L 3 AL 6010/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 2930/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 6010/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 7.556,09 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer Aufrechnung in der Insolvenz.

Über das Vermögen der J. G. GmbH & Co. KG wurde, nachdem am 15.06.2004 ein Insolvenzantrag gestellt worden war, am 01.08.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 01.08.2004 - 40 IN 130/04 -). Der Insolvenzantrag der G. Transport GmbH wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 09.11.2004 mangels Masse abgelehnt (Amtsgericht Konstanz 40 In 182/04).

Die Beklagte bewilligte sieben ehemaligen Arbeitnehmern der J. G. GmbH & Co. KG, die am 15.06. (K. F.: 5.409,19 EUR; M. A. S.: 803,22 EUR), 01.07. (H. G.: 1.262,45 EUR) und 06.08.2004 (Monika G.: 2.478,78 EUR; Markus G.: 1.191,00 EUR; C. I.: 2.255,22 EUR; N. E.: 4.675,47 EUR) Insolvenzgeld beantragt hatten, Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 18.075,33 EUR wegen ihrer insolvenzbedingt ausgefallenen Lohnansprüche. Bereits am 24.06.2004 hatte die Beklagte der Volksbank D. eG auf deren Antrag vom selben Tag zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes die Zustimmung zur Vorfinanzierung gegeben, die Arbeitnehmer hatten mit Abtretungserklärungen vom 12.07.2004 den Anspruch auf Insolvenzgeld an die Volksbank D. eG abgetreten. Die Volksbank D. hatte am 02.08.2004 Antrag auf Insolvenzgeld gestellt.

Die J. G. GmbH & Co. KG wurde ursprünglich vertreten durch die G. Transport GmbH. Diese GmbH wurde durch die Geschäftsführer T. und R. G., die außerdem seit Juli 1998 Gesellschafter der G. Transport GmbH mit jeweils 50 % Geschäftsanteil waren, vertreten.

Die J. G. GmbH & Co. KG hatte in der Zeit vom 01.01.1999 bis 28.02.2003 für ihre Geschäftsführer R. und T. G. Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Allgemeine Ortskrankenkasse K. (AOK) als Einzugsstelle entrichtet, wobei Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für diesen Zeitraum jeweils 4.582,41 EUR (T. G.) bzw. 5.192,96 EUR (R. G.) betrugen.

Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 06.04.2004 stellte die Einzugsstelle gegenüber der J. G. GmbH & Co. KG und T. sowie R. G. fest, dass R. und T. G. seit Juli 1998 in ihrer Tätigkeit für die GmbH nicht sozialversicherungspflichtig seien, da sie auf Grund ihres Anteils am Stammkapital der GmbH Mitunternehmer seien.

Hierauf beantragte die J. G. GmbH & Co. KG am 02./09.06.2004 bei der AOK die Erstattung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile der für die Geschäftsführer T. und R. G. entrichteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge.

Nach Weiterleitung dieses Antrags an die Beklagte (Posteingang 14.07.2004) lehnte diese nach erfolgter Anhörung u.a. mit an den Kläger gerichteten Bescheiden vom 10.12.2004 die Erstattung von zu Unrecht entrichteten Arbeitgeberbeiträgen zur Arbeitslosenversicherung in voller Höhe ab. Für die Zeit vom 01.01.1999 bis 30.11.1999 berief sie sich auf Verjährung (R. G.: 1.243,98 EUR; T. G.: 975,30 EUR). Gegen die geminderten Erstattungsansprüche (R. G.: 3.948,98 EUR; T. G.: 3.607,11 EUR) erklärte sie die Aufrechnung mit ihren zur Eintragung in die Tabelle angemeldeten Ansprüchen auf Rückzahlung von Insolvenzgeld in Höhe von 18.075,33 EUR (§ 333 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III -).

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, die Erstattungsansprüche seien nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit Rückzahlungsansprüchen auf Grund gezahlten Insolvenzgeldes erloschen. Eine solche Aufrechnung sei gemäß § 96 Abs. 1 Ziff. 2 Insolvenzordnung (InsO) unzulässig, da die Beklagte die Arbeitsentgeltforderungen, gegen welche sie den Erstattungsanspruch aufrechne, gemäß § 187 SGB III erst nach Insolvenzeröffnung erworben habe. Auch ein gesetzlicher Forderungsübergang stelle einen Erwerb im Sinne des § 96 Abs. 1 Ziff. 2 InsO dar. Für den Fall, dass der Anspruchsübergang bereits vor Insolvenzeröffnung erfolgt sei, sei die Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO unwirksam, denn die Beklagte habe die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise erlangt. Die Beklagte habe zum einen keinen Anspruch auf Schaffung der Aufrechnungslage (§ 131 Abs. 1 Ziff. 1 2. Halbsatz InsO) gehabt, zum anderen liege ein Fall des § 130 Abs. 1 InsO vor. Gemäß § 130 Abs. 1 Ziff. 2 InsO seien Rechtshandlungen, welche zu einer Sicherung geführt hätten, anfechtbar, wenn diese Rechtshandlungen nach Insolvenzantragstellung erfolgt seien und der Anfechtungsgegner Kenntnis von der Insolvenzantragstellung gehabt habe. Die Schaffung einer Aufrechnungslage stelle eine Sicherung in diesem Sinne dar. Die Aufrechnungslage sei durch Stellung der Insolvenzgeldanträge und des damit verbundenen Forderungsübergang geschaffen worden. Der Insolvenzantrag sei am 15.06.2004 gestellt worden. Die Beklagte habe hiervon Kenntnis gehabt.

Mit Bescheiden vom 23.06.2005 hob die Beklagte die Bescheide vom 10.12.2004 insoweit auf, als sie die Aufrechnung auf § 333 Abs. 2 SGB III gestützt hatte. Die Aufrechnung beruhe auf § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 28 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Die Entscheidung, dass aufgerechnet werde, sei nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen worden. Das Interesse der Versichertengemeinschaft zur Aufrechnung habe grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen zur Beitragserstattung.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 03.08.2005 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Gegen den Anspruch auf Beitragserstattung nach § 351 SGB III könne sie nach § 387 BGB i.V.m. § 28 Nr. 1 SGB IV mit ihren Erstattungsansprüchen aufrechnen. Die Aufrechnungsbefugnis (nach den allgemeinen Grundsätzen des BGB) sei durch § 28 SGB IV durch die Ausnahme vom Erfordernis der Gegenseitigkeit erweitert worden. Die inzwischen geltenden Vorschriften der InsO hätten die Vorschriften der Konkursordnung (KO) zu den vom Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 15.12.1994 - 12 RK 69/93 -, auf das verwiesen werde, entschiedenen Fragen nicht verändert. In der Gesetzesbegründung zu § 141m Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), der Vorgängerregelung des § 189 SGB III, sei ausdrücklich festgehalten, dass die Vorschrift eine Bereicherung der Konkursmasse verhindern solle. Der Anspruch auf Beitragserstattung entstehe grundsätzlich mit der fehlerhaften Zahlung der Beiträge bzw. mit dem rückwirkenden Eintritt der Versicherungsfreiheit. Der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen könne grundsätzlich erst dann fällig werden, wenn er von dem erstattungspflichtigen Versicherungsträger zu erfüllen sei. Das sei bei Beiträgen, die von der Einzugsstelle durch Beitragsbescheid gefordert würden, erst der Fall, nachdem der Beitragsbescheid zurückgenommen oder aufgehoben worden sei. Hier sei davon auszugehen, dass die Beiträge nicht durch Beitragsbescheid gefordert worden seien. Der Erstattungsanspruch sei folglich mit der Zahlung (letzte Zahlung März 2003) entstanden. Wenn tatsächlich ein Beitragsbescheid erlassen worden sein sollte, so sei dieser durch den Bescheid der AOK vom 06.04.2004, dass Versicherungsfreiheit vorliege, aufgehoben. Die Insolvenzeröffnung sei mit Beschluss vom 01.08.2004 erfolgt. Der Arbeitnehmer K. F. habe den Antrag auf Insolvenzgeld am 15.06., der Arbeitnehmer Matthias G. am 06.07.2004 gestellt. Insoweit sei Insolvenzgeld in Höhe von 5.409,19 EUR bzw. 1.262,45 EUR gezahlt worden. Bei den anderen Arbeitnehmern sei am 24.06.2004 die Zustimmung zur Vorfinanzierung gegeben worden. Auch sei das Entgelt bzw. der spätere Anspruch auf Insolvenzgeld mit Abtretungserklärung vom 12.07.2004 an die Volksbank D. eG abgetreten, wodurch die Voraussetzungen zur Zahlung des Insolvenzgeldes nach Insolvenzeröffnung (8.259,38 EUR) an die Volksbank D. eG bereits vor dem 01.08.2004 geschaffen worden seien. Auf Grund der Zustimmung zur Vorfinanzierung und der Kaufverträge sei die Forderung zumindest bedingt entstanden. Die Ansprüche seien folglich vor dem 01.08.2004 (Insolvenzeröffnung) auf sie - die Beklagte - übergegangen. Die Aufrechnungslage sei am 01.08.2004 kraft Gesetzes gegeben gewesen, so dass die Aufrechung durch das Insolvenzverfahren nicht berührt werde (§ 94 InsO). Die Aufrechnungen in voller Höhe seien auch nicht ermessungsfehlerhaft. Es sei das Individualinteresse an der ganzen oder teilweisen Vermeidung / dem Verzicht auf eine Aufrechnung mit dem öffentlichen Interesse an einer Aufrechung abzuwägen. Der Kläger habe im Rahmen seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter ein nachvollziehbares Interesse an der Auszahlung der Beträge. Konkrete Ermessensgesichtspunke im Rahmen des Einzelinteresses seien jedoch nicht geltend gemacht worden. Das öffentliche Interesse liege darin, dass das Interesse der Versichertengemeinschaft zur Aufrechung mit Erstattungsansprüchen grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen zur Beitragserstattung habe. Es gelte das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie der Grundsatz der möglichst vollständigen Erhebung der Einnahmen und Beitreibung von Außenständen. Durch die Aufrechnung des Betrages von 3.607,11 EUR bzw. des Betrages von 3.948,98 EUR mindere sich insoweit die von ihr - der Beklagten - am 07.12.2004 in Höhe von 18.075,33 EUR erfolgte Anmeldung als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle.

Hiergegen hat der Kläger am 31.08.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens ergänzend ausgeführt, die Aufrechnungslage sei frühestens am 15.06.2004 mit Stellung des ersten Antrags auf Insolvenzgeld entstanden. Am selben Tag sei auch der Insolvenzantrag gestellt worden. Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Ziff. 1 InsO seien damit erfüllt. Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, dass die Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO i.V.m. § 130 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 InsO unwirksam sei. Da die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO vorlägen, sei die erklärte Aufrechnung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ipso iure unwirksam. Raum für Ermessen bleibe nicht mehr. Die Entscheidung des BSG vom 05.12.1994 sei zur Konkursordnung ergangen. Sie sei auf die Insolvenzordnung nicht übertragbar.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.10.2006, dem Kläger zugestellt am 03.11.2006, hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die ausführliche und zutreffende Begründung in den Widerspruchsbescheiden ausgeführt, die Beklagte sei bezüglich der unstreitigen Beitragserstattungsansprüche zur Aufrechnung mit auf sie gemäß § 187 SGB III übergegangenen Arbeitsentgeltansprüchen früherer Arbeitnehmer der G. GmbH & Co. KG berechtigt gewesen, weshalb dem Kläger als Insolvenzverwalter insoweit kein Auszahlungsanspruch zustehe. Die Beklagte habe die Arbeitsentgeltansprüche nicht erst nach Insolvenzeröffnung erworben. Schon der Wortlaut des § 187 Satz 1 SGB III besage unmissverständlich, dass Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründeten, mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur übergingen. Dass der hiermit normierte gesetzliche Forderungsübergang schon im Zeitpunkt der Beantragung des Insolvenzgeldes durch den (berechtigten) Inhaber des Arbeitsentgeltsanspruchs eingetreten sei, sei einhellige Auffassung in der Kommentarliteratur. Der Übergang gelte mit der ersten Antragsstellung in dem Umfang als erfolgt, in dem er später konkretisiert worden sei. Es reiche für den Anspruchsübergang aus, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine Leistungspflicht der Beklagten vorlägen. Dies sei bei den Antragstellungen vom 15.06. und 16.07.2004 unzweifelhaft der Fall gewesen. Entsprechendes gelte aber auch hinsichtlich der von den anderen Arbeitnehmern am 12.07.2004 im Rahmen einer Vorfinanzierung an die Volksbank D. eG abgetretenen Ansprüche auf Insolvenzgeld. § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO, der eine Aufrechnung mit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworbenen Forderungen gegen vor oder nach Eröffnung des Verfahrens begründeten Ansprüchen des Gemeinschuldners grundsätzlich für unzulässig erkläre, stehe folglich der Aufrechnung nicht entgegen. Die Beklagte habe die Arbeitsentgeltansprüche vor der Insolvenzeröffnung am 01.08.2004 erworben. Bereits im Zeitpunkt des Übergangs der Arbeitsentgeltsansprüche auf die Beklagte habe die Beitragserstattungsforderung der Gemeinschuldnerin hinsichtlich der Arbeitgeberanteile, die in der Zeit von Juli 1998 bis Februar 2003 für T. und R. G. zu Unrecht entrichtet worden seien, bestanden, wobei die Beklagte hinsichtlich der Zeit bis 30.11.1999 die Verjährungseinrede erhoben habe. Somit stehe fest, dass bereits vor der Insolvenzeröffnung eine Aufrechnungslage vorgelegen habe. Die Beklagte habe die Aufrechnungslage auch nicht in inkongruenter Weise gemäß § 131 Abs. 1 Ziff. 1 InsO hergestellt. Die Aufrechnungslage sei ohne eigenes Handeln der Beklagten entstanden. Damit entfalle auch die vom Kläger hilfsweise geltend gemachte Unzulässigkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO i.V.m. § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO, weil es an einer anfechtbaren Rechtshandlung auf Seiten der Beklagten fehle.

Hiergegen hat der Kläger am 01.12.2006 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens hat er vorgetragen, es komme nicht darauf an, dass die Aufrechnungslage ohne eigenes Zutun der Beklagten begründet worden sei. Gemäß dem Wortlaut des § 131 Abs. 1 InsO seien Rechtshandlungen anfechtbar, die zu einer Befriedigung des Gläubigers führen würden, auf die dieser keinen Anspruch habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Oktober 2006 und unter Abänderung der Bescheide vom 10. Dezember 2004 in der Fassung der Bescheide vom 23. Juni 2005 jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 3. August 2005 zu verurteilen, ihm Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 7.556,09 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auszuzahlen; hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der angefochtene Gerichtsbescheid des SG in der Sache nicht zu beanstanden sei.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konne, ist zulässig. Die Berufung ist auch statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG, da eine Forderung in Höhe von 7.556,09 EUR im Streit ist.

Die Berufung ist indessen nicht begründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative i.V.m. Abs. 4 SGG zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil die Bescheide vom 10.12.2004 in der Fassung der Bescheide vom 23.06.2005 und in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 03.08.2005 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung für die früheren Gesellschafter der J. G. GmbH & Co. KG R. und T. G., denn die Beklagte hat wirksam bis zur Höhe der gesamten zu erstattenden Arbeitgeberanteile von insgesamt 7.556,09 EUR aufgerechnet und durfte deshalb die Erstattung der Arbeitgeberanteile ablehnen, weil der Erstattungsanspruch infolge der Aufrechnung durch Erfüllung erloschen ist.

Die Beklagte hat zutreffend die von ihr geltend gemachte Aufrechnung auf die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze gestützt. Eine besondere sozialrechtliche Ermächtigungsgrundlage ist insofern nicht erforderlich, weil § 395 BGB die Möglichkeit der entsprechenden Anwendung der §§ 387 ff. BGB auch im Öffentlichen Recht stillschweigend voraussetzt, soweit nicht öffentlich-rechtliche Sondervorschriften über die Aufrechnung eingreifen (BSG, Urteil vom 15.12.1994, Az.: 12 RK 69/93 in BSGE 75, 283 ff.).

Öffentlich-rechtliche Sondervorschriften greifen vorliegend für die Aufrechnung nicht ein, weil § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) lediglich die Aufrechnung eines Sozialleistungsträgers (wie der Beklagten) gegen Ansprüche auf Sozialleistungen (wie etwa Ansprüche auf Arbeitslosengeld) regelt, hier jedoch der Beitragserstattungsanspruch des Klägers kein Anspruch auf Sozialleistungen ist, sondern vom Kläger lediglich zu Unrecht gezahlte Beiträge zurückgefordert werden (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1994 a.a.O.).

Gleiches gilt auch für die Vorschrift des § 333 SGB III, der in Abs. 1 lediglich die Aufrechnungsmöglichkeit nach dem hier nicht einschlägigen § 51 SGB I erweitert, in Abs. 2 nur klarstellend die Aufrechnung gegen einen Beitragserstattungsanspruch mit allen Ansprüchen auf Rückzahlung von Sozialleistungen gegen den Arbeitslosen erlaubt und in Abs. 3 für spezielle, hier nicht einschlägige Sozialleistungen die Aufrechnung gesondert regelt (Niesel in: Niesel, SGB III, § 333 RdNr. 2,3,7,8).

Es bedarf auch keines Rückgriffs auf § 28 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), der lediglich die Aufrechnung auch mit erst künftig fällig werdenden Beitragsansprüchen erlaubt und so nur die allgemeine zivilrechtliche Aufrechnungsmöglichkeit in diesen - hier ebenfalls nicht gegebenen Fällen - erweitert (KassKomm-Seewald § 28 SGB IV, RdNr. 1, 4).

Nach den somit anwendbaren allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen liegt hier eine wirksame Aufrechnung durch die Beklagte vor.

Denn im Sinne einer Aufrechnungslage gemäß § 387 BGB stand der Beitragserstattungsanspruch des Klägers für die zu Unrecht entrichteten Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung für die Geschäftsführer T. und R. G. in Höhe von insgesamt 7.556,09 EUR als erfüllbare Hauptforderung der auf die Beklagte übergegangenen fälligen und durchsetzbaren Gegenforderung der Beklagten, ihrem Anspruch auf Erstattung des Insolvenzgeldes für die ehemaligen Arbeitnehmer der J. G. GmbH & Co. KG in Höhe von 18.075,33 EUR, gegenüber.

Dass der aus § 351 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 26 Abs. 2 SGB VI folgende Beitragserstattungsanspruch des Klägers, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Rechtsstellung der J. G. GmbH & Co. KG eintrat (§ 80 InsO), tatsächlich bestanden hat, wurde von der Beklagten mit Bescheiden vom 10.12.2004 anerkannt.

Demgegenüber hatte die Beklagte einen Anspruch gegen den Kläger auf Auszahlung des den sieben ehemaligen Arbeitnehmern der J. G. GmbH & Co. KG vorenthaltenen Lohnes. Die Lohnansprüche der Arbeitnehmer F., S. und H. G. sind mit der Stellung der Anträge auf Insolvenzgeld durch die Arbeitnehmer selbst am 15.06.2004 bzw. 01.07.2004 gemäß § 187 Satz 1 SGB III kraft Gesetzes auf die Beklagte übergegangen. § 187 SGB III geht insoweit dem § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), der auf die Erbringung der Sozialleistung abstellt, als lex specialis vor (Braun in Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III § 187 Rd. 3). Ob bei den übrigen Arbeitnehmern der Anspruchsübergang bereits vor der Insolvenzeröffnung am 01.08.2004 durch den Antrag auf Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes durch die Volksbank D. eG am 24.06.2004, die von der Beklagten an diesem Tag erfolgte Zustimmung (§ 188 Abs. 4 SGB III) und die von den Arbeitnehmern erklärte Abtretung ihrer Ansprüche auf Insolvenzgeld an die Volksbank D. eG am 12.07.2004 erfolgte, kann dahingestellt bleiben. Denn auch eine nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Antragstellung der Arbeitnehmer (05.08.2004) oder der Volksbank D. eG (02.08.2004) schließt eine Aufrechnung nicht aus. Zwar bestimmt § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO, dass die Aufrechnung unzulässig ist, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat. In der hier vorliegenden Konstellation hat die Beklagte die Forderung jedoch nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben. Es ist - auch wenn § 187 SGB III erst von einem Anspruchsübergang mit dem Antrag auf Insolvenzgeld ausgeht - von einem vorherigen Forderungserwerb auszugehen. Der Erwerb durch die Beklagte erfolgte aufschiebend bedingt durch die nachfolgende Antragstellung bereits mit dem Entstehen rückständiger, durch die Insolvenzausfallversicherung geschützter Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer. In diesem Zeitpunkt waren sämtliche Voraussetzungen für den Rechtserwerb der Beklagten mit Ausnahme des Antrags erfüllt. Die Aufrechnungsbefugnis kann nicht vom letztlich willkürlich durch die Arbeitnehmer festgelegten Zeitpunkt der Insolvenzgeldantragstellung abhängig sein (Peters-Lange in Gagel, SGB III, § 187 Rd. 25).

Da im Übrigen die Ansprüche dem Kläger und der Beklagten jeweils wechselseitig zustanden, mithin gegenseitig sowie als Geldleistungen auch gleichartig waren, liegt die Aufrechnungslage gemäß § 387 BGB vor.

Die Aufrechnung wurde schließlich gemäß § 388 BGB mit dem an den Kläger adressierten Bescheiden vom 10.12.2004 erklärt, so dass die wechselseitigen Ansprüche, soweit sie sich decken, gemäß § 389 BGB in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind.

Die Beklagte hat auch das ihr bezüglich des "Ob" und des Umfangs der Aufrechnung eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt und ihre Entscheidung in den Widerspruchsbescheiden ausreichend begründet. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beklagte hier von einer Aufrechnung gegenüber dem Kläger hätte absehen sollen. Dieser wurde auf Grund der schuldbefreienden Wirkung der Aufrechnung von seiner Lohnzahlungspflicht befreit, ohne dass erkennbar ist, weshalb dies für ihn nachteilig sein soll.

Etwas anderes ergibt sich, wie das SG in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, weshalb hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, auch nicht aus § 131 InsO. Die Beklagte hat keine Rechtshandlung vorgenommen - der Forderungsübergang trat kraft Gesetzes ein - weshalb auch §§ 130, 131 InsO der Aufrechnung nicht entgegenstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Bei der Streitwertfestsetzung hat sich der Senat auf § 197a SGG i.V.m. §§ 3, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz gestützt. Bei dem Rechtsstreit geht es um eine bezifferte Forderung. Diese bestimmt das wirtschaftliche Interesse. Der hierzu ergangene Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst.
Rechtskraft
Aus
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