Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 306/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2882/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.04.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der am 1954 geborene Kläger hat keinen Ausbildungsberuf erlernt. Er war als Feinlöter, Industrielackierer, Bauhelfer, Reifenbearbeiter und zuletzt von Februar 1998 bis September 2003 als Rohrfertiger beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Am 01.06.2004 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte unter Berücksichtigung eines Entlassungsberichts über ein stationäres Heilverfahren im November/Dezember 2003 in der H Klinik St. B. (Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt, zwanghafte Persönlichkeitsstörung, arterielle Hypertonie, chronisch degenerativ-myostatisches Wirbelsäulensyndrom, chronische Refluxösophagitis, Leberverfettung; vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter Vermeidung von dauerhaftem Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und Zwangshaltungen der Halswirbelsäule) mit Bescheid vom 05.07.2004 ab.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2005 zurück. Dem lag ein Gutachten von Dr. M., Fachärztin für Innere Medizin (reaktive Herabgestimmtheit mit Angst und deutlicher Somatisierungsneigung bei sozialen Belastungsfaktoren, leichter, medikamentös gut eingestellter Bluthochdruck ohne Sekundärerkrankungen; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne vermehrten Zeitdruck) und ein Gutachten von Dr. Kn., Facharzt für Orthopädie (mäßige degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit leichter statischer Fehlhaltung und Rumpfmuskeldysbalance ohne Anhalt für das Vorliegen von Nervenwurzelreizzeichen, mäßiger Kniescheibenrückflächenverschleiß beidseits und beginnender Kniegelenksverschleiß links bei weitgehend stabilem Bandapparat mit freier Beweglichkeit beidseits, Somatisierungsstörung, in achsgerechter Stellung vollständig knöchern verheilter Unterarmbruch links und Bruch des 5. Mittelhandknochens links sowie Kleinfingergrund- und Endgliedbruch links mit nachfolgender operativer Sanierung mit freier Beweglichkeit, ohne Sensibilitätsstörung und ohne Funktionsminderung; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ohne häufige Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken sowie ohne häufiges Klettern oder Steigen, Knien und/oder Hocken) zu Grunde.
Der Kläger hat hiergegen am 03.02.2005 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben mit dem erklärten Ziel, Rente wegen voller Erwerbsminderung zu erhalten. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, er leide an einer Depression, der linke Arm sei als Folge eines Motorradunfalls im Jahr 1979 nicht belastbar, außerdem habe sich dort eine schwere posttraumatische Arthrose eingestellt. Die Fettleber bedinge eine eingeschränkte Belastbarkeit und ständige Müdigkeit, außerdem könne er wegen der Gonarthrose beider Kniegelenke nicht längere Zeit stehen und wegen der Beschwerden in der Lendenwirbelsäule nicht längere Zeit sitzen. Insgesamt sei er nicht in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich berufstätig zu sein.
Das Sozialgericht hat zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört, u. a. die Fachärztin für Anästhesie und Psychotherapie Dr. N., die angegeben hat, sie teile die Ansicht des Klägers, dass er nicht mehr arbeiten könne, nicht. Eine leichte bis mittelschwere Arbeit im ständigen Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen könne der Kläger durchaus noch ausüben. Dr. B.-L., Ärztin für Allgemeinmedizin und Schmerztherapie hat mitgeteilt, der Kläger leide an Bluthochdruck, somatoformen Störungen, degenerativen Lendenwirbelsäulen- und Kniegelenksschäden, einer Arthrose im linken Handgelenk, zeitweilig depressiven Reaktionen und einer Fettleber-Hepatitis. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von einerseits leichten bis mittelschweren Tätigkeiten sowie andererseits sitzenden, gehenden oder stehenden Positionen unter Ausschluss von längerem Stehen als einer Stunde sowie schwerem Heben mit der linken Hand bis zu sechs Stunden täglich arbeiten. Dr. R., Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, hat angegeben, der Kläger leide an einem chronischen Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp sowie einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom. Aufgrund der erheblichen Chronifizierung auch im Rahmen der Depression sei er nicht in der Lage, durch eigene Willensanstrengung Schmerzen zu überwinden und leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über drei Stunden auszuüben.
Weiter hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. H., orthopädisches Forschungsinstitut S., eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten ein chronisches Wirbelsäulenschmerzsyndrom ohne objektivierbare neurologische Ausfallserscheinungen, chronische belastungsabhängige Knieschmerzen beidseits ohne sicheren organischen Befund sowie chronische Schmerzen und Missempfindungen im linken Arm nach Unterarmfraktur und Bruch des fünften Mittelhandknochens links im Jahr 1979 ohne klinisch erkennbare gravierende Funktionseinschränkung festgestellt. Er habe keinen Zweifel, dass der Kläger in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung ohne schweres Heben und Tragen sowie häufiges Bücken mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Seine Leistungseinschätzung basiere einerseits auf dem klinischen und radiologischen Befund, andererseits auf der Sozial- und Funktionsanamnese. Der Kläger sei nach eigenen Angaben im Frühjahr 2005 in der Lage gewesen, einen relativ großen Gartenteich selbstständig auszuheben. Diese Arbeit entspreche einer mittelschweren bis schweren körperlichen Arbeit und erfordere auch die Einnahme von Zwangshaltungen über längere Zeit.
Das Sozialgericht hat anschließend auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 SGG von Dr. Ne., Nervenarzt, V.v.P. Hospital R., eingeholt. Der Sachverständige hat eine abhängige bzw. asthenische Persönlichkeitsstörung festgestellt. Es handele sich aber um keine wesentliche Einschränkung, die durch zumutbare Willensanstrengung durchaus überwunden werden könne. Der Kläger könne leichte und mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zeitdruck und ohne häufiges Bücken unter Vermeidung von Akkord-, Fließband- und Schichtarbeit in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten.
Der Kläger hat weitere ärztliche Berichte (u.a. Dr. He., Orthopäde: chronisch lumbales Wurzelsyndrom, schwere Osteochondrose L5/S1 mit Retrolisthese, Hyperlordose, Baastrup, HWS-Syndrom, Osteochondrose C5 bis 7, ausgeprägter Rundrücken, Periarthrosis coxae beidseits, deutliche Gonarthrose beidseits, dekompensierte Hohlfüße, Naviculareperistose, Metatarsalgien) und diverse radiologische Befunde vorgelegt und Mängel bei der Gutachtenerstattung durch Dr. H. geltend gemacht. Dr. H. hat mit ergänzender Stellungnahme ausgeführt, er habe die Angaben des Klägers zur Anamnese (z.B. bezüglich häuslicher Verhältnisse oder der Verhältnisse am Arbeitsplatz) laut in Anwesenheit des Klägers diktiert. Der Kläger habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, Missverständnisse aufzuklären oder seine Angaben zu korrigieren. Er habe die Angaben des Klägers im Gutachten so wiedergegeben, wie der Kläger sie ihm gegenüber geäußert habe. Auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers und der ergänzend vorgelegten Befunde (Kernspintomographie des rechten Kniegelenks vom 22.05.2006, Arthroskopiebericht vom 28.06.2006, Bescheinigung von Dr. He. mit röntgenologischen Befunden) sehe er keinen Anlass, seine sozialmedizinische Einschätzung abzuändern. Der Kläger hat abschließend einen Befundbericht von Privatdozent Dr. S. (obstruktive Schlafapnoe, alimentäre Adipositas) vorgelegt.
Mit Urteil vom 24.04.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weil er noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es hat sich den Gutachten von Dr. H. und Dr. Ne. angeschlossen.
Gegen das am 08.05.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.06.2007 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, er könne sich der Leistungsbeurteilung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. Ne. nicht anschließen. Er leide unter einer Persönlichkeitsstörung, derentwegen er seit Herbst 2005 in Behandlung sei. Außerdem sei er durch die Schlafapnoe beeinträchtigt. Insgesamt könne er wegen der depressiven Erkrankung sowie der Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und der Knie einer Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich nicht nachgehen. Ergänzend hat der Kläger ein Attest des Facharztes für Psychiatrie St. vorgelegt (chronisch depressive Erkrankung, Dysthymie und massive soziale Belastung [schwere Erkrankung und Behinderung der Tochter und Ehefrau]; der Kläger sei aufgrund der chronischen seelischen Erkrankung nicht in der Lage, am sozialen Leben in adäquatem Maß teilzunehmen).
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 23.10.2007),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.04.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2005 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung seit Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert, da er auch unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Der Kläger leidet auf orthopädischem Fachgebiet an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom ohne objektivierbare neurologische Ausfallserscheinungen, chronischen belastungsabhängigen Knieschmerzen beidseits sowie chronischen Schmerzen und Missempfindungen im linken Arm nach Unterarmfraktur und Bruch des Fünften Mittelhandknochens links ohne klinisch erkennbare gravierende Funktionseinschränkung. Infolge dieser Gesundheitsstörungen sind bei einer beruflichen Tätigkeit des Klägers zwar gewisse qualitative Einschränkungen zu beachten (kein schweres Heben und Tragen von Lasten, kein häufiges Bücken), unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen kann der Kläger jedoch weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. in seinem Gutachten vom 16.09.2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 20.12.2006. Dr. H. hat unter Berücksichtigung der Anamnese, des erhobenen klinischen Befundes, der vom behandelnden Orthopäden Dr. He. attestierten Diagnosen sowie der radiologischen Befunde nachvollziehbar dargelegt, dass weder die klinischen Befunde noch die weiterhin erhaltenen Alltagsaktivitäten Hinweise auf eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht bieten. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass Dr. H. die Anamnese auch im Bezug auf die von dem Kläger im Haushalt verrichteten Tätigkeiten (Mitarbeit bei den üblichen Haushaltsarbeiten, Verrichten von Gartenarbeiten und Anlegen eines Gartenteichs) in seinem Gutachten zutreffend wiedergegeben hat. Auf die Einwendungen des Klägers hat Dr. H. dargelegt, dass er dessen Angaben in Anwesenheit des Klägers laut diktiert und in seinem Gutachten dementsprechend wiedergegeben hat. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Angaben in Zweifel zu ziehen, zumal der Kläger gegen die Darstellung von Dr. H. zur tatsächlichen Durchführung der Anamneserhebung (lautes Diktieren) weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren Einwendungen erhoben hat. Hierbei ist letztlich unerheblich, ob der Kläger den Gartenteich tatsächlich alleine oder mit Hilfe seines Schwagers angelegt hat, da bereits die erhobenen klinischen Befunde (normales Bewegungsmuster der Wirbelsäule, fehlende Hinweise auf Nervenwurzelschädigung, frei bewegliche Kniegelenke, keine gravierenden Funktionsstörungen des linken Armes oder des linken Ellenbogens oder Handgelenkes) eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht nicht rechtfertigen.
Der Kläger ist auch unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht gehindert, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich weiterhin nachzugehen. Dies ergibt sich sowohl aus der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Fachärztin für Anästhesie und Psychotherapie Dr. N. (der Kläger könne entgegen seinem Rentenbegehren weiterhin eine leichte bis mittelschwere Arbeit im ständigen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ausüben) als auch aus dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten des Nervenarztes Dr. Ne ... Dieser hat eine abhängige bzw. asthenische Persönlichkeitsstörung festgestellt. Eine relevante depressive Störung, insbesondere eine depressive Antriebsschwäche mit Beeinträchtigung des quantitativen Leistungsvermögens liegt - so Dr. Ne. - nicht vor. Eine solche lässt sich auch nicht aus dem gegenüber Dr. Ne. geschilderten Tagesablauf (Ausführung von Gartenarbeiten, hobbymäßiges Digitalfilmen, Spazierengehen) ableiten. Das von dem Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Attest des Psychiaters St. ist nicht geeignet, die Feststellungen von Dr. Ne. in Zweifel zu ziehen. Eine manifeste Depression wird von dem Psychiater St. ebenfalls nicht beschrieben, vielmehr hat dieser eine Dysthymie angegeben und insbesondere auf die bestehenden sozialen Belastungen (schwere Erkrankung mit Behinderung der Tochter und Ehefrau) hingewiesen. Das Vorliegen einer leichten seelischen Störung wurde von Dr. Ne. bei seiner Leistungsbeurteilung berücksichtigt, ebenso die von dem Kläger diesbezüglich geschilderten und nach den Angaben gegenüber Dr. Ne. seit der Kindheit bestehenden psychischen Beschwerden (vermehrte Nervosität und Unruhe, Schlafstörungen, geringe Belastbarkeit, vermehrte Reizbarkeit). Allein die Aussage, der Kläger sei "nicht in der Lage, am sozialen Leben (beruflich, privat) in adäquatem Maße teilzunehmen" lässt nicht den Schluss auf eine Minderung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht zu. Eine konkrete Aussage zu den tatsächlich weiterhin durchgeführten Aktivitäten des Klägers hat der Psychiater St. nicht gemacht; insgesamt fehlt es somit an der Nachvollziehbarkeit seiner - äußert vagen - Einschätzung.
Wesentliche, sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirkende Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet liegen, wie sich aus dem von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten ergibt, nicht vor. Solche wurden auch von der behandelnden Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B.-L. nicht beschrieben. Die von dem Kläger geltend gemachte Schlafapnoe wird - wie sich aus dem Befundbericht von Priv. Doz. Dr. S. und den eigenen Angaben des Klägers ergibt - mit nasaler CPAP-Beatmung behandelt. Von dem Kläger dennoch angegebene Schlafstörungen hat bereits Dr. Ne. bei seiner Beurteilung berücksichtigt. Ergänzend ist zu bemerken, dass der Kläger auch nach der Einschätzung von Dr. B.-L. in der Lage ist, bis zu sechs Stunden täglich zu arbeiten.
Die von der behandelnden Internistin Dr. R. in ihrer sachverständigen Zeugenaussage beschriebene Einschränkung der Leistungsfähigkeit (weniger als drei Stunden täglich auch für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes) ist nicht nachvollziehbar. Zur Begründung hat Dr. R. auf bestehende Schmerzen, die wegen einer Depression nicht überwunden werden können, verwiesen. Eine erhebliche schmerzhafte Einschränkung der Bewegungsfähigkeit ergibt sich hingegen aus den von ihr mitgeteilten Befunden nicht. Dokumentiert wird - insoweit übereinstimmend mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. - lediglich eine endgradige Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Wirbelsäule, jedoch keine wesentlichen Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit der Schultergelenke, Ellenbogengelenke, Handgelenke und Finger, Hüftgelenke, Kniegelenke und Sprunggelenke. Eine Depression, von der Dr. R. fachfremd ausgegangen ist, liegt - wie der Sachverständige Dr. Ne. dargelegt hat - nicht vor.
Bei zusammenfassender Würdigung der Befunde auf orthopädischem, nervenärztlichem und internistischem Gebiet ist der Kläger somit weiterhin in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne Zeitdruck, Akkord- Fließband- oder Schichtarbeit in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Volle (oder - allerdings hier nicht in Streit befindliche - teilweise) Erwerbsminderung liegt daher nicht vor.
Ergänzend ist anzumerken, dass unabhängig davon, ob der Kläger die konkret zuletzt ausgeübte Tätigkeit weiterhin verrichten kann, die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI ebenfalls nicht erfüllt sind, weil der Kläger aufgrund seines beruflichen Werdegangs auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist. Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist vorliegend auch nicht streitgegenständlich, da der - nach eigenen Angaben - ungelernte Kläger konsequenterweise selbst keinen Berufsschutz und keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geltend gemacht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der am 1954 geborene Kläger hat keinen Ausbildungsberuf erlernt. Er war als Feinlöter, Industrielackierer, Bauhelfer, Reifenbearbeiter und zuletzt von Februar 1998 bis September 2003 als Rohrfertiger beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Am 01.06.2004 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte unter Berücksichtigung eines Entlassungsberichts über ein stationäres Heilverfahren im November/Dezember 2003 in der H Klinik St. B. (Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt, zwanghafte Persönlichkeitsstörung, arterielle Hypertonie, chronisch degenerativ-myostatisches Wirbelsäulensyndrom, chronische Refluxösophagitis, Leberverfettung; vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter Vermeidung von dauerhaftem Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und Zwangshaltungen der Halswirbelsäule) mit Bescheid vom 05.07.2004 ab.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2005 zurück. Dem lag ein Gutachten von Dr. M., Fachärztin für Innere Medizin (reaktive Herabgestimmtheit mit Angst und deutlicher Somatisierungsneigung bei sozialen Belastungsfaktoren, leichter, medikamentös gut eingestellter Bluthochdruck ohne Sekundärerkrankungen; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne vermehrten Zeitdruck) und ein Gutachten von Dr. Kn., Facharzt für Orthopädie (mäßige degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit leichter statischer Fehlhaltung und Rumpfmuskeldysbalance ohne Anhalt für das Vorliegen von Nervenwurzelreizzeichen, mäßiger Kniescheibenrückflächenverschleiß beidseits und beginnender Kniegelenksverschleiß links bei weitgehend stabilem Bandapparat mit freier Beweglichkeit beidseits, Somatisierungsstörung, in achsgerechter Stellung vollständig knöchern verheilter Unterarmbruch links und Bruch des 5. Mittelhandknochens links sowie Kleinfingergrund- und Endgliedbruch links mit nachfolgender operativer Sanierung mit freier Beweglichkeit, ohne Sensibilitätsstörung und ohne Funktionsminderung; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ohne häufige Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken sowie ohne häufiges Klettern oder Steigen, Knien und/oder Hocken) zu Grunde.
Der Kläger hat hiergegen am 03.02.2005 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben mit dem erklärten Ziel, Rente wegen voller Erwerbsminderung zu erhalten. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, er leide an einer Depression, der linke Arm sei als Folge eines Motorradunfalls im Jahr 1979 nicht belastbar, außerdem habe sich dort eine schwere posttraumatische Arthrose eingestellt. Die Fettleber bedinge eine eingeschränkte Belastbarkeit und ständige Müdigkeit, außerdem könne er wegen der Gonarthrose beider Kniegelenke nicht längere Zeit stehen und wegen der Beschwerden in der Lendenwirbelsäule nicht längere Zeit sitzen. Insgesamt sei er nicht in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich berufstätig zu sein.
Das Sozialgericht hat zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört, u. a. die Fachärztin für Anästhesie und Psychotherapie Dr. N., die angegeben hat, sie teile die Ansicht des Klägers, dass er nicht mehr arbeiten könne, nicht. Eine leichte bis mittelschwere Arbeit im ständigen Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen könne der Kläger durchaus noch ausüben. Dr. B.-L., Ärztin für Allgemeinmedizin und Schmerztherapie hat mitgeteilt, der Kläger leide an Bluthochdruck, somatoformen Störungen, degenerativen Lendenwirbelsäulen- und Kniegelenksschäden, einer Arthrose im linken Handgelenk, zeitweilig depressiven Reaktionen und einer Fettleber-Hepatitis. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von einerseits leichten bis mittelschweren Tätigkeiten sowie andererseits sitzenden, gehenden oder stehenden Positionen unter Ausschluss von längerem Stehen als einer Stunde sowie schwerem Heben mit der linken Hand bis zu sechs Stunden täglich arbeiten. Dr. R., Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, hat angegeben, der Kläger leide an einem chronischen Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp sowie einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom. Aufgrund der erheblichen Chronifizierung auch im Rahmen der Depression sei er nicht in der Lage, durch eigene Willensanstrengung Schmerzen zu überwinden und leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über drei Stunden auszuüben.
Weiter hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. H., orthopädisches Forschungsinstitut S., eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten ein chronisches Wirbelsäulenschmerzsyndrom ohne objektivierbare neurologische Ausfallserscheinungen, chronische belastungsabhängige Knieschmerzen beidseits ohne sicheren organischen Befund sowie chronische Schmerzen und Missempfindungen im linken Arm nach Unterarmfraktur und Bruch des fünften Mittelhandknochens links im Jahr 1979 ohne klinisch erkennbare gravierende Funktionseinschränkung festgestellt. Er habe keinen Zweifel, dass der Kläger in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung ohne schweres Heben und Tragen sowie häufiges Bücken mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Seine Leistungseinschätzung basiere einerseits auf dem klinischen und radiologischen Befund, andererseits auf der Sozial- und Funktionsanamnese. Der Kläger sei nach eigenen Angaben im Frühjahr 2005 in der Lage gewesen, einen relativ großen Gartenteich selbstständig auszuheben. Diese Arbeit entspreche einer mittelschweren bis schweren körperlichen Arbeit und erfordere auch die Einnahme von Zwangshaltungen über längere Zeit.
Das Sozialgericht hat anschließend auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 SGG von Dr. Ne., Nervenarzt, V.v.P. Hospital R., eingeholt. Der Sachverständige hat eine abhängige bzw. asthenische Persönlichkeitsstörung festgestellt. Es handele sich aber um keine wesentliche Einschränkung, die durch zumutbare Willensanstrengung durchaus überwunden werden könne. Der Kläger könne leichte und mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zeitdruck und ohne häufiges Bücken unter Vermeidung von Akkord-, Fließband- und Schichtarbeit in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten.
Der Kläger hat weitere ärztliche Berichte (u.a. Dr. He., Orthopäde: chronisch lumbales Wurzelsyndrom, schwere Osteochondrose L5/S1 mit Retrolisthese, Hyperlordose, Baastrup, HWS-Syndrom, Osteochondrose C5 bis 7, ausgeprägter Rundrücken, Periarthrosis coxae beidseits, deutliche Gonarthrose beidseits, dekompensierte Hohlfüße, Naviculareperistose, Metatarsalgien) und diverse radiologische Befunde vorgelegt und Mängel bei der Gutachtenerstattung durch Dr. H. geltend gemacht. Dr. H. hat mit ergänzender Stellungnahme ausgeführt, er habe die Angaben des Klägers zur Anamnese (z.B. bezüglich häuslicher Verhältnisse oder der Verhältnisse am Arbeitsplatz) laut in Anwesenheit des Klägers diktiert. Der Kläger habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, Missverständnisse aufzuklären oder seine Angaben zu korrigieren. Er habe die Angaben des Klägers im Gutachten so wiedergegeben, wie der Kläger sie ihm gegenüber geäußert habe. Auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers und der ergänzend vorgelegten Befunde (Kernspintomographie des rechten Kniegelenks vom 22.05.2006, Arthroskopiebericht vom 28.06.2006, Bescheinigung von Dr. He. mit röntgenologischen Befunden) sehe er keinen Anlass, seine sozialmedizinische Einschätzung abzuändern. Der Kläger hat abschließend einen Befundbericht von Privatdozent Dr. S. (obstruktive Schlafapnoe, alimentäre Adipositas) vorgelegt.
Mit Urteil vom 24.04.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weil er noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es hat sich den Gutachten von Dr. H. und Dr. Ne. angeschlossen.
Gegen das am 08.05.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.06.2007 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, er könne sich der Leistungsbeurteilung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. Ne. nicht anschließen. Er leide unter einer Persönlichkeitsstörung, derentwegen er seit Herbst 2005 in Behandlung sei. Außerdem sei er durch die Schlafapnoe beeinträchtigt. Insgesamt könne er wegen der depressiven Erkrankung sowie der Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und der Knie einer Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich nicht nachgehen. Ergänzend hat der Kläger ein Attest des Facharztes für Psychiatrie St. vorgelegt (chronisch depressive Erkrankung, Dysthymie und massive soziale Belastung [schwere Erkrankung und Behinderung der Tochter und Ehefrau]; der Kläger sei aufgrund der chronischen seelischen Erkrankung nicht in der Lage, am sozialen Leben in adäquatem Maß teilzunehmen).
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 23.10.2007),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.04.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2005 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung seit Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert, da er auch unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Der Kläger leidet auf orthopädischem Fachgebiet an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom ohne objektivierbare neurologische Ausfallserscheinungen, chronischen belastungsabhängigen Knieschmerzen beidseits sowie chronischen Schmerzen und Missempfindungen im linken Arm nach Unterarmfraktur und Bruch des Fünften Mittelhandknochens links ohne klinisch erkennbare gravierende Funktionseinschränkung. Infolge dieser Gesundheitsstörungen sind bei einer beruflichen Tätigkeit des Klägers zwar gewisse qualitative Einschränkungen zu beachten (kein schweres Heben und Tragen von Lasten, kein häufiges Bücken), unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen kann der Kläger jedoch weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. in seinem Gutachten vom 16.09.2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 20.12.2006. Dr. H. hat unter Berücksichtigung der Anamnese, des erhobenen klinischen Befundes, der vom behandelnden Orthopäden Dr. He. attestierten Diagnosen sowie der radiologischen Befunde nachvollziehbar dargelegt, dass weder die klinischen Befunde noch die weiterhin erhaltenen Alltagsaktivitäten Hinweise auf eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht bieten. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass Dr. H. die Anamnese auch im Bezug auf die von dem Kläger im Haushalt verrichteten Tätigkeiten (Mitarbeit bei den üblichen Haushaltsarbeiten, Verrichten von Gartenarbeiten und Anlegen eines Gartenteichs) in seinem Gutachten zutreffend wiedergegeben hat. Auf die Einwendungen des Klägers hat Dr. H. dargelegt, dass er dessen Angaben in Anwesenheit des Klägers laut diktiert und in seinem Gutachten dementsprechend wiedergegeben hat. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Angaben in Zweifel zu ziehen, zumal der Kläger gegen die Darstellung von Dr. H. zur tatsächlichen Durchführung der Anamneserhebung (lautes Diktieren) weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren Einwendungen erhoben hat. Hierbei ist letztlich unerheblich, ob der Kläger den Gartenteich tatsächlich alleine oder mit Hilfe seines Schwagers angelegt hat, da bereits die erhobenen klinischen Befunde (normales Bewegungsmuster der Wirbelsäule, fehlende Hinweise auf Nervenwurzelschädigung, frei bewegliche Kniegelenke, keine gravierenden Funktionsstörungen des linken Armes oder des linken Ellenbogens oder Handgelenkes) eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht nicht rechtfertigen.
Der Kläger ist auch unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht gehindert, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich weiterhin nachzugehen. Dies ergibt sich sowohl aus der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Fachärztin für Anästhesie und Psychotherapie Dr. N. (der Kläger könne entgegen seinem Rentenbegehren weiterhin eine leichte bis mittelschwere Arbeit im ständigen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ausüben) als auch aus dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten des Nervenarztes Dr. Ne ... Dieser hat eine abhängige bzw. asthenische Persönlichkeitsstörung festgestellt. Eine relevante depressive Störung, insbesondere eine depressive Antriebsschwäche mit Beeinträchtigung des quantitativen Leistungsvermögens liegt - so Dr. Ne. - nicht vor. Eine solche lässt sich auch nicht aus dem gegenüber Dr. Ne. geschilderten Tagesablauf (Ausführung von Gartenarbeiten, hobbymäßiges Digitalfilmen, Spazierengehen) ableiten. Das von dem Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Attest des Psychiaters St. ist nicht geeignet, die Feststellungen von Dr. Ne. in Zweifel zu ziehen. Eine manifeste Depression wird von dem Psychiater St. ebenfalls nicht beschrieben, vielmehr hat dieser eine Dysthymie angegeben und insbesondere auf die bestehenden sozialen Belastungen (schwere Erkrankung mit Behinderung der Tochter und Ehefrau) hingewiesen. Das Vorliegen einer leichten seelischen Störung wurde von Dr. Ne. bei seiner Leistungsbeurteilung berücksichtigt, ebenso die von dem Kläger diesbezüglich geschilderten und nach den Angaben gegenüber Dr. Ne. seit der Kindheit bestehenden psychischen Beschwerden (vermehrte Nervosität und Unruhe, Schlafstörungen, geringe Belastbarkeit, vermehrte Reizbarkeit). Allein die Aussage, der Kläger sei "nicht in der Lage, am sozialen Leben (beruflich, privat) in adäquatem Maße teilzunehmen" lässt nicht den Schluss auf eine Minderung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht zu. Eine konkrete Aussage zu den tatsächlich weiterhin durchgeführten Aktivitäten des Klägers hat der Psychiater St. nicht gemacht; insgesamt fehlt es somit an der Nachvollziehbarkeit seiner - äußert vagen - Einschätzung.
Wesentliche, sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirkende Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet liegen, wie sich aus dem von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten ergibt, nicht vor. Solche wurden auch von der behandelnden Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B.-L. nicht beschrieben. Die von dem Kläger geltend gemachte Schlafapnoe wird - wie sich aus dem Befundbericht von Priv. Doz. Dr. S. und den eigenen Angaben des Klägers ergibt - mit nasaler CPAP-Beatmung behandelt. Von dem Kläger dennoch angegebene Schlafstörungen hat bereits Dr. Ne. bei seiner Beurteilung berücksichtigt. Ergänzend ist zu bemerken, dass der Kläger auch nach der Einschätzung von Dr. B.-L. in der Lage ist, bis zu sechs Stunden täglich zu arbeiten.
Die von der behandelnden Internistin Dr. R. in ihrer sachverständigen Zeugenaussage beschriebene Einschränkung der Leistungsfähigkeit (weniger als drei Stunden täglich auch für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes) ist nicht nachvollziehbar. Zur Begründung hat Dr. R. auf bestehende Schmerzen, die wegen einer Depression nicht überwunden werden können, verwiesen. Eine erhebliche schmerzhafte Einschränkung der Bewegungsfähigkeit ergibt sich hingegen aus den von ihr mitgeteilten Befunden nicht. Dokumentiert wird - insoweit übereinstimmend mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. - lediglich eine endgradige Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Wirbelsäule, jedoch keine wesentlichen Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit der Schultergelenke, Ellenbogengelenke, Handgelenke und Finger, Hüftgelenke, Kniegelenke und Sprunggelenke. Eine Depression, von der Dr. R. fachfremd ausgegangen ist, liegt - wie der Sachverständige Dr. Ne. dargelegt hat - nicht vor.
Bei zusammenfassender Würdigung der Befunde auf orthopädischem, nervenärztlichem und internistischem Gebiet ist der Kläger somit weiterhin in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne Zeitdruck, Akkord- Fließband- oder Schichtarbeit in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Volle (oder - allerdings hier nicht in Streit befindliche - teilweise) Erwerbsminderung liegt daher nicht vor.
Ergänzend ist anzumerken, dass unabhängig davon, ob der Kläger die konkret zuletzt ausgeübte Tätigkeit weiterhin verrichten kann, die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI ebenfalls nicht erfüllt sind, weil der Kläger aufgrund seines beruflichen Werdegangs auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist. Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist vorliegend auch nicht streitgegenständlich, da der - nach eigenen Angaben - ungelernte Kläger konsequenterweise selbst keinen Berufsschutz und keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geltend gemacht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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