L 14 U 76/21

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Bremen (NSB)
Aktenzeichen
S 29 U 3/21
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 14 U 76/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 28. April 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer Erkrankung mit Multipler Sklerose (MS) infolge einer Impfung als Arbeitsunfall.

Der 1966 geborene Kläger war ab dem 1. Juni 2000 als Pilot bei der H. beschäftigt. Am 8. Mai 2001 erhielt er durch den Medizinischen Dienst seiner Arbeitgeberin eine Hepatitis-A-Impfung mit dem Impfstoff Havrix 1440.

Im September 2007 stellte der Kläger beim Hessischen Landesamt für Versorgung und Soziales (im Folgenden Hessisches Landesamt) einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Er sei an MS erkrankt, die er auf die vorgenannte Impfung zurückführe.

Das Hessische Landesamt leitete seinen Antrag an die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen als Rechtsvorgängerin der Beklagten weiter, die daraufhin ein Verfahren zur Feststellung eines Arbeitsunfalles einleitete. Die Beklagte holte in diesem eine Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts (RKI) – Abteilung für Infektionsepidemiologie – vom 18. Dezember 2007 (Dr. I.) ein, wonach keine Studien zum Zusammenhang zwischen Hepatitis-A-Impfungen und MS vorliegen. Aus allen vorliegenden epidemiologischen Daten ergebe sich statistisch kein Hinweis auf eine Häufung von Erstmanifestationen oder Schubauslösungen von Autoimmun-Erkrankungen, also auch MS. Nach heutigem Kenntnisstand seien Impfungen auch nicht Ursache von Autoimmun-Erkrankungen. Da bei der MS die Ätiologie noch nicht geklärt sei, würden Impfungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit den ersten oder erneuten Krankheitssymptomen erfolgten, häufig zu Unrecht als kausale Ursache und Auslöser angeschuldigt.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Im Rahmen der durchgeführten Ermittlungen habe nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass die Hepatitis-A-Impfung die Erkrankung mit MS bzw. einen Krankheitsschub verursacht habe. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte die Beklagte bei Prof. Dr. J. ein Gutachten nach Aktenlage vom 30. Oktober 2008 ein. Danach leidet der Kläger zwar zweifelsfrei an einer MS. Es lasse sich jedoch weder ein vollursächlicher noch ein mitursächlicher noch ein gelegenheitsursächlicher Zusammenhang mit der nötigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit zwischen der streitigen Impfung und einer MS belegen.  Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2009 den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage (S 29 U 15/09). Im Rahmen des Klageverfahrens holte es auf Antrag des Klägers (§ 109 SGG) ein Gutachten nach Aktenlage von Dr. K. vom 11. November 2010 ein, wonach im Sinne des Ursachenbegriffs nach AHB die Erkrankung des Klägers mit der geforderten Wahrscheinlichkeit durch die Impfung bedingt ist. Es spreche nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand mehr für als gegen einen solchen Zusammenhang. Darauf nahm Prof. Dr. L. am 19. April 2011 beratungsärztlich dahingehend Stellung, dass er keine Indizien sehe, dass die Impfung in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Entstehung bzw. Auslösung der MS-Erkrankung steht. Auf weiteren Antrag des Klägers (§ 109 SGG) holte das SG ein weiteres Gutachten von Dr. M. vom 7. August 2012 einschließlich toxikologischer Zusatzbegutachtung durch Herrn N. vom 18. Juli 2012 (einschließlich ergänzender Stellungnahmen) ein. Während letzterer einen Zusammenhang zwischen Impfung und MS-Erkrankung bejahte, verneinte ersterer einen solchen. Der Zusammenhang sei zu verneinen, weil das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) einen solchen verneine, ein Kausalzusammenhang in der Literatur nicht beschrieben werde und dem Hersteller seit Markteinführung keine Fälle gemeldet worden seien, die einen Kausalzusammenhang belegten. Herr N. habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass keine wissenschaftliche Literatur vorliege, die einen Zusammenhang belege.

Mit Urteil vom 9. Februar 2015 wies das SG die Klage ab. Das streitige Unfallereignis sei nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen, da die beim Kläger diagnostizierte MS-Erkrankung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Impfung zurückgeführt werden könne. Nach dem herrschenden Meinungsstand in der medizinischen Wissenschaft sei nicht erwiesen, dass MS durch Hepatitis-A-Impfungen verursacht werden könne. Diese Erkenntnis werde durch die von Prof. Dr. J. und Dr. M. eingeholten Gutachten sowie durch die Stellungnahme von Prof. Dr. L. gestützt. Sie stimmten zudem mit den Ausführungen des RKI überein, wonach eine statistische Häufung von MS-Erkrankungen nach Impfungen bislang nicht durch Studien habe nachgewiesen werden können. Die im Ergebnis einen Ursachenzusammenhang bejahenden Gutachten von Herrn N. und Dr. K. könnten zu keiner anderen Beurteilung führen, da auch sie keinen anderen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergeben würden.

Dagegen legte der Kläger Berufung (L 14 U 61/15) beim Landessozialgericht (LSG) ein, die der Senat mit Urteil vom 20. Februar 2020 zurückwies. Ausgehend von den vom BSG in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen lasse sich ein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen der Hepatitis-A-Impfung und der MS nicht mit dem notwendigen Grade einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Über die Entstehungsursachen der MS lägen keine hinreichend gesicherten medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, wovon auch alle mit dem vorliegenden Verfahren befassten Ärzte ausgegangen seien. Gesicherte medizinische Erkenntnisse, dass Hepatitis-A-Impfungen MS verursachen könnten, seien ebenfalls nicht vorhanden. Ein nach dem neusten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannter Erfahrungssatz, nach dem MS durch Hepatitis-A-Impfungen verursacht werde, ließe sich nicht feststellen. Nach derzeitigem Kenntnisstand gebe es keine Evidenz für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Hepatitis-A-Impfungen und MS. Dies folge insbesondere aus dem Gutachten von Prof. Dr. J. sowie aus der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. L.. Mit diesen stimme der nach § 109 SGG gehörte Gutachter Dr. M. überein. Diese ärztlichen Meinungen stimmten auch mit dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand überein. Die Gutachten von Herrn N. und Dr. K. vermögen keine andere Beurteilung zu rechtfertigen, da sie nicht auf dem Boden der herrschenden medizinischen Meinung erstellt worden seien.

Das Urteil wurde rechts-, die angegriffenen Bescheide bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheides vom 5. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2009. Der bei der Impfung verwendete Impfstoff Harvix 1440 sei nicht rechtmäßig zugelassen worden, da der vorgeschriebene Pyrogen-Test unzureichend durchgeführt worden sei. Dies ergebe sich aus den beigefügten Gutachten von Prof. Dr. O. und Herrn P. vom 10. August 2020. Im Übrigen verweise er auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 21. Juni 2017 – C-621/15 –, in dem es heiße, dass in der medizinischen Forschung ein Zusammenhang zwischen der Verabreichung des Impfstoffes und dem Auftreten der MS weder nachgewiesen noch widerlegt sei. Der verabreichte Impfstoff habe zudem Wolfram enthalten, welches in erhöhten Dosen zu einer Störung des zentralen Nervensystems führen könne.

Mit Bescheid vom 18. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2020 lehnte die Beklagte die Überprüfung der Bescheide ab. Zur Begründung verwies sie auf die o.g. Urteile des SG und Senats. Es seien keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen worden, die für die Entscheidung wesentlich und bislang unberücksichtigt geblieben seien. Dies gelte auch für den Einwand, dass der benutzte Impfstoff nicht rechtmäßig zugelassen worden sei.

Dagegen hat der Kläger am 7. Januar 2021 beim SG Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Das LSG habe in seiner Beweiswürdigung eine unzureichend durchgeführte Studie von Prof. Dr. Q., aber nicht die Entscheidung des EuGH berücksichtigt. Der Sachverhalt sei, da er nicht widerspruchsfrei geklärt sei, weiter aufzuklären.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. April 2021 abgewiesen. Der zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 5. Juni 2008 sei nicht zu beanstanden. Es werde auf die Begründungen in den vorangegangenen Entscheidungen der Kammer sowie des Senats Bezug genommen. In diesen sei ausführlich dargelegt worden, dass nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft kein anerkannter Erfahrungssatz existiere, nach dem MS durch Hepatitis-A-Impfungen verursacht werde. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, lägen nicht vor. Nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung sind Ätiologie und Pathogenese der MS weiterhin ungeklärt. Gesicherte Erkenntnisse, ob die Erkrankung durch genetische Faktoren durch äußere Faktoren oder multifaktorielle ausgelöst würden, lägen immer noch nicht vor. Eine Verursachung der Krankheit durch äußere Schädigung aller Art sei daher nach bisherigen Kenntnissen als unwahrscheinlich abzulehnen. Allenfalls in Einzelfällen könne ein Ursachenzusammenhang i.S.e. – vorliegend jedoch nicht in Rede stehenden – vorübergehenden Verschlimmerung anerkannt werden, wenn bei – ebenfalls nicht hier in Rede stehenden – Verletzungen mit Läsionen des Gehirns oder des Rückenmarkes oder mit einer hochgradigen Herabsetzung der Widerstandskraft ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen erheblicher Krafteinwirkung einem gravierenden Krankheitsschub der MS bestehe. Das Vorbringen des Klägers im Überprüfungsverfahren rechtfertige ebenfalls keine andere Beurteilung. Aus dem beigebrachten Gutachten von Prof. Dr. O. und Herrn P. ergäben sich keine für die Kausalitätsbeurteilung relevanten Erkenntnisse. Denn die Gutachter seien lediglich zu dem Schluss gekommen, dass der Impfstoff Havrix 1440 unter einem Produktfehler leide. Hinweise dafür, dass der Impfstoff eine Erkrankung mit MS verursachen könne, seien dem Gutachten nicht zu entnehmen. Auch die Einwände des Klägers gegen die Studie des Prof. Dr. Q. griffen nicht durch. Auch wenn die Studie, die einen Ursachenzusammenhang zwischen Impfstoffen und MS verneine, unzureichend sein sollte, ließe dies keinen Umkehrschluss auf das Vorhandensein eines Ursachenzusammenhangs zu. Der Kläger verkenne insoweit weiterhin, dass nach den Maßgaben der Kausalitätsprüfung im Sozialrecht der Ursachenzusammenhang zwischen der MS-Erkrankung und der Impfung nicht mit der erforderlichen hinreichenden (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, solange nicht zumindest die Eignung der Impfung für die Verursachung einer MS wissenschaftlich erwiesen sei.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28. Mai 2021 Berufung eingelegt. Das SG habe sich nicht hinreichend mit dem Vorliegen eines Produktfehlers des Impfstoffes Havrix 1440 auseinandergesetzt. Der Produktfehler sei die plausibelste Erklärung für das Eintreten der MS. Die Feststellung des SG, dass nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft kein anerkannter Erfahrungssatz existiere, dass MS durch Hepatitis-A-Impfungen verursacht werde, sei durch den EuGH widerlegt. Es gebe zahlreiche Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Impfungen und MS belegten. Der Zusammenhang ergebe sich auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. O. und Herrn P. vom 4. Juni 2022 (s.u.).

Der Kläger beantragt,

  1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 28. April 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2020 aufzuheben,
  1. die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 5. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2009 zurückzunehmen und anzuerkennen, dass seine Erkrankung mit Multipler Sklerose Folge der am 8. Mai 2001 erfolgten Impfung gegen Hepatitis A ist.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. O. und Herrn P. vom 4. Juni 2022 ergebe sich nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit ein Kausalzusammenhang zwischen der bei dem Kläger durchgeführten Impfung und der MS-Erkrankung.

Auf Antrag des Klägers (§ 109 SGG) hat der Senat ein Gutachten von Prof. Dr. O. und Herrn P. vom 4. Juni 2022 eingeholt. Danach kommt bei derzeitigem Wissensstand der streitigen Impfung als (Mit-)Ursache für die Erkrankung keine wesentliche Bedeutung zu. Bei dem Kläger hätten zum Zeitpunkt der angeschuldigten Impfung mehrere allgemeine Risikofaktoren für eine spätere potentielle Gesundheitsschädigung vorgelegen. So sei bei dem Kläger zeitgleich mit der Impfung eine systemische Antimykotika-Therapie durchgeführt worden. Außerdem sei der Kläger in den Jahren 1998 bis 2001 ungewöhnlich häufig mit unterschiedlichen Impfstoffen geimpft worden. Dies müsse in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Bei dem Kläger sei als andere, von der Impfung unabhängige Ursache für die bei dem Kläger vorliegende Erkrankung an MS eine Veränderung insbesondere des Gens HLA DRB* 1501 anzuführen. Dieses Gen werde bei ca. 60 Prozent der von MS betroffenen Patienten verändert vorgefunden. D.h., dass bei dem Kläger im Verhältnis zu Menschen, bei denen diese Genveränderungen nicht vorlägen, ein deutlich erhöhtes Risiko bestanden habe, an MS zu erkranken. Der genetische Befund sei nicht dahingehend zu interpretieren, dass der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens an MS erkrankt wäre. Es gäbe eine Vielzahl an Personen, bei denen Genveränderungen gefunden würden, die aber zu einem bestimmten Zeitpunkt an der mit der Genveränderung im Zusammenhang stehenden Erkrankung im Laufe ihres Lebens nicht erkrankt seien. Welchen Stellenwert unter diesen Umständen die Impfung als mögliche weitere Ursache für das Auftreten der MS bei dem Kläger gehabt habe, lasse sich nicht feststellen. Sie könne, müsse aber nicht eine Mitursache sein.

Das Hessische Landesamt wiederum lehnte mit Bescheid vom 13. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2011 den Antrag des Klägers auf Versorgung nach dem IfSG unter Berufung auf die Einschätzungen von Prof. Dr. J. und Prof. Dr. L. ab. Dagegen hat der Kläger Klage beim SG (S 50 VE 19/11) erhoben. Im Rahmen des Klageverfahrens holte das SG auf Antrag des Klägers (§ 109 SGG) ein Gutachten Prof. Dr. K. vom 7. Februar 2013 ein, wonach die MS-Erkrankung des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit i.S.e. Entstehung oder Verschlimmerung unmittelbar oder mittelbar auf die Impfung i.S.v. § 60 IfSG zurückzuführen ist. Ein weiteres auf Antrag des Klägers eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. R. vom 22. April 2016 kam dagegen zu dem Ergebnis, dass die MS-Erkrankung mit der geforderten Wahrscheinlichkeit durch die Impfung verursacht worden ist. Es spreche mehr für als gegen einen solchen Zusammenhang. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. Juni 2017 abgewiesen. Im Rahmen des dagegen beim LSG geführten Berufungsverfahrens (L 10 VE 46/17) hat dieses ein Gutachten von Prof. Dr. S. vom 14. April 2020 (einschließlich ergänzender Stellungnahmen) eingeholt. Danach ist die MS-Erkrankung weder unmittelbar noch mittelbar durch die Impfung verursacht worden.

Mit Urteil vom 5. November 2020 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Es sei nicht festzustellen, dass die Impfung überwiegend wahrscheinlich ursächlich für die beim Kläger vorliegende MS geworden sei. Dies folge aus dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. S.. Danach gebe es nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand keine Hinweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und der Auslösung einer MS. Dabei sei die Frage einer ursächlichen Verknüpfung verschiedener Impfungen und einer MS Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Studien gewesen. Mittlerweile existiere in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur keine Stimme mehr, die den Verdacht aufrechterhalte, eine Impfung könne MS auslösen. Wenn sich in Einzelfällen im zeitlichen Zusammenhang zu einer Impfung der klinische Beginn einer MS manifestiere, spreche dies noch nicht für das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs, auch dann nicht, wenn andere Auslöser der Erkrankung nicht ersichtlich seien. Vielmehr sei es in Anbetracht der immensen Häufigkeit von MS nach dem derzeitigen Sachstand der Erkenntnis in der medizinischen Wissenschaft dem Zufall geschuldet, wenn in unterschiedlichem zeitlichen Abstand von einer vorausgegangenen Impfung sich der erste Schub einer MS einstelle. Eine ursächliche Verbindung könne erst angenommen werden, wenn die Häufigkeit der Manifestationen einer MS innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Impfung höher sei als bei Personen ohne diese Impfung. Die große Anzahl teils sehr aufwändiger epidemiologischer Studien zu dieser Frage habe einen entsprechenden Verdacht bezüglich der Auslösung einer MS durch Impfungen aber nicht bestätigen können. Diese Auffassung stehe im Einklang mit der Einschätzung des PEI und des RKI. In der aktuellen Forschung bestehe somit kein Zusammenhang zwischen einer Impfung (gleich welcher Art) und einer Erkrankung an MS.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie denjenigen der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Ebenso wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten L 14 U 61/15 und L 10 VE 46/17, die ebenfalls zu dem hiesigen Verfahren beigezogen worden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat mit den angegriffenen Bescheiden eine Rücknahme des Bescheides vom 5. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2009 rechtmäßigerweise abgelehnt.

Rechtsgrundlage für die Rücknahme des (bestandskräftigen) Bescheides vom 5. Juni 2008 ist § 44 Abs. 2 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Gemäß § 44 Abs. 2 SGB X ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). § 44 Abs. 2 SGB X findet dabei immer dann als Auffangnorm Anwendung, wenn – wie hier – nicht unmittelbar über Ansprüche auf Sozialleistungen entschieden wird, sondern das Vorliegen eines Arbeitsunfalles als Grundlage der in Frage kommenden Sozialleistungen (Verletztengeld und/oder –rente etc.) abgelehnt wird (vgl. so zur Ablehnung einer Berufskrankheit BSG, Urt. v. 27. September 2023 – B 2 U 13/21 R – Rn. 10, juris).

Vorliegend erweist sich der Bescheid vom 5. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2009 als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner MS-Erkrankung als Arbeitsunfall infolge der Hepatitis-A-Impfung vom 8. Mai 2001.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb „Versicherter“ ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität, vgl. BSG, Urt. v. 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R -, Rn. 20, juris m.w.N.). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urt. v. 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R – Rn. 17 – juris). Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge einer äußeren Einwirkung muss zwischen dieser und dem geltend gemachten Gesundheits(erst)schaden ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (vgl. BSG, Urt. v. 7. Mai 2019 – B 2 U 34/17 R). Nach dieser Theorie werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr, vgl. bspw. BSG, Urt. v. 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urt. v. 10. Juni 1955 – 10 RV 390/54).

Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Erkrankungen zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urt. v. 9. Mai 2006 – B 2 U 26/04 R). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind (vgl. BSG, Urt. v. 18. Dezember 1962 – 2 RU 189/59). Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat „anhand“ des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, d. h. eine individuelle Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage (BSG, Urt. v. 9. Mai 2006 – B 2 U 26/04 R). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhanges genügt – wie bereits oben ausgeführt – hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (st. Rspr., vgl. bspw. BSG, Urt. v. 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Senat bereits mit seinem Urteil vom 20. Februar 2020 festgestellt, dass die Hepatitis-A-Impfung nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wesentliche Ursache für die Erkrankung des Klägers an MS ist. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass es zwischen einer Impfung (auch mit Hepatitis A) und einer Erkrankung mit MS nach der herrschenden (unfall-)medizinischen Lehrmeinung einen kausalen Zusammenhang gibt. Der Senat hat dies bereits in seinem Urteil vom 20. Februar 2020 unter Bezugnahme auf das Gutachten Prof. Dr. J. und der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. L., der Einschätzung des RKI dargelegt. Der Senat hält an den dortigen Feststellungen nach erneuter Prüfung fest, verweist auf seine Ausführungen auf den Seiten 9 bis 13 des Urteils (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Verweisung Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 136 Rn. 7c) und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die dort vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen sind im Rahmen des hiesigen Verfahrens als Urkundenbeweis zu verwerten (vgl. BSG, Urt. v. 27. September 2023 – B 2 U 13/21 R – Rn. 32, juris).

Auch unter Berücksichtigung des weiteren Vortrages des Klägers sowie der im vorliegenden Verfahren durchgeführten Sachverhaltsermittlungen ergibt sich nichts Abweichendes.

Zunächst ist nicht ersichtlich, dass sich die Einschätzung der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung im Hinblick das Fehlen eines Kausalzusammenhangs zwischen Hepatitis-A-Impfung und MS-Erkrankung geändert hat. Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung insoweit zutreffend auf die herrschende unfallmedizinische Lehrmeinung verwiesen. Der Senat verweist auf diese Ausführungen, macht sie sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG zu Eigen und sieht auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Ausführungen überholt sind, sind nicht ersichtlich. Vielmehr heißt es auch in der aktuelleren Auflage des vom SG zitierten Werkes (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017), dass bei Hepatitis-A-Schutzimpfungen Langzeiterfahrungen zu Impfschäden ausstehen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Aufl. 2024, S. 856), mithin ein Nachweis solcher nicht geführt werden kann. In der weiteren einschlägigen medizinischen Literatur gilt der Impfstoff für Hepatitis-A-Impfungen als besonders verträglich. Echte Komplikationen wie allergische Hautreaktionen oder ein Eythema multiforme werden nur sehr selten beobachtet (vgl. Widder/Gaidzik, Neurowissenschaftliche Begutachtung, 3. Aufl. 2018, S. 580). Auch sehen die Impfempfehlungen vor, dass bei bestehender MS eine Impfung gegen Hepatitis A (und B) ohne Bedenken durchgeführt werden kann (vgl. Widder/Gaidzik, a.a.O., S. 384).

Bestätigt wird die Einschätzung des fehlenden Kausalzusammenhangs zwischen der Impfung und der MS-Erkrankung des Klägers auch durch die vom 10. Senat des LSG durchgeführten Ermittlungen. Insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. S., dessen Gutachten der Senat als Urkundenbeweis verwertet, hat überzeugend dargelegt, dass ein Zusammenhang nicht zu bejahen ist. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des 10. Senats in dem Urteil vom 5. November 2020 (vgl. zur Zulässigkeit der Verweisung Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O.), denen er sich vorbehaltslos anschließt.

Abweichendes folgt auch nicht aus dem von dem Kläger angeführten Urteil des EuGH. Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung allein das Produkthaftungsrecht und diesbezüglich die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit dem einschlägigen EU-Recht, hier die Richtlinie 85/374/EWG (eigentlich Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. L 210 vom 7. August 1985), betrifft. Das deutsche Recht zur gesetzlichen Unfallversicherung unterfällt erkennbar mangels Zuordnung zum Produkthaftungsrecht nicht der genannten Richtlinie, regelt diese nach ihren Erwägungen allein eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Haftung des Herstellers für Schäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursacht worden sind. Mithin kann die zitierte Entscheidung von vornherein keine belastbaren rechtlichen Aussagen zum hier streitigen Recht der gesetzlichen Unfallversicherung und der dort geltenden Beweismaßstäbe treffen sowie eine Abweichung davon rechtfertigen, dass die Kausalitätsprüfung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grundlage des herrschenden medizinischen Erkenntnisstandes zu erfolgen hat (s.o.). Soweit der Kläger insbesondere aus den Ausführungen in Rn. 30 ff. (nach juris) der Entscheidung, wonach zusammengefasst ein Rückgriff auf den Beweisanforderungsgrades des „sicheren Beweises“ auf Grundlage der medizinischen Forschung sowie ein Ausschluss einer indiziengeführten Beweisführung für den Zusammenhang zwischen einer Impfung und einem Multipler Sklerose als Impfschaden nicht richtlinienkonform wäre, eine Beweiserleichterung herleiten möchte, verkennt er, dass die deutsche gesetzliche Unfallversicherung im Hinblick auf den Kausalzusammenhang zwischen Impfung und Impfschaden gerade nicht den Vollbeweis (oder „sicheren Beweis“), sondern lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erfordert (s.o.). Mithin besteht bereits eine Beweiserleichterung unterhalb des Vollbeweises zugunsten des Klägers.

Soweit der Kläger vorträgt, dass die Studie von Prof. Dr. Q. fehlerhaft ist, folgt daraus ebenfalls nicht der hier erforderliche Kausalzusammenhang. Insoweit hat das SG bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass, selbst wenn die Studie von Prof. Dr. Q. fehlerhaft sein sollte, sich daraus nicht bereits im Umkehrschluss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt. Diese ist – wie oben dargelegt – anhand des herrschenden medizinischen Erkenntnisstandes festzustellen.

Soweit der Kläger auf beigebrachte Beipackzettel des Impfstoffes Harvix 1440 verweist, vermag der Senat diesen nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass diese eine MS verursachen. Sofern der Kläger auf die unter „4.0 Nebenwirkungen“ aufgeführten entzündlichen Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems Bezug nehmen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass diese als „sehr selten“ beschrieben werden und daher nach den dortigen Angaben bei 0,01% der Geimpften auftraten, mithin die Wahrscheinlichkeit für deren Eintritt sehr gering ist, was ebenfalls gegen die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit spräche. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Beipackzettel eines Medikaments nicht geeignet ist, einen von der herrschenden medizinischen Lehrmeinung verneinten Kausalzusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung herbeizuführen.

Letztlich ergibt sich auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. und Herrn P. nichts Abweichendes. Aus diesem ergibt sich gerade nicht, dass die Impfung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentliche (Mit-)Ursache für die MS-Erkrankung des Klägers ist. Danach kommt bei derzeitigem Wissensstand der streitigen Impfung als (Mit-)Ursache für die Erkrankung keine wesentliche Bedeutung zu. Bei dem Kläger haben zum Zeitpunkt der angeschuldigten Impfung mehrere allgemeine Risikofaktoren für eine spätere potentielle Gesundheitsschädigung vorgelegen. So ist bei dem Kläger zeitgleich mit der Impfung eine systemische Antimykotika-Therapie durchgeführt worden. Außerdem ist der Kläger in den Jahren 1998 bis 2001 ungewöhnlich häufig mit unterschiedlichen Impfstoffen geimpft worden. Dies muss nach Prof. Dr. T. und Herrn P. in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Bei dem Kläger ist als andere, von der Impfung unabhängige Ursache für die Erkrankung an MS eine Veränderung insbesondere des Gens HLA DRB* 1501 anzuführen. Dieses Gen wird nach Prof. Dr. T. und Herrn P. bei ca. 60 Prozent der von MS betroffenen Patienten verändert vorgefunden. D.h., dass danach bei dem Kläger im Verhältnis zu Menschen, bei denen diese Genveränderungen nicht vorlägen, ein deutlich erhöhtes Risiko bestanden hat, an MS zu erkranken. Der genetische Befund ist nicht dahingehend zu interpretieren, dass der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens an MS erkrankt ist. Es gibt eine Vielzahl an Personen, bei denen Genveränderungen gefunden werden, die aber zu einem bestimmten Zeitpunkt an der mit der Genveränderung im Zusammenhang stehenden Erkrankung im Laufe ihres Lebens nicht erkrankt sind. Insoweit kommt Prof. Dr. T. nachvollziehbar zu dem Schluss, dass sich nicht feststellen lässt, welchen Stellenwert unter diesen Umständen die Impfung als mögliche weitere Ursache für das Auftreten der MS bei dem Kläger hatte. Sie kann, muss aber nicht eine Mitursache sein.

Soweit Prof. Dr. O. und Herr P. sich umfangreich zu einem Produktfehler bei dem verwendeten Impfstoff Harvix 1440 einlassen, vermag dies keinen Kausalzusammenhang herzustellen. Allein aus einem etwaigen Produktfehler folgt nicht die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen Impfung und Erkrankung. Dies gilt auch für den Umstand, dass ggf. Verdachtsfälle über Impfschäden im Zusammenhang mit Impfungen gegen Hepatitis A bei der WHO gemeldet sein sollten. Allein eine Anzahl von Verdachtsfällen begründet nicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit i.S.d. hier anwendbaren Grundsätze bei der Feststellung der Kausalität im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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