.2005, 05.12.2005, 30.12.2005 und 06.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in Ihren Rechten. Das vom Beigeladenen gezahlte Witwengeld unterliegt der Beitragspflicht zur KV und PV. Dies hat die Beklagte zu Recht festgestellt. Nachgefordert werden auch nur die nicht verjährten Beiträge. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §§ 153 Abs. 2 SGG, 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG und ergänzend auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, denen sich der Senat anschließt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zugleich in Prozessstandschaft handelnd für die bei ihr errichtete Pflegekasse auch über die noch zu entrichtenden PV entscheiden durfte, denn nach § 60 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) sind diese Beiträge an die Krankenkasse, bei der die zuständige Pflegekasse errichtet ist, zugunsten der PV zu zahlen.
Das von dem KVBW gezahlte Witwengeld unterliegt nach § 229 Abs. 1 Nr. 1 SGB V als der Rente vergleichbare Einnahme (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht zur KV und PV. Dies hat zur Folge, dass entsprechend der Zuständigkeitsregelung des § 256 Abs. 1 SGB V, wonach die Zahlstellen der Versorgungsbezüge die Beiträge aus Versorgungsbezügen für Versicherungspflichtige, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen haben (Satz 1), die Beiträge zur KV und PV der Klägerin aus dem Witwengeld ab 01.01.2002 nunmehr von dem Beigeladenen als Zahlstelle des Versorgungsbezuges einbehalten werden. Der Beigeladene wird hierdurch aber nicht zum Beitragsschuldner (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 26.03.2004 - L 4 KR 4285/02 - und vom 08.08.2006 - L 11 KR 411/06 -).
Soweit es um die Einbehaltung rückständiger Beiträge geht, gilt gemäß § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V der § 255 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V entsprechend. Die Krankenkasse zieht nach § 256 Abs. 2 Satz 2 die Beiträge nur aus nachgezahlten Versorgungsbezügen ein, was hier nicht der Fall ist. Vorliegend ist die Beitragsabführung aus laufenden Bezügen in der Vergangenheit durch ein Versehen (falscher Eintrag in der Erfassungsliste für die Zahlstelle) unterblieben.
Wie in einem solchen Fall zu verfahren ist, wird in dem gemäß § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V für entsprechend anwendbar erklärten § 255 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V eindeutig geregelt. Danach sind, wenn bei der Zahlung der Versorgungsleistung die Einbehaltung der Beiträge unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Leistung, hier den Beigeladenen, aus der weiterhin, also künftig zu zahlenden Versorgungsleistung einzubehalten, wobei zu beachten ist, dass der Leistungsempfänger dadurch nicht (oder nicht in stärkerem Maß) sozialhilfebedürftig werden darf. Dies bedeutet, dass die Einbehaltung der Beiträge von Gesetzes wegen durchzuführen ist, es sei denn die Klägerin wird dadurch sozialhilfebedürftig.
Der Hinweis der Klägerin auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine gewährte Leistung nicht zurückgefordert werden könne, wenn sich ein Leistungsträger irrt, der andere Rechtspartner aber korrekte Angaben gemacht habe, geht fehl. Es geht hier nicht um eine rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts nach §§ 44 ff. SGB X, sondern um eine von Gesetzes wegen auch für die Vergangenheit durchzuführende Beitragserhebung durch Einbehaltung von den laufenden Versorgungsbezügen. Unerheblich ist insoweit, aus welchen Gründen die Beitragsabführung unterblieben ist.
Die Beitragsforderung für die Jahre ab 01.01.2002 war bei ihrer Feststellung im November 2005 bzw. März 2006 nicht verjährt (vgl. § 25 Abs. 1 SGB IV).
Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) berufen, weil § 255 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V ihre Erwartung, nicht rückwirkend zu Beiträgen herangezogen zu werden, gerade nicht schützt. Die Beitragsforderung war auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004, - B 12 KR 10/02 R - und vom 13.05.1989 - 12 RK 23/88 -; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 m.w.N.). Die Verwirkung setzt ein sog. Zeit- und Umstandsmoment voraus (vgl. Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 04.07.2007 - L 17 U 17/06 -). "Besondere Umstände", die die Verwirkung eines Rechts auslösen, das der Berechtigte während eines längeren Zeitraumes nicht ausgeübt hat, liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmen Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Fordert eine Einzugsstelle rückständige Beiträge nach, so kommt es für die Verwirkung allein auf das Verhalten der Einzugsstelle an und nicht auf das Verhalten des Versicherungsträgers, für den die Einzugsstelle die Forderung treuhänderisch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 -, SozR 2200 § 1399 Nr. 1; Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.08.2006 L 11 KR 411/06 -). Vorliegend fehlt es bereits am Zeitmoment, denn zwischen dem Bescheid vom April 1996 und der jetzt durchgeführten Beitragsabführung sind ca. 10 Jahre vergangen. Über eine Verwirkung kann aber erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums ernsthaft diskutiert werden. Außerdem fehlt es an einem Verwirkungsverhalten der Beklagten, infolge dessen die Klägerin darauf vertrauen durfte, dass aus den Versorgungsbezügen keine Beitragsabführung erfolgt. In dem Bescheid vom 03.04.1996 wurde im Textteil ausdrücklich festgestellt, dass grundsätzlich eine Beitragspflicht aus den Versorgungsbezügen besteht und ab 01.10.1995 die Zahlstelle der Versorgungsbezüge die KV- und gegebenenfalls PV-Beiträge einzubehalten und direkt an die Beklagte abzuführen hat. Der Fehler lag in der irrtümlich falschen Eintragung in der Erfassungsliste. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit der Eintragung in der Erfassungsliste zu der im Verfügungssatz festgestellten Versicherungspflicht konnte die Klägerin kein solch schutzwürdiges Vertrauen entwickeln, dass die späte Rechtsausübung für sie unzumutbar wird (Umstandsmoment). Weder die Beklagte noch der Beigeladene haben jemals zu erkennen gegeben, dass von einer Beitragsforderung Abstand genommen wird. Zudem war die späte Rechtsausübung schon deshalb zumutbar, weil die Klägerin in der Vergangenheit von der Nichtabführung der Beiträge profitiert hat und ihr dieser Vorteil auch bleibt.
Die Berufung der Klägerin konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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