L 7 AS 200/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 5559/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 200/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht (SG) Karlsruhe nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher der Antragsteller die Gewährung von Einstiegsgeld nach § 29 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) begehrt, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Der Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG ist schon vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3 a.a.O.).

Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - (juris) unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 2. Auflage, § 123 Rdnrn. 79, 96, 100; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Auflage, Rdnrn. 15, 25). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - a.a.O.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 62 (alle m.w.N.)). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnr. 259 (alle m.w.N.)).

Der vorliegende Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz schon wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Dies ergibt sich aus § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Während der Rechtshängigkeit ist ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand unzulässig (Sperrwirkung; vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 94 Rdnr. 7 m.w.N.). Den diesem Verfahren zugrunde liegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Schriftsatz vom 5. November 2007) stellte der Antragsteller am 20. November 2007 vor dem SG Karlsruhe. Bereits am 7. November 2007 hatte der Antragsteller denselben Antrag jedoch beim SG Mannheim anhängig gemacht, welches den Antrag wegen örtlicher Unzuständigkeit mit Beschluss vom 28. November 2007 an das SG Karlsruhe verwies (dortiges Az.: S 13 AS 5761/07 ER). Die Sperrwirkung der Rechtshängigkeit gilt nicht nur für das mit der Sache befasste, sondern auch für andere Gerichte, denn die Recht sprechende Gewalt ist einheitlich. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG zeigt, dass die Rechtshängigkeit übergreifende Wirkung hat und deswegen auch übergreifend zu beachten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller /Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 94 Rdnr. 7 f.). Entgegen der Auffassung des SG Karlsruhe kommt es daher nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die vom SG Mannheim mit dem Verweisungsbeschluss übersandten Akten beim SG Karlsruhe eingegangen sind. Vorliegend ist daher der dem hiesigen Beschwerdeverfahren zugrunde liegende Antrag vom 20. November 2007 wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig, nicht jedoch der vom SG mit Beschluss vom 9. Januar 2008 als unzulässig abgelehnte Antrag vom 7. November 2008 (S 13 AS 5761/07 ER).

Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdefrist im Verfahren S 13 AS 5761/07 ER noch nicht abgelaufen ist, sieht sich der Senat zur Klarstellung für den Antragsteller ergänzend zu dem Hinweis veranlasst, dass sein Begehren auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte. Der Antragsteller kann derzeit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kein Einstiegsgeld nach dem SGB II beanspruchen. Weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.

Das SG hat unter Heranziehung der einschlägigen Anspruchsnorm des § 29 SGB II mit zutreffender Begründung dargestellt, warum derzeit das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben ist und insoweit zu Recht auf die fehlende Mitwirkung des Antragstellers hingewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die überzeugenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (entsprechend § 153 Abs. 2 SGG).

Darüber hinaus ist auch ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich. In der Beschwerdebegründung weist der Antragsteller ausdrücklich darauf hin, dass der Antrag auf Einstiegsgeld nur subsidiär gestellt worden sei im Hinblick auf den noch laufenden Antrag auf Einstiegsgeld von Frau N.S. sowie das Berufungsverfahren des Antragstellers vor dem LSG wegen Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung (L 2 R 2362/07) und dass ohne abschließende Entscheidung der genannten Verfahren derzeit ein weiteres Vorgehen nicht erforderlich sei. Damit erschließt sich schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers nicht, aus welchem Grund hier eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich sein sollte. Soweit weiter vorgetragen wird, der Antrag auf einstweilige Anordnung richte sich primär nicht auf eine vorläufige Regelung zum Einstiegsgeld, sondern auf eine vorläufige Regelung bezüglich der Ablehnung desselben, ist nicht nachvollziehbar, was der Antragsteller eigentlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreichen will. Eine ablehnende Entscheidung des Antragsgegners ist noch nicht ergangen, da bislang wegen der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers das Verwaltungsverfahren noch keinen Abschluss gefunden hat. Mögliche Sanktionen im Hinblick auf die vom Antragsteller nicht wahrgenommenen Besprechungstermine sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Nach alledem ist die erforderliche Eilbedürftigkeit nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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