L 7 AS 4122/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 683/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 4122/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Juli 2007 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) und die Erstattung überzahlter Beträge.

Der 1967 geborene, verheiratete Kläger lebt mit seiner Ehefrau T.M. sowie dem am 15. April 2003 geborenen Sohn N. und seiner Schwiegermutter in einer gemeinsamen Wohnung. Durch Bescheid vom 20. Dezember 2004 bewilligte der Landkreis S. dem Kläger, seiner Ehefrau sowie dem Sohn als Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von zusammen 1.055,06 Euro für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 2005. Vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2005 wurden die Leistungen in der genannten Gesamthöhe weitergewährt, wobei sich ein etwaiger hierauf gerichteter Bewilligungsbescheid nicht in den Akten befindet. In der Zeit vom 27. Oktober bis 15. Dezember 2005 stand der Kläger in Arbeit; im Monat Oktober erzielte er einen Netto-Verdienst von 245,86 Euro, im November von 1.370,62 Euro und im Dezember von 785,35 Euro.

Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit einem allein an ihn gerichteten Bescheid vom 16. Januar 2006 die Bewilligung von Alg II in der Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2005 "ganz bzw. teilweise" auf, weil im Monat November 2005 das Einkommen aus dem Monat Oktober anzurechnen sei, sodass sich ein geringerer Leistungsanspruch ergebe, und im Dezember das Einkommen aus den Monaten November und Dezember zu berücksichtigen sei, weshalb für Dezember kein Leistungsanspruch bestehe (Hinweis auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)); den in der vorgenannten Zeit zu Unrecht gezahlten Betrag von 1.156,92 Euro habe der Kläger zu erstatten (§ 50 SGB X). Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2006 zurückgewiesen.

Deswegen hat der Kläger am 13. März 2006 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2007 hat das SG den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Januar 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2006 aufgehoben, "soweit der Aufhebungsbetrag 479,93 Euro und der Erstattungsbetrag 420,43 Euro übersteigt", und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne nicht als Gesamtschuldner für die überzahlten Leistungen an die Bedarfsgemeinschaft herangezogen werden; vielmehr könne allenfalls insoweit ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ergehen, als er selbst zu Unrecht Leistungen bezogen habe. Der auf den Kläger entfallende Leistungsanteil im Rahmen der Gesamtaufhebung für die Monate November und Dezember 2005 belaufe sich auf 479,93 Euro; allerdings mindere sich der Erstattungsbetrag wegen der Vorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II auf 420,43 Euro für beide Monate. Der Gerichtsbescheid ist mit der Rechtmittelbelehrung versehen, dass er mit der Berufung angefochten werden könne.

Diesen dem Kläger am 28. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat er mit einem am 22. August 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangenen Schreiben angefochten. Er hat vorgebracht, dass er die Arbeitsaufnahme den Arbeitsagenturen Bad Saulgau und Sigmaringen rechtzeitig gemeldet habe. Auf den Hinweis des Senats, dass die Berufung mangels Erreichens der Berufungssumme unzulässig sei, der Kläger jedoch die Möglichkeit habe, entweder beim SG gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen oder beim LSG Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) einzulegen (Verfügungen vom 27. September und 5. November 2007), hat dieser nicht reagiert. Auf die ihm am 9. Januar 2008 zugestellte Senatsverfügung vom 4. Januar 2008, in welcher der Kläger auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung durch Beschluss als unzulässig hingewiesen worden ist, hat er mit Schreiben vom 27. Januar 2008 geantwortet, dass er seinen Widerspruch gegen die ARGE Landkreis Sigmaringen aufrechterhalte, weil nicht er, sondern die ARGE einen Fehler gemacht habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Juli 2007 sowie den Bescheid vom 16. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2006 in vollem Umfang aufzuheben.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II.

Das mit Blick auf die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Gerichtsbescheid als Berufung auszulegende Rechtsmittel des Klägers des Klägers ist unzulässig.

Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen (Satz 2 a.a.O.). Der Senat hat hiervon - auch unter Berücksichtigung des Gebots des fairen und effektiven Rechtsschutzes (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 158 Nr. 2) - nach dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht; er hat hierbei in seine Erwägungen mit einbezogen, dass der Kläger den angefochtenen Gerichtsbescheid durch einen beim SG zu stellenden Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG oder aber durch eine beim LSG einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) überprüfen lassen kann. Die Beteiligten haben im Rahmen des rechtlichen Gehörs Gelegenheit erhalten, sich zur beabsichtigten Verwerfung der Berufung durch Beschluss zu äußern.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unzulässig, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung betrifft, 500,00 Euro nicht übersteigt, es sei denn, dass die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Mit Geldleistungen im Sinne des § 144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGG sind nicht nur Leistungsansprüche gegen den Staat oder sonstige öffentlich-rechtliche Leistungsträger gemeint, sondern auch Forderungen dieser Träger gegen den einzelnen Bürger (vg. BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 1; SozR 3-1500 § 144 Nr. 16; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 144 Rdnr. 10), mithin auch die vorliegend umstrittenen Erstattungsansprüche der Beklagten. Der Geldbetrag, um den mit der vorliegenden Berufung gestritten wird, erreicht indes die erforderliche Berufungssumme von mehr als 500,00 Euro im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht. Denn der nach dem Tenor des Gerichtsbescheids des SG vom 23. Juli 2007 vom Kläger an die Beklagte aus den angefochtenen Bescheiden zu erstattende Betrag beläuft sich auf lediglich 420,43 Euro, überschreitet also die vorgenannte Beschwerdewertgrenze nicht. Es sind auch keine wiederkehrenden oder laufenden Geldleistungen für mehr als ein Jahr im Streit. Die Berufung des Klägers bedurfte daher der Zulassung; sie ist indes im Gerichtsbescheid des SG vom 23. Juli 2007 nicht zugelassen worden. Daran ändert auch die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid nichts, weil die Zulassung der Berufung nur in der Urteilsformel, ausnahmsweise auch durch eine eindeutig ausgesprochene Zulassung in den Entscheidungsgründen erfolgen kann (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juni 2004 - B 7 AL 10/04 B - (juris); BSG SozR 4-1500 § 144 Nr. 2); beides ist hier nicht der Fall. Da eine Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) unzulässig ist (vgl. BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 1), und zwar selbst dann, wenn der Rechtsmittelführer - wie hier - nicht rechtskundig vertreten ist (vgl. BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 1), darf der Senat über die Zulassung der Berufung hier nicht selbst entscheiden.

Nach allem ist die Berufung unzulässig; dem Senat ist deshalb im vorliegenden Verfahren eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache verwehrt. Da wegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des SG vom 23. Juli 2007 die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels oder eines anderen Rechtsbehelfs nicht zu laufen begonnen hat (vgl. § 66 Abs. 1 SGG), hat der Kläger indes noch die Möglichkeit, entweder beim SG einen Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG) oder beim LSG eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) einzulegen; freilich ist zu beachten, dass dies innerhalb von einem Jahr seit Zustellung des Gerichtsbescheids an den Kläger (28. Juli 2007) zu geschehen hat (vgl. § 66 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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