L 11 R 3197/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2160/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3197/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (noch) um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1964 geborene Kläger, türkischer Staatsangehöriger, hat seinen Angaben zufolge keinen Beruf erlernt. Nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland im Dezember 1979 absolvierte er von September 1980 bis August 1981 einen Metalllehrgang. Zwischen März 1982 und Mai 2000 arbeitete er mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit als Werkzeugschleifer, Dreher, Fräser und zuletzt als Zahnflankenschleifer. Ab 09.06.2000 bis 10.06.2001 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Die in der Folge zunächst bewilligte Arbeitslosenhilfe wurde zum 01.07.2003 eingestellt. Für die Zeit vom 12.06.2001 bis 03.02.2003 wurde die Leistung aufgrund der Vermögenssituation des Klägers zurückgefordert. Ab 05.07.2003 war der Kläger bei seiner Ehefrau familienversichert.

Wegen der Folgen eines Wegeunfalls am 26.10.1996, bei dem sich der Kläger ein Schädel-Hirn-Trauma und multiple Prellungen zuzog, bezieht er von der S. M.-B. (BG) eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H.

Im Juli 2003 erlitt der Kläger bei einem Motorradunfall in der Türkei eine Rippenserienfraktur links mit Hämato-Pneumothorax, ein stumpfes Bauchtrauma mit Milzruptur und Nierenkontusion, eine Fibulaschaftfraktur und multiple Schürfungen. Nach stationärer Behandlung im Klinikum a. P. erfolgte vom 19.08. bis 16.09.2003 eine Anschlussheilbehandlung in der R.klinik B. R., aus der der Kläger wegen eines protrahiert abheilenden Ulcus zunächst noch als arbeitsunfähig entlassen wurde. Die Wiederaufnahme einer leistungsbildgerechten Tätigkeit wurde ab Oktober als absehbar und der Kläger für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen vollschichtig (sechs Stunden und mehr) zu verrichten, wobei das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg bis Ende des Jahres gemieden werden sollte.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 04.07.2003 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am 10.10.2003 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers in der Ärztlichen Untersuchungsstelle H ... Dr. S., dem Arztbriefe des Lungenfacharztes Dr. S. und des Chirurgen Dr. B. sowie der Entlassungsbericht des Klinikums a. P. vorlagen, diagnostizierte als Gesundheitsstörungen: 1. mäßiggradige links-basale pleuro-pulmonale Verschwielung mit restriktiver Ventilationsstörung bei stattgehabtem Polytrauma 7/03; 2. Restbeschwerden Fuß rechts nach Schürfverletzung im Rahmen des Unfalls 7/03; 3. Restbeschwerden bei Zustand nach Arbeitsunfall 10/96 (Schädelhirntrauma), angegebene Sensibilitätsstörungen Arm-Gesichtsbereich links; 4. Körperübergewicht. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten und ohne spezifische besondere infektionsgefährdete Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten. Auch die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit als Zahnflankenschleifer sei über sechsstündig ausführbar.

Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.01.2004 den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Nach ärztlicher Feststellung könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag (Fünf-Tage-Woche) unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Mit weiterem Bescheid vom 02.02.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, da der Kläger in der Lage sei, eine Beschäftigung als Zahnflankenschleifer weiterhin auszuüben.

Die vom Kläger gegen beide Bescheide ohne nähere Begründung erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 24.06.2004 zurück.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) mit der Begründung, entgegen der Auffassung der Beklagten könne er aufgrund seiner Erkrankungen nicht mehr als Zahnflankenschleifer mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Zur Stützung seines Begehrens legte der Kläger ein Schreiben des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. I. an den Prozessbevollmächtigten vom März 2005 vor, wonach der Kläger bei stärkstens reduzierter Erwerbsfähigkeit intensiv therapiebedürftig sei.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen.

Der Chirurg Dr. B. berichtete unter Beifügung weiterer Arztunterlagen (u.a. CT-LWS März 2004) über Behandlungen des Klägers seit Dezember 1992. Trotz fehlender Milz und linker Niere könne der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten ausführen. Die Rippenbrüche und der Wadenbeinbruch links seien verheilt. Über den früheren Arbeitsunfall, bei dem der Kläger ein Schädelhirntrauma erlitten habe, lägen ihm keine Unterlagen vor, weshalb auch keine Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers nach dem Schädelhirntrauma abgegeben werden könne.

Dr. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, bekundete, der Kläger habe sich erstmals im Mai 2004 und danach im August 2004 und Februar 2005 vorgestellt. Er habe verstärkt über innere Unruhe mit Verstimmungszuständen, Reizbarkeit und aggressive Durchbrüche geklagt. Eine relevante depressive Verstimmung sei bei der letzten Untersuchung nicht mehr festzustellen gewesen. Diagnostisch seien beim letzten Gespräch Erregungszustände bei instabiler Persönlichkeit festgehalten worden. Aus psychiatrischer Sicht sei der Kläger noch in der Lage, ohne Gefährdung seiner Gesundheit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf regelmäßig ca. sechs Stunden täglich zu arbeiten. Aufgrund der Verstimmungszustände und aggressiven Durchbrüche sei die Stressbelastbarkeit eingeschränkt, auch bestehe die Gefahr, dass es häufiger zu Konflikten im zwischenmenschlichen Bereich komme. Auch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit bis zu sechs Stunden täglich verrichten.

Dr. G., Neurologe und Psychiater, wies darauf hin, dass der Kläger einmalig im April 2004 untersucht worden sei, wobei er eine seit zwei Monaten bestehende rechtsseitige Lumboischialgie geklagt habe. Neurologisch habe sich eine fragliche geringe Großzehenheberschwäche rechts sowie ein Lasègue bei ca. 80 ° gefunden. Die anamnestischen Angaben sprächen für eine L5/S1-Symptomatik.

Dr. S., Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Innere Medizin-Allergologie, teilte die seit September 2003 gestellten Diagnosen und die gemessenen Lungenfunktionswerte mit. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei von Seiten der Lunge mittelgradig eingeschränkt, bedingt durch die mittelgradige restriktive Ventilations-Störung. Die Frage des SG, ob der Kläger noch eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ca. sechs Stunden täglich verrichten könne, beantwortete Dr. S. dahingehend, dass leichte körperliche Tätigkeiten von Seiten der Lunge wohl vorsichtig zumutbar seien. Schweres Heben oder Tragen von Lasten und schwere körperliche Belastungen seien nicht möglich.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. G. entgegen.

Mit Urteil vom 22.05.2006, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 31.05.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es unter Verweisung auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid ergänzend aus, die behandelnden Ärzte des Klägers hätten die Einschätzung der Beklagten bestätigt, dass der Kläger jedenfalls leichte körperliche Tätigkeiten noch ca. sechs Stunden täglich verrichten könne. Aufgrund der emotionalen Labilität und Reizbarkeit des Klägers würden sich zwar qualitative Einschränkungen ergeben, die eine psychotherapeutische Behandlung bzw. ein stationäres Heilverfahren in einer psychosomatischen Klinik sinnvoll machen würden, hieran bestehe jedoch seitens des Klägers nach seiner Mitteilung kein Interesse. Auch aus lungenfachärztlicher Sicht seien leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig möglich, wobei lediglich schweres Heben oder Tragen von Lasten und schwere körperliche Belastungen ausgeschlossen seien. Dies decke sich mit der Einschätzung der Beklagten. Durch die Zeugenaussagen werde die vorgelegte Beurteilung des Dr. I. widerlegt.

Hiergegen richtet sich die am 23.06.2006 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er nur noch sein Begehren auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, nicht mehr jedoch die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weiterverfolgt. Zur Begründung hat er ein in seinem Auftrag erstelltes unfallchirurgisches Gutachten des Dr. M. vom August 2006 vorgelegt. Zusammenfassend werden darin glaubhafte subjektive Beschwerden, eine herabgesetzte Belastbarkeit nach Schädelhirntrauma und eine eingeschränkte Beweglichkeit und herabgesetzte Belastbarkeit im Lendenwirbelsäulen (LWS)- und Halswirbelsäulen (HWS)-Bereich bei kernspintomographisch nachgewiesener Bandscheibenprotrusion C/4, C/5 und L4/5 beschrieben und mit der Zusammenschau sämtlicher Unfallfolgen eine MdE auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von 60% für angemessen erachtet. Im Beruf als Zahnradschleifer sei eine MdE von 100% anzunehmen. Die Belastbarkeit des Klägers sei für leichte Arbeiten in Tagesschicht für drei bis unter sechs Stunden anzunehmen.

Der Kläger beantragt - sinngemäß -,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Mai 2006 abzuändern sowie den Bescheid vom 26. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat einen aktuellen Versicherungsverlauf und Wartezeitaufstellungen sowie sozialmedizinische Stellungnahmen von Dr. S. vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur dann erfüllt wären, wenn ein entsprechender Leistungsfall spätestens am 31.12.2003 eingetreten wäre und eine rentenrelevante Leistungsminderung seither ununterbrochen bestünde.

Der Senat hat Dr. I. als sachverständigen Zeugen befragt und die Unfallakten von der S. M.-BG beigezogen.

Dr. I. hat ausgeführt, er behandle den Kläger hausärztlich in letzter Zeit vermehrt aufgrund einer Zunahme der Beschwerden multipler Erkrankungen. Seit dem Motorradunfall vom Juli 2003 bestünden zunehmende Beschwerden im Thoraxbereich, posttraumatische Belastungsreaktionen, seelische Erschöpfungszustände, zunehmende Depressionen, seither immer wieder auftretende plötzliche Atemnot, innerliche Unruhe, eingeschränkte Belastbarkeit und seit April 2006 zusätzlich zunehmende Wirbelsäulenbeschwerden, vor allem im Nacken- und Lumbalbereich bei NPP C4/C5. Mit den Jahren habe sich das Krankheitsbild des Klägers zunehmend verschlechtert. Leichte oder mittelschwere Tätigkeiten seien ihm keine sechs Stunden täglich zumutbar. Es sei zur Zeit keine Erwerbsfähigkeit gegeben. Dr. I. hat seiner Aussage zahlreiche Befundberichte beigefügt (u.a. Arztbriefe des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. vom Dezember 1996, des Urologen Dr. R. vom September 2005, des Klinikums a. P. vom Mai 2006, des Facharztes für Psychiatrie Dr. G. vom März 2004, des Dr. B. vom März 2006, des Radiologen Dr. W. vom Mai 2006 (MRT Halswirbelsäule), des Dr. S. vom Februar und August 2005 sowie August 2006, des HNO-Arztes Dr. T. vom Oktober 2006, des Orthopäden Dr. D. vom Oktober 2006 und des Orthopäden Dr. L. vom Juli 2006).

Der Kläger hat im weiteren Verfahren noch eine ärztliche Bescheinigung des Dr. G. vom 26.09.2007 vorgelegt.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift vom 25.10.2007 wird verwiesen.

Der Kläger hat schließlich noch eine ärztliche Bescheinigung des Dr. I. vom November 2007 sowie einen Brief des Dr. M. vom 09.11.2007 (anzunehmende Belastbarkeit des Klägers unter drei Stunden täglich) vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist nicht begründet.

Streitgegenstand ist vorliegend, nachdem der Kläger sein Begehren auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Berufungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt hat, nur noch die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung,. Insoweit hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid vom 26.01.2004/Widerspruchsbescheid vom 24.06.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen Berufsunfähigkeit.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im Widerspruchsbescheid vom 24.06.2004 zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Zwar hat er - wie sich aus dem Bescheid vom 26.01.2004 ergibt - die Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung (Oktober 2003) erfüllt; er ist jedoch weder berufsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert.

Die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit scheidet bereits aufgrund des Lebensalters des Klägers aus (§ 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -), da er nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat die Beklagte auch die Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt, weil der Kläger noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich an fünf Tagen in der Woche verrichten kann. Dies hat das SG im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an und nimmt deshalb insoweit auf die Entscheidungsgründe Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass sich auch der Senat nicht davon zu überzeugen vermochte, dass beim Kläger der Leistungsfall der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung eingetreten ist.

Da ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 15.03.2007 und der Wartezeitaufstellungen der Beklagten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals für einen Leistungsfall im Dezember 2003 erfüllt sind, scheidet ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung für Leistungsfälle ab Januar 2004 aus. Dies bedeutet, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens am 31.12.2003 eingetreten und eine rentenrelevante Leistungsminderung seither ununterbrochen nachgewiesen sein muss. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Bei der Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers stützt sich der Senat auf den Reha-Entlassungsbericht der R.klinik und das Gutachten von Dr. S. (jeweils urkundsbeweislich verwertbar) sowie die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Aussagen der behandelnden Ärzte Dr. B., Dr. S., Dr. S. und Dr. G. unter Mitberücksichtigung der im Zusammenhang mit den Folgen des Unfalls vom 06.10.1996 eingeholten ärztlichen Äußerungen (u.a. neurologisches Gutachten von Dr. E. vom März 1999).

Bei der Untersuchung im Februar 1999 ergaben sich zwar geringe Leistungsbeeinträchtigungen bei cerebraler Leistungsminderung und eine Sensibilitätsstörung der linken oberen Körperhälfte sowie eine Koordinations- und Feinmotorikstörung der linken Hand. Hierdurch war der Kläger jedoch nicht gehindert, seine Tätigkeit als Zahnflankenschleifer bzw. Zerspaner, die er bereits im Januar 1997 wieder aufgenommen hatte, bis Juni 2000 (Konkurs des Arbeitgebers) fortzuführen. Anhaltspunkte für eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen ergeben sich für den Senat nicht. Während des Heilverfahrens in der R.klinik zeigte der Kläger ein stabiles psychisches Befinden. Ebenso konnte Dr. S. keine wesentlichen Folgen des Traumas von 1996 feststellen. Es fand sich keine vitale Antriebsminderung, der Kläger war affektiv resonanzfähig und die Stimmung lediglich mäßig gedrückt. Der Kläger gab weiterhin Sensibilitätsstörungen im Arm-Gesichtsbereich links an, es bestanden jedoch keine motorischen Ausfälle und keine relevanten Bewegungsbeschränkungen bei regelrechten Beweglichkeiten der Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke und beidseits unauffälligen manuellen Funktionen. Eine rentenrelevante Leistungsminderung lässt sich mithin mit den Folgen des Unfalls vom Oktober 1996 nicht begründen.

Was die Folgen des Motorradunfalls des Klägers im Juli 2003 angeht, hat der Chirurg Dr. B. in seiner Aussage vom April 2005 bestätigt, dass die Rippenbrüche und der Wadenbeinbruch links folgenlos verheilt waren und der Kläger trotz fehlender Milz und linker Niere in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuführen. Verblieben ist eine mäßiggradige links-basale pneumo-pulmonale Verschwielung mit restriktiver Ventilationsstörung, die den Kläger im Anschluss an die gutachtlichen Feststellungen von Dr. S. und die Aussage von Dr. S. vom Juli 2005 jedoch nicht hindert, leichte Arbeiten (ohne schweres Heben und Tragen von Lasten) sechs Stunden und mehr zu verrichten. Eine Ruhe- und Belastungsdispnoe ist in den zahlreich vorliegenden medizinischen Berichten nicht dokumentiert, auch bestehen keine Hinweise auf eine Befundverschlechterung. Eine zeitliche Leistungslimitierung ist mithin auch auf lungenfachärztlichem Gebiet nicht nachgewiesen.

Das gleiche gilt im Hinblick auf die Beschwerdesymptomatik des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet. Ausweislich des Entlassungsberichts der Rosentrittklinik war der Kläger psychisch nicht auffällig, weshalb eine weiterführende psychologische Diagnostik nicht für notwendig erachtet wurde. Dr. S. konnte bei der Untersuchung im Januar 2004 ebenfalls keine schwererwiegenden Beeinträchtigungen insoweit feststellen. Der Kläger war bei guter Kontaktaufnahme und latent mäßig gedrückter Stimmung affektiv resonanzfähig und ohne vitale Antriebsminderung. Dr. G., Facharzt für Psychiatrie, bei dem sich der Kläger im März 2004 vorstellte, beschrieb eine mittelgradige depressive Episode und posttraumatische Belastungsstörung ohne Anhalt für eine hirnorganische Beeinträchtigung. Bei unauffälligem Antrieb und Denken sowie unauffälliger Wahrnehmung zeigte der Kläger eine ängstlich depressive Aktivität. Im Wesentlichen das gleiche Beschwerdebild klagte der Kläger gegenüber Dr. S. im Mai 2004. Nach medikamentöser Therapie war bei dem Kläger im Februar 2005 eine relevante depressive Verstimmung nicht mehr festzustellen. Eine regelmäßige psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung des Klägers fand nie statt. Dr. S. hat auch für den Senat überzeugend dargelegt, dass der Kläger in dem Behandlungszeitraum durchaus noch in der Lage war, ohne Gefährdung seiner Gesundheit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf, aber auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, körperlich leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich zu verrichten. Aufgrund der emotionalen Labilität und Reizbarkeit des Klägers ergaben sich lediglich qualitative Einschränkungen dahingehend, dass Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Stressbelastbarkeit und das Konzentrationsvermögen zu vermeiden waren. Ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen aufgrund der psychischen Erscheinungen vor Januar 2004 und seither ununterbrochen erachtet der Senat damit nicht für erwiesen.

Aus der zuletzt noch vorgelegten Bescheinigung des Dr. G. vom September 2007 ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte, die auf ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen des Klägers ab Rentenantragstellung hinweisen. Selbst wenn zwischenzeitlich eine Verschlimmerung der seelischen Störungen eingetreten sein sollte, ließe sich damit ein Rentenanspruch des Klägers nicht begründen, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Leistungsfall nach Dezember 2003 nicht mehr gegeben sind. Weiterer medizinischer Ermittlungen von Amts wegen, insbesondere der Einholung eines Sachverständigengutachtens, bedurfte es daher nicht.

Ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen des Klägers vor Januar 2004 ist schließlich auch auf orthopädischem Fachgebiet, insbesondere von Seiten der Wirbelsäule, nicht nachgewiesen. Insoweit ist Anfang 2004 ein akutes LWS-Syndrom bzw. eine rezidivierende Lumboischialgie dokumentiert. Auch Dr. B. berichtete darüber in seiner Aussage gegenüber dem SG. Die im März 2004 durchgeführte Computertomographie ergab Bandscheibenvorwölbungen, jedoch keine Vorfälle in den unteren beiden Etagen. Die neurologische und elektrophysiologische Untersuchung war unauffällig. Im weiteren Verlauf bis 2006 sind Beschwerdebilder von Seiten der LWS nicht aktenkundig. Auch im Oktober 2006 wird nur ein minimaler Befund mit einem fast normalen Schoberzeichen und einem Fingerbodenabstand von 10 cm bei auch hier negativer Neurologie beschrieben. Es wurde zu sportlicher Betätigung und Muskelaufbautraining geraten neben weiterer Krankengymnastik (Arztbrief von Dr. D. vom Oktober 2006). Eine relevante Leistungsminderung kann daher aus dem LWS-Befund nicht abgeleitet werden. Das gleiche gilt bezüglich der im Jahr 2006 aufgetretenen HWS-Beschwerden. Insoweit wurde zwar im Mai 2006 ein cervikaler Bandscheibenvorfall festgestellt, es fanden sich jedoch ausweislich des Arztbriefs von Dr. S. vom August 2006 lediglich diskrete sensible Störungen ohne motorische Ausfälle. Bei unauffälligem physiologischem Befund ergab sich keine OP-Indikation. Im Oktober 2006 fand Dr. D. auch im Bereich der HWS einen im Wesentlichen unauffälligen Befund. Zu Recht weist Dr. S. darauf hin, dass auch durch den Wirbelsäulenbefund das quantitative Leistungsvermögen des Klägers nicht tangiert und er weiterhin in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuführen. Vermeiden muss er längere Zwangshaltungen der HWS- und LWS, wozu auch Arbeiten in tiefer Rumpfbeuge wie auch Arbeiten länger Überkopf und Arbeiten mit häufigem schweren Heben und Tragen gehören. Weitere Einschränkungen ergeben sich jedoch nicht.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf das von ihm veranlasste Gutachten von Dr. M. stützen. Die darin beschriebene eingeschränkte Beweglichkeit und herabgesetzte Belastbarkeit im Bereich der LWS und HWS begründet, wie Dr. S. für den Senat nachvollziehbar aufgezeigt hat, keine Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers auf unter sechs Stunden. Die subjektiven Beschwerdeschilderungen des Klägers werden unkritisch übernommen und auch die gefundene Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit nicht hinterfragt bzw. überprüft. Die apparativen Untersuchungsergebnisse an der Wirbelsäule erklären eine länger anhaltende, höhergradige Funktionseinschränkung nicht, zumal Wurzelreizzeichen auch von Dr. M. nicht festgehalten wurden. Soweit Dr. M. ohne nähere Kenntnis der Vorgänge hinsichtlich des Unfalls von 1996 eine herabgesetzte Belastbarkeit nach Schädelhirntrauma angenommen hat, fehlt ihm für diese Einschätzung, die im Übrigen durch die fachärztlichen Äußerungen widerlegt ist, die Fachkompetenz.

Schließlich vermag auch die Schlussfolgerung des Dr. I., der Kläger könne keinesfalls sechs Stunden täglich arbeiten, den Senat nicht zu überzeugen. Die von Dr. I. übersandten umfangreichen Facharztbefunde stützen diese Schlussfolgerung nicht.

Für den Senat steht hiernach fest, dass der Kläger über den Zeitpunkt der Rentenantragstellung hinaus jedenfalls bis Dezember 2003, aber auch darüber hinaus noch in der Lage war, leichte Tätigkeiten mit den oben genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht dem Kläger keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern. Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen des Klägers erlaubte und erlaubt ihm weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.

Schließlich war und ist dem Kläger auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Frage, ob es auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu prüfen, wenn der Versicherte die noch in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausüben kann oder entsprechende Arbeitsplätze von seiner Wohnung nicht zu erreichen vermag oder die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen. Dieser Katalog ist nach den Entscheidungen des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 abschließend. Im Falle des Klägers ist keiner dieser Fälle gegeben.

Die Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Der Rentenversicherung ist nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung zugewiesen, nicht dagegen das Risiko einer Minderung einer Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 1/95 -). Das Risiko, dass der Kläger keinen für ihn geeigneten Arbeitsplatz fand, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 41 und vom 21.07.1992 - 4 RA 13/91 -).

Die Berufung des Klägers konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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