L 1 KR 26/07

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 48 KR 818/04
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 26/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist Krankengeld über den 21. April 2004 hinaus bis zum 4. Januar 2005 (Anspruchserschöpfung).

Der 1956 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger (Grad der Behinderung 50) ist von erlerntem Beruf Bäcker. Er war im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ab 17. Dezember 2003 als Fahrgast- bzw. Kundenbetreuer bei der H. V. GmbH im Auskunftspavillon auf dem S. des Hamburger Hauptbahnhofs beschäftigt (vgl. Aufgabenbeschreibung Bl. 89, 90 Verwaltungsakten (VA), Bl. 33, 34, 67, 68 Gerichtsakten (GA)). Am 21. Januar 2004 stürzte er während einer beruflichen Fortbildungsveranstaltung beim Anlegen der Hafenfähre an den L ... Er erlitt eine Schädelprellung links temporal und eine minimale Schürfung am Ohrläppchen (Durchgangsbericht Dr. A. vom 22. Januar 2004). Die Röntgenaufnahmen des Schädels und die CCT-Untersuchung zeigten einen unauffälligen Befund. Wegen der Folgen dieses Unfalls sah der Nervenarzt Dr. W. bei der Untersuchung am 26. Januar 2004 allenfalls Arbeitsunfähigkeit für 10 bis 14 Tage nach dem Unfallereignis für gegeben an, dann sei eine Wiederaufnahme der Arbeit möglich. Der Kläger nahm, nachdem er Verletztengeld bezogen hatte, seine Arbeit am 2. Februar 2004 wieder auf. Ab 4. Februar 2004 erfolgte sein praktischer Einsatz unter Anleitung im und am H. V.-Informations-Pavillon am S. des Hauptbahnhofes. Nach einer zweitägigen externen Schulungsmaßnahme (Erste Hilfe) schloss sich am 12. Februar 2004 eine weitere externe Schulungsmaßnahme (Drogennotfall) und ab 13. Februar 2004 ein weiterer praktischer Einsatz des Klägers unter Anleitung auf den P + R-Anlagen an.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2004 kündigte die Arbeitgeberin dem Kläger das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 3. März 2004. Letzter Arbeitstag war unter Berücksichtigung seines Resturlaubes der 25. Februar 2004. Am 20. Februar 2004 schrieb die Fachärztin für Neurologie M., die mit dem Facharzt für Psychiatrie K., bei dem der Kläger in Behandlung war, gemeinsam praktiziert, den Kläger arbeitsunfähig (Diagnose: sonstige Reaktionen auf schwere Belastung ( depressive Episode ), konkret: Persönlichkeitsstörung ICD-10 F60.8 bzw. Anpassungsstörung ICD-10 F43.8). Die Beklagte zahlte dem Kläger Krankengeld ab 4. März 2004 und ließ ihn am 7. April 2004 von dem Arzt Dr. T. (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) beim Bundeseisenbahnvermögen (BEV)) untersuchen. Dr. T. bezog sich auf das Ergebnis einer Untersuchung des Klägers beim Arzt K. am 1. April 2004, die keine Auffälligkeiten mehr ergeben habe. Von einer Depression könne er sich nicht überzeugen. Der Kläger sei ab 13. April 2004 arbeitsfähig. Nachdem dies dem Kläger mitgeteilt worden war und er ausgesprochen aggressiv und ausfallend reagiert hatte, hielt Dr. T. telefonische Rücksprache mit dem behandelnden Arzt - bei dem der Kläger am 21. April 2004 einen Termin hatte - und befand, dass aus medizinischer Sicht letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit der 21. April 2004 sei. Der Arzt für Psychiatrie K. schrieb den Kläger "wegen Depression" aber am 21. April 2004 über diesen Tag hinaus weiter arbeitsunfähig. In seinem Attest vom 21. April 2004 empfahl er, falls erforderlich, eine MDK-Begutachtung durch einen Facharzt für Neurologie/Psychiatrie. Der Kläger, der sich gegen die Art und Weise und das Ergebnis der Untersuchung durch Dr. T. wandte, begehrte Krankengeld über den 21. April 2004 hinaus. Die Beklagte veranlasste daraufhin seine Nachuntersuchung am 12. Mai 2004 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. (MDK Hamburg). Dieser diagnostizierte eine dysphorische Anpassungsstörung nach kränkenden Konflikterlebnissen vor dem Hintergrund akzentuierter Persönlichkeitszüge und meinte, dass aus psychiatrisch-neurologischer Sicht eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr begründet werden könne. Trotz der behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung bestehe keine so tief greifende Beeinträchtigung der psychischen Grundfunktionen, dass der Kläger unfähig wäre, leichte Tätigkeiten einfacher geistiger Art ohne besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Der Kläger sei in der Lage, Willenskräfte aufzubringen, um etwaige Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Auf eine körperliche Untersuchung hatte Dr. N. angesichts "der völlig unauffälligen Vorbefunde" und weil der Psychiater K. keine auffälligen neurologischen Befunde mitgeteilt hatte, verzichtet. Die Beklagte gewährte dem Kläger Krankengeld bis 21. April 2004 (Bescheid vom 13. Mai 2004), wogegen dieser Widerspruch erhob, weil sein Arzt K. und – ab 10. August 2004 - auch der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Y. ihn weiter für arbeitsunfähig hielten.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2004). Es bestehe ab 21. April 2004 Arbeitsfähigkeit des Klägers für den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Hiergegen richtet sich die am 28. Juli 2004 erhobene Klage des Klägers, der ab 1. Juni 2004 Sozialhilfe bezog und seit 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht.

Das Sozialgericht hat von dem Psychiater K., von dem auch das Attest vom 6. Januar 2005 zu den Akten gelangt ist, den Behandlungsbericht vom 15. September 2005 ("Chronifizierte reaktive Depression nach arbeitsrechtlichem Konflikt bei Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend zwanghaften Zügen"), die Berichte der früheren Arbeitgeberin vom 6. Februar und 11. Dezember 2006 sowie das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T1 (A1 Klinik N1) vom 16. April 2006 über eine Untersuchung des Klägers am 3. April 2006 eingeholt. Nach Dr. T1 leidet der Kläger - neben hier unbedeutenden somatischen Leiden (Zustand nach Fraktur des linken Handgelenks, mit teilweiser Versteifung, ausgeheilt 1993; Zustand nach folgenlos abgeheilter Schädelprellung links temporal Januar 2004) - vor allem an einer kombinierten Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstisch-kränkbaren, emotional-instabilen und impulsiven Elementen sowie einer Anpassungsstörung mit dysphorischen Elementen nach Kränkungserleben bei schwach ausgebildeter Frustrationstoleranz. Eine Begründung für eine Arbeitsunfähigkeit über den 21. April 2004 hinaus lasse sich, so Dr. T1, aus den beschriebenen Symptomen, dem Verlauf und dem aktuellen Untersuchungsbefund nicht finden. Es habe sich von Februar bis April 2004 eine Anpassungsstörung mit dysthymer, vorwiegend moroser Stimmungslage entwickelt. Dennoch sei davon auszugehen, dass nach dem 21. April 2004 eine ausreichende Befundstabilisierung eingetreten sei, um eine Arbeitsfähigkeit für Tätigkeiten als Kundenbetreuer annehmen zu können.

Der Facharzt für Psychiatrie K. hat auf Initiative des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers zu diesem Gutachten unter dem 16. Juni 2006 Stellung genommen. Dr. T1 habe die antidepressive Behandlung mit stützender Gesprächstherapie und hochwirksamen modernen Antidepressiva (seit 2001) sowie die "zwanghaften Strukturen" unberücksichtigt bzw. unerwähnt gelassen. Die im Gutachten erwähnten Symptome (Schlafstörungen, innere Anspannung, Einengung der Wahrnehmung auf die belastenden Ereignisse) könnten auch Kennzeichen für eine reaktive Depression sein.

Dr. T1 hat auf diese Stellungnahme unter dem 13. März 2007 erwidert. Als alleinige diagnostische Kriterien seien die geschilderten Symptome nicht zu gebrauchen. Eine larvierte oder reaktive Depression liege beim Kläger nicht vor. Zumindest müsste eine reaktive Depression bei ihm längst abgeklungen sein. Aber selbst bei Annahme einer (sehr chronischen? ) Depression sei nicht erkennbar, weshalb ein Risiko bestanden haben sollte, einer regelmäßigen (leichten) Arbeit nachzugehen.

Auf weitere Anfrage des Sozialgerichts vom 13. Juni 2007 und zwischenzeitliche Erwiderung von Dr. T1 hat dieser erneut unter dem 15. Juni 2006 Stellung genommen. Wirklich neue Gesichtpunkte, so Dr. T1, lägen nicht vor. Der Kläger sei im Frühjahr 2004 keinesfalls in ein depressives Loch gefallen. Er sei ab dem 22. April 2004 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für einfache, seiner Ausbildung und seinem Kenntnisstand entsprechende Tätigkeiten vollschichtig einsatzfähig gewesen. Das gelte - sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht – ebenfalls bezüglich der Anforderungen nach der Stellenbeschreibung der H. V. GmbH.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2007 den Antrag des Klägers, den Arzt K. als Zeugen zu hören, abgelehnt. Es hat die Klage durch Urteil vom 26. Juni 2007 abgewiesen. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach der zuletzt bei der H. V. GmbH ausgeübten Beschäftigung. Deren Anforderungen sei der Kläger ab dem 22. April 2004 gewachsen gewesen. Das ergebe sich aus den Ausführungen von Dr. T1. Der Einschätzung des behandelnden Arztes K. könne nicht gefolgt werden. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Urteils vom 26. Juni 2007 Bezug genommen.

Der Kläger hat am 19. Juli 2007 Berufung eingelegt. Am 9. November 2007 hat er schriftlich beantragt, den Arzt K. als Zeugen dafür zu hören, dass bei ihm "eine dauerhafte, fortlaufende Erkrankung seit dem 19. November 2003 bis Ende Dezember 2004 bestand". Gleichfalls hat er beantragt, seinen Bevollmächtigten D. als Zeugen dafür zu hören, dass die Untersuchung bei Dr. N. nur 25 Minuten gedauert habe. Im Übrigen könne Dr. T1, weil er ihn erst im Jahre 2006 untersucht habe, nicht über seine gesundheitlichen Einschränkungen im Jahre 2004 urteilen. Das Gericht habe zu klären, ob Dr. T. berechtigt gewesen sei, ein MDK-Gutachten zu erstellen. Außerdem sei das Gutachten von Dr. N. für den Fall nicht rechtmäßig, dass er sich mit Dr. T. abgesprochen habe. Ob dies der Fall sei, möge die Beklagte beantworten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 21. April 2004 hinaus Krankengeld bis zum 4. Januar 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und sieht mit der Berufung keine neuen Gesichtpunkte vorgebracht. Ergänzend wird auf den Inhalt der Prozessakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )).

Das Rechtsmittel ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2004 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht über den 21. April 2004 hinaus Krankengeld nicht zu. Denn er war ab 22. April 2004 nicht (mehr) arbeitsunfähig.

Nach § 44 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht - soweit hier einschlägig - von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Abs. Satz 1 Nr. 2 SGB V). Vorliegend scheitert dieser Anspruch, wie ausgeführt, daran, dass über den 21. April 2004 hinaus Arbeitsunfähigkeit nicht bestand. Das hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt. Diese Feststellung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein Versicherter arbeitsunfähig, wenn er durch Krankheit gehindert ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten. Vorliegend war dies die Arbeit, die der Kläger auf Grund seines bis zum 3. März 2004 dauernden Arbeitsverhältnisses bis zum 25. Februar 2004 (Beginn des Resturlaubs) zu verrichten gehabt hätte, wenn er nicht ab 20. Februar 2004 arbeitsunfähig geworden wäre. Ob die Arbeitsfähigkeit des Klägers, obwohl er am 22. April 2004, ab dem er weiteres Krankengeld begehrt, nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis als Fahrgast- und Kundenbetreuer zur H. V. GmbH stand, trotzdem ausschließlich konkret danach zu beurteilen ist, ob er ab dem 22. April 2004 Arbeiten als Fahrgast- und Kundenbetreuer verrichten konnte, oder abstrakt danach, ob er gleiche oder ähnlich geartete "Verweisungstätigkeiten" ausüben konnte, oder lediglich danach, ob er überhaupt Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben konnte (vgl. hierzu BSG vom 8. Februar 2000 – B 1 KR 11/99, BSGE 85, 271 = SozR 3 - § 49 Nr. 4; vom 14. Februar 2001 – B 1 KR 30/00, SozR 3-2500 § 44 Nr. 9), kann dahingestellt bleiben. Denn der Kläger war, wie die erstinstanzliche Beweiserhebung ergeben hat, für alle diese Tätigkeitsbereiche ab dem 22. April 2004 arbeitsfähig.

Sowohl Dr. T. vom MDK, der den Kläger bei der Untersuchung am 7. April 2004 bereits ab 13. April 2004 für arbeitsfähig hielt und nur deshalb, weil dieser am 21. April 2004 noch einen Termin beim behandelnden Arzt K. hatte, nach Rücksprache mit diesem Arzt sich mit einer Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit auf den 21. April 2004 einverstanden erklärte, als auch Dr. N. am 12. Mai 2004 haben sich vom Bestehen einer Depression, die der behandelnde Arzt ab 21. April 2004 bescheinigt hat, nicht überzeugen können. Nach Dr. T. war diese, sofern sie überhaupt vorher vorgelegen haben sollte, zumindest im Abklingen begriffen, nach Dr. N. lag lediglich eine dysphorische Anpassungsstörung (nach kränkenden Konflikterlebnissen) vor dem Hintergrund akzentuierter Persönlichkeitszüge vor. Letztere Persönlichkeitsakzente haben aber auch früher der Verrichtung von Arbeiten durch den Kläger nicht entgegen gestanden und hätten die Ausübung einer Arbeit als Fahrgast- und Kundenbetreuer ebenfalls nicht verhindert, falls das Arbeitsverhältnis angedauert hätte. Bereits aus den von dem Facharzt für Psychiatrie K. für die Vorstellungen des Klägers am 2., 16. und 31. März sowie 1. April 2004 mitgeteilten Befunden "freundlich im Kontakt, orientiert, Stimmung depressiv herabgesetzt, etwas dysphorisch klagsam, Gedankengang sthenisch und auf eigenem Standpunkt beharrend (keine Hinweise für auf Psychose oder Hirnorganik)" und "Zustand unverändert" erschließt sich im Zusammenhang damit, dass der Kläger zwar angab, unter Kopfschmerzen zu leiden, die neurologische Untersuchung und das Elektroenzephalogramm aber keinen pathologischen Befund ergaben, keineswegs zweifelsfrei das Vorliegen einer aus psychischen Gründen bestehenden Arbeitsunfähigkeit. Dass der Kläger auf Grund der psychischen Symptomatik nicht in der Lage war, eine Arbeit als Fahrgast- und Kundenbetreuer, eine gleiche oder ähnliche Arbeit oder eine Arbeit des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, ist nicht nur nicht überwiegend wahrscheinlich, sondern vielmehr zu verneinen. Er war trotz seiner dysphorischen Anpassungsstörung und trotz seiner akzentuierten Persönlichkeitszüge nämlich in der Lage, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme aus eigener Kraft zu überwinden. Das vom Kläger bei Dr. T. am 7. April 2004 gezeigte Verhalten belegt, dass er in seiner Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht erheblich eingeschränkt war. Dasselbe Bild bot sich auch bei Dr. N. am 12. Mai 2004. Der Kläger zeigte dort zwar eine insgesamt versagende, verweigernde Grundhaltung und ließ deutlich erkennen, dass er eine narzisstisch-kränkbare, emotional-instabile und impulsive Akzente setzende Grundpersönlichkeit ist, eine mangelnde Frustrationstoleranz aufweist und ein rigides, subjektives Gerechtigkeitsempfinden entwickelt hat. Mehr als eine mäßige - reaktive – Depressivität bestand aber nicht. Dafür gibt auch die Mitteilung des Arztes K. über den am 21. April 2004 erhobenen Befund (Behandlungsbericht vom 15. September 2005) keinen Anhalt. Dass der Kläger sich dort angesichts des drohenden Endes des Krankengeldbezuges sehr ernst, in der Grundstimmung depressiv, innerlich erheblich angespannt, affektbetont, im Gedankengang sthenisch-zwanghaft, auf Trauma innerlich eingeengt und in der Aufmerksamkeit und in der Konzentration gemindert zeigte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die weitere Berichterstattung des Arztes K. für die Zeit bis zum 4. Januar 2005 über geklagte Müdigkeit, nächtliche Albträume, Schlafstörungen, Grübelzwänge und einen – trotz der Verordnung des hochwirksamen Antidepressivums Citalopram ab 11. Mai 2004 – unveränderten Zustand bietet vorliegend ebenfalls keinen Anhalt für das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit begründenden "(reaktiven) Depression bei Persönlichkeitsstörung". Dies hat Dr. T1 in seinen Stellungnahmen vom 13. März und 15. Juni 2007 klar gestellt.

Dass der Arzt für Psychiatrie K. dem Kläger über den 21. April 2004 hinaus Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 8. November 2005 - B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 7) sind Krankenkassen und Gerichte an den Inhalt einer ärztlichen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit nicht gebunden. Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt vielmehr lediglich die Bedeutung einer ärztlich-gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krankengeldanspruch zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet. Es stellt keine atypische Besonderheit dar, dass die Beurteilungen des behandelnden Arztes und des MDK voneinander abweichen können. Für die Annahme, die Richtigkeit der ärztlichen Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit beruhe auf einer entsprechend ausgestalteten gesetzlichen oder tatsächlichen Vermutung, ist kein Raum (vgl. BSG vom 8. November 2005 - KR 18/04 R, a. a. O.). Die streitbefangene Arbeitsunfähigkeit bedarf im Gerichtsverfahren grundsätzlich der positiven Tatsachenfeststellung nach Ausschöpfung aller Beweismittel. Wenn sich mit den zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht nachweisen lässt, dass ein Versicherter aus Krankheitsgründen nicht in der Lage gewesen ist, seine Arbeit (oder, soweit dies zuzumuten ist, eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit bzw. eine zumutbare Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes) zu verrichten, kann der Versicherte regelmäßig kein Krankengeld beanspruchen. So liegt der Fall hier.

Im Übrigen hat der Arzt K. gegen das Gutachten des Dr. N. keine Einwendungen erhoben, insbesondere die Einholung eines weiteren Gutachtens vom MDK nicht beantragt. Die Beklagte war trotz der fortlaufenden Attestierung von Arbeitsunfähigkeit des Klägers durch seinen Arzt K. von sich aus nicht verpflichtet, eine weitere gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Denn weder aus dem Inhalt der weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Arztes K. noch aus sonstigen Umständen ergaben sich nachvollziehbare Zweifel an der Richtigkeit der vorangegangenen MDK-Einschätzung.

Das Berufungsverfahren hat keine neuen Erkenntnisse erbracht. Eine Zeugenvernehmung des Facharztes für Psychiatrie K. ist nicht veranlasst. Abgesehen davon, dass eine Zeugenvernehmung nicht mit einer gutachterlichen Stellungnahme zu verwechseln ist - einen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt - , ist nicht dargetan worden, über welchen beweiserheblichen Sachverhalt sich der Arzt K. äußern sollte. Die von ihm erhobenen Diagnosen und Befunde hat er in seinen schriftlichen Unterlagen niedergelegt. Darüber braucht kein Beweis erhoben zu werden. Im Weiteren ist das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit eine Rechtsfrage. Den übrigen Anträgen des Klägers ist ebenfalls nicht zu folgen. Weder bedarf es einer Abklärung der tatsächlichen Dauer der Exploration des Klägers bei Dr. N. noch besteht - soweit dies überhaupt von rechtserheblicher Bedeutung ist – Anlass daran zu zweifeln, dass Dr. T. in Berlin ein sozialmedizinisches Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung des BEV erstellen durfte und dass Dr. N. sein Gutachten eigenständig abgefasst hat.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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