S 17 AS 66/21

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 66/21
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 127/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


T a t b e s t a n d :

Streitgegenständlich ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.01.2021 sowie eine seitens der Klägerin vorgetragene Untätigkeit des Beklagten in verschiedener Hinsicht. 

Die Klägerin bezieht seit dem 01.07.2017 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnt seit Leistungsbeginn eine Wohnung in N., für die eine Grundmiete in Höhe von 255,- € monatlich sowie Nebenkosten in Höhe von 59,- € monatlich zu zahlen sind. Der Klägerin wurden auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 16.06.2020 hin mit Bewilligungsbescheid vom 18.06.2020 Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 vorläufig bewilligt. Die Mietzahlungen wurden antragsgemäß (Schreiben der Klägerin vom 14.05.2020 an das Sozialgericht) per Direktzahlung auf das Konto DExx xxxx xxxx xxxx xxxx xx (Inhaberin: Frau H.) ausbezahlt. Hierüber wurde die Klägerin mit separatem Schreiben vom 18.06.2020 zusätzlich informiert. Mit Änderungsbescheid vom 19.06.2020 erkannte der Beklagte zusätzlich Kosten für Warmwasser in Höhe von 40,- € monatlich an, die antragsgemäß an die N-E. überwiesen wurden. Auch mit Schreiben vom 07.08.2020 wurde die Klägerin nochmals darauf hingewiesen, dass die Direktzahlung der Unterkunftskosten bereits veranlasst wurde. Mit Schreiben vom 05.11.2020 wurde die Klägerin auf das Ende des Bewilligungszeitraumes zum 31.12.2020 hingewiesen und dazu aufgefordert, bei fortdauernder Hilfebedürftigkeit den beigefügten Weiterbewilligungsantrag vollständig ausgefüllt und unterschrieben einzureichen. Nach Aktenlage ging beim Beklagten kein Weiterbewilligungsantrag ein.

Am 25.01.2021 hat die Klägerin die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes am Sozialgericht Nürnberg beantragt (Az. S 17 AS 62/21 ER) und gleichzeitig Klage erhoben. Sie macht eine "Untätigkeit des Beklagten und einen Leistungsentzug" geltend. Es gehe um Weiterbewilligungsanträge vom 16.06.2020 und 04.12.2020 sowie Überprüfungsanträge (zuletzt am 04.12.2020) wegen Leistungen nach dem SGB II ab 01.01.2021 und Nachzahlungen sowie Anträge auf Direktüberweisung der Kosten der Unterkunft und Heizung sowie Krankenkassenbeiträge. Am 23.01.2021 habe die Klägerin weder eine Zahlung auf ihrem Konto feststellen können noch einen Bescheid seitens des Beklagten erhalten. Die Klägerin habe rechtzeitig einen Weiterbewilligungsantrag gestellt. Es seien keine Änderungen eingetreten.


Der Beklagte hat hierauf im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erwidert, ein Weiterbewilligungsantrag vom 04.12.2020 sei weder aus der Leistungsakte noch aus den Eintragungen im Fachprogramm der Arbeitsvermittlung (V.) ersichtlich. Das Schreiben vom 23.01.2021 sei jedoch als Weiterbewilligungsantrag gewertet und der Klägerin mit Bewilligungsbescheid vom 26.01.2021 Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungszeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2021 bewilligt worden. Auch ab dem 01.01.2021 sei die Grundmiete weiterhin per Direktüberweisung auf das Konto DExx ... xx der Frau H. ausbezahlt worden. Noch ausstehende entscheidungserhebliche Unterlagen (Anlagen zur Mitteilung von Einkommen und Vermögen, Änderungsmitteilung) seien mit Aufforderung zur Mitwirkung vom 26.01.2021 angefordert worden. Mit Schreiben vom 01.02.2021 hat der Beklagte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergänzend ausgeführt, das Schreiben der Klägerin vom 23.01.2021 sei im Hinblick auf die Bearbeitung der Überprüfungsanträge an die insoweit zuständige Fachabteilung weitergeleitet worden. Im vorliegenden Verfahren hat der Beklagte mit Schreiben vom 02.02.2021 zudem mitgeteilt, dass der Klägerin mit Änderungsbescheiden vom 26.01.2021 Regelbedarfe für die Monate Juni 2020 in Höhe von 432,00 Euro sowie für die Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 in Höhe von insgesamt 2592,00 Euro rückwirkend bewilligt worden seien, nachdem die Klägerin die Eröffnung eines Kontos angezeigt habe. Die Auszahlung des Gesamtbetrages von 3916,00 Euro einschließlich der Regelbedarfe für die Monate Januar und Februar 2021 sei auf das von der Klägerin mitgeteilte Konto DExx ... xx bei der P. am 26.01.2021 angewiesen worden. 

Das Gericht hat bereits mit Schreiben vom 26.01.2021 bei der Klägerin angefragt, ob der einstweilige Rechtsschutzantrag mit der Bewilligung von weiteren Leistungen ab 01.01.2021 erledigt sei. Offensichtlich hiermit überschneidend hat die Klägerin zunächst mit Schreiben vom 31.01.2021 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergänzende Angaben - wie vom Beklagten gefordert - gemacht und mitgeteilt, dass die Vermieterin in den Monaten Juni, November und Dezember 2020 keine Miete erhalten habe. Den Erhalt der nachgezahlten Regelbedarfe hat sie ebenfalls bestätigt. Der Beklagte wurde seitens des Gerichts gebeten, die Kontoverbindung der Vermieterin zu prüfen. Er hat daraufhin mit Schreiben vom 03.02.2021 mitgeteilt, dass bis zur Klärung der Angelegenheit keine Direktzahlungen mehr an die Vermieterin erfolgen könnten. Auf Anforderung des Gerichts hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.02.2021 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mitgeteilt, die Kontoverbindung der Vermieterin bestehe unverändert fort. Auf die "vorläufige Bewilligung" und sonstiges habe sie noch keine Antwort. Eine Äußerung zur Erledigung des einstweiligen Rechtsschutzantrags ist nicht erfolgt. Das Gericht hat den Beklagten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebeten, die Direktüberweisung der Unterkunftskosten an die Vermieterin wieder aufzunehmen. Überdies hat es den einstweiligen Rechtsschutzantrag der Klägerin mit Beschluss vom 11.02.2021 abgelehnt. Auf die Begründung im Beschluss wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.02.2021 hat das Gericht im vorliegenden Verfahren auf die mangelnde Erfolgsaussicht der Klage nach derzeitigem Kenntnisstand hingewiesen und eine Klagerücknahme angeregt. Zugleich hat es für den Fall, dass dies nicht erfolgt, zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen. Der Beklagte wurde hierzu ebenfalls angehört und hat sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 26.02.2021 geäußert. Auf den Inhalt wird verwiesen.
  
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, 
1. ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 01.01.2021 sowie rückwirkend weitere Leistungen für das Jahr 2020 zu gewähren,
2. über ihre Überprüfungsanträge, auch die nicht oder falsch gestellten, zu entscheiden (vgl. Schreiben vom 26.02.2021), 
3. die Unterkunftskosten direkt an die Vermieterin zu überweisen,
4. ihre Anfragen zu beantworten (vgl. Schreiben vom 26.02.2021) sowie
5. eine Klärung der zukünftigen pünktlichen Mietzahlung und Lücken der Anfragenbearbeitung sowie eines Mehrbedarfs/besonderen Bedarfs ab 01.07.2017 (vgl. Schreiben vom 26.02.2021).

Der Beklagte beantragt,
   die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zum vorliegenden Verfahren sowie zum Verfahren S 17 AS 62/21 ER und der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren übersandten Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden hierzu vorher gehört.

Nachdem die Klägerin keine Entscheidung des Beklagten angefochten hat, sondern lediglich eine Untätigkeit in verschiedener Hinsicht rügt, handelt es sich um eine Untätigkeitsklage. 

Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären. Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt (§ 88 Abs. 2 SGG). Die Untätigkeitsklage kann allein auf Vornahme eines Verwaltungsakts oder Bescheidung eines Widerspruchs gerichtet werden.

Soweit die Klägerin mit der Klage die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 01.01.2021 sowie rückwirkend weiteren Leistungen für das Jahr 2020 und eine Direktüberweisung der Unterkunftskosten an ihre Vermieterin begehrt, ist die Untätigkeitsklage unzulässig. Zum einen lag nach Aktenlage kein Weiterbewilligungsantrag der Klägerin über den 31.12.2020 hinaus vor. Zum anderen hat sich die Klage in diesen Punkten bereits dadurch erledigt, dass der Beklagte über die Leistungsgewährung ab 01.01.2021 und die Nachzahlung von Leistungen für das Jahr 2020 im Sinne der Klägerin entschieden hat. Auch hat er ihrem Begehren auf Direktüberweisung der Unterkunftskosten an die Vermieterin bereits seit Juni 2020 entsprochen. Warum die Vermieterin angibt, die Miete für Juni, November und Dezember 2020 nicht erhalten zu haben, muss die Klägerin selbständig mit der Vermieterin klären. Die vom Beklagten für die Direktüberweisung verwendete Kontonummer ist aus den Bescheiden ersichtlich. Die Klägerin hat bestätigt, dass sich nichts geändert habe. Auch für die Zeit ab 01.01.2021 hat der Beklagte dem Antrag der Klägerin auf Direktüberweisung entsprochen. Gegenteiliges ist nicht ersichtlich.

Soweit die Klägerin wiederholt mit Schreiben vom 26.02.2021 pauschal eine Entscheidung über ihre Überprüfungsanträge, auch die nicht oder falsch gestellten, begehrt, ist weiterhin nicht ersichtlich, über welche konkreten Anträge der Beklagte noch nicht entschieden hat. Die Klägerin hat trotz Aufforderung mit gerichtlichen Schreiben vom 12.02.2021 abermals nicht dargelegt, welche Anträge noch offen sind. Insofern kann bereits die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage nicht bejaht werden. Soweit die Klägerin im Schreiben vom 26.02.2021 sogar ausführt, der Beklagte solle auch über die nicht gestellten Anträge entscheiden, ist dies denklogisch nicht möglich.

Die weiteren Klagebegehren der Klägerin im Schreiben vom 26.02.2021, ihre Anfragen, z. B. hinsichtlich der Grenze für angemessene Unterkunftskosten oder der Möglichkeit der Abtretung ihres Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft an die Vermieterin, zu beantworten sowie die Klärung der zukünftigen pünktlichen Mietzahlung und Lücken der Anfragenbearbeitung und eines Mehrbedarfs/besonderen Bedarfs ab 01.07.2017, sind einer Entscheidung des Gerichts im Rahmen einer Untätigkeitsklage nicht zugänglich. Mit dieser kann nach Ablauf der in § 88 SGG genannten Fristen lediglich die Bescheidung eines Antrags oder eines Widerspruchs erwirkt werden. Bei den von der Klägerin im Schreiben vom 26.02.2021 genannten weiteren Klagebegehren ist nicht ersichtlich, dass es sich um Anträge handelt, die der Bescheidung zugänglich wären. Die Beantwortung allgemeiner Fragen des Sozialleistungsverhältnisses zum Beklagten muss die Klägerin beim Beklagten erwirken. Dies kann nicht im Rahmen einer Untätigkeitsklage erfolgen. Im Übrigen erschließt sich der erkennenden Kammer nicht, was die Klägerin mit dem im Schreiben vom 26.02.2021 genannten "Mehrbedarf/besonderen Bedarf ab 01.07.2017" meint bzw. ob diesbezüglich zu irgendeinem Zeitpunkt ein Antrag beim Beklagten gestellt wurde.

Die Klage war aus o. g. Gründen insgesamt abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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