S 23 U 9/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 23 U 9/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.

Die Klägerin ist die Witwe des am ... geborenen und am ... verstorbenen A (Verstorbener). Mit der Unfallanzeige des Sportschützenvereins vom ...2000 wurde angegeben, dass der Verstorbene am ... 1992 auf der Schießsportanlage einen Unfall erlitten habe, als er als Trainer bzw. Übungsleiter beim Kurzwaffenschießen bei der Erläuterung der Schießtechnik und der Disziplinen tätig gewesen sei. Dabei habe sich vermutlich aus Unachtsamkeit bei der Erläuterung der Sicherheitsbestimmungen der tödliche Schuss gelöst. Später wurde vom 1. Vorsitzenden des Vereins die Tätigkeit des Verstorbenen als Übungsleiter umschrieben; ob er im Besitz eines Befähigungsnachweises des Sportverbandes gewesen sei, könne nicht mehr gesagt werden.

Die Beklagte zog zunächst die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (StA) A ... (32 U Js 482/92) bei. Laut dem Einsatzbericht der Polizeistation Warstein befanden sich zum Zeitpunkt des Ereignisses vier Personen auf der Schießanlage, der Verstorbene und die Zeugen B, C, und D. Der Verstorbene habe im Zusammenhang mit dem Wechsel des Magazins an seiner Waffe und mit den Worten: "So wird das gemacht" mit dem Lauf in den Mund geführt und sofort abgedrückt. Der sofort hinzugezogene Dr. X aus Y habe festgestellt, dass der Schuss vom inneren Mund in den Kopfraum erfolgt und über dem linken Ohr der Ausschuss zu erkennen gewesen sei. Vor dem Ereignis hatten sich der Zeuge B mit dem Verstorbenen über die verwendete Schusswaffe unterhalten. Der Zeuge B und der Zeuge D, der sich zum ersten Mal als Gast auf der Anlage aufhielt, waren später als die zuerst genannten hinzugekommen. Der Zeuge D gab an, der Verstorbene habe vor dem Schuss noch gesagt: "So muss man es machen." Der Zeuge B hielt das Verhalten des Verstorbenen zunächst für einen Scherz, bei dem er sich als Zielperson des Ulks wähnte. Die Waffe wurde gesichert und am näch sten Tag kriminaltechnisch vorläufig untersucht. Bei der Herausnahme des Magazins fiel eine weitere Patrone, die zwischen Magazin und Verschluss geklemmt hatte, aus dem Magazinschacht. Im Patronenlager befand sich eine Patrone, im Magazin, das acht Patronen aufnehmen konnte, befanden sich noch fünf Patronen. Der an diesem Tage befragte Polizeibeamte, älterer Bruder des Verstorbenen, beschrieb diesen als "leichtsinnigen Vogel", der gern angegeben und sich schon mal aus Unachtsamkeit ins Bein geschossen habe, weil er die Waffe entsichert und gespannt in der Hosentasche getragen habe. Das leichtsinnige Verhalten seines Bruders erklärte er auch damit, dass dieser zwei Jahre vorher an einem privaten Motorradrennen in der Nähe von Y teilgenommen habe, wobei bei ca. 180 km/h einer der drei teilnehmenden Kradfahrer tödlich verunglückt sei. Er schloss einen Suizidversuch seines Bruders aus und konnte sich den Vorfall nur so erklären, dass sein Bruder in der irrigen Annahme, die Waffe sei bei vollem, frisch eingeführten Magazin nicht durchgeladen gewesen, gegenüber seinen Schusskollegen den "harten Mann" habe spielen wollen und sie sich deshalb in den Mund gesteckt und abgedrückt habe.

Die spätere kriminaltechnische Untersuchung der Waffe in vom 06.06.1994 ergab eine sich im guten Zustand befindliche Selbstladepistole "STAR, Modell Firestar", Kaliber 9 mm Parabellum (9 mm x 19), Nummer 1 900 200 mit 1 Magazin und 7 Patronen, Kaliber 9 mm Parabellum. Technische Mängel wurden ebenso nicht festgestellt wie Störungen beim Gebrauch, insbesondere keine Ladestörungen durch eingeklemmte Patronen in der Verschlussbahn, wobei der Hahn beim Schießen auch immer in gespannter Haltung festgehalten wurde. Es wurde lediglich festgestellt, dass insbesondere bei vollständig gefülltem Magazin durch den Ladevorgang auch schon die zweite Patrone etwa 10 mm nach vorne verschoben wird; nimmt man das Magazin dann heraus, wird diese Patrone vollständig aus dem Magazin herausgerissen und liegt lose im Magazinschacht. Zu Vergleichszwecken wurden mit der Waffe einige Patronen verschossen. Aus waffentechnischer Sicht könne der vorliegende Fall nur mit Bedienungsfehlern erklärt werden.

Die Beklagte befragte danach den früheren Vorsitzenden des Vereins, der im Mai 2002 angab, der Verstorbene sei beauftragter Übungsleiter gewesen, der die Befähigung dazu gehabt und für seine freiwillige Tätigkeit kein Entgelt erhalten habe. Wenn er diese Tätigkeit nicht übernommen hätte, wäre sie von einem anderen qualifizierten Vereinsmitglied übernommen worden.

Durch Bescheid vom 23.05.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung des in Rede stehenden Ereignisses als Arbeitsunfall ab, weil der Verstorbene nicht zum versicherten Personenkreis gehört habe. Er sei weder im Verein beschäftigt gewesen noch wie ein solcher tätig geworden. Vereinsmitglieder, die nur im Rahmen ihrer Mitgliedschaft Arbeitsleistungen erbrächten, seien wegen des fehlenden Abhängigkeitsverhältnisses nicht versichert. Dies sei insbesondere bei geringfügigen Tätigkeiten der Fall, auch wenn nur ein Teil der Mitglieder diese verrichten könne, zumal der Verein dies wegen der allgemeinen Übung habe erwarten können.

Mit ihrem hiergegen am 15.06.2000 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr verstorbener Ehemann sei als Übungsleiter wie ein Versicherter bei einer fremdnützigen Arbeit tätig geworden. Seine Tätigkeit hätte auch durch einen angestellten Übungsleiter wahrgenommen werden können, es habe sich um eine auf Sachkunde beruhende umfangreiche Tätigkeit gehandelt, bei der er nicht lediglich seinen satzungsgemäßen Verpflichtungen nachgekommen sei.

Mit Bescheid vom 12.12.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil die unfallbringende Tätigkeit nicht über mitgliedschaftliche Verpflichtungen hinausgegangen sei und der Verein dies habe erwarten können. Die versicherte Tätigkeit folge nicht aus der für deren Verrichtung erforderlichen besonderen Sachkunde und der Gefährlichkeit der Tätigkeit.

Hiergegen richtet sich die am 11.01.2001 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren auf Bewilligung von Hinterbliebenenleistungen weiter verfolgt. Ihrer Auffassung nach reichen auch geringfügigere, kürzere Hilfen aus, um als versicherte Tätigkeit für einen Verein gelten zu können, auch wenn sie nicht vergütet werden. Es habe sich um eine dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnende Tätigkeit gehandelt, die nicht lediglich einer mitgliedschaftlichen Verpflichtung zugeordnet werden könne, sie habe vom Verstorbenen auch nicht ohne weiteres erwartet werden können. Auf die in anderen Vereinen übliche Vergütung habe der Verstorbene nur verzichtet, weil der Verein nicht sehr leistungsfähig gewesen sei. Auf den gerichtlichen Hinweis, dass der umstrittene Versicherungsschutz ggfs. wegen einer sogenannten selbst geschaffenen Gefahr entfallen sein könne, macht die Klägerin geltend, dass ein Selbstverschulden den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht ausschließe und auf ein besonders leichtfertiges Verhalten nicht allein aus dem Aktenauszug der StA Y geschlossen werden könne, zumal sich die damaligen Ermittlungen im Wesentlichen darauf bezogen hätten, ob ein Unfall oder eine Selbsttötung vorgelegen habe. Insbesondere müssten die Zeugen hinsichtlich ihrer voneinander abweichenden Angaben im polizeilichen Ermittlungsverfahren befragt werden, zumal viel dafür spreche, dass der Verstorbene durch eine unkoordinierte Bewegung die Waffe in die falsche Richtung gehalten habe. Auch die Angaben des Bruders zum leichtsinnigen Verhalten könnten nur so verstanden werden, dass die in Betracht kommende Selbsttötung auschzuschließen war. Zudem sei der Bruder beim Vorfall selbst nicht anwesend gewesen.

Die Klägerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2000 zu verurteilen, ihr wegen des Unfalltodes ihres verstorbenen Ehemannes Hinterbliebenenleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise ein waffentechnisches Sachverständigengutachten über die Fragen einzuholen, wann sich bei nach hinten gezogenem Schlitten überhaupt ein Schuss lösen könne, ohne dass der Auslöser betätigt und der Schlitten nach vorne geführt werde und ob ein Sportschütze mit einem sich lösenden Schuss habe rechnen können.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält nach wie vor an ihrer Auffassung fest, dass der Verstorbene zur Zeit des todbringenden Ereignisses nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe. Weiter hält sie einen Arbeitsunfall unter dem Gesichtspunkt der selbst geschaffenen Gefahr für nicht gegeben. Die Art und Weise wie die geladene, nicht schussbereite Waffe absichtlich in Richtung Mund geführt worden sei, könne nur als sorgloses, unvernünftiges Verhalten gewertet werden. Zudem sei der Verstorbene nicht als Übungsleiter tätig geworden, wie dies die Beweisaufnahme ergeben habe. Sie hält ein waffentechnisches Gutachten für nicht erforderlich.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B, C und D am 22.10.2001 durch den Kammervorsitzenden; wegen des Ergebnisses wird auf die den Beteiligten zugänglich gemachte Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Die Klägerin verweist darauf, dass die Zeugen einen abweichenden Vorgang beim Führen der Waffe in Richtung Gesicht/Mund beschrieben hätten, die Waffe aber nicht schussbereit gewesen sei. Die waffenkundigen Zeugen und hätten unterschiedliche Erklärungen für den Schuss abgegeben, so dass ein waffentechnisches Gutachten dies klären müsse, zumal der Verstorbene wegen des nach hinten gezogenen Schlittens nicht mit einem sich lösenden Schuss habe rechnen können. Mithin habe er nicht mit einer tödlichen Verletzung rechnen müssen, so dass ein besonders leichtfertiges Verhalten nicht anzunehmen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und den der Unfallakten der Beklagten einschließlich der darin auszugsweise enthaltenen Ermittlungsakten der StA Y (32 U Js 482/92), die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über das Klagebegehren hat das Gericht ohne mündliche Verhandlung entschieden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat es mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2000 zu Recht abgelehnt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen wegen des Todes ihres Ehemannes am zu gewähren, die Klägerin wird durch die im Ergebnis rechtmäßigen Bescheide nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Gemäß § 589 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) - diese Vorschrift ist entgegen der in den in Rede stehenden Bescheiden zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung der Beklagten trotz des Inkrafttretens des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) zum 01.01.1997 wegen des streitbefangenen Ereignisses vom 29.10.1992 weiterhin anwendbar (§§ 212, 214 SGB VII) - erhält die Witwe wegen des Todes eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall Hinterbliebenenleistungen, insbesondere eine Witwenrente gemäß § 590 RVO. Die Kammer hat aber ebenso wie die Beklagte auf Grund des Ergebnisses der gerichtlichen Beweisaufnahme nicht feststellen können, dass der Ehemann der Klägerin im Zusammenhang mit einem unter Versicherungsschutz stehenden Arbeitsunfall gemäß § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO verstorben ist.

Das Gericht lässt insoweit die Beantwortung der von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden verneinten Frage, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin während des todbringenden Vorfalls am auf der Schießanlage des Sportschützenvereins grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat, ausdrücklich dahinstehen. Der wegen des fehlenden Beschäftigungsverhältnisses des Verstorbenen mit diesem Verein im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO - ein solches ist weder von der Klägerin behauptet noch von dem derzeitigen und dem früheren Vereinsvorsitzenden bestätigt worden - ohnehin nur in Betracht kommende Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs. 2 RVO, nämlich wegen des Tätigwerdens des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Trainer/Übungsleiter in diesem Verein wie ein Versicherter im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO, ist auf Grund des leichtfertigen, unverantwortlichen und extrem gefährlichen Verhaltens des Verstorbenen zur Zeit des todbringenden Ereignisses im Sinne einer sogenannten selbst geschaffenen Gefahr wieder entfallen.

Wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger und über Jahrzehnte fort entwickelter Rechtsprechung (vgl. dazu BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 93) mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung und Literatur nicht nur bezogen auf die gesetzliche Unfallversicherung, sondern auch im Bereich der Kriegsopfer- und Soldatenversorgung (vgl. dazu Urteil des BSG vom 28.05.1997 - 9 RV 12/95 - teilweise veröffentlicht in: Die Ortskrankenkasse 1997, 771) entschieden hat, entfällt in gewissen Ausnahmefällen ein bestehender Unfallversicherungsschutz, wenn angesichts eines beson deren vernunftwidrigen und sehr gefährlichen Verhaltens eines Versicherten das dann zum Ausdruck gekommene private und damit im Vergleich zur versicherten betrieblichen Verrichtung unversicherte Verhalten die Oberhand gewonnen bzw. die - hier zunächst einmal zu unterstellende - betrieblichen Belange weit in den Hintergrund gedrängt worden sind. Dieser Rechtsauffassung schließt sich die Kammer an. Auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren und unter Berücksichtigung des Ermittlungsergebnisses der StA Y ist sie zu dem Ergebnis gelangt, dass betriebsfremde, eigennützige Motive des verstorbenen Versicherten für sein zum Tode führendes Verhalten im Vordergrund gestanden haben, während der ggfs. als versichert anzusehenden Tätigkeit als Trainer/Übungsleiter für den Sportschützenverein demgegenüber keine wesentliche Bedeutung beizumessen ist.

Der Geschehensablauf stellt sich demnach wie folgt dar: Der verstorbene Ehemann der Klägerin befand sich am mit dem Zeugen B zunächst allein auf der Schießanlage. Es ist davon auszugehen, dass die Beiden Schüsse aus ihren Handfeuerwaffen abgegeben haben. Erst danach betraten der Zeuge C, ebenfalls ein Vereinsmitglied, mit dem Zeugen D, der als Gast sich zum ersten Mal dort aufhielt, die Anlage. Den Angaben der Zeugen B, C und D lässt sich nicht entnehmen, dass der Verstorbene, z.B. wegen des erstmaligen Erscheinens des Zeugen D als Gast, ausgehend von seinem denkbaren Aufgabenkreis als Übungsleiter fachmännische Hinweise für die sachgemäße Handhabung von Handfeuerwaffen namentlich an den Zeugen D gab. Im Gegenteil entnimmt die Kammer den Angaben sowohl des Zeugen D als auch des Zeugen B, dass der Verstorbene davon abgehalten werden musste, seine eigenen Schießübungen ohne Rücksicht auf die Vorbereitungen dieser Zeugen fortzusetzen, weil beide erst ihren Gehörschutz aufsetzen wollten. Ohne dass sich nunmehr eine förmliche Unterweisung des "Neulings", des Zeugen D, durch den Verstorbenen anschloss, führte er die von ihm benutzte Handfeuerwaffe "STAR, Modell Firestar" nach Einlegen eines neuen Magazins und nach hinten bis zum Einrasten gezogenen Schlitten mit dem Lauf in Richtung Kopf, angesichts des später von Dr. X festgestellten Kugeleintritts bzw. des -austritts in den (geöffneten) Mund bzw. in dessen Richtung. Insoweit decken sich die Aussagen aller drei Zeugen im gerichtlichen Verfahren.

Gewisse Abweichungen ergeben sich nur insofern, als die Zeugen B,C und D unterschiedliche Angaben dazu machen, mit welchen Worten des Verstorbenen dieser Vorgang begleitet wurde. Während der Zeuge D dies mit "So macht man das" oder "So macht man das nicht" umschreibt, erinnert sich der Zeuge B an die Worte "Pass mal auf, so geht das". Der Zeuge C vermag sich lediglich an Äußerungen des Zeugen B mit den an den Verstorbenen gerichteten Worten "Moment, was machst du da?" zu erinnern. Die abweichenden Angaben der Zeugen B, C und D fallen jedoch nicht besonders ins Gewicht, sie machen allerdings deutlich, dass der Verstorbene sein kaum nachvollziehbares Verhalten auch noch "kommentierte". Dass sein Verhalten mit der von einem geschulten Übungsleiter zu erwartenden sachgemäßen Handhabung einer Handfeuerwaffe überhaupt nicht in Einklang zu bringen ist, liegt auf der Hand. Allenfalls hätte es sich im Bezug auf eine Unterweisung des Zeugen D angeboten, deutlich zu machen, dass das Führen einer Waffe gegen den Körper oder den Kopf unter allen Umständen zu vermeiden ist, selbst wenn die Waffe offensichtlich nicht geladen und auch nicht schussbereit ist.

Das vorstehend geschilderte Verhalten des Verstorbenen bei der Handhabung seiner Handfeuerwaffe ist infolgedessen als absolut leichtsinnig und gefährlich zu kennzeichnen, selbst wenn die Waffe wegen des nach hinten gezogenen und dort eingerasteten Schlittens noch nicht unmittelbar schussbereit gewesen ist. Von einem Übungsleiter eines Sportschützenvereins darf erwartet werden, dass er insbesondere bei einer Demonstration der Handhabung einer Handfeuerwaffe "diese unter keinen Umständen" in Richtung eines Körperteils und insbesondere nicht gegen den Kopf führt. Einem Übungsleiter hätte es einleuchten müssen, dass dieses unverantwortliche Verhalten so gefährlich ist, dass jederzeit mit einer Verletzung durch einen sich lösenden Schuss zu rechnen ist. Nach Auffassung der Kammer darf eine Waffe in welchem Zustand auch immer nie gegen den Körper und insbesondere auch nicht gegen den Kopf gerichtet werden. Dies stellt nicht nur eine ledigliche Unachtsamkeit, sondern ein nicht zu entschuldigendes extrem leichtfertiges Verhalten dar. Es wider spricht geradezu der von einem fachkundigen Übungsleiter eines Sport schützenvereins zu erwartenden sachgemäßen Handhabung einer Handfeuer waffe. Beim Führen einer Handfeuerwaffe, in der sich Patronen befinden, muss immer damit gerechnet werden, dass ein Schuss ausgelöst wird und dieser dort einschlägt, wohin die Waffe gehalten wird. Mithin war sich der Verstorbene angesichts seines unentschuldbaren Verhaltens darüber im Klaren, dass er ein erhebliches Risiko auf sich nahm, als er die Waffe, aus welchen Gründen auch immer, in Richtung seines Kopfes führte.

Auch für das Gericht ist es anhand der Zeugenaussagen sowie des Ergebnisses der vorläufigen und späteren waffentechnischen Untersuchung am der von der Kriminalpolizei asservierten Handfeuerwaffe des Verstorbenen nicht sicher feststellbar, auf welche Weise sich der Schuss tatsächlich löste und die Kugel den Kopf des Verstorbenen durchschlug. Die von den im Umgang mit Handfeuerwaffen mehr oder weniger erfahrenen Zeugen und bei ihrer gerichtlichen Vernehmung abgegebenen Erklärungen lassen zwei Möglichkeiten zu: Der Schlitten mit dem Patronenmagazin rutschte von selbst nach vorn und in etwa gleichzeitig löste der auf dem Abzug befindliche Zeigefinger des Verstorbenen eher unwillkürlich den Schussvorgang aus; so interpretiert der Zeuge den Vorgang. Demgegenüber beschreibt der Zeuge einen Ablauf, bei dem sich der Schuss ohne Betätigung des Abzugs durch den Verstorbenen gelöst haben könnte. Der genaue Ablauf kann aber dahinstehen, zumal sich die Waffe bei ihrer waffentechnischen Überprüfung als technisch einwandfrei erwies, weil sicher ist, dass sich der Schuss aus der Waffe des Verstorbenen löste, nachdem er diese in Richtung seines Kopfes geführt hatte. Gleichzeitig kann an Hand der Angaben aller Zeugen und auf Grund der Gesamtumstände kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, dass einer der Zeugen an dem festgestellten Vorgang, bei dem der Verstorbene die Waffe in Richtung seines Kopfes führte, beteiligt war.

Der Rechtsstreit ist auch entscheidungsreif, weil es der von der Klägerin für erforderlich erachteten Einholung eines waffentechnischen Sachverständigengutachtens nicht bedarf, um die entscheidungserhebliche Frage, ob eine den Versicherungsschutz ausschließende selbst geschaffene Gefahr vorgelegen hat, entscheiden zu können. Selbst wenn ein solches Gutachten zu dem möglichen oder auch sicheren Ergebnis führen sollte, dass auch ohne Betätigung des Abzugs sich auf Grund der Eigenart bzw. des Zustandes der benutzten Handfeuerwaffe ein Schuss lösen konnte, ist das Verhalten des Verstorbenen als unentschuldbar leichtfertig zu bewerten mit der Folge, dass wegen der hohen Gefährlichkeit des Verhaltens des Verstorbenen der denkbare Versicherungsschutz entfiel.

Eine Handfeuerwaffe, in die ein Magazin mit Patronen eingeführt worden ist, gegen den eigenen Kopf zu richten, ist als äußerst leichtsinniges Verhalten zu kennzeichnen, weil etwa durch Stolpern, (unwillkürliches) Anstoßen durch in der Nähe stehende Personen oder durch einen körperlichen Schwächezustand sich jederzeit ein Schuss lösen kann, wie dies der Geschehensablauf am 29.10.1992 gezeigt hat. Nur wenn der Verstorbene etwa tatsächlich zu Demonstrationszwecken im Bezug auf den Zeugen eine völlig ungefährliche Handfeuerwaffe ohne jegliches Magazin und nachdem er sich von deren Ungefährlichkeit überzeugt hatte, die Waffe gegen seinen Kopf gerichtet hätte, um dem Zeugen D zu zeigen, wie man nie mals eine Waffe handhaben sollte, könnte eine selbst geschaffene Gefahr verneint werden. So war es indessen nicht, denn der Verstorbene hatte zunächst selbst ein mit Patronen gefülltes Magazin in die Waffe eingeführt und diese erst danach in Richtung seines Kopfes bewegt. Für ein solches Verhalten gab es keinerlei Rechtfertigung, es hatte mit der verantwortungsvollen Tätigkeit eines Übungsleiters eines Sportschützenvereins nichts zu tun.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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